Damit wir auch in Zukunft eine Zukunft haben (eBook)

Ernst Frischknecht - der Biopionier
eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
312 Seiten
elfundzehn Verlag
978-3-905769-61-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Damit wir auch in Zukunft eine Zukunft haben -  Christine Loriol
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Ernst Frischknecht ist Biopionier geworden, dabei hätte er 1972 seinen Betrieb in Tann-Dürnten am liebsten heimlich auf biologischen Landbau umgestellt. Aber Frischknecht war eben immer ein Fragender und Forschender. Er war Bauer, Biobauer und Politiker. 1993 hat er als Biosuisse-Präsident den ersten Vertrag mit Coop Naturaplan unterzeichnet und damit Geschichte geschrieben. Frischknecht ist oft zu weit gegangen und manchmal auch - vielleicht gerade deshalb - zu wenig weit gekommen. Er traut den Generationen, die nach ihm kommen etwas zu. Christine Loriol stellt ihn, sein Wissen und seinen Weg ins Zeitgeschehen: Die Klimabewegung sowie die jüngste «grüne Welle» verleihen diesem Buch Aktualität und Dringlichkeit. Es geht um Verantwortung und Vertrauen, um Zukunft und um Zuversicht. Ernst Frischknecht hat dazu etwas zu sagen.

Christine Loriol, *1960, lebt und arbeitet in Zürich im Kreis 5. Sie ist u.a. in Rapperswil- Jona aufgewachsen und kennt das Zürcher Oberland gut. Als Ernst Frischknecht noch Zürcher Kantonsrat war, war sie Journalistin bei Radio Zürisee und Radio 24. Sie ist seit mehr als zwanzig Jahren mit eigener Firma selbständig tätig als Texterin, Ghostwriterin, Kommunikationsberaterin und Coach. Ihr Metier ist denken, schreiben, reden.

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SHOWDOWN IN NAIROBI


OKTOBER 2005


Warum Ernst Frischknecht zuerst gar nicht zum Hackbrett Spielen kam, aber einen Monsanto-Mann auf den Rücken legte, wie man im Sudan den Boden vor Sonnenbrand schützt, warum Stickstoff besteuert werden sollte und dass es immer um die Ernährung des Bodens geht – weil nur Leben Leben erzeugt.

Badewannen für Bäumchen


Er würde nach seiner Pensionierung noch ein bisschen Kühe putzen und Gras mähen. Das war eigentlich die Idee. Und reiten würde er und sich um die Pferde kümmern. Und Musik machen! Darauf hatte sich Ernst Frischknecht gefreut. Er wollte Verantwortung abgeben, sich zurückziehen, Zeit haben und seine Ruhe. Den Hof hatte er schon mit 55 Jahren an Sohn Andreas übergeben. Er würde seinen Frieden finden: «Ich hatte einfach auch genug davon, von links und von rechts immer kritisiert zu werden». Zur Pensionierung im Spätsommer 2004 schenkte ihm seine Frau Dorli ein Hackbrett. Herrlich. Er, der schon als Kind Geige spielen durfte und später auch noch Cello lernte, freute sich. «Vergiss es!», sagte Ernst Frischknecht deshalb, als Ueli Vogt ihn zum ersten Mal anfragte.

Ueli Vogt, Architekt aus Hombrechtikon und Schwiegervater von Sohn Markus Frischknecht, hatte in den siebziger Jahren als Entwicklungshelfer im Sudan gearbeitet. Seine Kontakte überdauerten zwanzig Jahre Bürgerkrieg51. «Jetzt kehren dann Millionen von Flüchtlingen zurück! Und sie kommen mit ihrem Boden nicht zurecht», sagte Vogt. «Du musst mit mir dahin fahren! Es braucht dich!» Ernst Frischknecht winkte ab: «Ganz sicher komme ich nicht mit in den Sudan. Dort herrscht ein völlig anderes Klima, und ich spreche die Sprache nicht, und was soll ich diesen Leuten denn bringen können… also das hat doch überhaupt keinen Sinn.»

Aber Ueli Vogt liess nicht locker und tauchte mit einer offiziellen Einladung wieder auf. Frischknecht schluckte dreimal leer. «Und meine Frau sagte: Also, wenn einer unserer Söhne dort wäre, würden wir ihm doch auch helfen …» Er überlegte noch einmal. Ob er den Sudanesen vielleicht doch etwas Nützliches zeigen könnte? Seine Erfahrungen der Bodenbearbeitung ohne Pflug und das Verständnis von Bodenleben? Gut, wenigstens hinschauen und zuhören, ja das würde er können.

Bei minus elf Grad flogen Vogt und Frischknecht in Zürich ab, bei 40 Grad im Schatten landeten sie in Karthoum. Drei Tage warteten sie in der sudanesischen Hauptstadt auf eine Bewilligung, um aufs Land hinausfahren zu können. Sie wollten nach Malakal, 600 Kilometer südlich. Es war immer noch gefährlich, der Kriege war noch nicht beendet.52

Der Nil prägt das Klima im Südsudan. Zwischen April und Oktober ist es tropisch-feucht, und es gibt eine Regenzeit. In der Trockenzeit steigen die Temperaturen auf durchschnittlich 36 Grad am Tag, nachts bleiben sie weit über 20 Grad. «Als wir mit einem Propellerflugzeug nahe am Boden unterwegs waren, sah ich überall grosse, dunkle Flecken. Und ich dachte, das seien Wälder. Aber es waren abgebrannte Felder! Später erklärten mir die Bauern, in der Asche seien die Nährstoffe der Pflanzen vorhanden. Und das sei gut so.» Aber vom Leben in ihrem Boden hatten sie keine Ahnung.

Nach den ersten Eindrücken schauten sich beiden Schweizer vieles an und stellten Fragen. Ueli Vogt sprach Arabisch und übersetzte. Ernst Frischknecht fragte die Bauern, wie sie denn gearbeitet hätten, bevor die Kolonialisierung und damit die Traktoren, Pflüge und grossen Maschinen gekommen waren. Er wollte das tradierte bäuerliche Wissen ihrer Vorfahren anzapfen. «Die Bauern erzählten mir: Wir haben mit dem Speer ein Löchlein in den Boden gemacht, einen Kern hineingelegt, mit dem Fuss angedrückt und sind weiter gegangen. Schritt für Schritt. Und wenn das Gras zwischen dem Mais zu hoch wurde, haben wir es abgehackt und liegen gelassen.»

Ernst Frischknecht strahlt: «Eigentlich war das genau richtig! Im Zürcher Oberland müssen wir unsere Häuser gegen Kälte isolieren, weil die Wärme sonst nach aussen dringt. Und das Dach muss am besten isoliert sein, weil warme Luft hochsteigt. Im Sudan ist es einfach umgekehrt: Dort hat es zwar in der Tiefe überall Wasser, aber die Sonne brennt auf den Boden. Und wenn der Boden nicht bedeckt ist, fehlt das Dach und er ist ungeschützt. Man muss den Boden abdecken, damit die feuchte Luft von unten aufsteigen und am Dach, also an der Abdeckung, kondensieren kann. Sonst verdunstet es einfach.»

Zurück in der Schweiz liess ihm die Situation der Bauern in Malakal aber keine Ruhe. Ja, er würde ihnen helfen können. Er wollte es versuchen. Ernst Frischknecht besuchte in der Migros-Klubschule einen Englisch-Kurs, gestaltete einfache Schulungsplakate und stellte eine Dia-Schau zusammen. Gleichzeitig organisierte er den Transport eines Kombigrubbers nach Afrika. Diese Maschine kombiniert Sähen und Bodenbearbeitung. «Man kann damit sehr flach arbeiten. Der Kombigrubber respektiert die Bodenschichten und das Bedürfnis des Bodens nach Abdeckung. Und gleichzeitig kann man in einem Arbeitsgang das Saatgut einbringen.» Direktsaat ist eine Ackerbaumethode ohne Bodenbearbeitung vor der Saat. Weltweit werden rund 124 Millionen Hektaren so bearbeitet. Die Saat erfolgt ohne Pflügen und Eggen direkt nach der Ernte bzw. in das unbearbeitete Brachland.53 Auf dem Lindenhof wird übrigens anders gearbeitet: «Wir haben im Zürcher Oberland mehr Niederschläge. Das heisst: Wir müssen zwischen dem Zerstören der Grasnarbe und der Saat den Boden noch einmal striegeln. Wir bewegen die Pflanzenreste, damit sie verdorren. Danach erst können wir sähen.»

Im November 2004 reisten Frischknecht und Vogt zum zweiten Mal miteinander in den Sudan. Ernst Frischknecht zeigte rund 30 Bauern bessere Anbaumethoden. «Sie sagten mir erstaunt, was ich ihnen erzähle, würde ja am Wissen ihrer Vorfahren anschliessen! Das heisst doch: Sie haben es einmal gewusst… Aber sie haben es vergessen. Und sie empfanden sich als rückständig, als die Kolonisatoren mit ihren grossen Maschinen kamen.» Die Universität in Renk bekam Wind von diesem Bauern aus Europa und schickte einen ihrer Agronomen. Dr. Benjamin Mecalilie sollte sich das genauer anschauen. Ernst Frischknecht: «Die Bauern haben mich verstanden, mit der Universität war es etwas schwieriger… Sie fanden, was ich erzähle, möge in Europa ja funktionieren, aber bei ihnen sei das ganz anders.» Er seufzt: «Es ist doch immer dasselbe.» Klingt nicht einleuchtend, was er predigte? «Ich sagte: Ihr müsst den Boden abdecken, damit die Feuchtigkeit nicht verdunstet. Und einer der Lehrer entgegnete: Das geht aber nicht! Wenn wir den Boden abdecken, dann kommen die Schädlinge und fressen uns die Pflanzen. Also fragte ich ihn: Aber warum trägst du denn ein langärmliges Hemd? Es ist doch warm genug hier? – Ja, er müsse doch seine Haut vor der Sonne schützen … Seine Kollegen grinsten natürlich: Aha, deine Haut schützt du, aber den Boden willst du nicht schützen?»

Auch zum Wässern hatten Frischknecht und die Bauern aus Malakal komplett verschiedene Ansichten: «Sie fanden es unmöglich, wenn ich sagte, sie sollten nur zehn Prozent des Wassers einsetzen, das sie bislang bräuchten.» Man muss sich das konkret so vorstellen: Die Bauern hoben im Boden eine Art Kuhle aus und setzten die Pflanze hinein. Dann füllten sie diese mit Wasser auf, bis die Pflanze gewissermassen bis zum Hals in einer Badewanne sass. Am Mittag war das Wasser verdunstet und der Boden zerrissen. «Die Bauern sagten mir: Aber in Afrika braucht es einfach so viel Wasser! Und ich fragte: Aber wenn du Durst hast, hockst du dann auch bis zum Scheitel in ein volles Wasserfass hinein? Einer sagte: Nein, dann ich ja gar nicht mehr atmen. Siehst du, sagte ich, so geht es den Bodentieren auch.» Das war ein kleiner Durchbruch.

Auf wenigen Quadratmetern machten sie daraufhin gemeinsam Versuche in einem Garten. Und zwar mit Zuckerrohr, auf einer Fläche von 20 auf 10 Metern. «Der Boden war voller Spalten und blitzsauber. Aber ich hatte verschiedene Gras-Samen mitgebracht.» Ernst Frischknecht schlug vor, das Stück Erde in drei Teile aufzugliedern. Er sagte: «Den ersten Teil könnt ihr am Morgen überschwemmen wie bis jetzt. Aber wir sähen auf allen drei Stufen Gras ein. Beim zweiten Teil dürft ihr nur am Abend Wasser einlassen und nur soviel, wie die Erde zu trinken vermag. Und beim letzten Teil wässern wir ebenfalls nur am Abend und auch nur mit ganz wenig Wasser. Aber zusätzlich decken wir diesen Boden ab, mit Grasresten vom Strassenrand.» Die Veränderung war bald sichtbar: «Wo wir abgedeckt hatten, war alles wunderbar grün. Hier kam jeder Kern! Auf den anderen beiden Teilen hingegen nicht. So erlebten sie, wie der Boden sich schliessen kann.»

Aus dieser Erfahrung wurde ein gemeinsames Projekt. Ernst Frischknecht schuf ein einfaches Lehrmittel. Das wiederum sprach sich herum. «Überall wollten sie danach Bäume setzen.» Er erzählte den Bauern im Südsudan von den Bodentieren und machte mit ihnen Kompost, sodass es ein Fest war. «Man muss den Boden verstehen. Das ist das Geheimnis.» In seinem kleinen Ratgeber54 für die Bauern heisst es:

In einer Hand voll fruchtbarer Erde leben mehr Lebewesen als Menschen auf dem Planeten. Diese von Auge kaum sichtbaren Wesen sind eine grosse Hilfe, wenn wir drei Prinzipien beachten: 1. Boden nicht wenden, sowenig wie möglich stören. 2. Boden nie unbedeckt lassen. 3. Fruchtwechsel, Mischkultur, Gründüngung.

Die Broschüre erschien auf Deutsch, Englisch und Suaheli und trägt den Titel «Die Geheimnisse fruchtbarer Erde beachten – praktische Anleitung für Bauern...

Erscheint lt. Verlag 1.4.2020
Verlagsort Zürich
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte bio • Biographie • Klima • Nachhaltigkeit • Naturaplan
ISBN-10 3-905769-61-1 / 3905769611
ISBN-13 978-3-905769-61-6 / 9783905769616
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