Die weisse Sängerin (eBook)

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2020 | 1. Auflage
251 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-1920-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die weisse Sängerin - Reinhard Rohn
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Eines Morgens bemerkt Kommissar Matthias Brasch eine hilflose alte Dame am Straßenrand. Sie kann sich weder an ihren Namen noch an ihren Wohnort erinnern, und so bleibt Brasch nichts anderes übrig, als sie der Obhut des nächsten Polizeireviers zu übergeben. Da sieht er plötzlich einen zerknüllten Zettel in ihren Händen, versehen mit einer Kölner Anschrift. Brasch begibt sich gemeinsam mit ihr zu der angegebenen Adresse - und macht dort eine schauerliche Entdeckung: Durch die Balkontüre des Hauses erblickt er auf einem Stuhl die Leiche eines Mannes, eine Plastiktüte über den Kopf gestülpt. Braschs Ermittlungen ergeben, dass es sich bei dem Toten um Robert Schmoll handelt, den Sohn der alten Dame. Zunächst scheint es, als habe er sich das Leben genommen, doch Brasch will nicht an Selbstmord glauben, und auch Schmolls letzte Geliebte Franziska ist überzeugt, dass Robert ermordet wurde. Als wenig später Braschs Assistentin nur knapp einem Attentat entgeht, ist Brasch klar, dass er in ein Wespennest gestochen hat. Ist es möglich, dass die rätselhafte junge Sängerin, der Brasch kurz vorher begegnet ist, ihre Hände im Spiel hat? Ihre Rolle bleibt Brasch lange Zeit verborgen, doch als er die Zusammenhänge endlich zu erahnen beginnt, sieht es so aus, als müsse er dafür mit seinem Leben bezahlen ...

Der dritte Band der großen Köln-Krimi Reihe mit Kommissar Matthias Brasch.



Reinhard Rohn wurde 1959 in Osnabrück geboren und ist Schriftsteller, Übersetzer, Lektor und Verlagsleiter. Seit 1999 ist er auch schriftstellerisch tätig und veröffentlichte seinen Debütroman 'Rote Frauen', der ebenfalls bei Aufbau Digital erhältlich ist.

Die Liebe zu seiner Heimatstadt Köln inspirierte ihn zur seiner spannenden Kriminalroman-Reihe über 'Matthias Brasch'. Reinhard Rohn lebt in Berlin und Köln und geht in seiner Freizeit gerne mit seinen beiden Hunden am Rhein spazieren.

 

1


Sie sang. »Somewhere over the rainbow«. Irgendwo über dem Regenbogen. Sie bewegte sich gar nicht, stand nur da, leicht vorgebeugt, den Mund nah am Mikrofon, als wäre es eine Kerze, deren zarte Flamme sie hüten und beschützen müsste. Die Musiker, die hinter ihr auf der Bühne ihre Instrumente bearbeiteten, sah man kaum, blasse, unwirkliche Schemen, die sich in den Schatten der Scheinwerfer verloren, aber eigentlich waren die Musiker auch gar nicht wichtig; eigentlich ging es nur um die Sängerin. Einmal, in einer Bewegung, die so anmutig war, dass sie eindeutig in ein anderes Universum gehörte, strich sie sich eine Strähne ihres schneeweißen Haares zurück. Ansonsten waren da nur ihr bleiches Gesicht, ihr schmaler tiefroter Mund und diese helle kristallklare Stimme, die den ganzen Raum erfüllte.

Mehr Wirklichkeit gibt es nicht und wird es nie geben, dachte Brasch.

Die Stimme der Frau warf jeden Zuhörer aus der Bahn, schleuderte ihn in ein unerforschtes Land: Somewhere over the rainbow. Farben waren in ihrer Stimme; nein, ihre Stimme war ein Tor, und wenn man durch dieses Tor hindurchging, hatte man ein Stück von einem riesigen Diamanten vor sich. Schönheit oder ewiges Leben hieß dieser Diamant; man sah ihn fast nie; nur in solchen seltenen Momenten konnte man erahnen, wie riesig und zeitlos er war.

Am Ende, während der letzte Ton noch irgendwo in einer Ecke des Saales verhallte, neigte die Sängerin leicht den Kopf, lächelte verlegen, als wäre nicht ihr Publikum, sondern sie aus einem wunderbaren Traum erwacht.

Brasch beobachtete, wie die Sängerin verschwand. Sie schwebte von der Bühne, zurück in die Dunkelheit, wie ein weißer Engel, der sich eher zufällig in das Scheinwerferlicht verirrt hatte. Frank Mehler, sein Kollege von der Mordkommission, begann neben ihm heftig zu applaudieren. Der ganze Saal schien plötzlich zu toben. Allein Brasch rührte sich nicht. Er hatte noch nie so eine Stimme gehört; schüchtern, zweifelnd, voller Sanftmut, dann wieder voller Kraft und Selbstgewissheit.

»Wer ist diese Frau?«, fragte er Mehler, der ihm die Karte zu diesem Konzert besorgt hatte, doch sein Kollege verstand die Frage in dem ohrenbetäubenden Lärm gar nicht. Er lächelte nur glücklich vor sich hin und applaudierte noch frenetischer.

Zaghaft lächelnd, aber mit geschlossenen Augen kehrte die Sängerin auf die Bühne zurück. Auf magische Weise schien sie ihren Weg zu kennen. Als sie vor ihrem Mikrofon stand, wurde es sofort wieder still. Irgendwo aus dem Nirgendwo hinter ihr erklangen die ersten Takte. Die Musiker trauten sich nun gar nicht mehr aus ihren Schatten heraus. Die Zugabe, das große Finale war allein für ihre Sängerin reserviert. Mit geschlossenen Augen stimmte sie »Fever« an, flüsterte ihre Worte mehr, als dass sie sang. Brasch erkannte plötzlich, was das Besondere an dieser Sängerin war. Es war der Schmerz, ein naiver, beinahe heiterer Schmerz, der all ihre Lieder zusammenhielt. Die Sängerin war dieser Schmerz; und mit jeder Silbe, die sie sang, hauchte sie diesen Schmerz hinaus und machte ein Stück Schönheit aus ihm.

Das Publikum applaudierte noch immer, als das Licht bereits angesprungen war und zwei Männer die Bühne betraten, um die Mikrofonständer und Instrumente abzubauen. Der Traum war zu Ende. Unwiderruflich.

Brasch spürte, wie erschöpft er war. Über zwei Stunden hatte die blonde Sängerin auf der Bühne gestanden, und er hatte sich nicht von der Stelle gerührt, sondern sie nur gebannt angeschaut.

»Großartig«, rief Mehler. »Sie ist einfach großartig, und wenn sie wollte, könnte sie ein echter Star werden.« Er klang ganz gegen seine Gewohnheit wie ein Angeber, als wäre er mit der Sängerin vertraut und würde eine Menge über sie wissen. Abrupt wandte er sich dann ab und schritt auf die Bühne zu.

Brasch zögerte. Wohin ging Mehler? Der Ausgang lag eindeutig in der anderen Richtung, auch die anderen Besucher drängten in den Vorraum, wo sich außerdem die Bar befand.

Mehler winkte ihm zu. »Ich kenne den Bassisten der Band. Wir können vielleicht hinter der Bühne noch etwas trinken, und wenn wir Glück haben, sehen wir die schöne Blonde noch einmal.«

Sie stiegen eine schmale Treppe an der rechten Seite der Bühne hinauf. Einer der beiden Männer, der sich nun an einem Verstärker zu schaffen machte, schaute mit unfreundlicher Miene zu ihnen herüber, aber Mehler ignorierte ihn und schritt an einem Keyboard vorbei auf den dunklen Vorhang im Hintergrund zu. Als er den Vorhang beiseite schob, konnten sie in einen hell erleuchteten Raum blicken, der unmittelbar hinter der Bühne lag. Es sah aus wie in einer heruntergekommenen Cocktailbar. Zerschlissene schwarze Sofas standen neben kleinen Holztischen. An der hinteren Wand hatte man ein üppiges Büfett aufgebaut. Noch verloren sich allerdings nur eine Hand voll Leute im Raum. Von der schneeblonden Sängerin war nichts zu sehen.

Ein Glatzkopf in einem schwarzen T-Shirt mit der leuchtend gelben Aufschrift »Security« trat ihnen in den Weg. »Tut mir Leid, Leute«, sagte er in einem lässigen Tonfall. »Ihr habt euch in der Tür geirrt. Für diese Backstage-Party braucht man eine VIP-Karte.«

»Wir sind eingeladen«, erwiderte Mehler, ohne dem Security-Mann groß Beachtung zu schenken. Suchend blickte er in den Raum. Plötzlich hellte sich seine Miene auf. Anscheinend hatte er seinen Bekannten, den Bassisten, entdeckt.

»Bedauere.« Der Glatzkopf legte einen merklich schärferen Klang in seine Stimme. »Ich habe Anweisung, niemanden ohne eine Einladung hereinzulassen.«

Mehler warf einen kurzen Blick auf die muskulösen, tätowierten Oberarme des Mannes und lächelte ihn an. Ich bin im Training, sagte sein gefährlich mildes Lächeln. Mit so einem Wichtigtuer wie dir werde ich spielend fertig. »Ist schon in Ordnung, dass Sie Ihren Job so ernst nehmen, aber der Bassist der Band hat mich und meinen Freund eingeladen, nach dem Konzert mit ihm zu feiern.«

Brasch wusste, dass Mehler keinen Streit wollte, doch wenn er in einer gewissen Stimmung war, würde er sich nicht von irgendeinem vorlauten Wachmann abweisen lassen.

»Frank«, sagte Brasch besänftigend, »du kannst dein Bier auch vorne an der Bar trinken.«

Mehler nickte, offenbar zum geordneten Rückzug bereit, dann aber beugte der Glatzkopf sich zu ihm vor und packte ihn ziemlich grob und unvermittelt am Kragen seines dunkelroten Hemdes. Brasch ahnte, wie Mehler reagieren würde. Eine halbe Sekunde später verlor der Security-Mann sein Gleichgewicht, als hätte ihn ein Blitz getroffen, und dann stürzte er ziemlich unsanft auf den Rücken. Brasch bemerkte den jähen Schrecken und die Überraschung in dem Gesicht des Glatzkopfs; so sahen Leute aus, die sich für unverwundbar hielten und plötzlich gegen einen scheinbar ungefährlichen Gegner den Kürzeren zogen. Dabei hatte Mehler keine Zaubertricks auf Lager, aber er war sehr athletisch, verstand seine Füße einzusetzen und beherrschte ein paar ansatzlose Schläge.

Hastig sprang die Glatze wieder auf die Beine und machte einen Schritt auf Mehler zu.

»Ich mag es nicht, wenn man mich anfasst«, sagte Mehler. Es klang, als wollte er den lässigen Tonfall des Security-Typen imitieren.

Der Wachmann starrte ihn wütend an. Mit einer schnellen Bewegung hatte er einen Schlagring aus der Tasche gezogen, doch auch damit konnte er Mehler nicht beeindrucken.

Brasch fühlte sich zusehends unbehaglicher. Er sah, dass die anderen Gäste im Raum sich zu ihnen umgewandt hatten und zwei weitere Security-Leute auf sie zumarschierten. Es wurde Zeit, den Rückwärtsgang einzulegen.

Dem ersten Schwinger des Glatzkopfs wich Mehler geschickt aus. Er verteilte einen kurzen Schlag, der spielerisch aussah, als wollte er sich seinen Gegner nur vom Hals halten und ihm keinen wirklichen Schaden zufügen. Vielleicht hat er sich überlegt, dass wir hier als Polizisten keine Schlägerei anzetteln sollten, dachte Brasch. Doch im nächsten Moment hatte der zweite Security-Mann Mehler erreicht und verpasste ihm einen harten Hieb, mit dem er nicht gerechnet hatte. Er ging kurz in die Knie und drehte sich dann überrascht herum. Der zweite Wachmann war ein Walross auf zwei Beinen; er mochte gut und gerne drei Zentner auf die Waage bringen. Mehler stieß ihm seine rechte Faust vor die Brust, kein schlechter Schlag, aber bei weitem nicht kräftig genug, um das Walross in die Flucht zu schlagen. Auch der Glatzkopf mischte sich nun wieder ein, doch diesmal war Mehler auf der Hut. Er verpasste ihm eine krachende Rechte, die den Glatzkopf heftig ins Trudeln brachte, ehe ihm die Knie weich wurden und er tapsig zu Boden fiel.

Brasch begriff, dass er zu lange gezögert hatte. »Wir sind von der Polizei«, sagte er und wollte gerade seinen Ausweis hervorziehen, als er einen Schlag in den Magen kassierte. Der dritte Kerl von der Security, ein braun gebrannter Muskelprotz mit blond gefärbten, kurzen Haaren, interessierte sich keinen Deut dafür, wen er da vor sich hatte. Er holte sofort wieder aus. Brasch riss seine rechte Hand hoch. Er spürte schmerzhaft, wie Knochen auf Knochen traf, dann wich er zurück, aber der Muskelmann setzte ihm sofort nach. Brasch gelang es, seinen Kopf im letzten Augenblick zurückzuziehen. Eine eiserne Faust wischte an ihm vorbei. Mit einer trockenen Rechten versuchte er, den Hünen zurückzudrängen, was ihm auch für ein paar Momente gelang. Er versuchte noch einmal, sich verständlich zu machen. »Es ist alles ein Missverständnis …«

Ein harter Gegenstand, der aus dem Nichts heranflog, traf ihn an...

Erscheint lt. Verlag 31.8.2020
Reihe/Serie Komissar Brasch ermittelt
Kommissar Brasch ermittelt
Kommissar Brasch ermittelt
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Andreas Franz • Christoph Gottwald • Ermittlungen • Köln • Köln Krimi • Krimi • Kriminalroman • Mord • Polizei • Regionalkrimi • Rheinland • Rheinland Krimi • Roman • Salim Güler • Sören Martens • Tod • Verbrechen
ISBN-10 3-8412-1920-9 / 3841219209
ISBN-13 978-3-8412-1920-6 / 9783841219206
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