Das Stuttgarter Hutzelmännlein. Märchen (eBook)

Mörike, Eduard - Deutsch-Lektüre, Deutsche Klassiker der Literatur
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2020 | 1. Auflage
134 Seiten
Reclam Verlag
978-3-15-961727-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Stuttgarter Hutzelmännlein. Märchen -  Eduard Mörike
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Eduard Mörikes klassische Märchennovelle 'Das Stuttgarter Hutzelmännlein' (1853) besticht durch ihre kunstvolle Erzählstruktur und den raffinierten Einsatz dialektaler Ausdrücke und Regionalismen. In die Haupterzählung um den Schustergesellen Seppe sind zahlreiche Binnengeschichten eingewoben, von denen die 'Historie von der schönen Lau' die berühmteste ist. Die Ausgabe bietet den Text nach der zweiten Auflage von 1855. E-Book mit Seitenzählung der gedruckten Ausgabe: Buch und E-Book können parallel verwendet werden.

Eduard Mörike (8.9.1804 Ludwigsburg - 4.6.1875 Stuttgart), evangelischer Theologe, Lyriker und Übersetzer, wird der zwischen Romantik und Realismus angesiedelten Schwäbischen Schule zugeordnet. Mörike besucht das Gymnasium in Ludwigsburg, ab 1817 das Gymnasium illustre in Stuttgart und studiert Theologie in Urach (1818-22) und in Tübingen (1822-26). Danach arbeitet er als Vikar und Pfarrverweser in kleineren Ortschaften, ab 1834 ist er Pfarrer in Cleversulzbach. Mörike, der sich mehr für Literatur als für seine Pfarrertätigkeit interessiert, lässt sich 1843 frühpensionieren und lehrt einige Jahre Literatur am Katharinenstift in Stuttgart. 1852 erhält er in Tübingen die Ehrendoktorwürde, 1856 den Titel eines Professors. Im selben Jahr lädt der König Mörike zu einer Audienz. Mörike wechselt noch mehrmals den Wohnort, verlässt dabei aber niemals das Schwabenland. Er verlebt seine letzten Jahre in Stuttgart. Mörike malt in seinem Künstlerroman 'Maler Nolte' ein widersprüchliches Bild lebensmüden Künstlertums - ein Motiv, wie es später auch beispielsweise bei Thomas Mann zu finden ist. Maßgeblich für dieses der romantischen Romanpoetik folgende Werk ist der Einsatz symbolhafter Gedichte etwa 'Der König von Orplid' oder 'Der Feuerreiter'. In seinem Märchen 'Das Stuttgarter Hutzelmännlein' verknüpft Mörike diverse Motive der Märchen- und Sagenwelt zu einer phantastischen Geschichte. Sein letzter Roman 2Mozart auf der Reise nach Prag' schildert liebevoll einen fiktiven Tag im Leben des Künstlers Wolfgang Amadeus Mozart.

Eduard Mörike (8.9.1804 Ludwigsburg – 4.6.1875 Stuttgart), evangelischer Theologe, Lyriker und Übersetzer, wird der zwischen Romantik und Realismus angesiedelten Schwäbischen Schule zugeordnet. Mörike besucht das Gymnasium in Ludwigsburg, ab 1817 das Gymnasium illustre in Stuttgart und studiert Theologie in Urach (1818–22) und in Tübingen (1822–26). Danach arbeitet er als Vikar und Pfarrverweser in kleineren Ortschaften, ab 1834 ist er Pfarrer in Cleversulzbach. Mörike, der sich mehr für Literatur als für seine Pfarrertätigkeit interessiert, lässt sich 1843 frühpensionieren und lehrt einige Jahre Literatur am Katharinenstift in Stuttgart. 1852 erhält er in Tübingen die Ehrendoktorwürde, 1856 den Titel eines Professors. Im selben Jahr lädt der König Mörike zu einer Audienz. Mörike wechselt noch mehrmals den Wohnort, verlässt dabei aber niemals das Schwabenland. Er verlebt seine letzten Jahre in Stuttgart. Mörike malt in seinem Künstlerroman "Maler Nolte" ein widersprüchliches Bild lebensmüden Künstlertums – ein Motiv, wie es später auch beispielsweise bei Thomas Mann zu finden ist. Maßgeblich für dieses der romantischen Romanpoetik folgende Werk ist der Einsatz symbolhafter Gedichte etwa "Der König von Orplid" oder "Der Feuerreiter". In seinem Märchen "Das Stuttgarter Hutzelmännlein" verknüpft Mörike diverse Motive der Märchen- und Sagenwelt zu einer phantastischen Geschichte. Sein letzter Roman 2Mozart auf der Reise nach Prag" schildert liebevoll einen fiktiven Tag im Leben des Künstlers Wolfgang Amadeus Mozart.

Vorwort zur ersten Auflage
Das Stuttgarter Hutzelmännlein

Zu dieser Ausgabe
Anmerkungen

[6]Ein Kobold gut bin ich bekannt

In dieser Stadt und weit im Land;

Meines Handwerks ein Schuster war

Gewiss vor siebenhundert Jahr.

Das Hutzelbrot ich hab erdacht,

Auch viel seltsame Streich gemacht.

[7]Wohl vor fünfhundert und mehr Jahren, zu denen Zeiten, als Graf Eberhard von Wirtemberg, ein tapferer Kriegsheld und ruhmvoller Herr, nach langen, schrecklichen Fehden mit des deutschen Reichs Häuptern, mit dem Habsburger Rudolph und dessen Nachfolgern, zumal auch mit den Städten, das Schwabenland nun wieder zu Ruh und Frieden kommen ließ, befand sich in Stuttgart ein Schustergesell, namens Seppe, bei einem Meister, der ihm nicht gefiel, deshalb er ihm aufsagte; und weil er nie gar weit vor seine Vaterstadt hinausgekommen, nicht Eltern, noch Geschwister mehr hatte, so war er jetzt willens zu wandern.

Die letzte Nacht, bevor er reiste, saß er allein in der Gesellenkammer auf (die andern waren noch beim Wein oder sonst zu Besuch), sein Ranzen lag geschnürt vor ihm, sein Wanderstab daneben, der hübsche Bursche aber hing den Kopf, er wusste nicht so recht warum, und auf dem Tisch die Ampel brannte einen großen großen Butzen. Indem er jetzt aufschaute und nach dem Klämmchen griff, dem Zochen zu helfen, sah er auf seiner leeren Truche ein fremdes Männlein sitzen, kurz und stumpig, es hätte ihm nicht bis zum Gürtel gereicht. Es hatte ein schmutziges Schurzfell um, Pantoffeln an den Füßen, pechschwarze Haare, dazu aber hellblaue, freundliche Augen.

Gott grüß dich, Seppe! Kennst mich nit? Ich bin der Pechschwitzer, das Hutzelmännlein, der Tröster. Ich weiß, du bist ein braves Burgerskind, sorgst immerdar für anderer Leute Fußwerk und gehst doch selbst nicht auf dem besten Zeug. Da du nun morgen reisen willt, so hab ich dir statt einem Wanderpfennig etwas mitgebracht von meiner [8]eignen Arbeit: sind Glücksschuh, zwei Paar, schau her. Die einen legst du an, gleich morgen; sie ziehen sich nach dem Fuß und reißen nicht dein Leben lang; die andern aber nimm und stell sie unterwegs an eine Straße, versteh mich, unbeschrien, wo niemand zusieht. Vielleicht dass dir dein Glück nach Jahr und Tag einmal auf Füßen begegnet. Auch hast du hier noch obendrein etwas zum Naschen, ein Laiblein Hutzelbrot. So viel du davon schneidst, so viel wachst immer wieder nach im Ranzen oder Kasten, wenn du auch nur ein Ränftlein fingersbreit übrig behältst. Ganz sollt du’s nie aufzehren, sonst ist es gar. Behüt dich Gott, und tu in allem wie ich sagte. Noch eins: kommst du etwa ins Oberland, Ulm zu und gen Blaubeuren, und findst von ungefähr ein Klötzlein Blei, nimm es zuhanden und bring’s mir. – Der Seppe versprach’s und dankte geziemend für alles; das Männlein aber war in einem Hui verschwunden.

Nun jauchzte der Geselle überlaut, beschmeckte bald das Brot, beschaute bald die zwei Paar Schuhe. Sie sahen ziemlich aus wie er sie selber machte, nur dass sie feine wunderliche Stiche hatten und hübsch mit einem zarten, roten Leder ausgefüttert waren. Er zog sie an, spazierte so ein Dutzend Mal die Kammer auf und ab, da ihm denn in der Kürze freilich nichts Besonderes von Glück passieren wollte. Darnach ging er zu Bett und schlief bis der Morgen rot wurde. Da deucht’ es ihn, als wenn ihm jemand klopfte, zwei-, dreimal, recht vernehmlich, dass er jählings erwachte. Die andern hörten’s auch, doch schliefen sie gleich wieder ein. Das haben meine vier Rappen getan! dachte er und horchte hin, allein es rührte und regte sich nichts mehr.

Als er nun fix und fertig angezogen stand und gar vergnügt auf seine Füße niedersah, sprach er: jetzt laufen wir [9]dem Teufel ein Bein weg! jetzt tausche ich mit keinem Grafen! – Wohl und gut; nur eine Kleinigkeit hat er versehen: er hat den einen Schuh von seinem Paar mit dem einen vom andern verwechselt. Ach wer ihm das gesagt hätte!

So schlich er denn leis die Stiege hinunter, die Meistersleute nicht zu wecken; denn Abschied hatte er gestern genommen, und statt der Suppe aß er gleich ein tüchtiges Stück Schnitzbrot in währendem Gehen. So etwas hatte er noch niemals über seinen Mund gebracht, wohl aber oft von seiner Großmutter gehört, dass sie einmal in ihrer Jugend bei einer Nachbarsfrau ein Stücklein vom echten bekommen, und dass es eine Ungüte von Brot drum sei.

Wie er jetzt vor dem oberen Tor draußen war, zween Bogenschüsse oder drei, kam er an eine Brücke: da musste er ein wenig niedersitzen, die Türme seiner Vaterstadt, das Grafenschloss, die Häuser und Mauern noch einmal in der Morgensonne besehen; dann, eh er weiterging, fiel ihm noch ein: hier könnt ich das Paar Schuh auf den Brückenrand stellen. Er tat’s und zog fürbass. – Eine Stunde über die Weinsteig hinaus kommt er in einen grünen Wald. Von ungefähr hört er auf einer Eiche den blauen Montag schreien, welches ein kurzweiliger Vogel ist, der seinen Namen davon hat, dass er immer einen Tag in der Woche mit der Arbeit aussetzt; da singt er nichts als Schelmenlieder und schaut gemächlich zu, wie andere Vögel ihre Nester richten, brüten und ihre Jungen ätzen; die seinigen krepieren ihm auch ordinär, deswegen er ein Raritätsvogel ist. So einen muss ich haben! denkt der Seppe: ich biet ihn einem großen Herrn an unterwegs. Ein sonderer Vogel ist oft gern zwei Kälber wert, die Hepsisauer haben ihre Kirchweih um einen Guckigauch verkauft: wenn ich nur einen Taler löse, [10]tut mir’s wohl. Wie komm ich nur gleich da hinauf? – Seiner Lebtage hat er nie klettern können, diesmal aber ging’s, als hätten ihrer Sechs an ihm geschoben, und wie er droben ist, da sieht er sieben Junge flügg, mit blauen Köpfen im Nest! Er streckt schon eine Hand darnach – krach! bricht ein fauler Ast, und drunten liegt der Schuster – dass er nicht Hals und Bein brach, war ein Wunder. Ich weiß nicht, sagte er, indem er aufstand und die Platte rieb, was ich von dem Pechschwitzer denken soll; das ist kein mutiger Anfang!

Zu seinem Trost zog er sein Schnitzbrot aus dem Ranzen und fand dasselbe wahrlich beinah schon wieder rund und ganz gewachsen. Er sprach dem Laiblein aber im Marschieren so lang zu, bis ihm ganz übel ward, und deuchte ihn, er habe sich für alle Zeit Urdrutz daran gegessen. Sei’s drum! ein Sprüchlein sagt: es ist nur geschlecket, das nimmer klecket.

Sein Sinn war allermeist auf Augsburg oder Regensburg gerichtet, denn diese Städte hatte er vor manchen andern rühmen hören; zuvörderst wollte er aber nach Ulm.

Mit großen Freuden sah er bald von der Bempflinger Höhe die Alb, als eine wundersame blaue Mauer ausgestreckt. Nicht anders hatte er sich immer die schönen blauen Glasberge gedacht, dahinter, wie man ihm als Kind gesagt, der Königin von Saba Schneckengärten liegen. Doch war ihm wohl bekannt, dass oben weithin wieder Dörfer seien, als: Böhringen, Zainingen, Feldstetten, Suppingen, durch welche sämtlich nacheinander er passieren musste.

Jetzt hing sich auf der Straße ein Schönfärbergesell an ihn, gar sehr ein naseweises Bürschchen, spitzig und witzig, mit Backen rosenrot, Glitzäugelein, ein schwarzes [11]Kräuselhaar dazu, und schwatzte oder pfiff in einem weg. Der Seppe achtete nicht viel auf ihn, zumal ihm eben jetzt etwas im Kopf umging, das hätte er sich gern allein im Stillen überlegt. Am Weg stand eine Kelter, mit einem umgelegten Trog davor, auf diesen setzt’ er sich, der Meinung, sein Weggenoss soll weitergehen. Der aber warf sich seitwärts hinter ihm ins Gras und schien bald eingeschlafen, von der Hitze müd. Da war es still umher; ein einziges Heimlein sang am staubigen Rain so seine Weise ohn Aufhören fort.

Endlich da fing der Seppe vor sich selbst, doch laut genug, zu sprechen an: Jetzt weiß ich was ich tu: ich werd ein Scherenschleifer! Wo ich halt geh und steh, juckt’s mich, ein Rad zu treten, und sollt’s ein Spinnrad sein! (Dem war auch richtig so und konnte gar nicht anders sein, denn einer seiner Schuhe war für ein Mädchen gefeit und gesegnet.) Die Art von Schleiferei – so sprach der Seppe weiter – muss einer doch bald können, und so ein Kerl führt seine Werkstatt lustig auf einem Schubkarrn durch die Welt, sieht alle Tage eine andre Stadt, da pflanzt er sich im Schatten an einem Markteck auf und dreht seinen Stein, dass die Funken wegfliegen. Die Leute mögen sprechen was sie wollen, das ist jetzt einmal mein Beruf und mein Genie, ich spür’s in allen Gliedern; und wo mir recht ist hat mein Ehni seliger einmal gesagt: der Seppe ist unter dem Zeichen des Wetzsteins geboren.

Bei diesen Reden richtete sich das Färberlein halb in die Höh: der ist ein Letzkopf! dachte es: und ich bin meines Lebens neben ihm nicht eines Glaubens Länge sicher; – stand sachte auf, schlich sich hinweg, in einem guten Bogen über das Ackerfeld, und fußete sodann der graden Straße nach, [12]als brennte ihm der Steiß, Metzingen zu. Der Schuster, welcher endlich auch aufbrach, sah ihn von Weitem rennen, argwöhnte aber nichts und zog seines Vorsatzes herzlich vergnügt demselben Flecken zu. Allein wie schaute er hoch auf, da alle Leute dort die Köpfe nach ihm aus den Fenstern streckten und ihm die Kinder auf der Gasse, an zwanzig, mit Geschrei nachsprangen und sangen:

Scheraschleifer, wetz, wetz, wetz,

Lass dei Rädle schnurra!

Stuagart ist a grauße Stadt,

Lauft a...

Erscheint lt. Verlag 17.7.2020
Reihe/Serie Reclams Universal-Bibliothek
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Verlagsort Ditzingen
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Klassiker / Moderne Klassiker
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Alchemist Veylland • Deutsch • Deutsch-Unterricht • Die Entstehung des Doktor Faustus • gelb • gelbe bücher • Historie von der schönen Lau • Hutzelbrot • Hutzelmännlein • Klassenlektüre • Kunstmärchen • Lektüre • Literatur Klassiker • Märchennovelle • Märchen Schwäbisch Dialekt • Märchen von der schönen Lau • Mörike Märchen • Reclam Hefte • Reclams Universal Bibliothek • Schullektüre • Schustergeselle Seppe • Volksmärchen • Weltliteratur
ISBN-10 3-15-961727-0 / 3159617270
ISBN-13 978-3-15-961727-5 / 9783159617275
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