Täter mit russischem Akzent - Krimi -  Rolf Völkel

Täter mit russischem Akzent - Krimi (eBook)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
228 Seiten
Verlag DeBehr
978-3-95753-802-4 (ISBN)
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Seit dem Mord an einem Polizisten in der Neidschützer Straße, im Zusammenhang mit einem Tankstellenüberfall, ermitteln mehr als zwanzig Beamte. Sie sind sich sicher, der Überfall auf das Geldtransportfahrzeug mit drei Toten sowie die anderen Verbrechen haben nichts miteinander zu tun und wurden von unterschiedlichen Tätern ausgeführt. Nur deren Akzent war identisch. Russisch. Die Spur führt zurück zum Ende des Kalten Kriegs. Für Viktor Patschenko, einen russischen Offizier, bricht eine Welt zusammen, als der Abzug der sowjetischen Truppen verkündet wird. Seiner Helga, der hübschen Krankenschwester aus dem Naumburger Klinikum, muss er Lebewohl sagen. Doch sie ist schwanger. Viktor will nach Deutschland zurückkehren. Egal, auf welchem Wege...

 

Kapitel 2

Sehr langsam bewegen sich die Zeiger der Bahnhofsuhr, die soeben auf fünf Uhr in der Frühe rücken, das sind immer noch dreieinhalb Stunden. Jetzt herrscht hier richtige Betriebsamkeit. Immer mehr Leute kommen mit Bussen oder der historischen Straßenbahn an, um auf die Bahnsteige zu strömen. Fortwährend halten Regionalzüge, wobei sich anschließend eine Flut von Menschen in alle Richtungen ergießt, die alle hier in dieser Stadt arbeiten. Ja, die Deutschen sind wirklich sehr gut ausgebildet, vom Handwerker bis zum Arzt. Das gibt es in Russland nicht, da schraubt jeder an Autos herum und nennt sich Spezialist. Wird Viktor mit seinen Computerkenntnissen eine Arbeitsstelle finden? Hier sind sie doch viel weiter, neue Techniken haben Einzug gehalten, Zweifel kommen auf. Vorausgesetzt mit Helga läuft alles gut, darf ein Mensch trotzdem den Mut nicht verlieren. Endlich steht der Zeiger auf halb neun. Fröstelnd, zudem mit schmerzenden Gelenken, greift ein übermüdeter, ehemaliger russischer Offizier nach seinem Koffer. Es gibt eine Abkürzung neben dem Fußballstadion. Viele Steinstufen geht es steil hinauf. Schon befindet man sich am Ende der Nordstraße im Siedlungsviertel. Die Straße nach links, dann wieder rechts in Richtung Krankenhaus. Kein Vergleich mit seiner sibirischen Heimat. Es kann einen wirklich ein ziemlich mulmiges Gefühl befallen. Tatsächlich existiert der große Baum vor der Haustür noch. Im Klingelschild befindet sich ihr Name, das ist schon mal sehr positiv zu bewerten. Hört Viktor wirklich sein Herz schlagen, er drückt mutig den Knopf, dann erschallt auch gleich ihre Stimme: „Ja, wer hat denn geläutet?“

„Ich bin es, Viktor“, sprudelt es ihm mit bebender Stimme aus der Kehle. Im gleichen Augenblick kreischt es im Lautsprecher, dann ein Poltern, unverhofft wird alles sehr still. Lange Sekunden vergehen, bis der Türöffner summt. Viktor steigt schweren Schrittes langsam die Stufen hinauf. Helga steht im Morgenmantel in der Tür, sie hält beide Hände vor das Gesicht und weint: „Guten Morgen, wie du siehst, habe ich Wort gehalten“, sagt Viktor, mit dem Versuch, in seiner Stimme keinen Vorwurf aufkommen zu lassen, sodass am Ende sogar ein gequältes Lächeln dabei herauskommt: „Ja, aber nach so langer Zeit habe ich nicht mehr mit dir gerechnet“, schluchzt Helga. „Nun ja, versprochen ist versprochen, kann ich vielleicht einmal hereinkommen“, erwidert Viktor. Das scheint Helga für ausgeschlossen zu halten, jetzt verhüllt sie auch ihr Gesicht nicht mehr mit den Händen, sie gestikuliert:

„Das geht wirklich nicht, ich habe Besuch und bin vor einer Stunde gerade von der Nachtschicht nach Hause gekommen“, spricht sie mit ziemlicher Erregung. In solch einer Verfassung hat Viktor diese Frau überhaupt noch nicht erlebt: „Ach, Besuch ist in der Wohnung, vielleicht ein anderer Mann, mit dem du in der Zwischenzeit zusammenlebst“, spricht ein äußerst gedemütigter russischer Offizier, der seine tiefe Enttäuschung kaum zu verbergen vermag: „Ja, nein, das ist nur ein ehemaliger Schulfreund. Warum hast du dich nicht einmal gemeldet, nur am Anfang sind zwei Briefe angekommen, dann nicht mehr“, schluchzt Helga mit kaum verständlichen Worten. Ungläubig schüttelt Viktor den Kopf: „Das kann nicht sein“, spricht er leise, fast verzweifelt. Hier gleich im Treppenhaus zu streiten, dürfte auch nicht die richtige Lösung sein: „Könnten wir, wenn es deine Zeit erlaubt, noch einmal über alles reden. Außerdem würde ich auch sehr gern unser Kind sehen, vielleicht morgen.“ Hoffnungslosigkeit klingt in Viktors Stimme: „Na, wenn du das unbedingt willst, dann komm meinetwegen vierzehn Uhr. Natascha befindet sich jetzt im Kindergarten, mach’s gut“, spricht Helga. Schon war sie verschwunden, die Tür fällt ins Schloss. Ungläubig, zugleich tief verletzt, schüttelt Viktor den Kopf. Nun scheint tatsächlich das eingetreten zu sein, wovor er sich so sehr fürchtete. Zudem er bewusst vermieden hat, über seine Zweifel nachzudenken. Natascha ist wirklich ein sehr schöner Name. Von oben kommen lauthals Leute die Treppe herunter, es wird Zeit, sogleich zu verschwinden.

Oh mein Gott, ohne Geld und Unterkunft, wie soll das jetzt weitergehen. Dennoch, ein russischer Offizier gibt niemals auf. Womöglich ändert Helga ihre Meinung, was, wie es ausschaut, eher unwahrscheinlich sein wird. Viktor läuft durch die Siedlung, seinen Koffer fest im Griff in Richtung Marktplatz. Ein schönes Städtchen dieses Naumburg, mit der Wenzelskirche, dazu dem Dom. Ein Stück weiter, in dem riesigen Gebäude, wo einst ein russischer General seinen Sitz hatte, befindet sich jetzt wieder das Oberlandesgericht. Alles wurde heruntergewirtschaftet hinterlassen und war nun wieder kostenaufwendig restauriert. Fortan meldet sich auch der Hunger, im Koffer befindet sich nur noch etwas Butter, Speck sowie ein wenig Käse. Unbedingt benötigt Viktor ein ganzes Brot, dafür muss er nun seine letzten Groschen opfern. Manchmal sind auch russische Stimmen zu hören, aber vorerst besitzt er keinen Mut, seine Landsleute anzusprechen. Er geht den Lindenring hinunter in Richtung Post. Hier findet sich auch auf einer Bank ein freies Plätzchen, um etwas zwischen die Zähne zu schieben. Natürlich wird es hier laut, bisweilen hektisch. Ein Stück weiter im Stadtpark, von den Naumburgern auch Knochenpark genannt, gibt es böse Erinnerungen. Viktor kennt die Stelle noch sehr genau, wo er den Polizisten L. K. erschießen musste. Warum wollte der sich auch einmischen. Wenn eine einzelne Frau weit nach Mitternacht die Poststraße entlangläuft, sucht sie mit Sicherheit Sex. Er hat sie nur an der Kleidung gegriffen, dazu mit ein wenig Gewalt in den Park geschleift, um ihr das zu geben, was sie braucht. Dabei schreit die blöde Kuh wie am Spieß, zumal dann dieser kleine Wachtmeister auch noch den Helden spielen will. Warum hat sie sich auch so geziert, es soll Frauen geben, die werden bei etwas Gewalt erst richtig scharf. Unmöglich diese deutschen Weiber, zum Glück war der Militärstaatsanwalt auf seiner Seite. Sonst hätte diese Sache ein böses Ende nehmen können.

Unfassbar, wie soll das jetzt weitergehen, ohne Unterkunft und dem wenigen Kleingeld in der Hosentasche. Für die folgende Nacht wird wohl nichts anderes übrig bleiben, als wieder in der Bahnhofshalle auf der Bank zu verbringen. Nur langsam verrinnen die Stunden, jetzt zur Mittagszeit speisen die Leute genüsslich. Wie sehr hatte sich Viktor darauf gefreut, mit Helga kochen zu dürfen. Nur nicht den Mut verlieren, wenn einen einmal das Glück verlässt, sollte man dem ein wenig auf die Sprünge helfen. Das Wetter scheint es schon mal gut zu meinen, die Sonne lacht vom Himmel, als wollte sie sagen, nur nicht Trübsal blasen, irgendwie geht es immer weiter. Dann läuft Viktor ziellos durch die Stadt, jetzt am Abend geht es den Bauernweg hinunter. Vom Markgrafenweg aus, ist das Bahnhofsgebäude schon zu sehen. Wenig später sitzt er wirklich auf der gleichen Bank wie die Nacht zuvor. Hier herrscht noch emsiges Treiben, alle Leute strömen ihrem Zuhause entgegen, sie sind sehr zu beneiden. Bis nach Mitternacht kreischen die Bremsen, der Menschenstrom versiegt endgültig. Tatsächlich war Viktor eingeschlafen, bis er unsanft aus seinen Träumen geweckt wird. Vor ihm stehen zwei breitschultrige Bundespolizisten:

„Guten Abend, den Personalausweis oder den Reisepass, Passport, bitte.“ Oh, mein Gott, auch das noch, denkt sich der Bankschläfer. In seiner Innentasche der Jacke befindet sich das Dokument. Nur keine schnelle Bewegung, der Größere hat schon den Griff an der Waffe. Auffällig langsam zieht Viktor den Pass heraus, um ihn dann dem Ranghöheren, mit drei Sternen auf den Schulterstücken, zu überreichen. Der braucht auch gar nicht lange zu studieren: „Schon wieder ein russischer Staatsbürger, zu welchem Zweck sind sie nach Deutschland eingereist“, fragt dieser. „Entschuldigung, Herr Hauptkommissar, mir ist klar, dass man hier nicht übernachten darf. Aber ich hatte eine Verabredung mit meiner Verlobten, hierauf steht die Adresse, Helga T. Habe sie jedoch nicht angetroffen und besitze kein Geld für ein Hotelzimmer“, antwortet Viktor. Dazu überreicht er dem Bundespolizisten einen Zettel.

„Ja gut, so geht das natürlich nicht, sie können nicht einfach hier in der Bahnhofshalle ein Nachtlager aufschlagen. Wenn das alle Obdachlosen machen, herrscht fortan Chaos, obendrein versinkt der neu renovierte Bahnhof im Müll. Also für diese Nacht werden wir es dulden, doch morgen möchte ich sie hier nicht mehr sehen“, spricht der Polizist in freundlichem Ton. „Ja, selbstverständlich, Herr Hauptkommissar, ich hinterlasse nicht den geringsten Müll. Vielen Dank für das Verständnis, wirklich sehr freundlich von Ihnen“, erwidert Viktor. Erst einmal tief durchatmen, wenigstens war diese Angelegenheit gut ausgegangen. Die beiden Bundespolizisten verabschieden sich, gehen dann nach draußen zu den Bahnsteigen. Ganz sicher haben sie recht, in Russland hätte die Miliz gleich mit einem Knüppel auf ihn eingeschlagen. Wie gut oder schlecht eine Person auf dieser Bahnhofsbank schläft, spürt er am eigenen Leib. Immer wieder schreckt Viktor auf, zum Glück steht der Koffer noch am gleichen Fleck. Wie gern würde er einmal, in einem richtigen Bett, seine Glieder ausstrecken und ordentlich ausschlafen. Vorne, neben der Eingangstür, stehen wieder die schwarz gekleideten Gestalten. Sie blicken auffallend oft zu ihm herüber. Die Bahnhofsuhr scheint diese Nacht ihre Zeiger besonders langsam zu bewegen. Endlich verdrängt die Sonne eine rabenschwarze Nacht. Wenn das alles nicht so aussichtslos wäre, könnte dies ein schöner Tag werden.

Gemächlichen Schrittes geht es in Richtung Innenstadt. Nun war Viktor schon das dritte Mal vom Lindenring zum Salztor...

Erscheint lt. Verlag 8.9.2020
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
ISBN-10 3-95753-802-5 / 3957538025
ISBN-13 978-3-95753-802-4 / 9783957538024
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