John Sinclair 2193 (eBook)

Im Sumpf der Leichenfresser

(Autor)

eBook Download: EPUB
2020 | 1. Aufl. 2020
64 Seiten
Bastei Entertainment (Verlag)
978-3-7325-9975-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

John Sinclair 2193 - Ian Rolf Hill
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Ein hoher Schrei durchbrach die nächtliche Stille!
Milena Piotrowski erstarrte mitten in der Bewegung. Eine Gänsehaut rieselte ihr über den Rücken. Ängstlich blickte sie sich um. Durch die dicht belaubten Zweige konnte sie die Lichter der Klosterschule nur schemenhaft erkennen. Bodennebel verschlechterte die Sicht zusätzlich. Geisterhaft schwebte er durch das Unterholz und hing im Gestrüpp wie die Netze riesiger Spinnen.
Den Atem anhaltend hielt die Sechzehnjährige nach Bewegungen im Dunst Ausschau. War ihre Flucht entdeckt worden?

Milena rannte weiter.

Bei jedem Schritt federte der feuchte Boden ein wenig nach, kündete vom nahe gelegenen Sumpf, der hinter dem ehemaligen Kloster lag, dessen Mauern schwarz und drohend in den wolkenverhangenen Himmel ragten.

Einst hatten dort Nonnen des Franziskanerordens gearbeitet und gebetet, jetzt war es eine Schule für schwer erziehbare Mädchen. Heranwachsende Frauen, die hier, in der Abgeschiedenheit der Flüsse und Wälder des Nationalparks Biebrza, fürs Leben lernen sollten. Möglichst ohne Ablenkungen von außen. Damit waren vor allem Handys und Jungs gemeint.

Milena rümpfte die Nase. Eher bekam man einen Sechser im Lotto als in dieser Einöde ein Netz. Und W-Lan hielten diese Hinterwäldler vermutlich für eine Erfindung von Science-Fiction-Autoren.

Was Jungs betraf … nun, das Leben findet immer einen Weg.

So wie Milena den ihren durch das von dicht stehenden Fichten, Erlen und Ulmen beherrschten Waldstücks. Ab und zu lugte der Vollmond durch eine Lücke in den Wolken und schickte sein silbrig graues Licht zur Erde, das aber fast vollständig vom Nebel aufgesaugt wurde. Daher musste Milena immer wieder die Taschenlampe aufblitzen lassen.

Obwohl die Chance, ein Netz zu bekommen, verschwindend gering war, wurden die Handys bei Schulantritt konfisziert und nur am Wochenende ausgehändigt. Also dann, wenn die Mädchen die Möglichkeit hatten, nach Hause zu fahren.

»Kuwitt, kuwitt!«

Dem Schrei des Käuzchens folgte ein Rascheln im Geäst.

Milena ließ sich davon nicht länger beirren. Auch das Gebell der Wachhunde wurde leiser.

Die Schülerin konnte es immer noch nicht glauben, dass sie es geschafft hatte.

Lukas hatte recht gehabt: Die Schulleitung wusste nichts von dem alten, halb unter Wasser stehenden Fluchttunnel, der außerhalb des ehemaligen Klostergartens im Wald mündete.

Durch diesen Tunnel konnten die Schülerinnen nicht nur der Alarmanlage aus dem Weg gehen, sondern vor allem Agnieszkas bissigen Kötern.

Agnieszka war Oberin Jolanthes rechte Hand.

Eine widerliche Person, die ein perverses Vergnügen daran fand, die Mädchen für Nichtigkeiten zu bestrafen und zu züchtigen. Angeblich stand sie auf Frauen und teilte das Bett mit Jolanthe. In Wahrheit hatte sie es aber auf das zarte Fleisch der Schülerinnen abgesehen, und wer sich Pluspunkte oder Straferlass verdienen wollte, der zeigte sich Agnieszka gegenüber ein wenig offener.

Auch bei Milena hatte sie es schon versucht, doch die Sechzehnjährige hatte sich begriffsstutzig gezeigt. Agnieszka war hartnäckig geblieben, und erst als Milena damit gedroht hatte, ihre Eltern zu informieren, hatte sie aufgegeben. Dafür war Milena auf dem Exerzierplatz umso härter rangenommen worden, denn Agnieszka war in jeder Hinsicht für die körperliche Ertüchtigung der Schülerinnen zuständig.

Aber auch für ihre Integrität und Unversehrtheit.

Deshalb durfte keines der Mädchen nach Anbruch der Dunkelheit das Gelände verlassen. Tagsüber hatten sie nur wenig Freizeit, verteilt über mehrere Einzelstunden, sodass diese kaum ausreichten, um zu Fuß das drei Kilometer entfernte Wólka Piaseczna zu erreichen, ein Dörfchen, in dem kaum zweihundert Seelen hausten.

Die nächstgrößere Ortschaft mit knapp fünftausend Einwohnern und eigener Polizeiwache lag fünf Kilometer hinter Wólka.

So weit musste Milena glücklicherweise nicht laufen.

Ihr Ziel lag am anderen Ende des Waldes, durch dessen dicht stehende Stämme sie bereits die Lichter des Dorfes hätte sehen können, wenn der Nebel sie nicht verschluckt hätte.

Sie brauchte nicht mal in den Sumpf, worüber Milena sehr erleichtert war. Trotzdem hatte sie ihre kniehohen Gummistiefel angezogen. Allein schon, um sich beim Marsch durch den Tunnel keine nassen Füße zu holen.

Gegen die feuchte Kälte hatte sie sich einen gefütterten Parka übergeworfen, dessen Kapuze verhindern sollte, dass jemand ihre blonden Haare von Weitem sah.

Milena versuchte, ruhig zu atmen und dadurch ihr klopfendes Herz zu beruhigen. Es gelang ihr nur unzureichend. Immer wieder schweiften ihre Gedanken zu Lukas ab. Dem gut gewachsenen Jungen mit den verträumten Augen.

Obwohl … so jung war er gar nicht mehr.

Sie wusste es nicht genau, aber ihre Freundin Iwona hatte gesagt, er wäre fünfundzwanzig, vielleicht auch sechsundzwanzig. Gerade das hatte sie ja so an ihm fasziniert.

Und dann war Iwona mit einem Mal verschwunden.

Von einem Tag auf den anderen fort, ohne eine Nachricht oder Spuren zu hinterlassen. Die Untersuchungen der Polizei waren ein Witz gewesen. Es hieß, sie sei durchgebrannt.

Doch Lukas war immer noch da.

Er war der Sohn eines Bauern aus dem Dorf, der die Klosterschule mit Milch, Eiern und Fleisch versorgte.

Sehr viel Fleisch …

Angeblich für Agnieszkas Bluthunde.

Das Futter für die Bestien wurde frisch zubereitet. Rohes Fleisch und gekochtes Gemüse.

Milena war nicht die Einzige, die argwöhnte, dass die Hunde besseres Essen bekamen als die Schülerinnen.

Meistens war es Lukas, der die Vorräte in die Klosterschule brachte. So lernte er auch die Mädchen kennen. Und da er nicht nur gut aussah, sondern auch nicht auf den Mund gefallen war, dauerte es nicht allzu lange, bis ihm eine der Schülerinnen auf den Leim ging.

Milena spürte, wie der Boden fester wurde. Sie atmete auf, als sie das Licht durch die Baumstämme am Waldrand schimmern sah. Es war nicht mehr als ein verwaschener Fleck.

Das Mädchen blieb stehen.

Die Hütte, in der Lukas auf sie wartete, ragte als klobiger Schatten aus der trüben Suppe. Sie stand ein wenig erhöht auf dem Gestell eines alten Gummiwagens.

Normalerweise wurde sie von Waldarbeiterin oder Jägern benutzt, doch Lukas besaß ebenfalls einen Schlüssel. Milena wusste ganz genau, dass sie nicht das erste Mädchen war, das er in seinem Liebesnest empfing.

Die Sechzehnjährige fröstelte beim Anblick der dunklen Fassade. Das Licht hinter dem Fenster war nicht stark genug, um die unmittelbare Umgebung zu erhellen. Es diente lediglich als Signal, das Milena den Weg weisen sollte.

Plötzlich bekam sie Angst vor der eigenen Courage.

Sie ertappte sich bei dem Gedanken, dass sie insgeheim gehofft hatte, Lukas würde sie versetzen. Doch weshalb hätte er das tun sollen?

Milena war sich ihrer Schönheit durchaus bewusst. Ihr fester, durchtrainierter Körper weckte nicht nur bei Agnieszka Begehrlichkeiten. Iwona dagegen war stämmiger, hatte aber die größeren Brüste und ein strammes, ausladendes Hinterteil, worauf nicht wenige, gerade ältere Kerle standen.

Noch kannst du abhauen, schoss es Milena durch den Kopf. Kannst dich umdrehen, zurück zum Tunnel laufen und dich wieder ins Bett legen, ohne dass jemand etwas bemerkt.

Milenas Hand rutschte in die Außentasche des Parkas, in der der handliche Metallzylinder mit dem Plastikkopf steckte. Ihre Versicherung, falls Lukas zudringlich werden sollte.

Milena raffte all ihren Mut zusammen. Nein, sie würde nicht abhauen. Sie war es Iwona schuldig.

Das kühle Metall des Pfeffersprays gab ihr Sicherheit, und so trat die Schülerin aus dem Wald, an den sich ein mit hohem Gras bewachsener Streifen anschloss. Dort stand auch die Hütte, und dahinter erstreckte sich ein Acker bis zum Dorf hinunter.

Milena schritt auf die Hütte zu und wäre beinahe über die stählerne Deichsel gestolpert, die schräg vor ihr im Boden steckte. Sie wurde von Gräsern und Moos überwuchert. Ein Zeichen dafür, dass der Wagen schon lange nicht mehr bewegt worden war.

An der Längsseite schlich Milena vorbei. Die Taschenlampe konnte sie jetzt gefahrlos einsetzen, ohne befürchten zu müssen, dass ihr Licht vom Kloster aus gesehen wurde.

Sie lauschte dem Rascheln, Knistern und Knacken, das ihre Schritte verursachten, als sie sich einen Weg durch das dicht stehende Gras bahnte, in dem Äste und Zweige lagen, die der Wind von den Bäumen gerissen hatte.

Bislang hatte Lukas sich nicht blicken lassen. Vielleicht war er eingeschlafen.

Milena erreichte das Heck des Wagens, vor dem ein abgesägter Baumstumpf stand, der als Trittstein diente. Weiter oben ragte eine Metallstufe aus dem stählernen Gerüst, auf dem die Hütte errichtet war.

Milena stellte sich auf den Baumstumpf, atmete ein letztes Mal tief durch und schloss die Lider, dabei intensiv an Iwona denkend.

Dann fasste sie sich ein Herz und klopfte.

Jetzt gibt es kein Zurück mehr, fuhr es ihr durch den Sinn. Oder?

Milenas Herz hämmerte in der Brust.

Noch rührte sich nichts. War Lukas doch nicht gekommen? Aber wer hatte dann das Licht eingeschaltet? Ein Poltern im Inneren ließ Milena aufschrecken. Schritte näherten sich, dann wurde die Tür geöffnet. Ein Schwall warmer Luft wallte der Sechzehnjährigen entgegen.

Lukas’ Gestalt hob sich schwarz vor dem schwachen Licht einer Petroleumlaterne ab. Nur sein Gesicht schimmerte heller. Ein verschwommener Fleck im schummerigen Zwielicht. Er stand höher als Milena und wirkte dadurch noch größer und bedrohlicher.

»Na endlich!«, sagte er und ließ die Klinke los, um den Weg freizugeben.

»Ich hab doch gesagt, dass ich komme«, erwiderte Milena trotzig.

»Du hast dir aber verdammt viel Zeit gelassen. Jetzt komm endlich rein, sonst zieht die ganz Wärme nach draußen.«

Milena streckte die Arme aus und hielt sich am Türrahmen fest, um sich daran hochzuziehen.

Lukas...

Erscheint lt. Verlag 21.7.2020
Reihe/Serie John Sinclair
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Horror
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2017 • 2018 • Abenteuer • Academy • alfred-bekker • Bastei • Bestseller • Dämon • Dämonenjäger • dan-shocker • Deutsch • e Book • eBook • E-Book • e books • eBooks • Extrem • Fortsetzungsroman • Frauen • Geisterjäger • grusel-geschichten • Gruselkabinett • Grusel-Krimi • Grusel-Roman • Horror • Horror-Roman • horrorserie • Horrorthriller • Horror-Thriller • Julia-meyer • Kindle • Krimi • Kurzgeschichten • larry-brent • Lovecraft • Macabros • Männer • morland • neue-fälle • Paranomal • professor-zamorra • Professor Zamorra • Psycho • Roman-Heft • Serie • Slasher • spannend • Splatter • Stephen-King • Terror • Thriller • Tony Ballard • Tony-Ballard • Top • Walking Dead
ISBN-10 3-7325-9975-2 / 3732599752
ISBN-13 978-3-7325-9975-2 / 9783732599752
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