Ich will Dich den Sommer lehren (eBook)

Briefe aus vierzig Jahren
eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
160 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-2450-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Ich will Dich den Sommer lehren -  Christine Brückner,  Otto H Kühner
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Christine Brückner, über vierzig Jahre Erfolgsautorin des Ullstein Verlags, und ihr Schriftstellerkollege Otto Heinrich Kühner trafen erstmals 1954 während einer Literaturtagung aufeinander. Zwölf Jahre später wurden sie ein Paar, das dann drei Jahrzehnte lang als 'einziger funktionierender Autorenverband' zusammen lebte und arbeitete. Dass diese beiden anders als die meisten schreibenden Paare die Spannung zwischen intimer Nähe und Schreibisolation meisterten, davon zeugt der Briefwechsel, der sich im Nachlass fand und der hier zum ersten Mal zugänglich gemacht wird. Auch wenn die Korrespondenz mit einem handfesten Krach einsetzt, entwickelt sie schnell einen humorvollen Grundton. Der ebenso heitere wie kluge Briefwechsel zeigt, wie Kunst und Leben sich glücklich zur Lebenskunst verbinden. Mehr über Christine Brückner erfahren Sie über die Stiftung Brückner-Kühner unter http://www.brueckner-kuehner.de/.

Christine Brückner (1921 - 1996) zählt zu den renommiertesten Schriftstellerinnen Deutschlands. Sie verfasste Romane, Erzählungen, Kommentare, Essays, Schauspiele, auch Jugend- und Bilderbücher. Besonders mit der Poenichen-Trilogie wurde sie einem großen Publikum bekannt.

Christine Brückner, am 10.12.1921 in einem waldeckischen Pfarrhaus geboren, am 21.12.1996 in Kassel gestorben. Nach Abitur, Kriegseinsatz, Studium, häufigem Berufs- und Ortswechsel wurde sie in Kassel seßhaft. 1954 erhielt sie für ihren ersten Roman einen ersten Preis und war seitdem eine hauptberufliche Schriftstellerin, schrieb Romane, Erzählungen, Kommentare, Essays, Schauspiele, auch Jugend- und Bilderbücher. Von 1980-1984 war sie Vizepräsidentin des deutschen PEN; 1982 wurde sie mit der Goethe-Plakette des Landes Hessen ausgezeichnet, 1990 mit dem Hessischen Verdienstorden, 1991 mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse. Christine Brückner war Ehrenbürgerin der Stadt Kassel und stiftete 1984, zusammen mit ihrem Ehemann Otto Heinrich Kühner, den "Kasseler Literaturpreis für grotesken Humor". Christine Brückners Gesamtwerk ist im Ullstein Verlag erschienen.

Vorwort


Der private Schriftwechsel zwischen Christine Brückner und Otto Heinrich Kühner beginnt in aller Öffentlichkeit – mit einem Krach: Die Autorin hatte 1956 im christlichen »Sonntagsblatt« eine Kirchentags-Lesung ihres Kollegen kommentiert und ihm darin abgesprochen, ein ›christlicher Autor‹ zu sein. Die Gegendarstellung Kühners folgte alsbald in einem Brief an die Zeitung zur Rettung seiner, wie es heißt, ›christlichen Ehre‹. Das war schon der eigenen Familie geschuldet; im Nachlaß Kühners findet sich auch die Reaktion des Vaters. Der Theologe stellt darin dem Sohn mit langen, rot unterstrichenen Brückner-Zitaten besorgt die Gretchenfrage: Wie hast du’s mit der Religion?

Literaturhistorisch scheint dieser Vorfall eine Marginalie zu sein, eine Kuriosität vielleicht – um vieles kümmert sich die deutschsprachige Literatur der fünfziger Jahre, nach ›Kahlschlag‹ und ›Stunde Null‹ jedoch gewiß selten um die christliche Ehre!

Und doch weist das Ereignis auf die Sonderstellung hin, die Christine Brückner und Otto Heinrich Kühner in der sonst überwiegend tragischen Geschichte schreibender Paare einnehmen. Denn hinter dem Streit steckt eine gemeinsame Grundhaltung, aus der heraus die beiden in der Kunst und im Leben zusammenfinden – und zusammenbleiben. Die Übereinstimmung nimmt seinen Anfang im evangelischen Pfarrhaus, dem beide entstammen, sie aus Waldeck, er vom Kaiserstuhl, im selben Jahr geboren, jeweils als jüngstes Kind an einem 10. des Monats. Die Biographien der beiden Autoren verlaufen in Parallelen – bis zu ihrem kurz aufeinanderfolgenden Ende im Jahr 1996. Näheres zu diesem, wie sie sich selbst gern nannten, »einzigen funktionierenden Autorenverband« erzählt in der Mitte dieses Buches die kleine Lebensgeschichte in Text und Bild.

Der öffentliche Konflikt im »Sonntagsblatt«, der in der darauf einsetzenden Korrespondenz schnell als ›Mißverständnis‹ beigelegt wird, ist zugleich Bekenntnis zur genannten protestantischen Weltsicht, die für beide Autoren zeitlebens bestimmend bleibt. Sie durchzieht auch den gesamten Briefwechsel, ausdrücklich z. B. in Gebetsformeln oder Choralzitaten. Gerade die Intimität der Liebesbriefe, die sich das Paar seit 1966 und auch nach der Heirat schreibt, erlaubt eine offene Religiosität, die sich im literarischen Werk allenfalls unterschwellig ausmachen läßt. Der Ton ist dabei über weite Strecken heiter und humorvoll – darin stimmen der Briefwechsel und die literarischen Texte beider Autoren überein. Ansonsten hat man es jedoch mit grundverschiedenen Schreibweisen zu tun: Die Briefe sind nicht als Literatur gestaltet oder beabsichtigt, auch wenn sie kunstvolle Formulierungen oder – im Falle Kühners – immer wieder Gedichte enthalten. Ein Blick auf die literarischen Briefe Christine Brückners, z. B. in dem Band »Lieber alter Freund« (1992), macht diesen Unterschied deutlich: Als Adressaten sind hier in erster Linie die Leser gemeint; Briefpartner und -stil sind diesem Zweck unterworfen. Die privaten Briefe sind dagegen intimes Gespräch, das sich – besonders deutlich bei Kühner – auch Sentimentalität erlaubt oder – bei Christine Brückner – wie mündliche Rede liest.

Für den Herausgeber und Wächter über den Nachlaß des Schriftstellerpaares stellte sich daher die Frage, ob diese Briefe überhaupt veröffentlicht und einer breiteren Leserschaft zugeführt werden sollten. Solche Zweifel aber schwinden angesichts der langen Geschichte der Briefveröffentlichungen von Schriftstellern oder anderen Personen des öffentlichen Lebens. Sie verfliegen endgültig mit der Erkenntnis, daß die Autoren durchaus mit der Möglichkeit einer späteren Veröffentlichung gerechnet haben. Im Brief vom 6. November 1966 etwa verkneift sich Kühner eine kleine Frivolität, denn: »… das kann ich nicht so einfach hier hinschreiben, weil unsere Briefe vielleicht einmal veröffentlicht werden (!!)« Zwei Ausrufezeichen! Noch schwerer wiegt die Entdeckung, daß der Briefwechsel nicht nur als intimes Archiv aufbewahrt, sondern zu einem guten Teil bereits in Christine Brückners Briefroman »Das glückliche Buch der a.p.« literarisch verarbeitet wurde. Das Buch entstand – übrigens auf eine Anregung Kühners hin – in den ersten Ehejahren. Es beschreibt eine glückliche Beziehung zwischen zwei Schriftstellern und hat dabei viele authentische Briefe fast wortwörtlich übernommen; man möge es einmal anhand einiger Stichproben für das Jahr 1966 hier und im Roman überprüfen. An eine Fortsetzung wurde gedacht, wie es in einem Brief Christine Brückners einmal heißt: »Du schreibst sehr literarische, sogar poetische Briefe vom Lande! Ich sehe kommen, daß ich in 10 Jahren den zweiten Teil der ›a.p.‹ schreiben muß!« (4. 2. 1972)

Bei allem Unterschied zwischen den literarischen Briefen und ihren privaten Gegenstücken zeigt Christine Brückner gerade in ihrem Briefroman, wie eng sich Lebenswirklichkeit und ästhetische Fiktion durchdringen können. Das versteht sich schon von ihrer Maxime her, die sie im Aufzeichnungsband »Mein schwarzes Sofa« (1981) mitteilt, nämlich »nichts zu schreiben, was ich nicht bereit wäre, auch zu leben«. Das ›Du‹ aus dem Gespräch mit ihrem Mann wird übrigens auch in diese autobiographischen Mitteilungen übernommen. Bei Christine Brückner ist das Briefeschreiben, das sie – anders als ihr Mann – außerordentlich passioniert mit einem täglichen Pensum von oft zehn Briefen und mehr betreibt, eine Bedingung für die Arbeit an den Romanen. Als sogenannte Fingerübungen gelten die Briefe dem Eintauchen in die Welt der Schrift und einer ersten, mehr oder weniger vorläufigen Verarbeitung von Lebenserfahrung. Andererseits hat die »a.p.« wohl auch die Funktion, das Glück der zweiten Ehe festzuschreiben bzw. als Aufgabe und Verantwortung für die Zukunft festzulegen: »Glück ist Sache des einzelnen. Die Bewältigung des eigenen Schicksals.«

Bei Otto Heinrich Kühner hat der Brief nicht diese unmittelbare Anbindung an die literarische Arbeit. Dennoch gibt es auch bei ihm eine Entsprechung von Kunst und Lebenspraxis: Der Brief ist immer wieder eine Art der Einsicht, des Bekennens und der Vergewisserung gegenüber der Partnerin – und auch gegenüber sich selbst. Dazu gibt es gleichfalls eine Parallele in seinem Werk, ebenfalls einen Eheroman in Briefen, der im Jahr 1966 erscheint und somit unmittelbar vor der Liebesbeziehung zu Christine Brückner entstanden ist: In der »Heiratsannonce« schreibt sich ein in Trennung befindliches Ehepaar monatelang Briefe. Allerdings ohne das Wissen, daß es sich um den Gatten, die Gattin handelt, sondern im Glauben, der andere sei der neue Partner, mit dem man sich – jeweils vermittelt über eine heimliche Heiratsannonce – noch vor der Scheidung absichern möchte. Nur geraten die Eheleute eben zufällig selbst aneinander und finden sich so über viele Verwicklungen neu. Während bei Christine Brückner also das Schreiben des Paares zum Ausdruck einer gemeinsamen Lebensgestaltung hin zum Glück stilisiert wird, ist es bei Kühner ein Mittel, das in der Ironie des Schicksals dem einzelnen Einsicht und Wandlung und daher auch Liebe ermöglicht.

Was sich also über den Briefwechsel von Christine Brückner und Otto Heinrich Kühner insbesondere vermittelt, ist ein Stück Lebenskunst. Seit der Antike versteht man darunter die Möglichkeit, das eigene Leben in der Sorge um sich selbst und den anderen bewußt zu gestalten. Lange Zeit wurde Lebenskunst durch das Christentum überliefert – wohl auch deswegen ist sie den beiden Autoren so nahe. Bereits Friedrich Nietzsche, moderner Verfechter der Lebenskunst (und selbst ein Pfarrerskind), betonte, daß Erleben immer auch ein Erdichten ist. In Christine Brückners Roman »Jauche und Levkojen« heißt es einmal: »Das Leben hält sich oft eng an die Literatur und vermeidet dabei kein Klischee.« Literarische Kunst ist ›Probehandeln‹, und erfülltes Leben folgt – wie die Kunst – einer bewußten Wahl, Erschließung und kreativen Ausgestaltung von Möglichkeiten.

Zur Lebenskunst gehört aber auch die Kunst der Freundschaft und der Liebe. Davon zeugt der Briefwechsel in besonderem Maße. Zunächst ist es die kollegiale Freundschaft, in der man sich Lob und konstruktive Kritik für das neueste Buch zukommen läßt, um Vermittlung ersucht (vor allem Christine Brückner bei dem Hörspiellektor und -dramaturgen Kühner, meist vergeblich) oder dem anderen als Gleichgesinntem die momentanen Lebensumstände mitteilt. Mit der Liebe steigert sich dieser Dialog zum Wechselspiel zwischen Sorge und Sorglosigkeit. Die Sorge um sich selbst, so sagt die Philosophie der Lebenskunst, braucht geradezu die Sorge um den anderen, auch wenn sie sich immer wieder lustvoll in der Leidenschaft füreinander verliert. Sorge gilt, wie die Briefe zeigen, vermehrt zunächst der Partnerin: Ein Einschnitt ist hier die Erfahrung von Todesnähe, als das Paar im Frühjahr 1972...

Erscheint lt. Verlag 6.7.2020
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Briefe / Tagebücher
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Briefe • Briefwechsel • Paar
ISBN-10 3-8437-2450-4 / 3843724504
ISBN-13 978-3-8437-2450-0 / 9783843724500
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