Lassiter 2510 (eBook)

Land der Verruchten

(Autor)

eBook Download: EPUB
2020 | 1. Aufl. 2020
64 Seiten
Bastei Entertainment (Verlag)
978-3-7325-9992-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Lassiter 2510 - Jack Slade
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Die russischen Emigranten kamen in Scharen nach Yankton und ließen sich in den verlassenen Häusern der Siedler nieder, die westwärts gezogen waren und dem verregneten Dakota-Territorium den Rücken gekehrt hatten. Sie trafen in Schüben von zehn oder zwanzig Familien ein - und brachten die Krankheit mit sich.
Die Angst vor der Cholera brachte die Bevölkerung gegen die Russen auf. Immerhin war man um Hilfe bemüht. Der Stadtverordnete Baker ging mit guten Beispiel voran. 'Noch einen Ballen!', rief er, auf einer Holzkiste stehend. 'Macht weiter, Leute!'
Die Männer gehorchten murrend. Sie warfen den Russen die verschnürten alten Kleider, die in der Stadt gesammelt worden waren, damit die Russen ihre eigenen verbrennen konnten, vor die Füße. Trotzdem schien der Konflikt unausweichlich ...


Land der Verruchten

Die russischen Emigranten kamen in Scharen nach Yankton und ließen sich in den verlassenen Häusern der Siedler nieder, die westwärts gezogen waren und dem verregneten Dakota-Territorium den Rücken gekehrt hatten. Sie trafen in Schüben von zehn oder zwanzig Familien ein – und brachten die Krankheit mit sich.

Die Angst vor der Cholera brachte die Bevölkerung gegen die Russen auf. Immerhin war man um Hilfe bemüht. Der Stadtverordnete Baker ging mit gutem Beispiel voran. »Noch einen Ballen!«, rief er, auf einer Holzkiste stehend. »Macht weiter, Leute!«

Die Männer gehorchten murrend. Sie warfen den Emigranten die verschnürten alten Kleider, die in der Stadt gesammelt worden waren, damit die Russen ihre eigenen verbrennen konnten, vor die Füße. Trotzdem schien der Konflikt unausweichlich ...

Fast sieben Tagen hielt der Regen inzwischen an und wurde jede Nacht stärker. Er hatte die Straßen ausgespült, die sie herauf von Sioux City genommen hatten, und den grauen amerikanischen Himmel noch trister gemacht. Er hatte Sveta außerdem jegliche Zuversicht genommen.

Die Neunjährige trottete neben dem Wagen ihres Vaters.

Sie trug das schmutzige Kleid aus dem Alkoven jenes Hauses, in dem sie in Sioux City zwei Nächte lang geschlafen hatten. Es hatte Sveta von Anfang an gefallen, vor allem wegen der Rüschen, die es am Ärmel hatte, und wegen der Blumenstickerei unten am Saum.

Die Hausherrin hatte es dem Mädchen lächelnd überlassen.

Die Amerikaner waren gar nicht so hundsgemein, wie Svetas Vaters häufig von ihnen sprach. Sie hatten den Familien Teller voller Essen gebracht, damit niemand kochen musste, und hatten allen ein Dach über dem Kopf verschafft. Sie hatten sich um die russischen Ankömmlinge gekümmert, als wären es Leute von ihnen.

»Sveta!«, rief Svetas Vater und hustete röchelnd. Er hatte die Seuche seit vergangener Nacht. »Mein liebes Kind, was treibst du da hinten! Bleib bei uns und trödle nicht herum!«

Das Mädchen schloss zu ihren Eltern auf, die erschöpft und kraftlos neben den beiden Zossen am Fuhrwerk liefen. Die Mutter hatte darauf bestanden, dass sie die Pferde behielten, obgleich sie wenigstens eines davon in Sioux City mit Gewinn hätten verkaufen können.

Yankton sollte die neue Heimat heißen.

Sie wollten sich in den Russian Lands niederlassen, jenem Streifen Land, in dem bereits viele Russen vor ihnen ein Zuhause gefunden hatten. Selbst in der Fremde wollten sie unter seinesgleichen bleiben, ob sie von der Krim oder aus Odessa kamen. Über zweitausend Russen wären bereits im Dakota-Territorium, hatte Svetas Vater kürzlich zum Besten gegeben.

»Sveta!«, erschallte erneut Vaters scharfer Ruf. Er war für Svetas Ohren so vertraut, dass er dem Mädchen keine Furcht mehr einjagte. »Trödelst du immer noch? Du sollst bei uns bleiben! Nimm dir ein Beispiel an deiner Mutter!«

Schuldbewusst sah Sveta zu ihrer Mutter Sophia, die nur gutmütig den Kopf schüttelte, was so viel bedeuten sollte, als dass sie sich um die Launen des Vaters keine Sorgen machen sollte. Flink schlüpfte Sveta unter dem träge dahinzuckelnden Planwagen hindurch und rannte ein Stück voraus. Als sie sich umwandte, sah sie den schier endlos langen Treck der Siedlergespanne.

Dann schrie Svetas Mutter auf.

Sie ließ den Korb mit den Eiern darin fallen, den sie aus der Feldküche genommen hatte, und erklomm in Windeseile den Kutschbock. Sie rief den Namen von Svetas Vater, der auf der anderen Wagenseite hustete und kräftig ausspuckte. Er beruhigte seine Frau, doch Sveta spürte, dass ihm dabei nicht einerlei war.

»Sveta!«, schrie die Mutter und wedelte mit dem Arm. »Bring die Stricktücher vom Wagen! Beeil dich! Bring sie her und halte die Pferde an!«

Von den anderen Planwagen kamen mürrische Rufe, als das Gespann der Familie anhielt und sich die Speichenräder knietief in den Schlamm gruben. Die Stricktücher lagen zusammengefaltet auf den Krautfässern, die Svetas Vater mit dem alten Schlepptau festgebunden hatte. Sie sprangen Sveta fast von den Händen, als sie einen Satz hinunter von der Kutsche machte.

»Wo bleibst du denn?«, herrschte die Mutter ihre Tochter an und riss ihr eines der Tücher aus der Hand. Sie presste es ihrem Mann auf den speichelnassen Mund und hantierte mit einer Flasche Essigsirup. »Geh mir aus dem Weg! Mach Platz!«

Die Arme ihres Vaters waren steif wie ein Knochen, stellte Sveta fest und schrak zurück. Sie wollte ihrem Vater den Arm halten, wie er es bei ihr auf dem Schiff getan hatte, nachdem sie sich an der Reling gestoßen hatte. Die Atlantic Star war damals vier oder fünf Seemeilen vor New York gewesen.

»Lass... das Kind!«, presste Svetas Vater hervor und klammerte sich mit seiner verkrampften rechten Hand am Planwagen fest. Er verzog den Mund zu einem gequälten Lächeln. »Hast du Angst, Sveta? Du musst keine Angst haben. Es ist... es ist nur eine Krankheit.«

Die Krankheit hatte letzte Woche Dutzenden Männern das Leben gekostet. Sie hatte sie bei der Notdurft erwischt, und manchmal hatte es nach Schweiß und Kot dabei gerochen, dass Sveta übel geworden war. Sie hatte sich von den Zelten der anderen Familien ferngehalten, wie es ihr die Mutter geraten hatte.

»Schweig still!«, kreischte Svetas Mutter nun fast und stützte ihren Mann. Sie träufelte etwas vom Essig in das Tuch und hielt es ihm unter die Nase. »Ruhig, mein Lieber! Atme es sein! Ganz in Ruhe!«

»Nimm den verfluchten Dreck weg!«, schrie Svetas Vater und ließ einige russische Schimpfwörter folgen, die in keinem Schulbuch zu finden waren. »Du rettest mich nicht mehr... Es geht zu Ende, Sophiechen! Du musst dich um das Mädchen kümmern!« Er hustete und wurde am ganzen Leib von einem Krampf geschüttelt. »Sorg dich... um Sveta!«

In der nächsten Sekunde floss ein Schwall durchsichtigen Bluts über seine Lippen und tropfte aufs Hemd hinunter. Die Mutter eilte an Sveta vorbei, um das Essigwasser zu holen. Sie hatten es in Sioux City besorgt, und der Apotheker hatte behauptet, dass sich damit alles heilen ließ.

Der Mann hatte offenkundig gelogen.

Das Essigwasser kam zu spät für Svetas Vater, der sich am Wagenrad festhielt und mit den Krämpfen rang. Er bedeutete Sveta mit der rechten Hand, dass sie fernbleiben sollte, brach zusammen und rutschte in die schlammige Erde hinunter. Der Regen wusch ihm das Blut vom Kinn und überzog seine Haut mit Glas.

Eine Minute darauf war der Vater tot.

Er saß mit halb geschlossenen Augen vor Sveta, als wollte er sein Mittagsschläfchen machen. Seine Hände lagen leblos in der nassen Erde. An sie würde Sveta noch Jahre darauf denken, sobald ihre Gedanken zu diesem Tag zurückkehrten.

»Mutter!«, rief Sveta aus voller Kehle. »Mutter!«

Die Bordelle von Sioux City genossen einen exzellenten Ruf, der zuvörderst einem Häufchen Louisianerinnen zu verdanken war. Die Frauen waren vor einigen Jahren mit einem Sonderzug der Sioux City & Pacific Railroad in die Stadt gelangt und hatten der Eisenbahngesellschaft auf einen Schlag zwanzig Morgen Land abgekauft. Die Railroad-Magnaten hatten unterzeichnet, ehe sie begriffen hatten, worum es dem »Weiberhaufen« eigentlich ging.

»Zwanzig Takte für die Liebe!«, schrie Dany Walker und warf den Cancan-Rock in die Höhe. Sie stolzierte über die breite Bühne, die der ganze Stolz des Hilarious Hotel war und jeden Abend mit einer Revue aufwarten konnte. »Zwanzig Takte für die Lust!«

Die Männer auf den Zuschauerrängen warfen die Hände in die Luft und jubelten so laut, dass keiner von ihnen das eigene Wort verstand. Sie grölten Danys Spitznamen – Miss Walker-Walker – und schmetterten die leeren Whiskeygläser auf den Tisch. Das Piano setzte zu einer Polka an und ging im Gebrüll der Menge unter.

Der breitschultrige Fremde am Tresen griff nach seinem Scotch.

Er leerte das Pint bis auf den letzten Tropfen, starrte auf das Telegramm in seiner Hand und faltete den Papierbogen säuberlich zusammen. Die Telegraphengesellschaft hatte ihm einen Eilkurier geschickt, so dringlich war die Botschaft eingestuft worden. Sie stammte aus dem Hauptquartier in Washington und war vom Justizminister unterzeichnet worden.

Die beiden Zeilen auf den Bogen fielen spärlich aus.

Sie setzten Lassiter lediglich darüber in Kenntnis, dass man ihn in Sioux City erwartete und den hiesigen Mittelsmann Doc J. B. Van Velson benachrichtigt habe. Von ihm würde der Mann der Brigade Sieben alles Nötige für seinen Auftrag erfahren.

Unter Applaus brachte Dany Walker ihren Auftritt zu Ende.

Sie eilte mit verschwitztem Haar von der Bühne, steckte die widerspenstigen schwarzen Strähnen zu einem Dutt zusammen und kämpfte sich unter dem Balzgehabe der Männer einen Weg zu Lassiter frei. Als sie die vollbesetzten Tische hinter sich gelassen hatte, setzte sie ein verführerisches Lächeln auf und steuerte die Bar an.

»Miss Walker-Walker«, begrüßte...

Erscheint lt. Verlag 25.8.2020
Reihe/Serie Lassiter
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2017 • 2018 • Abenteuer-Roman • Abenteurer • alfred-bekker • Bestseller • bud-spencer • buffalo-bill • Cassidy • Chaco • clint-eastwood • Country • Cowboy • Deutsch • e Book • eBook • E-Book • e books • eBooks • erotisch • Erwachsene • erwachsene Romantik • Exklusiv • für • g-f • GF • g f barner • g f unger • Indianer • jack-slade • Karl May • kelter-verlag • Kindle • Klassiker • Krimi • Laredo • larry-lash • lucky-luke • Männer • martin-wachter • Nackt • pete-hackett • peter-dubina • Reihe • Ringo • Roman-Heft • Serie • Sexy • sonder-edition • Unger • Western • Western-Erotik • Western-roman • Westernromane • Wilder Westen • Wilder-Westen • Winnetou • Wyatt Earp • Wyatt-Earp
ISBN-10 3-7325-9992-2 / 3732599922
ISBN-13 978-3-7325-9992-9 / 9783732599929
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