Reich und tot (eBook)

(Autor)

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2020 | 1. Auflage
350 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-2508-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Reich und tot - Iain McDowall
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Eigentlich wollte er nur ein Einschreiben abliefern, aber dann macht der Postboten einen grausige Fund: in der Einfahrt liegt die Leiche von Jenny Mortimer. Hat ihr Ehemann sie umgebracht? Beim Sommerfest am Abend zuvor hatte der reiche Tyrann auf einer Party heftig mit seiner jungen Frau gestritten, sie an den Haaren zum Wagen geschleift und war mit heulendem Motor von dannen gebraust. Doch aus Mangel an Beweisen muss Detective Chief Inspector Jacobson ihn wieder freilassen. Am nächsten Morgen liegt Mortimers Leiche an seinem Pool - und neben ihm ein Elektroschocker ...



Iain McDowall, in Kilmarnock, Schottland, geboren, war Universitätsdozent für Philosophie und Computerfachmann, ehe er als Autor von Kriminalromanen bekannt wurde. Heute lebt er in Worcester, England, wo sich auch die fiktive Stadt Crowby befindet, in der seine Kriminalromane allesamt spielen.

1


Die Sommerhitze flirrte über den Bürgersteigen und den glühend heißen Autodächern. Die Leute schienen sich bei diesen Temperaturen wie in Zeitlupe zu bewegen. Chief Inspector Jacobson hockte in seinem Büro oben im fünften Stock des Präsidiums und fühlte sich zu müde zum Arbeiten. Die Hitze blockierte seine Gedanken. Kurz blitzte das Innere der Banque Populaire in Avignon vor ihm auf, die angenehme Kühle, der Kassierer im weißen Hemd, mit gelockertem Kragen, effizient, sachlich. Bis das Präsidium in Crowby mit einer Klimaanlage ausgestattet war, würde die Erderwärmung wahrscheinlich längst wieder der Vergangenheit angehören.

Er wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn. Dem Schweiß war nicht beizukommen. Seine Laune sank noch ein Stück mehr, als er die unberührten Papierstapel auf dem Schreibtisch vor sich sah. Sein Urlaub war kaum eine Woche her und kam ihm doch schon vor wie einer jener plastischen Träume, die sofort nach dem Aufwachen verblassen. Er sah auf die Uhr. Halb zwei. Bis zu Chief Superintendent Chivers’ »operativer Besprechung« war es noch eine halbe Stunde. Zeit, um sich mit den Überstundenabrechnungen zu beschäftigen, die längst bearbeitet sein sollten – oder für einen schnellen Abstecher in den »Brewer’s Rest«. Die Entscheidung fiel ihm nicht schwer: Jacobson drehte sich mit seinem Stuhl und reckte sich. Dann nahm er seinen Pager vom Schreibtisch, schaltete ihn ein und steckte ihn in die Hemdtasche.

Leise schloss er die Bürotür hinter sich und steuerte zielstrebig die Hintertreppe an, den bevorzugten Ausgang für Gelegenheiten wie diese. Wenn man die Haupttreppe und vor allem den Aufzug mied, minimierte man die Chance, auf jemanden zu treffen, den man nicht treffen wollte. Blieb einzig der Sprint unten am Empfangsbereich vorbei. Der Weg über die Hintertreppe war den Wissenden auch als Denby-Pfad bekannt, im Gedenken an Detective Sergeant Denby, einen ehemaligen, vor einiger Zeit verstorbenen Kollegen. Denbys Fähigkeit, sich von Vorgesetzten und Untergebenen ungesehen aus dem Präsidium zu schleichen (und wieder hinein), war fast so legendär wie seine Vorliebe für überlange Mittagspausen im »Brewer’s Rest«.

Jacobson hatte das Gefühl, dass ihm Denbys Geist gütig zulächelte, als er sein Glas von der Theke hinaus in den Biergarten des Pubs trug. Das kleine helle Lagerbier konnte zwar kaum mit dem Glas Roten im Schatten des Palais des Papes konkurrieren, war aber allen Überstundenabrechnungen um Längen überlegen. Jacobson setzte sich an einen Tisch, der vom verblichenen Grün eines Perrier-Sonnenschirms vor der Sonne geschützt wurde, zog das Jackett aus und fühlte sich fast schon wieder wie ein Mensch. Er hatte Glück, einen Tisch ganz für sich allein zu finden. Die Hitzewelle hatte die Einnahmen des Pubs kurzfristig auf das Niveau jener schicken Cafe-Bars und nachgemachten irischen Kneipen katapultiert, die dem »Brewer’s Rest« seit einiger Zeit schon das Wasser abgruben. Nicht, dass es Jacobson besonders leidgetan hätte, hätte der Pub seine Pforten schließen müssen. Wie etliche seiner Kollegen kam er vor allem her, weil der »Brewer’s Rest«, wie Denby vor ewigen Zeiten bereits festgestellt hatte, nahe genug beim Präsidium lag, um ein schnelles Bier zu trinken, aber doch nicht so nahe, dass man von dort dessen Tür im Blick gehabt hätte.

Die Frau, von der er den Blick zu wenden versuchte, hatte dunkelrote, präraffaelitische Ringellocken. Ihre linke Hand zupfte am Saum ihres kurzen Sommerkleides, während sie sich mit der rechten ein Handy ans Ohr drückte. Jacobson hoffte für sie, dass die Strahlungsrisiken, von denen er in der Zeitung gelesen hatte, nichts als Schauermärchen und Sommerlochfüller waren. Er schätzte die Frau auf etwa dreißig, vielleicht jünger, bevor es ihm gelang wegzusehen. Er hob das Glas und trank in langen, durstigen Zügen. In letzter Zeit musste er übermäßig viel Energie aufbringen, um seine Augen von jungen Frauen zu lassen und seine Jünglingstriebe mit der mittelalten Hülle seines Körpers in Einklang zu bringen. Er nahm noch einen Schluck und wünschte, sein kleines Bier wäre ein großes, oder besser noch: das erste von zwei großen. Aber nein, selbst in seiner Nachurlaubsstimmung kam es absolut nicht infrage, mit etwas anderem als einem klaren Kopf zur Besprechung des Superintendent zu erscheinen.

Er überprüfte ein weiteres Mal, ob sein Pager eingeschaltet war, und riskierte noch einen Blick: Ihr Handy war verschwunden, wahrscheinlich in der großen Lederhandtasche neben ihren Füßen, dafür tippte sie hektisch auf der Tastatur eines teuer aussehenden Laptops. Ihre sonnengebräunten Beine unter dem weißen Plastiktisch brachten kurz Jacobsons Glauben ins Schwanken, wahre Perfektion sei in der Menschenwelt nur als Näherungswert möglich. Verlegen tat er so, als läse er die Schlagzeilen des biergetränkten ›Guardian‹, den ein früherer Gast auf dem Tisch zurückgelassen hatte. Als er wieder aufsah, war sie weg, und er sagte sich, dass es auch für ihn Zeit wurde.

 

Chivers, der oberste Detective Crowbys, wurde nach langen Dienstjahren pensioniert; bis zu seiner kleinen Abschiedsparty waren es nur mehr sieben Tage. Jacobson schaffte es gerade noch rechtzeitig ins Besprechungszimmer, bevor der Alte die Stimme erhob. Links von Chivers saß Greg Salter, sein Nachfolger, die Arme vor der Brust verschränkt. Jacobson ließ sich auf den leeren Stuhl neben ihm sinken.

Der Chief erhob sich abrupt von seinem Platz.

»Unsere Losung für das neue Zeitalter muss die des alten sein: Recht und Ordnung!« Chivers machte eine Pause und wiederholte sein Mantra gleich noch einmal: »Recht und Ordnung! Wenn Sie nicht deswegen zu uns gekommen sind und wenn Sie nicht deswegen immer noch bei uns sind, gehen Sie jetzt. Und wenn Sie Ihre persönlichen Gefühle nicht Ihrer Pflicht unterordnen können, dann gehen Sie bitte ebenfalls.«

Eine zweite Pause, eine zweite Wiederholung: Chivers’ Blick schweifte über die Gesichter im Raum.

»Das Gericht hat verfügt, dass Robert Johnson vorzeitig auf Bewährung entlassen wird. Sein Wunsch, in diese Stadt zurückzukehren, ist ein legaler Wunsch. Es wird in Crowby keine Selbstjustiz gegen ihn geben. Robert Johnson wird sich an ein freiwilliges Ausgangsverbot halten und er wird rund um die Uhr überwacht werden.«

Chivers hielt zum dritten Mal inne. Jacobson sah sich um, ob nicht jemand protestierte oder wenigstens stöhnte, aber es herrschte nur unbehagliches Schweigen. Seine Kollegen bissen sich auf die Zunge und pressten die Lippen zusammen. Greg Salter machte den Wackeldackel und nickte unablässig. Chivers nutzte das Schweigen, solange es anhielt.

»Unsere uniformierten Kollegen haben einen Notfallplan erarbeitet, falls es zu öffentlichen Störungen kommen sollte. Wie Ihnen Frank Jacobson gleich erläutern wird, besteht unsere Rolle als Hüter der Ordnung in diskreter Überwachung. Das betrifft zunächst einmal Johnson selbst, aber natürlich auch jene Bürger, denen entfallen ist, dass es Unserem Herrn allein zusteht zu vergelten.«

Jacobson stellte die Überwachungsregelungen ausführlich vor: Johnson würde mindestens einen Monat lang rund um die Uhr beobachtet werden, und die, die am lautesten gegen ihn gewettert hatten, hauptsächlich die Familien der Opfer, sollten ebenfalls regelmäßig überprüft werden. Bevor er sich wieder setzte, erläuterte Jacobson noch kurz seine persönliche Meinung zu dem von Chivers so unmissverständlich dargelegten offiziellen Standpunkt.

»Es ist ’ne echte Hiobsbotschaft, dass der Dreckskerl zurück nach Crowby kommt. Keiner bedauert das mehr als ich. Aber wir werden professionell darauf reagieren und unseren Job gut machen. Solange sich Johnson in unserer Stadt aufhält, haben wir dafür zu sorgen, dass er sich an die Regeln hält und nicht mal ein Stück Papier wegwirft oder bei Rot die Straße überquert.«

Nach der Besprechung sprach Greg Salter Jacobson vor dem Aufzug an.

»Gut gebellt, Frank, wenn ich das so sagen darf. Sie haben damit mehr zur Beruhigung der Truppe beigetragen als der große Meister selbst, wenn Sie mich fragen.«

Sag, was du willst, dachte Jacobson. Trifft mich zum ersten Mal und spricht mich gleich mit dem Vornamen an. Salter hatte seinen Dienst während Jacobsons Frankreichurlaub angetreten und war Chivers während der letzten zwei Wochen offenbar nicht von der Seite gewichen.

»Danke, Greg«, sagte Jacobson und schaffte es irgendwie, eine unbewegte Miene zu bewahren. Acht Leute standen in dem Aufzug, der für sechs ausgelegt war. Jacobson war sicher kein Riese, aber Salters kahl werdender Kopf reichte ihm kaum bis zur Schulter.

»Ich habe für nächsten Sonntag ein paar wichtige Leute zum Essen eingeladen. Ich würde mich freuen, wenn Sie auch kämen, Frank. Meine Frau ist eine ausgezeichnete Köchin, wenn ich das so sagen darf.«

Sag, was du willst.

»Es wäre schön, wenn ich’s schaffe, äh, Greg. Ich muss nur erst in meinem Kalender nachsehen.«

»Tun Sie das, Frank. Tun Sie das.«

Ein ziviler Mitarbeiter mit einem Stapel Akten unter dem Arm kämpfte sich im dritten Stock aus dem Aufzug. Jacobson ergriff die Gelegenheit und folgte ihm. Er hatte schon gehört, dass Salter aalglatt...

Erscheint lt. Verlag 4.8.2020
Reihe/Serie Ein Fall für Jacobson und Kerr
Übersetzer Werner Löcher-Lawrence
Sprache deutsch
Original-Titel Maiking a killing
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Chief Inspector • Chief Inspector Jacobson • Ellen Sandberg • Ermittler • Ian Rankin • Irland • Jeffrey Deaver • John leCarré • Kriminalfall • Lee Child • Leiche • Michael Robothan • Mord • Polizeiarbeit • stuart mcbride • Tod • Tot
ISBN-10 3-8412-2508-X / 384122508X
ISBN-13 978-3-8412-2508-5 / 9783841225085
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