So blutig die Nacht (eBook)

Thriller

(Autor)

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2020 | 1. Aufl. 2020
Lübbe (Verlag)
978-3-7325-9859-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

So blutig die Nacht - Robert Bryndza
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Vor sechzehn Jahren überlebte die ehrgeizige Polizistin Kate Marshall die Begegnung mit einem Serienkiller nur knapp. Gezeichnet von dem Trauma, schied sie aus dem Polizeidienst aus. Als der Vater eines vor zwanzig Jahren verschwundenen Mädchens sie um Hilfe bittet, wird Kate zurück in die Welt des Mörders gezogen. Gleichzeitig wird die Leiche einer jungen Frau gefunden - sie wurde nach demselben Modus Operandi getötet wie damals. Doch der Nine Elms Killer sitzt noch hinter Gittern ...

KAPITEL 2


»Tut mir leid, dass Sie warten mussten. Der Verkehr …«, erklärte Peter mit einem breiten Lächeln. Er hob einen Stapel Papier vom Beifahrersitz und legte ihn hinter seinen Sitz. Peter war ein gutaussehender Mann Ende dreißig, breitschultrig, mit dichtem, dunklem, gewelltem Haar, hohen Wangenknochen und sanftmütigen braunen Augen. Er trug einen teuren schwarzen Maßanzug.

»Natürlich«, erwiderte Kate und verspürte Erleichterung, als sie ihre Handtasche und die Tüte mit den Lebensmitteln im Fußraum abstellte, bevor sie sich auf den Sitz plumpsen ließ. Kaum hatte sie die Tür geschlossen, fuhr Peter los und schaltete die Sirene wieder ein.

Auf der Beifahrerseite war die Sonnenblende heruntergeklappt. Kate erhaschte einen Blick auf ihr Spiegelbild, als sie die Blende hochklappte. Sie trug weder Make-up, noch war sie aufreizend gekleidet. Kate hatte ihr Aussehen immer für ein wenig schlicht gehalten. Sie war nicht zierlich, besaß markante Züge. Das schulterlange Haar trug sie aus dem Gesicht zurückgebunden und wie beiläufig unter den Kragen des langen Wintermantels gesteckt. Auffallend an ihr waren lediglich die ungewöhnlichen Augen von kräftigem Kornblumenblau mit aus den Pupillen fließenden Einsprengseln eines brünierten Orangetons. Das lag an einer sektoriellen Heterochromie, einem seltenen Befund, bei dem die Augen deutliche Farbunterschiede aufweisen können. Ein weniger dauerhaftes Merkmal ihres Gesichts war eine verschorfte aufgeplatzte Lippe, die sie einem wütenden Betrunkenen verdankte, der sich vor wenigen Tagen der Verhaftung widersetzt hatte. Beim Umgang mit dem Mann hatte sie keinerlei Angst empfunden, und sie schämte sich auch nicht dafür, dass es ihm gelungen war, sie zu schlagen. Das gehörte mit zum Job. Warum also schämte sie sich jetzt so dafür, dass dieser schmierige Geschäftsmann sie angemacht hatte? Immerhin war er derjenige mit der traurigen, ausgeleierten grauen Unterwäsche und dem verkümmerten Stummel von Mannespracht.

»Was war das eben? Mit dem Auto hinter uns?«, erkundigte sich Peter.

»Oh, eines seiner Bremslichter war kaputt«, antwortete Kate. Die Lüge fand sie einfacher. Ihr war zu peinlich, was sich da zugetragen hatte. Kate verdrängte den Mann und seinen blauen Ford aus den Gedanken. »Haben Sie das ganze Team zum Tatort gerufen?«

»Natürlich«, antwortete Peter und sah zu ihr herüber. »Nach unserem Gespräch hatte ich einen Anruf von Assistant Commissioner Anthony Asher. Er hat gesagt, wenn dieser Mord mit Operation Hemlock in Verbindung steht, muss ich es nur sagen, und mir werden alle Ressourcen zur Verfügung gestellt, die ich brauche.«

Er raste im vierten Gang durch einen Kreisverkehr und nahm die Ausfahrt zum Crystal Palace Park. Peter Conway war ein Karrierepolizist, und Kate hegte keinerlei Zweifel, dass die Lösung dieses Falls für ihn zur Beförderung zum Superintendent oder sogar Chief Superintendent führen würde. Peter war auch als jüngster Beamter in der Geschichte der Met Police zum Detective Chief Inspector ernannt worden.

Als die Scheiben anfingen, sich zu beschlagen, regelte er die Heizung höher. Der Kondensationsbogen auf der Windschutzscheibe kräuselte sich und wich zurück. Zwischen einer Gruppe von Reihenhäusern erhaschte Kate einen flüchtigen Blick auf die schillernde Skyline von London. Millionen Lichter zeichneten sich winzig vor dem schwarzen Hintergrund des Himmels ab, Symbole der Wohnungen und Büros von Millionen Menschen. Kate fragte sich, welches der Lichter zum Nine Elms Cannibal gehörte. Was, wenn wir ihn nie finden?, ging ihr durch den Kopf. Die Polizei hat auch Jack the Ripper nie gefunden, und damals war London im Vergleich zu heute winzig.

»Haben sich aus der Datenbank der weißen Vans neue Spuren ergeben?«, fragte sie.

»Wir haben sechs weitere Männer zur Befragung geholt, aber ihre DNA passte nicht zu unserem Mann.«

»Dass er DNA an den Opfern hinterlässt, ist weder Nachlässigkeit noch mangelnde Kontrolle. Es ist eher so, als würde er sein Territorium markieren. Wie ein Hund.«

»Glauben Sie, er will, dass wir ihn fassen?«

»Ja … Nein … Möglich.«

»Er verhält sich, als wäre er unbesiegbar.«

»Er denkt, er wäre unbesiegbar. Aber ihm wird ein Fehler unterlaufen. Ist immer so«, sagte Kate.

Sie bogen zum nördlichen Zugang des Crystal Palace Parks ab. Dort stand bereits ein Polizeiwagen. Der Beamte winkte sie durch. Sie fuhren eine lange gerade, normalerweise Fußgängern vorbehaltene Kiesallee entlang, gesäumt von mächtigen Eichen. Die Bäume verloren Blätter, die mit nassen Klatschlauten auf der Windschutzscheibe landeten und die Scheibenwischer behinderten. In weiter Ferne ragte der riesige Crystal Palace Sendeturm über die Bäume wie eine dünne Version des Eiffelturms. Die Straße beschrieb eine Kurve und endete in einem kleinen Parkplatz neben einer langen, flachen Wiese, die an ein Waldgebiet grenzte. Polizeiabsperrband umgab die gesamte Grasfläche. In der Mitte befand sich eine zweite, kleinere Absperrung um ein weißes, in der Dunkelheit leuchtendes Zelt der Spurensicherung. Neben der zweiten Absperrung parkten der Van der Gerichtsmedizin, vier Streifenwagen und ein großes, weißes Begleitfahrzeug der Polizei.

Wo der Asphalt ans Gras grenzte, flatterte das Band der ersten Absperrung im Wind. Zwei uniformierte Polizeibeamte traten Kate und Peter entgegen – ein Mann mittleren Alters, dessen Bauch über den Gürtel hing, und ein großer, dünner junger Bursche, der noch nach Teenager aussah. Kate und Peter zeigten dem älteren Beamten ihre Ausweise. Seine Lider wirkten durch zu viel lose Haut schwer, und als er von einem Dienstausweis zum anderen blickte, erinnerte er Kate an ein Chamäleon. Er gab die Ausweise zurück und setzte dazu an, das Absperrband hochzuheben, zögerte dann jedoch und schaute hinüber zu dem leuchtenden Zelt.

»In all meinen Dienstjahren hab ich so was noch nie gesehen«, kommentierte er.

»Waren Sie als Erster vor Ort?«, fragte Peter, der ungeduldig darauf wartete, dass der Mann das Absperrband hob, es jedoch nicht selbst tun wollte.

»Ja. PC Stanley Gresham, Sir. Das ist PC Will Stokes«, stellte er seinen jüngeren Kollegen mit einer Handbewegung vor, der plötzlich das Gesicht verzog, sich abwandte und sich über das Absperrband übergab. »Ist sein erster Tag im Dienst«, fügte Gresham kopfschüttelnd hinzu. Kate bedachte den jungen Beamten mit einem mitleidigen Blick, als er würgte und erneut erbrach. Von seinem Mund baumelten dünne Speichelfäden. Peter zog ein sauberes weißes Taschentuch aus seiner Innentasche. Kate dachte, er wollte es dem jungen Beamten anbieten. Stattdessen drückte er es sich selbst auf Mund und Nase.

»Ich will, dass der Fundort abgeriegelt wird. Zu niemandem ein Wort«, ordnete Peter an.

»Natürlich, Sir.«

Peter deutete mit den Fingern auf das Absperrband. Stanley hob es an, und sie duckten sich darunter hindurch. Die Wiese verlief abschüssig zur zweiten Absperrung, wo Detective Cameron Rose und Detective Inspector Marsha Lewis warteten. Cameron war wie Kate Mitte zwanzig. Marsha war älter als sie alle, eine stämmige Frau über fünfzig. Sie trug einen schwarzen Hosenanzug und einen langen schwarzen Mantel. Sie hatte kurzes, silbriges Haar und eine kratzige Raucherstimme.

»Sir«, grüßten beide unisono.

»Wie sieht’s aus, Marsha?«, erkundigte sich Peter.

»Alle Zugänge und Ausgänge des Parks sind abgeriegelt, und ich habe örtliche Beamte als Unterstützung bei der Beweismittelsuche und bei Zeugenbefragungen angefordert. Die Rechtsmedizinerin ist schon da drin und bereit, mit uns zu reden.«

Der große, schlaksige Cameron überragte alle Anwesenden. Er hatte keine Zeit gehabt, sich umzuziehen, und wirkte in Jeans, Turnschuhen und grüner Winterjacke mehr wie ein halbseidener Teenager denn wie ein Ermittler der Polizei. Flüchtig fragte sich Kate, was er gerade gemacht hatte, als er zum Fundort gerufen worden war. Vermutlich war er zusammen mit Marsha eingetroffen.

»Wer ist unsere Rechtsmedizinerin?«, fragte Peter.

»Leodora Graves«, antwortete Marsha.

Die Beleuchtung in dem heißen und stickigen Zelt erwies sich als beinah schmerzhaft grell. Rechtsmedizinerin Leodora Graves, eine kleine, dunkelhäutige Frau mit stechenden grünen Augen, arbeitete mit zwei Assistenten. Eine junge Frau lag mit dem Gesicht nach unten in einer schlammigen Vertiefung der Wiese. Eine durchsichtige, um den Hals fest zugeschnürte Plastiktüte hüllte den Kopf ein. Dreck und Blut verschmierten die von zahlreichen Schnitten und Kratzern überzogene blasse Haut. Die Rückseite der Oberschenkel und das Gesäß wiesen mehrere tiefe Bissspuren auf.

Kate stellte sich neben den Leichnam. Sie schwitzte bereits unter der Kapuze und der Gesichtsmaske ihres dicken, weißen Schutzanzugs, den alle am Tatort tragen mussten. Der Regen prasselte laut auf den dünnen Stoff des Zelts und zwang Leodora, die Stimme zu heben.

»Das Opfer ist in Pose platziert. Es liegt mit dem rechten Arm unter dem Kopf auf der rechten Seite. Der linke Arm ist flach ausgestreckt. Im Kreuz, auf dem Gesäß und an den Oberschenkeln sind insgesamt sechs Bisse zu erkennen.« Sie zeigte auf die tiefsten Verletzungen, wo so viel Fleisch herausgerissen worden war, dass die Wirbelsäule durchschimmerte. Dann bewegte sie sich zum Kopf des Opfers und hob ihn sanft an. Das dünne Seil war dermaßen fest um den Hals geschnürt, dass es tief ins mittlerweile aufgedunsene Fleisch schnitt. »Ihnen wird der spezielle...

Erscheint lt. Verlag 27.11.2020
Reihe/Serie Kate-Marshall-Reihe
Übersetzer Michael Krug
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Original-Titel Nine Elms / 01 Kate Marshall novel
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte 20. - 21. Jahrhundert • Affenfaust • Ashedean • Autofriedhof • Bissspuren • copycat • detective constable • Detektiv • Dozentin • England / Großbritannien • Ex-Polizistin • Fan • Gefängnis • Hochsicherheitstrakt • Jake • Kannibale • Kannibalismus • Kate Marshall • Knoten • Kriminologie • Kriminologin • Küste • Metropolitan Police • modus operandi • Mörder • Mordserie • nachahmer • Nachahmer,Copycat • Nine Elms Cannibal • Peter Conway • Privatermittler • Psychiatrie • Schrottplatz • Serienmorde • Thriller • Tristan Harper • trockene Alkoholikerin • Universität • Verbrecher • verurteilt
ISBN-10 3-7325-9859-4 / 3732598594
ISBN-13 978-3-7325-9859-5 / 9783732598595
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