Ich bekenne (eBook)

Die Autobiografie des Sängers von Judas Priest

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021
528 Seiten
Heyne Verlag
978-3-641-27364-4 (ISBN)

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Ich bekenne - Rob Halford
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Rob Halford ist der legendäre Sänger von Judas Priest, einer der erfolgreichsten Heavy-Metal-Bands aller Zeiten. Über 50 Millionen verkaufte Alben und unzählige Awards sprechen eine klare Sprache. Halfords Geschichte ist darüber hinaus außergewöhnlich. Er war der erste berühmte Sänger, der sich in der Machowelt des Heavy Metal zu seiner Homosexualität bekannte. Jahrzehntelang hatte er seine Neigung geheim gehalten und war darüber depressiv und drogenabhängig geworden. Dies ist sein Bekenntnis.

Rob Halford, geboren 1951 im englischen Birmingham, ist Leadsänger der Heavy-Metal-Band Judas Priest, zu denen er 1972 stieß. Bekannt wurde er für seine Stimmgewalt und Lederoutfits, die zum Erkennungszeichen eines ganzen Genres wurden. Nachdem er der Band Anfang der Neunzigerjahre den Rücken gekehrt hatte, bekannte er sich 1998 zu seiner Homosexualität und ist seither eines der populärsten Sprachrohre der LGBT-Community und setzt sich immer wieder gegen Diskriminierung ein. Halfords Rückkehr zu Judas Priest wurde von den Fans 2003 frenetisch gefeiert. Co-Autor von »Ich bekenne« ist Ian Gittins, der bereits »The Heroin Diaries« von Nikki Sixx zum New-York-Times-Bestseller machte.

1

Speed, bonnie boat …

Am Anfang war die Beechdale-Siedlung.

Und es war gut.

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs bedankte sich das britische Volk bei Winston Churchill, indem es den Premier vor die Tür setzte und eine Labour-Regierung wählte. Im Kampf gegen die Wohnungsnot im Nachkriegs-England machte sich diese Regierung eilig an die Umsetzung eines ehrgeizigen sozialistischen Wohnungsbauprogramms und zog auf Staatskosten Hunderttausende von Häusern hoch.

Unter Premierminister Clement Attlee und Wohnungsbauminister Aneurin Bevan entstanden überall im Land neue Sozialbausiedlungen. Sie ersetzten jene Häuser, die die Bomben des Zweiten Weltkriegs in Schutt und Asche gelegt hatten, und sollten britischen Arbeiterfamilien ein neues Zuhause geben. Die Gipsy-Lane-Siedlung in Walsall, die bald darauf in Beechdale umbenannt wurde, war eins dieser typischen Neubauprojekte.

Fünfzehn Minuten zu Fuß vom Stadtzentrum Walsalls entfernt und sechzehn Kilometer nördlich von Birmingham gelegen, wurde Beechdale Anfang der Fünfziger auf einer Industriebrache aus dem Boden gestampft. In den ersten zwanzig Jahren meines Lebens hat diese Siedlung mich geprägt. Sie war der Mittelpunkt meines Lebens, meiner Hoffnungen, meiner Träume, meiner Ängste, meiner Triumphe und meiner Rückschläge. Dabei wurde ich nicht einmal dort geboren.

Nachdem meine Mom und mein Dad, Joan und Barry Halford, im März 1950 geheiratet hatten, lebten sie bei den Eltern meiner Mom in Birchills, einem Ortsteil von Walsall. Das Haus war winzig. Als Mom mit mir schwanger wurde, zogen sie und mein Dad deshalb zu ihrer Schwester Gladys und deren Mann Jack nach Sutton Coldfield. Das liegt auf halber Strecke nach Birmingham (oder Brum, wie die Stadt im Black Country genannt wird).

Ich kam am 25. August 1951 zur Welt und wurde auf den Namen Robert John Arthur Halford getauft. Der Name Arthur hat in unserer Familie Tradition: Es war der zweite Vorname meines Vaters, und sein Vater hieß ebenfalls Arthur. Der zweite Vorname meines Großvaters war Flavel. Ich bin froh, dass ich den nicht geerbt habe.

Ein Jahr später kam meine Schwester Sue zur Welt, und meine Eltern erhielten den Zuschlag für eine Sozialwohnung in der Lichfield Road in Walsall. 1953 zogen wir dann um nach Beechdale – in die Kelvin Road 38.

Die Reihenhäuschen von Beechdale, Doppelhaushälften aus solidem roten Backstein, waren so einfach, wie man es von einer britischen Sozialbausiedlung erwarten konnte. Aber wie so viele Bauten der Bevan-Ära strahlten sie einen gewissen Idealismus aus. Sie überschritten die gesetzlich festgelegte Mindestgröße und hatten sogar Gärten und Vorgärten.

Die Gemeinde Walsall hatte sich diese Häuser zweifellos mit grünem Rasen und hübschen Blumenbeeten vorgestellt … aber die Realität sah etwas anders aus. In den Nachkriegsjahren waren Lebensmittel noch immer rationiert, also nutzten die Familien von Beechdale ihre Gärten, um Kartoffeln und anderes Gemüse anzupflanzen. Wer vor seine Haustür trat, stand im Grunde in einem Schrebergarten.

Ich habe das Innere des Hauses in der Kelvin Road 38 noch exakt vor Augen. Im Erdgeschoss befanden sich das Wohnzimmer, die Küche und ein kleines Esszimmer. Im ersten Stock lagen das Klo, ein winziges Badezimmer, das Schlafzimmer meiner Eltern, ein Abstellraum sowie das Kinderzimmer, das Sue und ich uns teilten. Ich hatte das Bett am Fenster.

In Beechdale herrschte ein sehr nachbarschaftlicher Geist. Ständig besuchten die Bewohner einander. Manche Leute waren der Meinung, die Siedlung sei ein raues Pflaster, aber das habe ich nicht so erlebt. Mom1 riet mir zwar, mich von gewissen Straßen fernzuhalten. »Egal was du machst, geh da nicht hin!« Aber ich habe dort nie etwas Schlimmeres gesehen, als ein paar rostige, alte Kühlschränke in den Vorgärten.

Wie die meisten Arbeiter im Black Country schuftete auch mein Vater in einem Stahlwerk. Angefangen hatte er als Maschinist bei Helliwells, einer Fabrik, die Flugzeugteile herstellte und deshalb direkt an dem kleinen Flugfeld von Walsall lag, das es schon lange nicht mehr gibt.

Der Job war genau das Richtige für meinen Dad, der immer schon eine Schwäche für Flugzeuge hatte. Er war Reservist der Royal Air Force gewesen, doch als er seinen Wehrdienst leisten musste, wurde er zum Heer geschickt. Den Zweiten Weltkrieg verbrachte er auf der Hochebene von Salisbury.

Dad steckte mich mit seiner Flugzeugbegeisterung an, und wir bauten gemeinsam Airfix-Modelle: »Fliegende Festungen«, Spitfires und Hurricanes. Er nahm mich mit zum Flugfeld, wo wir den Segelfliegern beim Starten zuschauten. Ein paarmal fuhren wir sogar nach London, um uns in Heathrow die Flugzeuge anzusehen. Das war aufregend.

Nach dem Job bei Helliwells fing mein Dad bei einer Stahlrohrfabrik an. Als ein Kollege von ihm kündigte, um eine neue Firma namens Tube Fabs zu gründen, ging Dad mit ihm. Er wechselte von der Werkhalle in den Einkauf. Anstelle der Kartoffeln zierte unseren Vorgarten jetzt ein schnuckeliger kleiner Rasen, über den ein gepflasterter Pfad zur Straße führte. Wir legten uns auch ein Auto zu. Nichts Schickes, nur einen Ford Prefect. Trotzdem war es etwas Besonderes und fühlte sich wie ein gesellschaftlicher Aufstieg an. Ich genoss es, herumkutschiert zu werden, statt den Bus zu nehmen.

Solange Sue und ich Kinder waren, blieb Mom zu Hause, schmiss den Haushalt und putzte täglich. Sie war fest überzeugt, dass Reinlichkeit und Gottesfürchtigkeit Hand in Hand gingen. Bei uns sah es rund um die Uhr aus wie in einem Musterhaus.

Wir heizten mit Kohleöfen, und wenn Jack, ein entfernter Verwandter, die Kohle ins Haus trug, dann passte Mom wie ein Schießhund auf. Einmal sah ich vom Fenster aus zu, wie er den schweren Sack vom Lastwagen hievte, ihn unsere Auffahrt hinauf und am Motorrad meines Vaters vorbei schleppte, bevor er ihn schließlich im Kohleschuppen fallen ließ.

»Mach nicht so viel Staub, Jack«, wies meine Mom ihn zurecht.

»Das ist Kohle, Bab!«, erwiderte Jack lachend. »Was erwartest du?«

Die Zukunft erreichte die Kelvin Road 38 in Gestalt eines Tauchsieders. Um Geld zu sparen, durften wir ihn erst fünfzehn Minuten vor dem Baden einschalten, deshalb saßen wir meistens im lauwarmen Wasser. Manchmal gingen auch alle Lichter aus, weil wir vergessen hatten, genug Geld in den Stromzähler zu werfen.

Mom und Dad legten ihre Pennys in die Zählerbox im Wohnzimmer. Der Kasten war so kalt, dass Mom oft den Wackelpudding hineinstellte, um ihn steif werden zu lassen. Wenn der Ableser kam, um den Zähler zu leeren, blieben meistens fünf oder sechs Pennys über. Wenn wir Glück hatten, steckte Mom Sue und mir einen oder zwei davon zu.

Die Nächte an der Kelvin Road waren so kalt wie Sibirien im Winter. Ich lag unter Decken begraben in meinem Bett und sah zu, wie sich an den Fenstern Eisblumen bildeten. Der Schlafzimmerboden war aus Linoleum. Wenn ich nachts auf die Toilette wollte, musste ich über den eiskalten Boden laufen.

Das Klo war winzig, und wenn man auf dem Pott saß, stieß man mit den Knien an beide Wände. Daddy war starker Raucher und nahm häufig die Zeitung mit aufs Klo, um dort stundenlang vor sich hin zu paffen.

Wenn er hineinging, erinnerte ihn Mom regelmäßig: »He! Denk dran, das Fenster zu öffnen!« Aber im Winter hielt er sich nie daran. Wenn er fertig war, mussten wir fünf Minuten warten, bis sich der Zigarettenqualm verzogen hatte. Genauso wie die anderen Ausdünstungen.

Dad leerte seine Lohntüte an jedem Freitagabend auf dem Tisch des Hauses, und Mom kümmerte sich um die Finanzen. Das Essen war einfach: Fleisch mit Gemüse, Fish and Chips vom Imbisswagen, der jeden Freitag in die Siedlung kam, oder eine leckere regionale Spezialität: Faggots and Peas2  – Fleischbällchen mit Erbsen.

Bald war ich alt genug, um in die Schule zu gehen. An meinem ersten Tag hielt ich auf dem Weg zur Beechdale Infant School verängstigt die Hand meiner Mutter. Weil Teile der Siedlung immer noch Baustelle waren, stapften wir durch den Matsch. Die Schule lag nur zwei Straßen von unserem Haus entfernt, doch es fühlte sich so an, als wären es hundert Kilometer.

Das Grauen, das Grauen! Als wir dort ankamen und Mom mich auf dem Spielplatz umarmte, bevor sie mich mit ihrem drolligen »Tschüss erst mal, Rob!« verabschiedete … da überkam mich die blanke Panik. Hilfe, ich bin verlassen worden! Ich heulte und barmte zum Steinerweichen.

Meine ersten Schultage waren traumatisch – bis sich eine sehr glamouröse Lehrerin meiner annahm. In den Augen eines Fünfjährigen sah sie aus wie ein Filmstar. Ich hing jeden Morgen an ihrem Rockzipfel. Wenn diese Lady hier ist, dann kann die Schule nicht so schlimm sein!

Diese Lehrerin war eine engelsgleiche Erscheinung, eine Lebensretterin und meine gute Fee. Wenn ich mich doch nur an ihren Namen erinnern könnte! Ich habe generell nicht mehr viele Erinnerungen an die Vorschule, abgesehen von denen an meine anfängliche Panik – und an die Qualen, die ich beim Krippenspiel durchlitt.

Als Weihnachten vor der Tür stand, ergatterte ich nämlich eine Rolle als einer der Heiligen Drei Könige. Meinen Text weiß ich immer noch: »Wir haben einen Stern im Osten gesehen!« Wie alle guten Könige musste ich eine Krone tragen. Und genau das war mein Problem.

Diese Krone bestand aus Pappkarton und wurde an der Rückseite von einer Aktenklammer zusammengehalten, die an meinem Hinterkopf schrecklich schmerzte. Kaum hatte mir...

Erscheint lt. Verlag 15.3.2021
Übersetzer Stephan Glietsch, Philip Bradatsch
Sprache deutsch
Original-Titel Confess
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Schlagworte Biografie • Biographien • Birmingham • Coming out • eBooks • Hardrock • Heavy metal • Homosexualität • Identität • Judas Priest • Kunst • Musik • Musikerautobiografie • pride • Rockstar • Sänger
ISBN-10 3-641-27364-1 / 3641273641
ISBN-13 978-3-641-27364-4 / 9783641273644
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