Anchor Up To Me -  Sophia Como

Anchor Up To Me (eBook)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
570 Seiten
TWENTYSIX (Verlag)
978-3-7407-7733-3 (ISBN)
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Sommer 1984 Abby ist leblos. So fühlt sie sich jedenfalls im Hause ihres Onkels. Missbraucht, eingesperrt und ihres Bruders beraubt, bricht sie eines Nachts zusammen und stürzt sich in die Tiefen des Ozeans. Dass genau in dieser Nacht Jake - der Sohn des Leuchtturmwärters Saint Marys - seine Nachtschicht antritt, rettet ihr das Leben. Und das nicht nur körperlich. Auch seelisch blüht Abby mit seinen Briefen und Worten langsam wieder auf und lernt es, geliebt zu werden. Doch der Tod scheint mit ihr noch nicht fertig zu sein.

Sophia Como wurde 1996 in der Nähe von Frankfurt am Main geboren. Seither lebt sie in einer Kleinstadt, nahe Frankfurt und Wiesbaden. Die 22-Jährige verbringt neben dem Schreiben viel Zeit mit ihren Hunden oder Pferden, lernte schon im frühen Alter die Instrumente Geige, Gitarre und Klavier und nahm Schauspiel-, Tanz-, und Gesangsunterricht. Im Frühling 2017 veröffentlichte sie ihren Debüt-Liebesroman "Der Klang von Erinnerungen" bei TWENTYSIX, welcher nur wenige Monate später auf der Frankfurter Buchmesse vorgestellt wurde. 1 1/2 Jahre später erschien ihr zweiter Roman "Wie Stimmen im Wind" ebenfalls im TWENTYSIX-Verlag und schaffte es bereits nach einem Monat auf Platz 4 der TWENTYSIX-Bestsellerliste. Zudem wurde "Wie Stimmen im Wind" der Preis TWENTYSIX-Top-Titel für den Monat März 2019 verliehen. Sophiacomo.de Instagram: @Sophiacomo Pinterest: @Sophiacomo Facebook: Sophia Como

I

6. Juli 1984

Abby

Kennt ihr den Geschmack von Blut? Kaltes Eisen.

Für mich besaß Blut jedoch immer mehrere Geschmäcker. Es war salzig, wenn ich meine Tränen nicht unterdrücken konnte, so wie ich es eigentlich sollte, sauer, wenn mir vor Schmerzen Galle den Hals hochstieg, und bitter, wenn sich letztendlich alles zu einem vermengte. Am allermeisten schmeckte es aber nach Angst. Doch nicht diese aufregende, kribbelnde Angst, die man verspürt, wenn man etwas Verbotenes macht oder kurz davor ist, seinen Schwarm zum ersten Mal zu treffen.

Nein, die Angst, die in meinem Leben präsent war, schmeckte grässlich. Sie schmeckte nach der Luft, die mir fortblieb, wenn er mich würgte, sie schmeckte nach dem widerlichen Pelz, der sich in meinem Mund verbreitete, weil mir der Sauerstoff fehlte, und sie schmeckte nach dem süßlichen Speichel, der sich in unseren Mündern zusammentut, wenn wir kurz davor sind, uns zu übergeben.

Die meisten denken, es gibt nichts Schlimmeres als die Todesangst. Diese sei die höchste Art von Furcht. Doch eine Zeitlang machte mir der Tod keine Angst, - ganz im Gegenteil. Es war die Angst zu überleben, die damals schlimmer war. Denn überleben hieß, ich würde all das nochmal durchmachen müssen, immer und immer wieder.

Lebensangst. Wenn das Leben so aussah wie meines, dann war es das, was ich fürchtete.

Bis zu diesem Punkt.

Das kalte Laub kitzelte an meinen Füßen, abgebrochene Äste bohrten sich in meine nackten Sohlen. Ich konnte kaum gerade laufen, blieb immer wieder an einer Wurzel hängen oder taumelte gegen einen großen Baumstamm. Der Boden war uneben und voller Blätter und hinter jedem Baum schienen sich gierige Kreaturen zu verstecken. Doch ich hatte keine Angst vor ihnen. Die Monster der Nacht waren meine Freunde.

In der Ferne hörte ich schon das Rauschen der Wellen. Gott, wie lange ich die frische Meeresbrise nicht mehr eingeatmet hatte, wie lange ich diese Hoffnung auf Glück nicht mehr gespürt hatte. Gleich war es vorbei, gleich war ich endlich bei meinem Bruder.

Obwohl meine Tränen mir die Sicht fast vollkommen versperrten, nahm ich schließlich ein weit entferntes Blinken wahr. Es kam vom Waldrand. Immer wieder erhellte es das Bild vor meinem Auge, immer wieder warf es tiefe Schatten der Baumstämme in den sandigen Boden. Ein Ast schlang sich um mein Bein und zog mich zurück. Ich fiel in das Laub unter mir und schlug mir mein Knie an einem Baumstumpf blutig. Eine Zeitlang verschnaufte ich ausgelaugt, beobachtete das melancholische Leuchten vor mir, das mir zeigte, dass mein Ziel nur noch wenige Schritte entfernt war. Dort war das Ende des Waldes. Dort war einer der großen Klippenvorsprünge, der mich ins Meer beförderte. Und dessen Wellen würden mich direkt in Davids Arme tragen.

Plötzlich stahl sich ein breites Lächeln auf meine Lippen. Wann hatte ich das letzte Mal gelächelt? Erleichtert rappelte ich mich wieder auf und zog mich von Baum zu Baum. Immer näher an das Leuchten, immer näher an die Weite des Meeres. Je weiter ich vortrat, desto klarer wurde mir, wie weit mich meine Orientierungslosigkeit von der Stadt entfernt hatte. Doch das war in Ordnung. Es war perfekt.

Mit dem Moment, in dem ich hinter dem letzten Baum hervortrat, peitschte der Wind des Meeres durch meine Haare. Hier unten war es deutlich kälter und windiger als auf unserem Anwesen hoch oben zwischen den dichten Bäumen. Ich verharrte eine Zeitlang keuchend am Rande des Waldes, ehe ich schließlich Schritt für Schritt den Klippen näherkam. Der Anblick war atemberaubend. Ich konnte das Glück in meinen Adern schon fühlen. Die Freiheit, die wohlige Tragfläche des Meeres. Gleich war es so weit. Gleich würde ich wieder mit David lachen können, mit ihm durch den Wald rennen, verstecken spielen und seine Hand halten können. Er würde mir verzeihen, dass ich mein Versprechen nicht hatte halten können, das wusste ich.

Meine Tränen trockneten in dem kühlen Wind sofort. David trocknete sie. Er nahm jegliche Last von mir und stärkte mich. So wie er es schon immer getan hatte.

Meine Schritte wurden kürzer, je näher ich dem Ende der Klippen kam. Jedes Mal, wenn das Licht aus der Ferne mich umgab, fiel eine weitere Last von mir. Das Leuchten war warm. Es war, als würde es mir den Unterschied zwischen Leben und Tod zeigen. Zwischen der kalten Realität und dem warmen Zusammensein mit meinem Bruder. Ich wusste, dass das Licht etwas Gutes bedeutete. Dort musste ich hin. Dort ins Licht. Dort zur Erlösung. Dort zu dir, David.

Der Morgen davor


Vogelzwitschern.

Es war so ruhig an jenem Freitagmorgen, als ich auf dem Boden des alten Baumhauses am Rande unseres privaten Sees aufwachte. Die Knochen in meinem Rücken knackten in jenem Moment, in dem ich mich aufrappelte. Für meine jungen 17 Jahre fühlte ich mich an solchen Tagen meist wie Ende 50. Es war klar, dass die harten Holzdielen mit der Zeit seine Spuren auf mir hinterlassen würden, so oft, wie ich die Nächte auf ihnen verbrachte. Doch an manchen Tagen ging es nicht anders.

Ich zog die dünne Tagesdecke um meine Schultern und trat auf den kleinen Vorsprung des Baumhauses, an dem die alte Strickleiter befestigt war. Gedankenversunken verharrte ich kurz, ließ den Anblick der feuerroten Morgensonne, die sich im Wasser unseres Sees spiegelte, auf mich wirken. Für einen Moment schloss ich die Augen und atmete die Atmosphäre ein. Es konnte so idyllisch hier sein. Ein paar Möwen zogen ihre Kreise in der Luft, junge Drosseln läuteten den Tag mit ihren Hungerschreien ein und am Ufer putzten smaragdgrüne Enten ihr Gefieder. Die Wasseroberfläche war glasklar. Wie ein Spiegel zeigte sie unsere Welt in einem völlig anderen Licht. Als könnte man einfach eintauchen und auf der anderen Seite wieder hinaussteigen, als würde auf jener Seite alles besser sein. Manchmal wünschte ich, es wäre so einfach.

Ich warf den Blick auf das Anwesen meines Onkels am anderen Ufer. Als Besitzer und Erbe mehrerer Baumwollplantagen konnte er es sich leisten. Dichte Bäume umzingelten unser Grundstück, denn wir lebten am Rande des Waldes und am höchsten Punkt Saint Marys. Auf meiner Seite des Sees wurde das Grundstück zwischen den Bäumen durch einen hohen Zaun markiert, dahinter lag nichts als Wald. Im unteren Esszimmer brannte Licht. Mr. Welsh und die anderen Bediensteten waren schon im vollen Gange, den Tag vorzubereiten. Onkel Hugh hielt sich sicherlich noch in seinem Zimmer auf und übte seine Rede für den diesjährigen Wahlkampf. Es war doch klar, dass er wieder Bürgermeister werden würde, wieso machte er sich also diese Arbeit? Die Menschen liebten ihn seit acht Jahren, seine Kollegen im Stadtrat schätzten ihn, sie sahen nur das, was er ihnen preisgab oder das, was sie sehen wollten.

Ich lehnte mich mit dem Arm gegen die Wand des Baumhauses und seufzte. Sofort durchfuhr meine Schulter ein dumpfer Schmerz und ich zuckte zusammen. Für eine Sekunde hatte ich vergessen, weshalb ich die Nacht mal wieder hier oben verbracht hatte. Mein ganzer Oberarm war blau. Ich kniff die Augen zusammen, presste die Lippen aufeinander und versuchte, den Schmerz fort zu atmen. Mein ganzer Körper bebte eine Zeitlang, überflutet von den Erinnerungen des letzten Abends, von den Erinnerungen meines bisherigen Lebens. Wenn doch nur David hier sein könnte, wenn er das doch nur mit mir gemeinsam durchstehen könnte.

Tränen fluteten meine Sicht. Nicht wegen des Schmerzes, - an den hatte ich mich bereits gewöhnt, - viel mehr wegen den kleinen Worten Hätte und Könnte.

Heute hätte Davids 18. Geburtstag sein können. Heute hätten wir endlich unseren Plan umsetzen und abhauen können. Heute hätte er mich mit sich nehmen und bei sich verstecken können, bis auch ich die Volljährigkeit erreicht hätte.

Doch aus diesen Plänen wurden letztendlich nur noch Worte, nur noch Konjunktive. Träume, die nicht wahr wurden. Ich war nichts ohne ihn und wusste, dass ich auch nicht mehr lange ohne ihn durchhalten würde. Mein Bruder war trotz seiner Krankheit immer der Starke von uns gewesen, er hatte Mut und den Mumm, etwas zu riskieren. Neben ihm fühlte ich mich stark und meinungsvoll. Er respektierte mich, zeigte mir, dass auch meine Worte und Gedanken zählten, dass ich nicht nur irgendein unbedeutendes Mädchen war, das niemand brauchte. Er brauchte mich.

Doch nun war er schon seit fast zwei Jahren fort und auch, wenn ich ihm versprochen hatte, durchzuhalten, starb auch ich mit seiner Abwesenheit Stück für Stück.

Hastig rappelte ich mich auf, begradigte meinen Stand und trocknete meine nassen Wangen. Ich durfte nicht weinen. Ich durfte nie weinen.

Sei nicht so undankbar und hör gefälligst auf, herum zu jammern, hörte ich die Stimme meines Onkels im Inneren.

Und er hatte Recht, oder? Ich musste dankbar dafür sein, ein Dach über dem Kopf und Essen und Trinken zu haben. Ich versuchte es zumindest.

Langsam stieg ich die Strickleiter...

Erscheint lt. Verlag 7.9.2020
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
ISBN-10 3-7407-7733-8 / 3740777338
ISBN-13 978-3-7407-7733-3 / 9783740777333
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