Lebenslänglich Friesland -  Karen Christiansen

Lebenslänglich Friesland (eBook)

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2020 | 1. Auflage
170 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7519-4277-5 (ISBN)
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"Willkommen in Friesland - leben Sie dort, wo andere Urlaub machen!" Nur allzu häufig erliegen arglose Binnenländer diesem verlockenden Werbeslogan der lokalen Tourismusbehörde und kämpfen noch Generationen später mit den Folgen einer leichtfertigen Umsiedelung an das schönste Ende der Welt. Aber eine vorübergehende Praxisvertretung für einen plötzlich verschwundenen Landarzt zu übernehmen, sollte doch normalerweise völlig ungefährlich sein, oder? Tja - zu Risiken und Nebenwirkungen einer sehr speziellen Region und ihrer Einwohner lesen Sie dieses Buch ...! Karen Christiansen ist studierte Teilzeit-Landfrau und wohnt, extrem glücklich verheiratet, in unmittelbarer Deich-Nähe. »Lebenslänglich Friesland« ist ein weiterer Teil ihrer beliebten Comedy-Serie. Kopfkino an - Film ab!

Karen Christiansen ist studierte Teilzeit-Landfrau und lebt, extrem glücklich verheiratet, in unmittelbarer Deich-Nähe.

Anfangs heiter.


»Nun bleiben Sie doch endlich stehen, verdammt noch mal – ich will Sie schließlich nicht umbringen!«

Seit fünf Minuten hetze ich einen wirr- und weißhaarigen Waldmenschen durch den Behandlungsraum. In der Notaufnahme unserer städtischen Klinik ist die Hölle los. Freitagnachmittag, was soll ich sagen?! Zwischen mir und dem Wochenende steht nur dieser spezielle Privatpatient, der unglaublich dringend und nur mal eben zwischendurch eine letzte Reiseimpfung benötigt, weil sein Flieger gleich startet. »Vorsicht, Freund vom Chef!«, hat mir Schwester Monika warnend zugeraunt, bevor sie mich, bewaffnet mit einer scharfgemachten Gelbfieberspritze, ins Sprechzimmer schubste. Na, toll. Auf solche Typen stehe ich. Tätowiert bis zum Anschlag, aber angstwinselnd angesichts einer winzig kleinen Kanüle.

Anfangs habe ich es mit professioneller Ruhe und den üblichen Beschwichtigungsformeln probiert. Ist bei einem tobenden Bigfoot in freier Wildbahn eher wirkungslos. Kam sogar neulich im Discovery Channel. Ein Blasrohr hab ich momentan nicht zur Verfügung und Sprengfallen in bewohnten Gebäuden sind unethisch.

Schwer atmend stehen wir uns lauernd am raummittig platzierten Behandlungstisch gegenüber. Ich täusche einen Ausfallschritt nach links an, den er mühelos pariert. Okay – doppelter Bluff, aber er fällt nicht darauf rein. Hier müssen die schweren Geschütze ran. Ein geduckter Scheinangriff unter dem Tisch zwingt das haarige Ungetüm zum Zurückweichen und ich nutze meine Chance, es mit einem herzhaft trittbeschleunigten Rollhocker zum Straucheln zu bringen. Haltsuchend krallt sich Naturburschi mit beiden Händen am nahegelegenen Schreibtisch fest – der Körperteil meiner Begierde ist schlagartig ungeschützt und ich platziere die Nadel korrekt bis zum Anschlag in seinem zugegebenermaßen knackigen Glutaeus.

Treffer – versenkt. So. Fertig. Mann, bin ich gut! Mit einem tiefen Atemzug puste ich imaginären Pulverqualm von der Kanüle und gleichzeitig den frischen Stempel im Impfausweis trocken. Seltsamer Typ. Wahrscheinlich aus der finstersten Provinz. Aber er hat echt lecker gerochen. Das ja.

Na, nichts könnte mir egaler sein. Mit vorfreudigem Hüpfen deponiere ich den Notfallpiepser für den nächsten Diensthabenden am Informationsschalter, als die klinikinterne Sprechanlage knatternd zum Leben erwacht.

»Doktor Berglund, bitte umgehend zum Chefarzt! Doktor Berglund, bitte …!«

Gegen diese Endlosschleife muss ich wohl etwas unternehmen.

Weil: Doktor Berglund bin ich.

Kehrt marsch ins Allerheiligste. Obwohl ich mir keiner Schuld bewusst bin, bekämpfe ich das unvermeidlich mulmige Gefühl, dass sich vor einer Audienz in mir breit macht, bemühe mich um einen gediegenen Eindruck und memoriere den üblichen Text. »Nein, ich war das nicht. Und wenn doch, war’s ein Versehen und ich will es auch bestimmt nie wieder tun.« Das klingt hinreichend glaubhaft – und wenn nicht, kann ich ja immer noch flauschig gucken.

Die Herrscherin des professoralen Vorzimmers zeigt mir mit wortlos gestrecktem Zeigefinger, wohin.

Ich bin nicht mal halb durch die Tür, als unser allseits geliebter Herr Chefarzt begeistert aufspringt, mir fast die Hand abschüttelt und mich in Richtung einer improvisierten Kaffeetafel zerrt.

»Verehrte Frau Kollegin! Wie schön, dass Sie sich uns anschließen konnten – was darf ich Ihnen anbieten?«

Das hat er noch nie gemacht. Oh, Scheiße. Es muss was Ernstes sein.

Ich lächle in die Runde und lasse mir die anwesenden Anzugträger vorstellen. Gut gemeint, aber völlig zwecklos. Ich kann mir einfach keine Namen merken. Gesichter übrigens auch nicht. Die Welt wäre ein sehr viel freundlicherer Ort, wenn alle meine Mitmenschen Namensschilder tragen würden. Na, so lerne ich jeden Tag wenigstens notgedrungen überdurchschnittlich viele neue Leute kennen.

»Vielen Dank, sehr aufmerksam.« Mit beiden zitternden Händen halte ich mein Wasserglas fest und versuche, nicht zu hyperventilieren. Der Smalltalk nimmt kein Ende. Noch eine einzige Bemerkung über das Wetter oder mein Befinden und ich springe auf, gestehe sämtliche Sünden, rolle mich unter dem Tisch zusammen und lasse mich erschießen – und dann muss aber auch gut sein. Was wollen Sie von mir?!

Ob ich was? Mir vorstellen könnte, in der Entwicklungshilfe zu arbeiten? Also – versucht hab ich’s bisher nicht. Das Vorstellen, meine ich. Aber ich will’s gern probieren. Die Herren gucken erwartungsvoll und nippen an ihren Getränken.

Ja, nun. Entwicklungshilfe. Was müsste man denn da machen? Also, Brunnen bohren zum Beispiel, könnte ich mir denken. Das ist schnell gemacht, schätze ich. Dafür gibt’s heutzutage Maschinen, stimmt’s? Die schaffen einen Brunnen bestimmt an einem halben Tag. Und wo man Brunnen braucht, ist es meistens warm – und wo es warm ist, gibt es auch einen Strand in der Nähe. Für den anderen halben Tag, an dem man frei hat.

»Och – Entwicklungshilfe? Würd‘ ich nehmen!«

Flächendeckende Erleichterung bei den Amts- und Würdenträgern. Professor Brinkmann schenkt eine Runde Hochprozentigen aus, während rings um mich herum synchron verschiedene Aktenkoffer aufschnappen. Da hätten wir zunächst eine Haftungsverzichtserklärung, eine gegenseitige Vertragsüberleitung, die vorübergehende Ausübungsermächtigung und hier außerdem …

»Moment, die Herren, nicht so schnell – darf ich vorab erfahren, wohin Sie mich schicken? Mir persönlich käme ein afrikanischer Küstenstaat sehr gelegen, wobei asiatische Inselregionen auch nicht zu verachten wären. Soll ich nur die Surfbretter einpacken oder kann ich auch die Tauchausrüstung mitnehmen? Äh – was genau meinen Sie eigentlich mit Friesland?«

Der Justitiar der Ärztekammer lehnt sich vertrauensvoll in meine Richtung und flüstert mir zu, dass da in dieser gewissen Nachbarregion und bedauerlicherweise mitten in seinem Verantwortungsbereich tatsächlich allen Ernstes ein kompletter Landarzt wie vom Erdboden verschwunden wäre. Das will der anwesende Bürgermeister nicht gelten lassen. Schließlich ist der Doktor auch nicht direkt verschwunden, sondern mehr momentan nicht auffindbar. Seit zwei Wochen. Und weil man die leidende Bevölkerung irgendwie versorgen muss und außerdem ein Wahljahr ist – na, ohne allzu sehr ins Detail zu gehen, wäre es prima, wenn ich mich entschließen könnte, ein wenig auszuhelfen. Braucht ja nicht für immer zu sein; ein Monat würde reichen. »Arbeiten Sie dort, wo andere Urlaub machen!« – so enthusiastisch, wie er das rüberbringt, klingt das nach ’nem fairen Deal. Professor Franke mischt sich ein und deutet an, dass solcherart Opferbereitschaft möglicherweise nicht nur durchs Karma, sondern sogar durch gewisse bevorzugte Berücksichtigung bei der nächsten Oberarzt-Ernennung honoriert werden würde.

Na ja, okay – aber: ausgerechnet Friesland?

Der Landrat singt ein Loblied auf die einmalige Schönheit der Gegend und ihren hohen Freizeitwert, preist sowohl Gesundheit als auch Langlebigkeit der Eingeborenen; der Bürgermeister verweist auf die komfortablen Arbeitszeiten mit vielen freien Nachmittagen in Strandnähe und der Personalvertreter der Ärztekammer spricht die magische Formel: »Oder trauen Sie sich das Ganze womöglich nicht zu?« Irgendwann bringt mich ein derartiger Misstrauensantrag ins Grab, aber bis dahin lasse ich sowas nicht auf mir sitzen und unterschreibe alles. In dreifacher Ausfertigung.

»Ach, wann soll es denn überhaupt losgehen? Wie – jetzt?! Jetzt wie sofort?«

Geduldig wartet die Herrenrunde, bis ich sämtlichen Edelbrand aus meinen Nebenhöhlen und von der Tischdecke entfernt habe. Pruuust – guter Scherz; da hätten sie mich fast erwischt, die kleinen Schelme …! Ja, haben sie. War nämlich gar kein Witz. Alle drücken mir die Hand, klopfen sich gegenseitig auf die Schultern und freuen sich ’nen Wolf.

Ziemlich verwirrt stehe ich Minuten später allein mit Bürgermeister und Landrat vor der klinikeigenen Personalunterkunft. Obwohl ich meine unsterbliche Seele nun rechtskräftig an den Landkreis vermietet habe, sind die Herren um Hilfsbereitschaft bemüht und wollen mir netterweise beim Packen helfen. Oder sie trauen mir nicht und wollen mich – notfalls mit körperlichem Nachdruck – direkt bis zu meinem Bestimmungsort eskortieren. Na, noch machen sie einen entspannten Eindruck, gucken kein bisschen gewaltbereit und versuchen Konversation. Wenn man ihnen Glauben schenken darf, sind wir in nicht ganz einer Stunde direkt am schönsten Ende der Welt, mit Meerblick, einem schicken Leuchtturm vor dem Küchenfenster und allen möglichen sozialen Annehmlichkeiten wie Kirchenchor, Kriegsgräberfürsorge und Landfrauenabend. Schön und gut – aber was ist mit einer Unterkunft? Wo soll ich eigentlich wohnen? Hotel? Ferienwohnung? Fremdenzimmer? Oh, nein, viel besser: ein Privatquartier! Und – ich...

Erscheint lt. Verlag 17.6.2020
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Comic / Humor / Manga
ISBN-10 3-7519-4277-7 / 3751942777
ISBN-13 978-3-7519-4277-5 / 9783751942775
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