Sein oder Totsein (eBook)

Kriminalroman
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
304 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-99865-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Sein oder Totsein -  Jürgen Seibold
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Achtung! Lesen ist gefährlicher, als Sie denken ... Der zweite Fall für Buchhändler Robert Mondrian Nach der Aufklärung des »Schneewittchen-Mordes« hofft Buchhändler Robert Mondrian auf ruhige Stunden, um sich endlich seiner literarischen Passion zu widmen. Doch prompt stellt ein neuer Mord ihn vor ein Rätsel: Auf einer Frauenleiche findet die Kripo einen Zettel mit einem Shakespeare-Sonett. Mondrian wird als Experte hinzugezogen und erkennt, dass die gereimten Zeilen vertauscht wurden. Sieht er Gespenster, oder will der Mörder ihm eine verschlüsselte Botschaft zukommen lassen? Handelt es sich womöglich um jemanden aus seinem früheren Leben bei Deutschlands geheimstem Geheimdienst? Ein Mord, ein mysteriöses Shakespeare-Gedicht und ein Buchhändler in Bedrängnis - nach »Schneewittchen und die sieben Särge« ein neuer packender Fall für Robert Mondrian. »Ein gelungener Auftakt zu einer vielversprechenden neuen Krimireihe. Ein wahrhaft märchenhafter Krimi, der spannend und humorvoll zugleich ist.« Ruhr Nachrichten über »Schneewittchen und die sieben Särge«

Jürgen Seibold, geboren 1960 in Stuttgart, arbeitete als Redakteur und freier Journalist. 1989 veröffentlichte der SPIEGEL-Bestsellerautor seine erste Musikerbiografie. Es folgten weitere Sachbücher, Theaterstücke, Thriller, Komödien und Kriminalromane. Mit seiner Familie lebt Jürgen Seibold im Rems-Murr-Kreis.

Jürgen Seibold, geboren 1960 in Stuttgart, arbeitete als Redakteur und freier Journalist für Tageszeitungen, Zeitschriften und Radiostationen und veröffentlichte 1989 seine erste Musikerbiografie. Es folgten weitere Sachbücher mit einer Gesamtauflage von rund 1,2 Millionen Exemplaren. Außerdem schreibt er Theaterstücke, Thriller und seine erfolgreiche Allgäu-Krimi-Reihe um den Hauptkommissar Eike Hansen. Mit seiner Familie lebt Jürgen Seibold im Rems-Murr-Kreis.

1


Während sich zuletzt eine lässige Bluesnummer zurückhaltend unter die Gespräche gemischt hatte, war nun Gone Dead Train zu hören, sehr gut zu hören, denn Wirt Richie drehte die Anlage ordentlich auf.

»Oje, nach dem nächsten Nazareth-Stück muss ich aber wirklich nach Hause«, sagte Robert Mondrian, und das lag nicht daran, dass er die schottische Hardrockband nicht gemocht hätte. Doch Richie McCafferty, der den Scottish Pub in der Remslinger Altstadt betrieb und wie einige Gründungsmitglieder von Nazareth aus Dunfermline stammte, hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, zu jeder vollen Stunde ein Lied seiner Landsleute zu spielen – und Robert saß nun schon seit drei Nazareth-Songs mit Klaus Neher zusammen. Den Kommissar der hiesigen Kripo hatte er kennengelernt, als Sonja Fischer verdächtigt worden war, einen ihrer Lieferanten mit einem vergifteten Apfel der Sorte »Schöner von Winsley« getötet zu haben. Und seit er der Kripo geholfen hatte, den Fall zu lösen, fachsimpelte Neher gelegentlich mit ihm über Aspekte von aktuellen Fällen – natürlich nur so vage, dass es Datenschutz und Dienstgeheimnis halbwegs zuließen. Diesmal allerdings hatte er angedeutet, dass er Robert etwas zeigen wollte, das am Fundort eines Mordopfers gelegen hatte.

»Es ist natürlich nur ein Foto des Originals«, schränkte Neher ein, als er jetzt endlich zu den letzten Gitarrenakkorden von Nazareth ein Papier entfaltete, vor Robert auf den Tisch legte und glatt strich. »Aber vielleicht können Sie mir sagen, woraus diese Textpassage stammt – oder ob sich das unser Täter selbst ausgedacht hat.«

Das Foto zeigte ein vergilbtes Pergament, das auf einer weißen Tischplatte lag. Die Ränder des Blattes hoben sich vom Tisch ab, als wäre das Pergament einige Zeit aufgerollt gewesen. Mit schwarzer Tinte hatte jemand in sorgfältiger Handschrift vierzehn Zeilen eines Gedichts in altertümlichem Englisch daraufgeschrieben. Robert erkannte, dass es sich um ein Sonett von William Shakespeare handelte – allerdings schienen die Textpassagen völlig durcheinandergewirbelt zu sein. Er wusste nicht auswendig, um welches Sonett es sich handelte, aber ein markanter Vers – ’Tis better to be vile than vile esteem’d – hatte sich ihm ebenso eingeprägt wie ein zweiter: All men are bad, and in their badness reign. Nur, dass er sie auf diesem Pergament nicht am Anfang und am Ende des Gedichts vorfand wie im Original, sondern an anderer Stelle – und obendrein waren die Verse halbiert, und jede Hälfte stand in einer anderen Zeile. Er erläuterte dem Kommissar, welche Unterschiede zum Original ihm auf den ersten Blick aufgefallen waren, und zeigte ihm anhand von zwei Beispielen, wie das auch das Schema der von Shakespeare vorrangig verwendeten Paarreime zerstörte. Neher nickte immer mal wieder, dann runzelte er die Stirn und maulte: »Echt? Shakespeare hat tatsächlich ›blood‹ auf ›good‹ gereimt?«

»Das braucht Sie jetzt nicht zu stören«, tadelte Robert ihn. »Aber vielleicht ist es ein Hinweis für Sie, dass die Zeilen geteilt und die Teile ziemlich wild hin und her geschoben wurden.«

»Und was soll das für ein Hinweis sein?«

»Na ja, ein bisschen Arbeit darf ich Ihnen schon noch übrig lassen, oder?«

Robert lachte und prostete dem anderen zu, aber Neher verzog das Gesicht, als hätte er in eine Zitrone gebissen.

»Sie haben sich mehr erwartet?«, lenkte Robert ein und wurde wieder ernst. »Ich schau mir den Text daheim gern noch etwas genauer an, und ich finde für Sie auch heraus, um welches von Shakespeares Sonetten es sich handelt. Vielleicht hilft Ihnen das ja weiter.«

»Gut, danke.«

»Das Pergament auf dem Foto: Ist das denn alt?«

»Nein, das können Sie so in jedem Schreibwarenladen kaufen. Es ist vor allem für selbst geschriebene Gutscheine beliebt. Auch die verwendete Tinte ist handelsüblich, und zum Schreiben wurde ein Füllfederhalter genommen, der ebenfalls überall erhältlich ist.«

»Lässt die Schrift auf Merkmale des Täters schließen?«

»Unsere Kriminaltechniker sind dran, und die Schriftexperten vom BKA helfen ihnen. Fingerabdrücke wurden nicht auf dem Pergament gefunden, DNA zwar schon, gleich von mehreren Personen – aber solange wir keine Vergleichsproben haben, bringt uns das nicht weiter. Die können vom Täter stammen, aber auch von einer Verkäuferin, die das Pergament ausgepackt, umgeräumt oder über die Ladentheke gereicht hat. In der BKA-Datenbank ergab jedenfalls keine der Proben einen Treffer.«

»Sie sagten, dass das Pergament am Fundort einer Leiche lag. Konkreter können Sie nicht werden?«

Neher räusperte sich und sah sich um. Am Tresen saß ein schlanker Mann mit langen schwarzen Haaren, ein Gitarrist, den Neher vor einiger Zeit mal mit einer hiesigen Soulband auf der Bühne gesehen hatte. Doch der Musiker tippte Textnachrichten auf seinem Smartphone, nippte zwischendurch vom frisch gezapften Bier, das vor ihm stand, und drehte nebenbei seelenruhig Zigaretten. Richie hatte eine Weile Gläser poliert und räumte nun einige Flaschen um, die auf Regalen über und hinter ihm standen. Sonst war außer ihnen beiden niemand im Gastraum. Der Kommissar beugte sich ein wenig nach vorn.

»Eigentlich nicht, aber …«

»Ich weiß das nicht von Ihnen, schon klar.«

»Genau. Sie haben von der Toten gehört, die Samstagfrüh neben der Siechenhauskapelle gefunden wurde, drüben in der Beinsteiner Straße?«

»Ja, eine Frau Ende zwanzig, erstochen, Identität unbekannt – so kam es im Radio, so stand es in der Zeitung. Mein Mitarbeiter raunte noch etwas von seltsamen Umständen, keine Ahnung, woher er das hat. Genaueres wusste er allerdings nicht zu berichten – deshalb habe ich nicht viel darauf gegeben, denn Alfons wittert überall Verschwörungen.«

»Diesmal liegt er gar nicht so falsch, obwohl es mich ärgert, dass er davon Wind bekommen hat, wenn auch nur vage.«

»Wovon?«

Noch ein schneller Blick in die Runde, dann erzählte Kommissar Neher: von der Stichwunde mitten ins Herz, von dem Pergament, das mit einer Sicherheitsnadel am Oberteil des Opfers befestigt war, und von dem Achat, der obenauf lag.

»Ein Achat?«

»Ja, Sie wissen schon. So ein Schmuckstein, den Sie im Internet für fünfundzwanzig Euro das Kilo bekommen, glatt geschliffen und poliert.«

»Ich weiß, was ein Achat ist, nur …«

»Nur was?«

»Ach, nichts. Und warum lag der Stein Ihrer Meinung nach auf dem Pergament?«

»Vielleicht wollte der Täter damit das Pergament beschweren, damit es nicht wegfliegt, und dann hat er oder sie gemerkt, dass ein drei mal vier Zentimeter kleines Steinchen dafür nicht ausreicht – so kam die Sicherheitsnadel ins Spiel.«

Robert sah aus, als wollte er widersprechen, doch nach kurzem Zögern zuckte er nur mit den Schultern.

»So wird es vermutlich gewesen sein«, brummte er. »Wissen Sie immer noch nicht, wer die Tote ist?«

»Doch, wir kennen ihren Namen inzwischen, aber den wollen wir noch nicht rausgeben. Ich will’s mal so ausdrücken: Sie hat prominente Verwandtschaft, und weil sich bisher aus ihrem familiären Umfeld noch kein Motiv für einen Mord ergeben hat, sehen wir derzeit keine Notwendigkeit, mit dem Familiennamen unnötig Staub aufzuwirbeln.«

»Okay …« Robert sah Neher an, ob der vielleicht doch noch mit dem Namen rausrücken wollte, aber der Kommissar schüttelte nur den Kopf. »Ist Ihren Kollegen an der Stichwunde etwas Ungewöhnliches aufgefallen?«

»Warum fragen Sie?«

»Einfach so«, wich Robert aus. »Ich möchte mir halt ein Bild machen, vielleicht ergibt das noch einen zusätzlichen Aspekt, unter dem ich mir das Gedicht genauer anschauen sollte.«

Neher blinzelte und musterte sein Gegenüber. Sein Blick ließ offen, ob er nicht doch vermutete, dass Robert einen konkreten Grund für seine Frage hatte.

»Wenn Sie es so für sich behalten wie alles andere, was ich Ihnen anvertraue, kann ich es Ihnen gern erzählen«, fuhr er schließlich fort. »Der Frau wurde von hinten ins Herz gestochen. Es erfolgte nur ein Stich, und die Tatwaffe verblieb einige Zeit in der Wunde. Vermutlich wollte der Täter oder die Täterin, dass möglichst wenig Blut austritt. Der Fundort war nicht der Tatort. Wo die Frau starb, wissen wir noch nicht. Für den Transport zur Siechenhauskapelle wurde sie wahrscheinlich in eine Plastikfolie eingewickelt, das legen Spuren am Leichnam und am Fundort nahe.«

»Nur ein Stich …«

»Und der ging direkt ins Herz und verletzte keine Rippe.«

»War die Frau irgendwie fixiert?«

»Gefesselt war sie nicht, als sie erstochen wurde, aber es gab ein leichtes Hämatom an der linken Schulter.«

Neher unterbrach sich und schaute Robert erwartungsvoll an. Der tat ihm den Gefallen und zog denselben Schluss wie zuvor wohl auch die Kripo.

»Also dürfte sie von einem Rechtshänder erstochen worden sein, der sie mit der linken Hand an der Schulter packte, um den Stich sauber ausführen zu können.«

»Genau.«

»Und der Täter muss schnell gehandelt haben und hat einen solchen Stich vermutlich nicht zum ersten Mal ausgeführt.«

»Wie kommen Sie darauf?«, fragte Neher, und seinem Grinsen war anzusehen, dass er Spaß an seinem kleinen Test für Robert hatte.

»Wenn Sie jemand an der linken Schulter packen würde, wäre Ihr erster Reflex doch sicher, sich um- oder mindestens wegzudrehen, oder?«

»Vermutlich. Und was wäre Ihr erster Reflex, Herr Mondrian?«

Nun grinste Robert und zuckte mit den Schultern. Der Kommissar musterte ihn.

»Ich komme schon noch dahinter, was Sie vor Ihrer Zeit als Remslinger Buchhändler beruflich gemacht haben.«

»Lieber nicht«, versetzte Robert...

Erscheint lt. Verlag 1.7.2021
Reihe/Serie Lesen auf eigene Gefahr
Lesen auf eigene Gefahr
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Baden-Württemberg • Belletristik Neuerscheinung • Buchhändler • Buchhandlung • Cosy Crime • Dornröschen • Ermittlung • Frances Brody • Geheimdienst • heiterer Krimi • humorvoller Krimi • Jürgen Seibold • Kakadu • Krimi Baden-Württemberg • Krimi Neuerscheinung 2021 • Märchen • Märchenmörder • Remslingen • Robert Mondrian • Schneewittchen und die sieben Särge • Stuttgart • witzig
ISBN-10 3-492-99865-8 / 3492998658
ISBN-13 978-3-492-99865-9 / 9783492998659
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