Meine Irrungen, Wirrungen

(Autor)

Buch | Hardcover
660 Seiten
2020
EDITION digital (Verlag)
978-3-96521-023-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Meine Irrungen, Wirrungen - Gisela Heller
22,80 inkl. MwSt
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Auf eine Reise durch ihr langes und bewegtes Leben lädt die Journalistin, Schriftstellerin und Fontane-Expertin Gisela Heller die Leser mit ihren Erinnerungen ein. Ausführlich, detailreich und lebendig beschreibt die Autorin ihren nicht immer leichten Weg von der Flucht aus ihrer schlesischen Heimat und ihren beruflichen Anfängen in der frühen DDR über ihre journalistische Arbeit für Hörfunk und Fernsehen bis zur näheren Beschäftigung mit einem berühmten Kollegen, der ihr zum hauptsächlichen Arbeitsinhalt und Stützpfeiler für ihr Leben werden sollte - Theodor Fontane. "Kein Schriftsteller ist mir so nah wie Theodor Fontane", bekennt die Autorin und entdeckt, je mehr und je intensiver sie sich mit ihm beschäftigt, viele Parallelen in ihrer beiden Lebensbögen. "Ich habe ihn mir nicht ausgesucht; er ist mir zugewachsen mit der Zeit."

Das Buch bietet zudem spannende Inneneinsichten aus der Welt der Medien und Kultur der DDR, der Wende und Nachwendezeit bis zur Gegenwart und präsentiert eine Reihe von Porträts von Politikern, Journalisten- und Künstlerkollegen. Zugleich spart der umfangreiche Text familiäre Freuden und Schwierigkeiten nicht aus und zeigt, wie es der Autorin immer wieder gelang und gelingt, teils schwere Krankheiten, Krisen und Konflikte zu überstehen und sich eine positive Lebenseinstellung zurückzuerobern.

Die berührende Autobiografie schließt mit den Worten: "Die Zeit der großen, unerfüllbaren Wünsche ist vorbei; nur einer blieb: Möge ein versonnenes Lächeln das Gesicht derer verklären, die an mich denken ... C'est ça ..."

Die knapp 700 Seiten umfassenden Memoiren der Journalistin, Schriftstellerin und Fontane-Expertin Gisela Heller erscheinen zum 91. Geburtstag der Autorin.

Gisela Heller Geboren am 6. August 1929 in Breslau, hat lange für den Rundfunk gearbeitet und sich mit zahlreichen Veröffentlichungen über Potsdam und Brandenburg einen Namen gemacht. Bibliografie (Auszug) Märkischer Bilderbogen, Berlin 1976 Das Havelland mit den Augen der Liebe gesehen, Leipzig 1981 Potsdamer Geschichten, Berlin 1984, neu bearbeitet, Berlin 1993 Neuer Märkischer Bilderbogen, Berlin 1986 Unterwegs mit Fontane von der Ostsee bis zur Donau, Berlin 1995 Geliebter Herzensmann, Berlin 1998 Mit Glück ins Leben. Schlesische Kindheit, sächsische Jugend, Würzburg 2007

Mitternacht rückte näher und ich erzählte noch immer; wie Sheherazade getrieben von der Angst: Wenn ich aufhöre, bin ich verloren. Ich wollte die Frage hinausschieben, die meinen Eltern auf den Nägeln brannte: Was ist passiert in all den Wochen, was hat dich so aus der Balance gebracht? Eine allzu berechtigte Frage, die ich nicht beantworten durfte. Ich hatte es unterschrieben. Ich fühlte, wie die Spannung sich immer stärker aufbaute wie das Grummeln eines Vulkans kurz vor dem Ausbruch und ergriff plötzlich Mamas Hand, presste sie an meine heiße Stirn und begann zu weinen. Solche Gefühlsausbrüche waren in unserer Familie tabu, jedenfalls hatte ich dergleichen nie erlebt. Wir waren hilflos. Alle drei. Papa begriff als erster die Lage: "Ich habe auch einmal unterschrieben zu schweigen", sagte er, "am 30.März 1933. Man hat uns, die wir nicht laut genug Heil! schrien, für ein paar Wochen eingesperrt, verprügelt und gedroht, das nächste Mal würden wir nicht mehr so billig davonkommen." Das Geständnis verblüffte mich. Er hatte wirklich geschwiegen, selbst als Hitler längst tot und nichts mehr zu befürchten war. Ich würde das nicht schaffen. Ich musste reden, wenigstens zu den allernächsten Lieben. "Die Katholiken haben nicht umsonst den Beichtstuhl erfunden", meinte er, "als Schuljunge in Glatz hab ich beobachtet, wie bedrückt da mancher hineinging - und wie aufrecht und erleichtert wieder heraus ..." Ich kannte keine Katholiken, aber das mit dem Beichten leuchtete mir ein. Vater hatte mir eine Goldene Brücke gebaut. Es brachen alle angstvoll aufgetürmten Dämme und der Redefluss spülte Angst und Bedrängnis von meinem Herzen.

Sie ahnten, dass alles mit Siegi zusammenhing, dem Schönen, dem Romantiker, dem die Damen aller Jahrgänge und auch gewisse Männer begehrlich nachschauten, der Heinrich Heines "Buch der Lieder" auswendig kannte, selber Gedichte schrieb und in einem Kraftakt die Ostersendung des "Filmspiegels" rettete, als dessen Leiter drei Tage zuvor nach dem Westen abgehauen war. Das hatte Siegis Stellenwert beim MDR ungemein gehoben.

Er war ein Schwärmer, - und wiederum auch nicht. Ich wollte es nicht wahrhaben, als Vater damals meinen verliebten Höhenflug mit einem einzigen Satz dämpfte: "Der ist zu schön, um wahr zu sein." "Unverbesserliche Unke!", dachte ich damals. Mein Adonis ging in einer Zeit, da "Aus-zwei-Alten-mach-ein-Neues" Mode war, stets comme il faut gekleidet mit Anzug, Hemd, Krawatte und blanken Schuhen. Ich erfreute mich daran und fragte nicht nach dem Woher. Als wir uns näher kannten und unter einem Dache wohnten, nahm er mich manchmal mit in Gesellschaften, die mir wie fremde Welten erschienen. So wurden wir bei einer uralten adligen Russin eingeladen, wo man die Geister der Toten beschwor. Ein andermal bei einem Globetrotter, der im Kriege in Tokio lebte und von dem man nicht wusste, für welche Seite er spionierte.

(Spätestens bei dieser Geschichte bemerkte ich das unruhige Flackern in Mamas Augen. Ihr war das Ganze höchst unheimlich und ich verzichtete darauf, von der selbst mir abenteuerlich und bizarr erschienenen Reise nach Westberlin zu erzählen.)

Von Ost nach West zu kommen, war damals noch kein Problem, obwohl der Kalte Krieg wieder mal auf einem Höhepunkt stand. Die Russen hatten auf Provokationen der westlichen Alliierten reagiert und im Sommer 1948 kurzerhand Westberlin als Faustpfand abgeriegelt. Das traf 1,2 Millionen Westberliner hart, weil alles Lebensnotwendige eingeflogen werden musste. Eine kolossale logistische Leistung, die uns in Leipzig allerdings kaum beeindruckte. Bei uns hieß es: Erst haben sie Phosphor- und Brandbomben auf die Stadt regnen lassen, warum nicht mal zur Abwechslung Rosinen. Wir sahen darin durchaus keinen Akt reiner Menschenliebe. Westberlin war für uns lediglich "das Dorado der Geheimdienste aller Länder", der "Pfahl im Fleische des kommunistischen Lagers". Mir wollte nicht einleuchten, warum Siegi ausgerechnet dorthin

Erscheinungsdatum
Verlagsort Pinnow
Sprache deutsch
Maße 148 x 210 mm
Gewicht 1200 g
Einbandart Paperback
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Ask • Autobiografie • Biografie • Brandenburg • DDR • Familie • Fernsehen • Fontane • Krebs • Künstler • Leipzig • Liebe • Literatur • Rundfunk • Schriftstellerin • Schriftstellerverband • Tod • Verlust • Weimar
ISBN-10 3-96521-023-8 / 3965210238
ISBN-13 978-3-96521-023-3 / 9783965210233
Zustand Neuware
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