Der glückliche Tote (eBook)

(Autor)

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2020 | 1. Auflage
256 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-1917-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der glückliche Tote - Reinhard Rohn
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Eines Abends wird im Kölner Domhotel die Leiche eines Mannes entdeckt. Man findet den Toten in seinem Badezimmer auf - ermordet durch einen Schuss ins Genick. Bei dem Opfer handelt es sich um R. A. Kröber, einen weltberühmten Schriftsteller auf dem Gipfel seiner Popularität. Als Brasch die Ermittlungen aufnimmt, stellt er schnell fest, dass in der Familie des Autors nicht alles zum Besten steht: in seinem Sohn Thomas sah Kröber einen erfolglosen Versager und auch seine zweite Frau Madeleine erweist sich als eine undurchschaubare Person, die Brasch einige Rätsel aufgibt. Da kommt dem Kommissar eine Zeugenaussage des Zimmermädchens Theresa zur Hilfe, die zur Tatzeit eine blonde junge Frau in der Nähe von Kröbers Zimmer beobachtet hat. Doch während Brasch dieser Spur noch nachgeht, verschwindet Theresa. Was es damit auf sich hat, findet Brasch durch einen überraschenden Zufall heraus - einen Zufall, der ihn allerdings fast das Leben kostet ...

Der zweite Band der großen Köln-Krimi Reihe mit Kommissar Matthias Brasch.



Reinhard Rohn wurde 1959 in Osnabrück geboren und ist Schriftsteller, Übersetzer, Lektor und Verlagsleiter. Seit 1999 ist er auch schriftstellerisch tätig und veröffentlichte seinen Debütroman 'Rote Frauen', der ebenfalls bei Aufbau Digital erhältlich ist.

Die Liebe zu seiner Heimatstadt Köln inspirierte ihn zur seiner spannenden Kriminalroman-Reihe über 'Matthias Brasch'. Reinhard Rohn lebt in Berlin und Köln und geht in seiner Freizeit gerne mit seinen beiden Hunden am Rhein spazieren.

 

1


Brasch sah sie lächeln. Sie saß ihm schräg gegenüber an einem schmalen Tisch und schaute ihn über ein Buch hinweg an. Er wusste zuerst nicht, ob das Lächelm ihm galt oder ob sie sich über etwas in ihrem Buch amüsiert hatte, doch dann traf ihn ihr Blick, und er verstand, dass sie ihn meinte. Hatte sie ihn schon lange beobachtet, wie er unruhig wartend dasaß? Sie war blond, ihr Haar war so modisch geschnitten, dass ihr immer zwei lange Strähnen ins Gesicht fielen, die sie dann mit einer anmutigen Handbewegung zurückschob. Besonders auffällig waren ihre Augen. Sie waren hellblau, wie das Meer bei strahlendem Sonnenschein oder wie zwei kostbare Diamanten. Vielleicht aber trug sie auch teure Kontaktlinsen. So ein Blau gab es eigentlich gar nicht wirklich, jedenfalls nicht im Gesicht einer Frau.

Außer ihm war sie der einzige Gast im Restaurant, der allein an seinem Tisch saß, aber sie schien sich nicht unwohl zu fühlen, tat auch nicht so, als würde sie auf jemanden warten, wie er es schon oft bei Frauen beobachtet hatte, die allein in einem Lokal oder in einem Kino saßen und denen ihre Einsamkeit so peinlich war, dass sie in jeder Sekunde glaubten, sie verbergen zu müssen.

Als ihn ihr klarer, blauer Blick erneut traf, lächelte Brasch zurück. Er spürte selbst, wie unsicher und zaghaft sein Lächeln wirken musste. Wollte die Frau mit ihm flirten? Wollte sie, dass er seinen Cappuccino nahm und sich zu einer charmanten Plauderei an ihren Tisch setzte? Sie legte ihr Buch beiseite und rührte nachdenklich in ihrem Kaffee. Vor ihr lagen eine Schachtel Zigaretten und ein größerer Notizblock, auf dem sie aber noch nichts notiert hatte.

Brasch schaute auf die Uhr. Es war zwanzig vor acht. Die meisten Tische waren schon besetzt. Für seinen Geschmack war das Restaurant ein wenig zu vornehm und gediegen. Vielleicht hatte Leonie das »Lorenzo« ausgesucht, weil sie hier noch nie gewesen waren. Seit acht Wochen hatte er sie nicht gesehen. Brasch wollte noch immer, dass sie zu ihm zurückkehrte, dass alles so wurde wie früher, aber insgeheim wusste er auch, dass dieser dumpfe Wunsch nicht in Erfüllung gehen würde. Zwei unglückliche Telefonate hatten sie geführt; Leonie war einsilbig gewesen und hatte seine Fragen nach dem, was sie machte, wie sie sich fühlte, nur äußerst unwillig beantwortet. Sie tat nicht viel, war immer noch damit beschäftigt, ihr neues Haus einzurichten, und genoss die Sommerferien, die vor einer Woche begonnen hatten. »Niemand macht mir Vorschriften«, hatte sie am Telefon erklärt, beinahe vorwurfsvoll, als hätte er ihr immer gesagt, was sie tun sollte. Erst von Hedwig, Leonies Schwester, hatte er erfahren, dass sie sich einen Hund angeschafft hatte. Vielleicht war sie einsam und fürchtete sich nachts allein.

Manchmal, aus heiterem Himmel, wenn er morgens allein Kaffee trank oder im Wagen saß, spürte er, dass er noch immer wütend auf sie war; sein Zorn war nicht verflogen, trotz vieler Worte nicht. Warum saß sie in ihrem neuen Haus und er in ihrem alten, das er sich bald nicht mehr würde leisten können?

Die Frau vom Nebentisch schaute ihn wieder an und lächelte. Diesmal lag eine eindeutige Aufforderung in ihrem Lächeln. Als sein Handy klingelte, war Brasch sicher, dass Leonie am Apparat sein würde. Sie kam wieder zu spät und würde ihm ein paar phantasievolle Entschuldigungen präsentieren.

»Hallo«, sagte Pia mit forschender Stimme, als müsste sie erkunden, ob ihr Anruf ungelegen kam. »Ich hoffe, ich störe dich nicht.«

Pia Krull gehörte zu Braschs Kommissariat. In den letzten Wochen war sie ihm wegen ihrer kühlen, unaufdringlichen Art die liebste Kollegin gewesen. Von ihr hatte er auch nie einen dummen Vorschlag gehört, wie er Leonie zurückgewinnen konnte.

»Es gibt Arbeit.« Sie wartete gar nicht darauf, dass Brasch etwas entgegnete. »Im Domhotel ist vor fünfzehn Minuten eine Leiche gefunden worden. R. A. Kröber, der berühmte Schriftsteller, ist tot. Genickschuss. Sieht beinahe wie eine Hinrichtung aus.«

Während er Pia noch zuhörte, erhob Brasch sich schon und legte einen Geldschein auf den Tisch, um seinen Cappuccino zu bezahlen.

»Ich bin in zwei Minuten da«, sagte er und unterbrach die Verbindung.

Als er zur Tür ging, spürte er, dass die blonde Frau ihm mit den Augen folgte. Er schob sein Telefon in die Jacke und drehte sich noch einmal um. Sie schaute ihn an und nickte ihm zu. Wie ein Versprechen war dieser Blick. Wir werden uns wiedersehen, sagte er, und bis dahin wirst du mich nicht vergessen. Brasch hatte plötzlich das Gefühl, dass die Frau keine Deutsche war; vielleicht war sie eine hübsche Amerikanerin auf der Durchreise und spielte ein kleines Verwirrspiel mit ihm.

Er schob die elegante Glastür auf und eilte zum Dom hinauf. Leonie würde ihm Vorwürfe machen, keine Frage. Nichts hasste sie mehr, als versetzt zu werden. Seine Arbeit war der eigentliche Grund, warum sie nicht mehr zusammen waren. Zu spät fiel ihm ein, dass er wenigstens eine Nachricht für sie hätte hinterlassen sollen.

Ein Taxi rauschte an ihm vorbei, in dem er Leonies Silhouette zu erkennen glaubte. Er hob die Hand, doch der Wagen fuhr mit unverminderter Geschwindigkeit weiter. Wahrscheinlich hatte er sich getäuscht. Warum sollte Leonie auch mit einem Taxi vorfahren? Brasch würde einen Kollegen vom Streifendienst bitten, in dem Restaurant Bescheid zu sagen, oder er würde Leonie voller Reue eine Entschuldigung auf ihren Anrufbeantworter sprechen.

Majestätisch reckte sich der Dom in den tiefblauen Himmel, als gehörte diese Sphäre ganz allein ihm; in dieser Höhe hatte sonst niemand etwas zu suchen. Keine andere Kirche, die Brasch kannte, strahlte eine solche Ruhe und Erhabenheit aus. Niemand, nicht eine Million Touristen, die um die halbe Welt nach Köln reisten, um einen Blick in den Dom zu werfen, konnte seiner Würde etwas anhaben. Einmal, ein paar Tage, nachdem Leonie ihn verlassen hatte, war Brasch sogar auf die Idee gekommen, sich abends einschließen zu lassen und die ganze Nacht in der Kathedrale zu verbringen. Wie musste es sein, nur mit einigen Kerzen allein in der weiten, heiligen Dunkelheit zu sitzen? Aber wahrscheinlich passte der Wachdienst genau auf, dass sich niemand im Dom versteckte.

Das Domhotel lag direkt gegenüber. Ein paar Skater glitten vorbei, die Hunde von zwei Punkern stritten sich um einen Plastikball, und auf einem Springbrunnen saß ein Liebespaar reglos im letzten Sonnenlicht. Ein idyllisches Bild an einem ruhigen Freitagabend, nur im Hintergrund, vor dem Eingang zum Hotel, standen zwei Streifenwagen mit eingeschaltetem Blaulicht.

Brasch ärgerte sich über die Nachlässigkeit der Kollegen. Ein eingeschaltetes Blaulicht zog immer die Aufmerksamkeit von neugierigen Passanten auf sich, was die Ermittlung selten beförderte. Keiner der beiden Wagen war abgeschlossen. Brasch beugte sich in den ersten hinein, um das Blaulicht abzustellen. Ein Buch lag auf dem Beifahrersitz. Offensichtlich waren die Kollegen auf einen geruhsamen Abend vorbereitet gewesen. R. A. Kröber, Asiatisches Gold stand in breiten gelben Lettern auf dem Umschlag. Brasch kannte den Roman nicht; wenn er ehrlich war, hatte er auch den Namen R. A. Kröber noch nie gehört, aber den Umschlag kannte er. Die blonde Frau im Restaurant hatte ebenfalls in diesem Buch gelesen.

In der düsteren Hotellobby deutete nichts darauf hin, dass etwas Ungewöhnliches vorgefallen war. Zwei Männer mit schweren Koffern standen vor der Rezeption und füllten einen Anmeldebogen aus. Der Portier, ein älterer, grauhaariger Mann im vornehmen Livree, blickte Brasch freundlich entgegen. Erst als er seinen Ausweis zückte, verschwand seine Freundlichkeit.

»Dritte Etage, das Zimmer am Ende des Flurs«, erklärte er mit rheinischem Zungenschlag und machte ein bekümmertes Gesicht, als müsste er eine ganz eigene Art von Trauer zeigen. »Wir wären Ihnen sehr verbunden, wenn Sie möglichst wenig Aufhebens machen würden.«

Brasch nickte. Dann fuhr er mit dem Fahrstuhl hinauf.

Das Domhotel galt in Köln immer noch als eine gute Adresse, auch wenn es längst nicht mehr zu den modernsten Häusern am Platz zählte. Die Gänge waren dunkel und sehr schmal. Zwei Polizisten in Uniform hatten sich neben dem Fahrstuhl postiert. Sie grüßten Brasch mit ernstem Gesicht, als er an ihnen vorbei zum Ende des Flurs schritt.

Brasch sah die Spuren des Wassers, noch bevor er das Zimmer betreten hatte. Der Teppich hatte sich dunkel verfärbt, feuchte Fußabdrücke waren über den ganzen Raum verteilt. Müller, der Polizeifotograf, stand mitten im Zimmer und schien wahllos Fotos zu schießen. Als er Brasch bemerkte, setzte er die Kamera ab. »Ein Fest für die Spurensicherung«, sagte er ohne jede Regung. »Die Badewanne ist übergelaufen. Nebenan hat es noch schlimmer ausgesehen.«

Durch die geöffnete Tür sah Brasch, dass im Bad zwei Männer damit beschäftigt waren, mit weißen Tüchern, die sie dann in Plastikbeutel fallen ließen, den Boden aufzuwischen. Geschickt bewegten sie sich in ihren weißen Gummischuhen in dem engen Bad. Entweder war das Wasser von selbst abgelaufen, oder sie hatten schon ganze Arbeit geleistet. Die Leiche war noch nicht abtransportiert.

»Fingerabdrücke werden wir hier kaum finden«, erklärte der jüngere der beiden ohne jede Aufregung. »Ich vermute, dass hier mindestens eine halbe Stunde das Wasser gelaufen ist.«

Der Tote lag zusammengekrümmt vor der Badewanne, als wäre ihm kalt, als hätte er sich zum Sterben mitten in der Antarktis auf eine Eisscholle gelegt. Nur die starren,...

Erscheint lt. Verlag 31.8.2020
Reihe/Serie Komissar Brasch ermittelt
Kommissar Brasch ermittelt
Kommissar Brasch ermittelt
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Andreas Franz • Christoph Gottwald • Ermittlungen • Köln • Köln Krimi • Krimi • Kriminalroman • Mord • Polizei • Regionalkrimi • Rheinland • Rheinland Krimi • Roman • Salim Güler • Sören Martens • Tod • Verbrechen
ISBN-10 3-8412-1917-9 / 3841219179
ISBN-13 978-3-8412-1917-6 / 9783841219176
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