Dorian Hunter 54 - Horror-Serie (eBook)

Der Gast aus dem Totenreich

(Autor)

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2020 | 1. Aufl. 2020
Bastei Entertainment (Verlag)
978-3-7517-0019-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Dorian Hunter 54 - Horror-Serie - Roy Palmer
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Die Kulturredakteurin Claudia Matino befindet sich auf den Spuren des weltberühmten Violinisten Marco Bertini, der vor einem Jahr spurlos von der Bildfläche verschwand. Auslöser war der Selbstmord einer Verehrerin, die sich in seiner Villa das Leben nahm - während sich der Maestro angeblich zusammen mit seiner Frau auf Weltreise befand. Wohin ist Marco Bertini verschwunden? Und spukt es in seinem Haus tatsächlich? Als auf einmal auch Claudia Matino vermisst wird, nimmt sich Dorian Hunter des Falles an ...


1. Kapitel


Sie trat an das Tor in der Mauer. Maestro Marco Bertini stand auf dem großen Kupferschild über dem Klingelknopf. In einem Land, in dem man auf Titel großen Wert legte, mutete der Zusatz keineswegs kurios an; im Gegenteil, gerade eine Persönlichkeit wie der Mann, dem Claudia nun seit fast einem Jahr auf den Fersen saß, schien ohne dieses Attribut entwürdigt zu werden. Maestro Marco Bertini, der große Violinist. Maestro Bertini, der bedeutendste Paganini-Interpret dieser Epoche, ein Virtuose sondergleichen.

Claudia setzte den Daumen auf den Klingelknopf und wartete. Als sich nach einer Minute niemand gemeldet hatte, bewegte sie die Klinke des schmiedeeisernen Tores. Knarrend schwang es auf.

Ihr war nicht gerade wohl zumute, während sie durch den Park schritt.

Ist denn hier keiner?, fragte sie sich. Habe ich mich getäuscht?

Unvermittelt hörte das Käuzchen zu schreien auf. Stille umgab Claudia Matino. Nur ihre Schuhe knirschten leise auf dem Kies des Parkweges. Sie fröstelte unwillkürlich und zupfte nervös an ihrem Mantelkragen. Immer wieder blieb sie stehen und blickte sich um.

Die Villa lag vor ihr, stumm und düster – ein drohend wirkendes Gemäuer.

Claudia dachte zurück an die Bemühungen, die sie angestellt hatte, um den verschwundenen Maestro zu finden. Sie war elf Monate lang kreuz und quer durch die Weltgeschichte gereist; ein paarmal hatte es so ausgesehen, als hätte sie ihn. Dann hatte sich herausgestellt, dass sie einem Schwindel aufgesessen war. Claudia war nach Italien zurückgekehrt, weil sie in London den heißen Tipp bekommen hatte, Bertini sei in Rom. Taxifahrer auf dem Flughafen Fiumicino hatten ihr versichert, ein Mann, auf den die Beschreibung des Maestros passe, habe sich zur Villa bringen lassen.

Claudia war überzeugt, dass der Maestro sich hier versteckt hielt. Vor einem Jahr war er nach einem Skandal spurlos untergetaucht. Sie hatte sich geschworen, ihn zu finden. Ein Stück persönliches Engagement spielte dabei auch mit. Sie hatte nämlich eine Schwäche für den großen Marco Bertini. Unten an der Privatstraße hatte sie sich von einem Taxi absetzen lassen. Sie hatte dem Fahrer ausdrücklich gesagt, dass er nicht zu warten brauchte. Warum? Sie wusste es nicht genau. Sie hatte aus einem spontanen Entschluss heraus gehandelt. Eigentlich bereute sie es jetzt ein wenig, das Taxi fortgeschickt zu haben.

Sie schritt an finsteren Wacholdersträuchern vorüber, an Rhododendron- und Oleanderbüschen, deren Blätter geheimnisvoll raschelten.

Claudia gewahrte den Zierteich. Das Ufer bestand aus römischem Travertin, und in der Mitte erhob sich eine Art Säule, die von einem nackten Knaben gekrönt wurde. Der Knabe hielt einen Fisch, aus dessen Maul ein feiner Wasserstrahl rann.

Claudia trat näher heran. Sie hatte keine Ahnung, warum ausgerechnet der Teich ihre Aufmerksamkeit erregte. Irgendwie handelte sie gegen ihren Willen. Sie beugte sich über die schwarze Wasserfläche. Es ließ sich nicht feststellen, wie tief der Teich war.

Im Wasser gluckste es unheimlich. Claudia zog sich wieder zurück. Der Teich war ihr nicht geheuer.

Dann hörte sie das Geräusch und drehte sich um. Etwas hatte geknackt. Da! Unter dem Dach der Terrasse bewegte sich eine Gestalt. Sie ging in Richtung Villa, gebückt und mit seltsam eckigen Bewegungen. Claudia meinte, den Maestro Bertini erkannt zu haben. Der Statur nach musste er es sein. Sie wollte ihm etwas zurufen. Doch er verschwand bereits im Gebäude.

Claudia spürte, wie ihr Herz schneller schlug. Der Maestro war also hier. Endlich hatte sie ihn aufgestöbert. Wenn sie es geschickt anstellte, konnte sie ihn in der Villa überraschen. Dann durfte er sich nicht mehr zurückziehen; dann musste er sich stellen und auf ihre Fragen antworten.

Sie lief los. Die Aufschläge ihres Trenchcoats flatterten. Leichtfüßig überquerte sie die Terrasse und drang durch die Seitentür, die soeben auch Bertini benutzt hatte, in die Villa ein. Sie musste ein bisschen herumtasten, ehe sie sich zurechtfand. Es war stockdunkel um sie herum, aber sie wusste, dass sie sich in einem Gang oder lang gestreckten Flur befand.

Vorsichtig setzte sie ihren Weg fort. Sie hatte das Ende des Ganges erreicht, als sie die Musik hörte. Claudia erschauerte, doch es war ein wohliges Gefühl, das sie durchlief. Denn was nun die ganze Villa erfüllte, war Geigenmusik – das unvergleichliche Spiel des Maestro. So interpretierte nur einer. Claudia kannte auch das Werk, das Marco Bertini so einzigartig spielte. Es war der Solopart aus dem Konzert für Violine und Orchester in D-Dur, Opus 6, von Niccolò Paganini. Eines der schwierigsten Stücke des legendären Teufelsgeigers. Bertini galt als der derzeit bedeutendste Paganini-Interpret, und nicht selten verglich man ihn auch menschlich mit dem unvergessenen Komponisten.

Claudia folgte den Klängen. Sie fühlte sich erleichtert, fast verzaubert. Durch Flure und Räume gelangte sie in einen wundervoll eingerichteten Salon. Kerzen brannten und verbreiteten ein eigentümliches bläuliches Licht. Ein großes Gemälde oder etwas Ähnliches war durch ein schwarzes Tuch verhangen. Claudia kümmerte sich nicht darum, machte sich keine Gedanken mehr, hatte nur noch Sinn für das berückende Violinspiel. Nur eine Wand trennte sie noch von dem Maestro. Die Verbindungstür stand offen. Claudia Matino sah schon die Bilder an den Wänden; Darstellungen berühmter Komponisten wie Bach, Beethoven, Tschaikowsky, Berlioz und Paganini.

Das Musikzimmer, dachte Claudia.

Sie kannte Hunderte von Berichten und Beschreibungen über das Werk und die Lebensweise des Maestro. So kam es Claudia nicht vor, als würde sie einen fremden Raum betreten; nein, sie fühlte sich eigenartig heimisch und willkommen.

Und dann sah sie ihn. Er saß auf einem schlichten Stuhl und hatte ihr den Rücken zugewandt. Sein Gesicht konnte sie nicht sehen; nur die Hände, diese wunderbaren Hände. Sie hielten die Violine und den Bogen. Die Finger der linken Hand bewegten sich in atemberaubendem Tempo über das schwarze Griffbrett und die Saiten des Instrumentes. Der Maestro war beim Finale des Konzertes angelangt. Es war, als spielte er sich selbst in Ekstase.

Claudia lauschte ergeben. Es war eine Amati, die Violine von Marco Bertini. Nie hatte sie jemand vollendeter auf diesem schwierigen Instrument spielen hören. Die Darbietung endete mit ein paar rasenden Tonfolgen und einem vollen Akkord. Marco Bertini setzte die Violine ab. Die Schlussharmonie schwebte noch im Raum. Sein Atem war zu vernehmen.

Claudia wagte es, ihn anzusprechen. »Maestro ...«

Zuerst war es, als hätte er sie nicht gehört. Dann aber kam Bewegung in seine hagere, gebeugte Gestalt. Im Zeitlupentempo drehte er sich um – und er antwortete ihr.

Aber diese Stimme! Claudia schauderte unwillkürlich. Diese tiefe, seltsam krächzende Stimme sollte dem gutaussehenden Maestro, dem Beau der europäischen Musikszene gehören?

»Geh!«, versetzte er langsam. »Geh, du Närrin! Fort aus diesem Haus! Lauf und drehe dich nicht um, denn noch – noch kannst du dich retten.«

Die Stimme klang so scheußlich, dass Claudia dachte, sie müsste direkt aus einem Grab kommen.

»Aber so hören Sie mich doch an, Maestro!«, sagte sie in flehendem Tonfall. »Sie können mich nicht einfach wegschicken. Ich habe ein Recht darauf, Ihnen gewisse Fragen zu stellen.«

Er drehte sich ganz um. In diesem Augenblick fiel fahles Mondlicht durch die hohen Fenster der Villa, und es vereinigte sich mit dem Lichtschein der Kerzen.

Claudia Matino zog die Hände hoch und ballte sie zu Fäusten. Die Knöchel presste sie gegen den Mund, um den Schrei zu unterdrücken. Ihre Augen weiteten sich vor Entsetzen. Was sie sah, war grauenvoll, aber ihr Blick blieb doch wie in Hypnose auf den Maestro gerichtet.

Dann reagierte sie.

»Nein!« Ihr Schrei gellte durch das Haus. »Nein, es darf nicht sein!«

Höhnisches Gelächter hallte durch den Raum, wurde lauter. Bald schien es aus allen Ecken zu kommen..

Claudia ergriff die Flucht. In panischem Entsetzen lief sie zurück in den Salon. Sie wusste nicht mehr, woher sie gekommen war, aber sie rannte und rannte.

Durch Zufall geriet sie direkt ins Foyer der Villa. Hinter ihr war ein Geheul und Gelächter, als folgten ihr alle Teufel der Hölle.

Sie erreichte die Tür. Mit zitternden Fingern riss sie sie auf, stürmte die marmorne Freitreppe herab und hastete durch den Park. Plötzlich glitt sie aus, fiel. Der helle Trenchcoat färbte sich dunkel, als sie sich auf der feuchten Erde wälzte. Wimmernd kam sie wieder hoch. Ihr rechtes Knie schmerzte. Sie humpelte weiter. Da war es hinter ihr. Es roch nach Moder und Schimmel. Sie schrie, aber etwas legte sich von hinten kalt um ihre Kehle.

Maestro Marco Bertini spielte wie ein Teufel. Seine Haare flogen, aber er kümmerte sich nicht darum. Am Ende des Solos setzte er den Bogen ab, richtete sich auf und strich sich lächelnd über die Frisur. Rauschender Applaus folgte. Jemand rief: »Da Capo!«

Trevor Sullivan betätigte einen Schalter, und das Wiedergabegerät stoppte. Das...

Erscheint lt. Verlag 22.9.2020
Reihe/Serie Dorian Hunter - Horror-Serie
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Horror
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2017 • 2018 • Abenteuer • alfred-bekker • Bastei • Bestseller • Dämon • Dämonenjäger • dan-shocker • Deutsch • eBook • E-Book • eBooks • Extrem • Fortsetzungsroman • Frauen • Geisterjäger • grusel-geschichten • Gruselkabinett • Grusel-Krimi • Grusel-Roman • Horror • Horror-Roman • horrorserie • Horror-Thriller • john Sinclair • Julia-meyer • Kindle • Krimi • Kurzgeschichten • larry-brent • Lovecraft • Macabros • Männer • morland • neue-fälle • Paranomal • professor-zamorra • Professor Zamorra • Psycho • Roman-Heft • Serie • Slasher • sonder-edition • spannend • Splatter • Stephen-King • Terror • Thriller • Tony-Ballard • Top • Zaubermond
ISBN-10 3-7517-0019-6 / 3751700196
ISBN-13 978-3-7517-0019-1 / 9783751700191
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