Die blonde Frau stürzte in heller Panik aus ihrem Haus. Sie war fast nackt, trug lediglich knappe Dessous, und sie hatte wirklich einen atemberaubenden Körper. Einen Körper, den sie auch hervorragend zu vermarkten verstand.
Aber nun stolperte sie mit nackten Füßen über die Holzveranda und kreischte wie von Sinnen: »Hilfe! Feuer! Mein Haus brennt!«
Sie hustete, würgte, spuckte. In den Nachbarhäusern ging das Licht an. Es warfast Mitternacht, und die »anständigen« Leute hatten alle schon geschlafen.
»Hilfe!« schrie Lizzy Vaughn aus vollen Lungen. »Helft mir! Feuer! Es brennt!«
Endlich ließen sich die ersten Nachbarn blicken. Sie trugen Pyjamas und Schlafröcke, und ihre Füße steckten in Pantoffeln.
Aus Lizzys Haus quoll häßlicher dunkelgrauer Rauch. Flammen waren noch keine zu sehen. Sie wüteten vorläufig noch im Hintergrund, würden aber rasend schnell um sich greifen und mit beängstigender Gier das ganze Gebäude fressen, wenn man ihnen nicht schnellstens zu Leibe rückte.
Den Häusern in unmittelbarer Umgebung drohte ebenfalls Gefahr. Durch Funkenflug konnten auch sie in Brand geraten, deshalb wurden augenblicklich hektische Löscharbeiten eingeleitet. Den Nachbarn ging es hierbei jedoch ausschließlich darum, ihr eigenes Hab und Gut zu schützen. Denn hätten sie sicher sein können, daß nur Lizzys Haus abbrennen würde, nur ganz wenige hätten einen Finger gerührt, um das Feuer zu löschen, denn die blonde Sexbombe war in dieser Gegend wegen der vielen betuchten Herren, die sie Nacht für Nacht in ihrem Haus'empf ing, nicht besonders beliebt.
Lizzy Vaughn war den meisten Nachbarn - und hier in erster Linie den Ehefrauen - ein Dorn im Auge.
Man wäre den verführerischen Vamp mit dem liederlichen Lebenswandel gerne losgeworden, doch bis zum heutigen Tag hatte es nicht danach ausgesehen, daß Lizzy irgendwann mal von hier fortgehen würde…
Immer mehr Menschen kamen nun aus ihren Häusern - Männer, Frauen und auch Kinder.
Irgend jemand hängte der leicht bekleideten Lizzy Vaughn eine Decke um die Schultern.
Nicht, damit sie nicht fror, sondern um ihre jugendgefährdenden üppigen Formen zu verhüllen.
In Lizzys Haus baute sich ein mächtiger Druck auf. Er stemmte sich gegen die Fensterscheiben und ließ das Glas klirrend zerplatzen.
Der Sauerstoff, der daraufhin ins Haus gelangte, war eine willkommene Nahrung für die tobenden Flammen und ließ sie rasend schnell wachsen.
Züngelnden Ungeheuern gleich sausten sie von einem Raum in den anderen, teilten und vermehrten sich, schossen die Wände hoch und bissen mit glühenden Zähnen in Vorhänge, Teppiche und Polstermöbel.
»O Gott! O mein Gott!« Lizzy war in Tränen aufgelöst. »Mein Haus! Mein schönes Haus!«
Man bildete eine Eimerkette und schüttete Wasser in die Fenster, aus denen lange Feuerzungen leckten, und man setzte auch Feuerlöscher ein. Gartenschläuche wurden ausgerollt, und dünne Wasserfontänen klatschten gegen die schon rauchgeschwärzte Fassade.
Zuwenig. Alles, was getan wurde, war zuwenig.
Mit diesen untauglichen Mitteln ließ sich der wütende Brand nicht löschen.
Aber die Feuerwehr war längst verständigt, und man versuchte bis zu ihrem Eintreffen das Feuer wenigstens einigermaßen unter Kontrolle zu halten.
Lizzy Vaughn war total verstört. Sie weinte, schluchzte und schrie hysterisch.
Jemand trat vor sie hin. »Beruhigen Sie sich, Miss.«
»Mein Haus…! Mein Haus…!«
»Die Feuerwehr ist schon unterwegs! Der erste Löschwagen wird in Kürze eintreff en!«
»Alles verbrennt…!«
»Seien Sie froh, daß Sie in Sicherheit sind!«
»Hey!« rief plötzlich ein anderer Mann. »Die Schlampe war heute nacht doch bestimmt nicht allein!«
Und der Mann, der vor Lizzy stand, fragte eindringlich: »War jemand bei Ihnen, Miss? Ist noch jemand in Ihrem Haus? Ist da noch jemand drin?«
Lizzy sagte nichts.
Der Mann griff nach ihren Schultern und schüttelte sie heftig. »Ist da noch jemand drin?«
Sie weinte, konnte nicht antworten.
Er ohrfeigte sie. »Antworten Sie!« brüllte er sie an. »Hatten Sie jemanden bei sich?«
»Jim O’Brien« kam es dünn über Lizzys bebende Lippen. »Aus… aus Dallas.«
Der Mann, der Lizzy vorhin Schlampe genannt hatte, schrie: »Da ist noch ein Mann im Haus! Wir müssen ihn rausholen!«
»Für den kann keiner mehr was tun«, sagte ein anderer. »Der ist verloren. Den hat das Rauchgas schon längst umgebracht.«
»Verdammt noch mal, wir müssen wenigstens versuchen, ihn zu retten! Wir müssen es wenigstens versuchen!«
Er stürmte los, riß irgend jemandem eine Axt aus den Händen und zertrümmerte mit wuchtigen Schlägen eine Tür. Mit einem kraftvollen Tritt stieß er sie auf - und mit einem Mal war ihm, als hätte er ein Höllenmaul geöffnet, denn aus der Tiefe eines rot glühenden Rachens fauchte ihm ein feuriger Atem entgegen.
Die Hitze war mörderisch. Sie fraß sich in seine Kleider und setzte sie augenblicklich in Brand.
Er warf sich kreischend auf den Boden, wälzte sich hin und her und schlug wild um sich. Weißer Schaum fauchte ihm aus einem Feuerlöscher entgegen und erstickte die lodernden Flammen.
Endlich traf die Feuerwehr ein. Zu spät, um Lizzys Haus noch zu retten. Die Löschmannschaften konnten lediglich verhindern, daß das Feuer auf weitere Gebäude Übergriff…
***
Mr. McKee legte uns Fotos von Jim O ’Brien vor.
Vorher…
Nachher…
Verdammt!
Meine Kopfhaut zog sich schmerzhaft zusammen. Vor dem Brand war O’Brien ein kugelrunder Mann mit rosigen Schweinchenwangen gewesen. Kahler Kopf, abstehende Ohren, buschige Augenbrauen.
Nach dem Brand war er nicht mehr zu erkennen. Das Feuer hatte Gesicht und Körper entsetzlich verwüstet. Der reiche Bankier aus Dallas, Texas, war erstickt und verkohlt. Man hatte ihn nur noch anhand seines Gebisses identifizieren können.
Ich trank einen Schluck Kaffee. Helen, Mr. McKees tüchtige Sekretärin, hatte ihn für uns gekocht. Für gewöhnlich versetzte er mich jedesmal in allerhöchstes Verzücken, doch heute schmeckte er mir nicht. Kein Wunder, wenn man solche Bilder vor sich liegen hat.
»O’Brien war kein unbeschriebenes Blatt«, informierte uns Mr. McKee. »Seine Weste war nicht ganz sauber. Er hatte Verbindungen zur Unterwelt in Dallas. Mit seiner Hilfe lief so manches krumme Geschäft, das den Bossen eine Menge Geld einbrachte, doch in letzter Zeit wollte er nicht mehr so recht nach ihrer Pfeife tanzen.«
»Da haben sie ihn gnadenlos abserviert«, sagte mein Partner und Freund Milo Tucker.
Mr. McKee nickte. »Zunächst wollte man ihn sich mit Drohungen gefügig machen.«
»Weil man die Gans nicht schlachtet, die goldene Eier legt«, sagte ich.
Erneut ein nicken von Mr. McKee. »Als sich die Gans aber beharrlich weigerte, weiterhin solche goldenen Eier zu legen, beschloß man, sich von ihr zu trennen. Und damit O’Brien mit seinem gefährlichen Wissen keinen Schaden anrichten konnte, beförderte man ihn sicherheitshalber ins Jenseits.«
»Weil man sich nur auf das Schweigen eines Toten hundertprozentig verlassen kann«, meinte Milo.
»So sieht es aus, Milo.«
»Weshalb kam O’Brien nach New York?« wollte ich wissen.
»Er traf sich mit einigen Wall-Street-Leuten. Und seinen letzten Abend verbrachte er mit Lizzy Vaughn.« Mr. McKee schob ein Foto von der heißen Braut über seinen Schreibtisch. »Morgen wollte er nach Dallas zurückkehren. Der Flug war bereits gebucht.«
»War diese Lizzy Vaughn eine Freundin von ihm?« fragte Milo.
Mr. McKee lächelte schmal. »Für Geld ist die Lady jedermanns Freundin.«
»Eine Prostituierte also?« fragte Milo.
»So würde sie sich nicht bezeichnen«, erwiderte John D. McKee. Wir saßen ihm in seinem spartanisch eingerichteten Büro gegenüber.
»Wie würde sie sich denn bezeichnen?«
Mr. McKee zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung, Milo. Sie kennt eine Menge Gentlemen aus der sogenannten besseren Gesellschaft. Man lädt sie ein. Man macht sie mit Geschäftsfreunden bekannt, die einem am Herzen liegen und einem sündigen Abenteuer nicht abgeneigt sind. Was weiter passiert - darauf nimmt man keinen Einfluß. Zwei erwachsene Menschen finden einander sympathisch. Sie verlassen die Party, um noch irgendwo etwas zu trinken…«
»Zum Beispiel im Haus der schönen Blondine«, warf ich ein.
Mr. McKee nickte erneut. »Zum Beispiel. Und wenn die beiden miteinander schlafen - wer sollte was dagegen haben?«
»Niemand«, sagte ich. »Solange dabei nicht der eine oder andere Geldschein den Besitzer wechselt.«
»Das läßt sich nicht beweisen.«
»Wovon lebt Lizzy Vaughn?«
»Sie bezieht eine kleine...