Die Dunkelheit zwischen uns (eBook)

Thriller
eBook Download: EPUB
2020
288 Seiten
btb Verlag
978-3-641-26945-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Dunkelheit zwischen uns - Molly Börjlind, Rolf Börjlind
Systemvoraussetzungen
9,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Der erste Thriller von SPIEGEL-Bestsellerautor Rolf Börjlind und seiner Tochter Molly
Ein windiger Tag in den Stockholmer Schären. Die 25-jährige Emmie taucht überraschend in dem abgelegenen Ferienhäuschen ihrer Eltern auf. Sie will endlich herausfinden, was mit ihrem kleinen Bruder Robin geschah, der verschwand, als sie noch Kinder waren. Angeblich ist er ertrunken, aber sein Körper wurde nie gefunden. Emmie möchte endlich ihr eigenes Leben anfangen, sie sucht nach Antworten. Ihre Eltern bleiben stumm. Die Mutter ist seltsam kalt, der Vater wirkt auf einmal bedrohlich auf die Tochter. Dann entdeckt Emmie ein Bild von zwei spielenden Kindern. Es zeigt sie und ihren Bruder, an dem Tag, an dem er für immer verschwand ...

Molly und Rolf Börjlind sind ein Tochter-Vater-Duo. 'Die Dunkelheit zwischen uns' ist ihr erstes gemeinsames Projekt. Molly studierte an der Stockholmer Filmhochschule und arbeitete für diverse Filmproduktionen. Sie lebt in Kopenhagen. Ihre Eltern Cilla und Rolf Börjlind gelten als Schwedens wichtigste und bekannteste Drehbuchschreiber für Kino und Fernsehen. Ihre mittlerweile sechsbändige Serie um Polizistin Olivia Rönning und Kommissar Tom Stilton wurde sehr erfolgreich für das ZDF verfilmt. Die Kriminalromane sind internationale Bestseller und erscheinen in 30 Ländern.

1


Der Mann, der mich bittet zu erzählen, hat ein Schiff in einer Flasche hinter sich auf dem Regal. Es fällt mir schwer, den Blick von der Flasche abzuwenden, von dem Schiff, das dort eingesperrt ist. Alles Licht kommt von einer großen Stehlampe aus Metall. Vor allem ich werde beleuchtet, der Mann gegenüber sitzt im Dunkeln. Er merkt, dass das Schiff mich fasziniert. Das scheint ihn zu stören.

»Könnten Sie sich bitte konzentrieren«, fordert er mich auf. »Es hat auf einer Autofähre angefangen, sagten Sie.«

Er lispelt leicht und öffnet beim Sprechen kaum den Mund. Als er ins Zimmer kam, nickte er mir nur kurz zu und setzte sich. Jetzt will er wissen, wie es begann. Als gäbe es einen Anfang, denke ich und wende den Blick von dem Schiff ab. Es gibt keinen. Der Anfang ist das Ende, so wie in allen Teufelskreisen. Aber er ist meinetwegen hier, und ich sehe in seinen Augen, dass er es wirklich wissen will. Warum also nicht? Ich habe nichts vor ihm zu verbergen. Er ist nur ein Mann mit einem Flaschenschiff.

»Sie dürfen mich gerne unterbrechen, wenn Sie etwas nicht verstehen«, sage ich.

»Was sollte ich nicht verstehen?«

»Das Ende.«

Es ist kurz nach zwölf Uhr. Der Nordwind, der über die Bucht hinwegfegt, lässt die Autofähre schwanken. Die Wellen schlagen über das glänzende Deck herein. Wir sind auf halbem Weg zur Insel Mytten. Die Sonne leuchtet über dem Meer wie eine starke, kugelrunde Lampe. Ihre blitzenden Strahlen brechen sich im Wasser und blenden mich. Ich stehe allein vorn an dem rot-weißen Geländer und ärgere mich, dass ich keine Sonnenbrille dabeihabe. Von dem peitschenden Wind bekomme ich eine Gänsehaut an den Armen. Ich ziehe meinen roten, grob gestrickten Pulli dichter um meinen Körper. Zu meinen Füßen steht ein schwarzer Rucksack. Darin liegt eine warme Jacke. Ich könnte sie herausziehen und mir über die Schultern hängen, aber jetzt ist es nicht mehr weit. Ich lege eine Hand an die Augenbrauen und blinzle über das Wasser. Langsam wachsen die Konturen der Insel. Bald kann ich das Haus sehen. Ein großes, vornehmes Sommerhaus aus weiß gestrichenem Holz mit ockergelben Schnitzereien und rotem Ziegeldach. Ein Stück unterhalb des Hauses trifft das Meer auf einen Strand. Unseren Strand. Er sieht ziemlich schmal aus, nicht so breit, wie ich ihn in Erinnerung habe. Vielleicht liegt das am Hochwasser, oder an meinem Gedächtnis, das sich irrt. Ich nehme meinen Rucksack. Es ist noch ein Stück bis zum Kai. Ich kann es mir immer noch anders überlegen, ich muss nicht an Land gehen. Niemand weiß, dass ich komme. Ich schließe die Augen, atme die kühle Luft durch die Nase ein und halte den Atem an. Für ein paar Sekunden ist es ganz still. Die Wellen hören auf zu gluckern, und das Heulen des Windes verstummt. Ich atme aus, und die Geräusche sind wieder da. Als ich die Augen öffne, sehe ich ihn aus den Augenwinkeln. Er steht auf der anderen Seite des Decks in einer zerschlissenen braunen Wildlederjacke. Sein Haar ist kurz geschnitten, geschoren. Auf der Nase sitzt eine dunkle Sonnenbrille. Seine Hände umklammern krampfhaft den Lenker eines marineblauen Fahrrads. Obwohl ich seine Augen nicht sehen kann, spüre ich, dass er mich beobachtet. Als ich mich umdrehe, senkt er den Blick.

Als hätte ich ihn ertappt.

Ich richte meinen Blick wieder nach vorne zu der weißen Villa, aber die Fähre ist schon zu nah am Land, und das Haus ist von dort, wo ich stehe, nicht mehr zu sehen. Aber es ist da. Nur ein kleines Stück von dem Punkt entfernt, wo die Fähre gleich anlegen wird. Es ist das Sommerhaus meiner Familie. Wir waren jedes Jahr dort, als ich klein war. Wir rannten auf dem großen Grundstück herum und spielten und ließen unten am Strand Drachen steigen. Wenn es zu heiß wurde, badeten wir im Meer, und ich lernte schließlich schwimmen. Aber es war auch ein Ort, der mir Angst machte. Manchmal dachte ich, das große Haus würde uns verschlingen. Die ganze Familie. Was es wohl auch getan hat, in gewisser Weise.

Jetzt bin ich wieder auf dem Weg dorthin.

Im oberen Stock des Hauses lag mein Zimmer, und genau darüber ein großer, leerer Speicher. Papa hat mir ständig mit Spukgeschichten über ihn Angst eingejagt. Einmal behauptete er, dort oben würde eine Dame wohnen. Eine Gestalt, die immer weiß gekleidet ist. Danach wagte ich es nicht mehr, allein dort hinaufzusteigen.

Ein spezielles Geräusch taucht in meinem Kopf auf. Die Erinnerung an ein Kratzen, oder eher Knarzen, von der Zimmerdecke über dem Bett her. Ich dachte, es sei die Weiße Dame, die da oben herumschlurft.

Aber damals war ich noch ein Kind. Ein Haus kann einen Erwachsenen nicht erschrecken. Oder vielleicht doch, aber es gibt keine Weißen Damen darin.

Zumindest nicht auf dem Speicher.

Ich lasse einen silbernen Volvo und ein paar andere Autos vorbei, deren Marken ich nicht kenne. Dann gehe ich an Land. Meine helle Hose ist ein wenig dreckig von dem Geländer. Nicht gut. Das wird nicht unkommentiert bleiben. Ich beuge mich hinunter und ziehe Schuhe und Strümpfe aus. Ich habe es schon immer geliebt, barfuß zu laufen. Für Oktober ist die Luft noch ziemlich warm, trotzdem erschaudere ich, als meine nackten Füße auf den harten Beton des Kais treffen. Ich richte mich auf und stehe ein paar Sekunden still da. Um Kraft zu sammeln und meinen Atem zu beruhigen.

Der Weg von der Fähre beginnt mit einem langen, zähen Hügel, der von uralten Eichen gesäumt ist. Nach ein paar Metern fällt mir auf, dass ich den Mann mit dem Fahrrad gar nicht habe von Bord gehen sehen. Ich wende mich um. Die Fähre ist wieder auf dem Weg nach draußen. Das Deck ist leer.

Die Insel Mytten liegt in Stockholms mittlerem Schärengarten. Eine asphaltierte Straße führt vom Fähranleger zur anderen Seite hinüber, mitten durch einen großen Wald. Die Straße endet an der Marsbucht. Dort stehen die ganzjährig bewohnten Häuser. Früher haben die Einheimischen Fischfang und Erdbeeranbau betrieben; was sie heute machen, weiß ich nicht. Falls überhaupt noch welche existieren. Im Wald befindet sich ein großer Sumpf, und in der Mitte der Insel liegt ein Berg. Wir haben ihn »Aussichtsberg« genannt, als ich klein war. Dann gibt es hier und dort noch ein paar kleine Schotterwege und Pfade, ansonsten sind da vor allem Klippen und trockene, karge Felder, wo viele fette, gemusterte Kreuzottern wohnen. Jedenfalls war das früher so.

Ich biege von der Asphaltstraße aus auf einen deutlich kleineren Weg ein. Er ist schmal und voller braunem, schlammigem Laub. Die harte Erde ist vom Regen weich geworden, der Matsch quillt zwischen meinen nackten Zehen hervor. Es schmatzt bei jedem Schritt, den ich mache. Ein grauer Regenwurm ist aus der Erde hervorgekrochen. Er ringelt sich im Matsch wie ein dünner Darm. Früher habe ich immer Regenwürmer gesammelt und in große Gläser mit Erde getan. Mein Bruder wollte die Würmer zum Angeln verwenden. Das durfte er nicht.

Die Strecke zum Haus fühlt sich länger an als in meiner Erinnerung. Vielleicht gehe ich langsamer. Nicht derselbe schnelle enthusiastische Laufschritt wie in meiner Kindheit. Damals hab ich mich meistens gefreut hierherzukommen. Diesmal ist es anders.

Nach einer Weile nähere ich mich dem Wald. Er sieht nicht besonders einladend aus. Obwohl die Sonne scheint, ist es dort dunkel. Die Bäume stehen dicht, strecken sich weit in die Höhe, und es dringt nicht viel Licht zum Moos und den Steinen hinunter. Er sieht nicht besonders einladend aus.

Ich halte inne. Dort drinnen bewegt sich etwas. Ein Jungfuchs gleitet zwischen zwei Bäumen hervor. Früher gab es einmal viele Füchse auf der Insel. Dann bekamen sie die Räude. Das Fell fiel ihnen aus. Wildheger kamen und haben sie erschossen. Dieser Fuchs hat ein üppiges und schönes rotes Fell. Die Schwanzspitze ist weiß. Er steht ganz still da und betrachtet mich. Seltsam. Füchse verschwinden eigentlich, wenn sie Menschen sehen. Wir sehen einander einige Augenblicke lang an, bevor ich weitergehe. Nach ein paar Metern drehe ich mich um. Der Fuchs steht immer noch im Wald und folgt mir mit dem Blick.

Hinter der nächsten Kurve taucht die Hecke auf. Sie ist lang und unregelmäßig und verläuft die ganze Grundstücksgrenze entlang. Ich bleibe stehen und spähe hindurch, auf das Haus. Meine Augenbrauen ziehen sich zusammen. Die ganze Villa sieht so … verfallen aus. Ich habe sie viel heller, frischer in Erinnerung. Die Farbe ist fast vollständig verblichen und blättert an der weiß gestrichenen Fassade ab. Das Holz darunter ist dunkler geworden. Die Dachrinne hängt auf der einen Seite herunter, und Teile der hübschen Schnitzereien um die Veranda sind kaputt. Aber das passiert wohl, wenn ein Haus nicht gepflegt wird.

Wir waren immer den ganzen Sommer hier, jedes Jahr, bis ich sieben war. Im Herbst, als ich in die zweite Klasse kam, sagte Mama, sie hätten das Haus vermietet. Wir würden nicht mehr herkommen. Es war offenbar zu viel Arbeit. Auf jeden Fall haben sie das behauptet. Stattdessen begannen wir die Sommer zu Hause in Täby zu verbringen. Wir spielten Fußball auf der Straße oder gingen zum Spielplatz und schaukelten. Meine Mutter fand es gut, dass wir Kontakt zu den anderen Kindern im Viertel bekamen. Seitdem habe ich keinen Fuß mehr hierhergesetzt.

Das ist jetzt achtzehn Jahre her.

Vor vier Jahren haben sie angefangen, das Haus wieder zu nutzen.

Das Grundstück ist groß und teilweise überwuchert. Kiefern und Fichten, ein paar Laubbäume und viel Dickicht. Keine Obstbäume. Hier und da liegen tapfere Versuche zusammengerechter...

Erscheint lt. Verlag 1.10.2020
Übersetzer Julia Gschwilm
Sprache deutsch
Original-Titel MÖRKRET OSS EMELLAN
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte altes Haus • Cilla und Rolf Börjlind • Die Springflut • eBooks • Einführungspreis • günstige ebooks • Kaltes Gold • Krimi • Kriminalromane • Krimis • Psychologischer Thriller • Psychothriller • reduzierte eBooks • Schäreninsel • Schweden • Schwedenkrimis Neuerscheinungen 2020 • Sommerhaus • Thriller • Vater-Tochter-Autorenduo • Wundbrand
ISBN-10 3-641-26945-8 / 3641269458
ISBN-13 978-3-641-26945-6 / 9783641269456
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 3,8 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Psychothriller

von Sebastian Fitzek

eBook Download (2022)
Droemer eBook (Verlag)
9,99
Krimi

von Jens Waschke

eBook Download (2023)
Lehmanns Media (Verlag)
9,99
Psychothriller | SPIEGEL Bestseller | Der musikalische Psychothriller …

von Sebastian Fitzek

eBook Download (2021)
Droemer eBook (Verlag)
9,99