Leere Spiegel (eBook)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
175 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-1921-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Leere Spiegel - Reinhard Rohn
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Matthias Brasch, Polizist in Köln, hat schon bessere Tage gesehen, denn von einem auf den anderen Tag wird er von seiner Freundin verlassen. Als er eines Abends nach Hause zurückkehrt, ist Leonie ausgezogen - mit ihrer gesamten Habe. Brasch weiß weder, wo sie ist, noch, warum sie ihn verlassen hat. Erst Wochen später taucht Leonie überraschend wieder in seinem Leben auf - als Hauptzeugin in einem Mordfall. Immer enger gerät sie in den Kreis der Verdächtigen. Brasch soll den Fall abgeben, da er als vorbelastet gilt, aber eine innere Stimme sagt ihm, dass Leonie unschuldig ist. Wider aller Vorschriften spioniert er ihr nach und macht eine furchtbare Entdeckung - Leonie schwebt in Lebensgefahr ... 

Auftakt der großen Köln-Krimi Reihe mit Kommissar Matthias Brasch.



Reinhard Rohn wurde 1959 in Osnabrück geboren und ist Schriftsteller, Übersetzer, Lektor und Verlagsleiter. Seit 1999 ist er auch schriftstellerisch tätig und veröffentlichte seinen Debütroman 'Rote Frauen', der ebenfalls bei Aufbau Digital erhältlich ist.

Die Liebe zu seiner Heimatstadt Köln inspirierte ihn zur seiner spannenden Kriminalroman-Reihe über 'Matthias Brasch'. Reinhard Rohn lebt in Berlin und Köln und geht in seiner Freizeit gerne mit seinen beiden Hunden am Rhein spazieren.

 

2


Der Nebel hatte sich gelichtet. Für einen Moment war der Himmel voller schwarzer Vögel, als Brasch in die kleine Seitenstraße am Volksgarten einbog. Sie schienen in der Luft stillzustehen, so als wüssten sie nicht wohin; als hätten sie sich verirrt und müssten sich beraten. Im nächsten Augenblick aber tauchten sie in einen großen, noch beinahe kahlen Kastanienbaum herab.

Marga Frankh, Klavierlehrerin stand auf dem großen Messingschild.

Brasch verharrte einen Moment und lauschte. Es war kurz nach zehn. Vielleicht saß Frau Marga Frankh am Klavier, spielte sich warm für den Tag und wusste noch nichts von ihrem Unglück. Oder eine Schülerin stolperte verzweifelt über die Tasten, verhunzte die einfachsten Etüden unter dem strengen Blick ihrer Lehrerin. Doch nichts war zu hören. Das Haus war stumm und schien schon einmal auf Verdacht zu trauern.

Als Brasch auf den Klingelknopf drückte, hörte er ganz entfernt eine altmodische Glocke.

Keine Polizeischule bereitete ihre Absolventen auf die ersten dreißig Sekunden vor, die in Zeitlupe abliefen, sobald man den Angehörigen eines Opfers gegenübertrat. Brasch hatte die unterschiedlichsten Reaktionen erlebt. Manchmal reichte schon sein bloßes Erscheinen, sein Zeigen der Polizeimarke, um einen Menschen in die Hölle zu zerren. Manchmal auch blickte er nur in steinerne, tränenlose Gesichter. Aber im Allgemeinen waren Tränen an der Tagesordnung, Tränen, für die er keinen Trost wusste und gegen die er sich nie wappnen konnte.

Brasch drückte noch einmal auf den Klingelknopf, und dann wurde ihm endlich geöffnet. Zögernd und nachdenklich trat er ein. Er suchte noch nach dem ersten Satz für die ersten dreißig Sekunden. Sobald die schwere Haustür hinter ihm ins Schloss gefallen war, umfing ihn völlige Dunkelheit. Vorsichtig tastete er sich durch den Flur, drei Stufen hinauf. Er roch Leonie, bevor er sie sah. Sie stand in der Tür, die sich plötzlich öffnete, ein paar Schritte rechts von ihm. Das wenige Licht, das aus der Wohnung hinter ihr drang, ließ nur ihr schwarzes Haar aufschimmern; ihr Gesicht konnte er nicht erkennen.

»Hallo, Matthias«, sagte sie leise.

Brasch war so überrascht, dass er auf der Stelle erstarrte. Er machte sich ganz still, hörte ihren beiden Worten nach. Es waren kleine zarte Schmetterlinge, die in der Dunkelheit umherflatterten und wieder verschwanden, weil sie Angst vor dem Licht hatten.

Leonie ging einen Schritt auf ihn zu, als müsse sie ihn in die Wohnung lotsen. Brasch versuchte ihr in einer vertrauten Geste über die Schulter zu streichen, doch da drehte sie sich schon ab.

»Ich habe auf dich gewartet«, sagte sie lauter und mit einer Spur Ungeduld in der Stimme. »Marga hat eine Tablette zur Beruhigung genommen und sich hingelegt.«

Brasch lief ihr in die Wohnung nach. Hier roch es nach alten Gardinen und nach fünfzig Jahren Bohnerwachs. Eine Garderobe aus altmodisch gedrehtem Messing hing an der Wand, darunter stand eine kleine Holzbank, die aussah, als hätten auf ihr Hunderte von Klavierschülern wie arme Sünder auf ihren Einsatz gewartet. Dann waren sie im Wohnzimmer angekommen. Ein schwarzer Flügel funkelte majestätisch auf blankem Parkett. Leonie ging zu einem kleinen Sekretär und setzte sich. Sie trug ein schwarzes Samtkleid, das ihr bis zu den Knöcheln reichte. Alles an ihr wirkte leise und geheimnisvoll.

»Was tust du hier?«, fragte Brasch.

Leonie beugte sich vor und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Brasch kannte diese Geste. Ich bin mir nicht ganz sicher, hieß diese Geste, ich will Zeit gewinnen.

»Und woher weißt du von dem Mord an Charlotte Frankh?«

Eine riesige Standuhr auf der anderen Seite des Zimmers tickte lautlos die Sekunden weg.

Leonie bändigte eine andere widerspenstige Haarsträhne. Die zweite Frage war leichter als die erste. »Unser Hausmeister hat es mir gesagt. Heute Morgen an der Schule. Einer eurer Polizisten muss es ihm verraten haben.« Leonie sprach sehr sachlich; wäre das Du nicht gewesen, hätte es wie eine gewöhnliche Aussage geklungen, die sie einem unbekannten Polizisten gegenüber abgab. In einem blitzschnellen Gedanken, der ihm wie eine Rakete am blauen Himmel durch den Kopf fuhr, begriff Brasch, dass sie sich in den letzten sechs Wochen keine Sekunde nach ihm gesehnt hatte.

Vielleicht wurde er deswegen wütend, wegen seinen leeren Nächten, seinen falschen Hoffnungen, weil allein die Erinnerung an ihren Geruch ihn um den Schlaf gebracht hatte.

»Was tust du hier?«, fragte er laut und ruppig. »Was hast du mit dem Mord an dieser Lehrerin zu tun?«

»Leise!« Leonie legte ihren Zeigefinger auf die Lippen und lächelte nachsichtig. »Nichts habe ich mit dem Mord zu tun.« Doch sofort korrigierte sie sich selbst. »Jedenfalls nicht viel.«

Brasch suchte nach einer Möglichkeit, sich zu setzen, aber die beiden einzigen Sessel standen am anderen Ende des weitläufigen Raumes. Da wäre er sich wie auf einer Theaterbühne vorgekommen.

»Du hast Charlotte Frankh gut gekannt?«

»Sie war eine gute Kollegin und wäre vielleicht eine gute Freundin geworden.«

»Und Stocker?« Eine plötzliche Eingebung ließ ihn diese Frage stellen.

»Stocker?« Leonie sprach den Namen voller Nachdenken aus, wie eine Frage, die sie in nachhaltiges Grübeln versetzte. »Stocker ist ein … ein ganz besonderer Mann.«

»Ist jemand gekommen?« Aus dem Nebenzimmer, durch die halb geöffnete Tür, klang eine dünne, schläfrige Stimme.

»Nun hast du sie geweckt.« Leonie sprang auf. Alles in ihren Bewegungen drückte Zorn und Vorwurf aus. Sie eilte zur Tür, doch dann hielt sie abrupt inne und drehte sich um. »Hat Charlotte leiden müssen? Ist sie vergewaltigt worden?«, fragte sie flüsternd.

Brasch breitete hilflos die Hände aus. »Charlotte Frankh ist aus nächster Nähe erschossen worden«, sagte er. »Aber wir haben keine Hinweise gefunden, dass sie vergewaltigt worden ist.«

»Lüge, wenn es sein muss! Sage ihr, dass ihre Tochter nicht gelitten hat. Es würde Marga endgültig das Herz brechen.«

Das Nebenzimmer war sehr klein, kaum mehr als eine Abstellkammer. An der Wand hing ein hölzernes Kruzifix, und darunter lag auf einer schäbigen, abgeschrammten Couch eine grauhaarige, vergrämte Frau, doch dieser Gram war nicht ein paar schreckliche Stunden alt, sondern mindestens ein halbes Leben. Marga Frankh richtete sich mühsam auf. Sie hatte tiefe Schatten unter den Augen, aber sie hatte nicht geweint.

»Sie sind der Polizist, der kommen sollte?«

Brasch nickte.

»Warum ist sie ermordet worden? Können Sie mir das sagen?« Marga Frankh streckte ihre feinen, beinahe alterslosen Klavierspielerhände nach vorne, als wäre da etwas vor ihr, das nur sie sehen konnte und das sie unbedingt ergreifen musste.

»Wir wissen es noch nicht«, erwiderte Brasch, »aber wir werden es herausfinden. Vielleicht können Sie uns dabei helfen?« Der letzte Satz trug ihm einen unfreundlichen Blick Leonies ein.

»Ja!«, rief Marga Frankh. »Ich weiß es. Weil sie Gott versucht hat, deswegen musste sie sterben. Schon als Kind hat meine Tochter Gott versucht. Sie war nicht zu bändigen, hat immer heimliche Dinge getan, statt ihr Leben Gott anzuvertrauen.«

»Aber es muss noch einen anderen Grund geben«, widersprach Brasch sanft. »Hat Ihre Tochter von Schwierigkeiten erzählt? Vielleicht, dass jemand sie bedroht hat?«

»Ach, sind Sie auch so einer, der die Macht Gottes leugnet? Der glaubt, dass es auch ein Leben ohne Gott gibt?« Marga Frankh warf ihren Worten ein höhnisches, stahlhartes Lachen nach, aber dann sank sie wieder zurück und schloss die Augen, als hätte sie dieser Ausbruch über Gebühr angestrengt.

Leonie legte ihr beruhigend die Hand auf den Arm, dann schaute sie Brasch an. In ihren Augen war nur ein kaltes Funkeln. »Vielleicht solltest du morgen wiederkommen, wenn Frau Frankh sich ein wenig erholt hat«, sagte sie. Die Rolle einer fürsorglichen Krankenschwester spielte sie perfekt.

Brasch nickte wieder. »Ich verspreche, dass wir alles tun werden, um den Mörder Ihrer Tochter zu finden«, sagte er. Es war nur ein fades Versprechen, und es brachte Marga Frankh auch nicht dazu, noch einmal die Augen zu öffnen und ihn anzuschauen.

An der Tür zum Flur wartete er auf Leonie. Die Stille in der Wohnung hatte sich bleiern auf ihn herabgesenkt. Kein Laut war zu hören, kein noch so fernes Geräusch drang von der Straße herein. Schulte eine Klavierlehrerin so ihr Gehör, dass sie in einer Wohnung lebte, in der sie jede Diele knarren hören konnte? Leonie kam nicht. Brasch hatte den schwarzen Flügel im Blick, der wie ein schwarzes, stummes Ungeheuer auf dem gebohnerten Parkett hockte. Auf einer Party vor fünf Jahren hatte er sich in Leonie verliebt, als sie sich an das Klavier der Gastgeber gesetzt und auf Zuruf Lieder gespielt hatte. Sie spielte ein wenig ungelenk, manchmal mit kleinen Stolperern, aber ihr Repertoire schien unerschöpflich, und ihr Gesicht hatte, wenn sie mitunter zwischen ihrem Haar aufschaute, geleuchtet vor Glück.

Endlich stand sie in der Tür. Das schwarze Kleid betonte ihre schlanke, hoch gewachsene Gestalt. »Ich muss mich um Marga kümmern«, sagte sie. Nun klang es wie eine halbe Entschuldigung für ihre Schroffheit. »Habe ich es dir nie erzählt …? Marga ist meine alte Klavierlehrerin. Hier …« Ihre Hände strichen mit den Fingerspitzen über den Flügel. »…habe...

Erscheint lt. Verlag 31.8.2020
Reihe/Serie Komissar Brasch ermittelt
Kommissar Brasch ermittelt
Kommissar Brasch ermittelt
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Andreas Franz • Christoph Gottwald • Ermittlungen • Köln • Köln Krimi • Krimi • Kriminalroman • Mord • Polizei • Regionalkrimi • Rheinland • Rheinland Krimi • Roman • Salim Güler • Sören Martens • Tod • Verbrechen
ISBN-10 3-8412-1921-7 / 3841219217
ISBN-13 978-3-8412-1921-3 / 9783841219213
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