John Sinclair 2187 (eBook)

Paint it, Black!

(Autor)

eBook Download: EPUB
2020 | 1. Aufl. 2020
64 Seiten
Bastei Entertainment (Verlag)
978-3-7325-9673-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

John Sinclair 2187 - Marc Freund
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Etwas an diesem Gemälde faszinierte ihn. Faszinierte ihn so sehr, erregte ihn, sodass er seinen Blick gar nicht mehr davon abwenden konnte. Hier war ein Meister am Werk gewesen, ein wahrer Könner seines Fachs.
Der junge Mann stand wie angewurzelt da. Die Welt um ihn herum schien zu verblassen, in gleichem Maße, wie die Farben auf dem Bild intensiver zu werden schienen. So mächtig und stark, dass sie einen Sog entwickelten, dem sich der Kunststudent nicht entziehen konnte ...

Barnaby Howard befand sich direkt nebenan, in der mit allerhand gläsernen Schaukästen versehenen Eingangshalle des kleinen Museums.

Gerade hatte er ein etwa siebenjähriges Mädchen mit einem grimmigen Blick über seine goldgeränderte Brille hinweg angesehen, als die Kleine mit ihren von Zuckerwatte klebrigen Fingern gegen das Glas von Kasten Nummer Drei gepatscht hatte.

Barnaby hatte all seinen Grimm in diesen einen Blick gelegt und sich dazu furchteinflößend geräuspert. Ein Geräusch, als würde eine alte Badewanne leer laufen.

Das Mädchen war von dem Kasten zurückgeschreckt, in dem die Entwicklung des Menschen von der Steinzeit bis heute in kleinen Modellen dargestellt wurde.

Wenn man Barnaby nach seiner Meinung fragte, antwortete er gerne, dass manche Besucher des City Museums nie über den geistigen Status eines Primaten hinaus gelangen würden. Und die Kleine mit ihren albernen Zöpfen und der verschmierten Schnute (und den Händen … mein Gott, diesen Händen!) war keinen Deut besser als das dazugehörige Elternpaar, das müde und gelangweilt hinter ihrem Sprössling her trottete, so als wären die beiden noch dabei, den aufrechten Gang zu erproben.

Die Kleine sah Barnaby aus großen Augen an. Der alte Mann streckte ihr die Zunge heraus. Ganz kurz nur. Es reichte aus, dass das Mädchen sich nun wieder ihren Eltern zuwandte, die langsam und gemächlich dem Ausgang entgegen trotteten. Achtzehn Uhr. Feierabend.

Barnaby lächelte zufrieden und warf einen letzten Blick auf das Sudoku, das er gerade löste. Mittlerer Schwierigkeitsgrad. Die ganz schweren interessierten ihn nicht, man hatte einfach zu wenige Erfolgserlebnisse mit ihnen, und ehe man sich versah, hatte man sich vollkommen verzettelt und kritzelte nur noch wahllos darin herum, bis das Heft am Ende dieses Versuchs zerknüllt in die Ecke flog. Nein, danke.

Barnaby setzte eine Zwei und eine Fünf in die letzte Zeile und machte einen Haken an das Rätsel. Er klappte das Heft zu und blickte sich um. Die Eingangshalle des Museums war jetzt leer, nachdem die automatische Ansage über das bevorstehende Schließen des Museums schon zweimal über die Lautsprecheranlage gedrungen war.

Barnaby griff nach seinem Schlüsselbund. Es war Zeit, die Rollläden zu schließen und die Alarmanlage einzuschalten.

Aber halt. Etwas stimmte nicht. Und nach kurzem Überlegen wusste der alte Museumswärter auch, was es war.

Es fehlte jemand. Der junge Bengel mit dem dunkelgrauen Hoodie und dem kleinen grünen Rucksack. Er musste noch immer in dem Saal nebenan sein, jedenfalls hatte Barnaby ihn zwar hinein-, nicht aber wieder hinausgehen sehen.

War das etwa einer von diesen Witzbolden, die es darauf anlegten, Spielchen mit ihm zu versuchen? Barnaby erhob sich, drückte sein Kreuz durch und zog seinen Hosenbund straff. Früher, vor dreißig Jahren etwa, hätte er es noch mit jedem aufgenommen. Das war die Zeit gewesen, als er bei Henry Bowers’ Abrissunternehmen gearbeitet hatte und Margaret Thatcher noch Premierministerin gewesen war. Irgendwie waren die Dinge damals noch in Ordnung gewesen. Zumindest einige.

Barnaby griff nach seinem Schlagstock aus Hartgummi, verlor ihn beinahe aus den Händen, bevor er ihn richtig zu packen bekam und ihn unauffällig an seinem Hosenbund befestigte.

Er schloss seine Uniformjacke und machte sich mit seinen schwarz glänzenden Schuhen auf den Weg, deren Absätze in der leeren Halle deutlich vernehmbare Geräusche erzeugten.

Die Finger seiner linken Hand trippelten auf dem Griff des Schlagstocks, den er im Laufe seiner Karriere als Museumswächter erst einmal hatte einsetzen müssen, als ein Typ vor vier Jahren meinte, im oberen Saal bei den Steinzeitfunden randalieren zu müssen. Das alles nur, weil seine Frau nicht nur an jenem Tag, sondern ausgerechnet während des gemeinsamen Museumsbesuchs entschieden hatte, ihn endgültig zu verlassen. Barnaby hatte den Kerl erwischt, als dieser einen Schaukasten umwerfen wollte. Ein sauberer, gezielter Schlag von hinten gegen den rechten Ellenbogen des Kerls hatte ausgereicht.

Barnaby war kein Schläger, er hatte diese Aktion nicht genossen. Aber ein klein wenig Befriedigung hatte ihm das winzige Intermezzo schon beschert. Er passierte den Eingang zum Saal, der übersichtlich angeordnet war. Die großen, zumeist goldgerahmten Ölgemälde hingen an hohen Wänden. Dezentes Licht ließ ihre Wirkung auf den Betrachter vollends entfalten. In der Mitte des Raums waren Bänke aufgestellt, die ein Quadrat bildeten.

Der junge Mann war nirgends zu sehen.

Barnaby blinzelte, schob sich seine Brille mit den kleinen runden Gläsern zurecht.

Unter einem der Gemälde lag der Rucksack des Besuchers. Der Museumswärter erkannte ihn schon von Weitem. Er hielt darauf zu, diesmal mit schnelleren und ausgreifenden Schritten. Energisch.

»Hallo, Sir?«

Nichts. Keine Antwort, als das blechern wirkende Echo seiner Stimme, das von den Wänden widerhallte.

Barnaby starrte auf den Rucksack. Etwas daran irritierte ihn. Er bückte sich und betrachtete etwas, das dunkel auf der schmalen eisernen Schnalle glitzerte. Es handelte sich dabei um einen einzelnen Blutstropfen.

Zumindest glaubte Barnaby, dass es einer war. Ganz sicher war er sich nicht, aber er wollte es nicht austesten. Wenn er nämlich recht hatte, dann …

Etwas lenkte seine Gedanken ab. Er sah längst nicht mehr auf den Rucksack hinunter, sein Blick war weitergewandert. Zum Gemälde hinüber.

Barnaby riss ungläubig die Augen auf. Was er auf dem Bild sah, konnte nicht sein.

Es durfte nicht sein!

Das Geräusch des Pinselstrichs auf der Leinwand war für einen Moment das Einzige, was in dem hellen, lichtdurchfluteten Atelier zu hören war.

Der Blick hinaus auf das Meer vor dem Strand von Holy Island war einzigartig. Die zurückgewichene Flut hatte wellenförmige und unendlich fantasievolle Muster in den hellen, schlammigen Sand gezeichnet, auf dem noch immer ein Rest Feuchtigkeit in der Mittagssonne glänzte.

Charlotte Day versuchte, dieses Bild, diese Stimmung einzufangen. Und sie war bemerkenswert gut in dem, was sie tat.

Sie strich sich eine silberne Haarsträhne aus der hohen Stirn und setzte ihre Arbeit fort. Ihr Pinsel strich in beinahe zärtlichen Bewegungen über die Leinwand und bedeckte die letzten weißen Flecken mit einem Farbton, der den hellbraunen Schlicksand da draußen in hoher Vollendung imitierte.

Charlotte war so konzentriert und gedankenversunken, dass sie nicht einmal das Geräusch hinter ihr aus dem Konzept brachte. Vielleicht auch, weil es ein Teil der täglichen Routine hier auf Lindisfarne Castle war. Schritte näherten sich. Die Dielenbretter im Zimmer knarrten leise.

»Hallo, Harrison«, sagte Charlotte leise, während sich auf ihrer Stirn eine Falte der höchsten Konzentration zeigte, als sie den Pinselstrich zu Ende führte, sich zurücklehnte und ihr Werk mit der für Künstler notwendigen Portion Skepsis betrachtete.

»Zufrieden?«, fragte der Mann, der das kleine Atelier betreten hatte.

Er trat vorsichtig von hinten an den Rollstuhl heran und strich seiner älteren Schwester mit einer leichten Bewegung über das Haar.

Sie legte den Pinsel zur Farbpalette und richtete ihren Oberkörper auf. »Kann ich dir vermutlich erst morgen sagen, mit etwas Abstand. Aber ich denke schon.«

Harrison Day lächelte matt. Er drückte sein Kreuz durch und blickte aus dem Fenster. Die Nordsee, die die Gezeiteninsel Holy Island vor der Küste Northumberlands umfing, zeigte sich heute ruhig. Nichts deutete darauf hin, dass sie bisweilen zu einem hungrigen Monster mutieren konnte.

Harrison Day und seine Frau Rachel hatten das alte Schloss Lindisfarne Castle vor zwei Jahren gekauft, nutzten selbst jedoch nur den Teil, der vor vielen Jahren bereits zu einem Privathaus umgebaut worden war.

Einen nicht unwesentlichen Teil der Kosten hatte Harrisons Schwester Charlotte beigesteuert, die sich eine Invalidenrente hatte auszahlen lassen. Zudem hatten die Geschwister ihr gesamtes Erbe eingezahlt, um diesen Besitz erwerben zu können.

Seitdem war es weitestgehend mit den Besucherströmen vorbei, die bei Ebbe hierherkamen, um sich die Insel und das Schloss anzusehen. Sie kamen nur noch bis zu einer Absperrung, etwa zweihundert Meter vor Lindisfarne gelegen.

Dies hatte anfangs zu einigem Unmut beim örtlichen Touristikverband geführt. Charlottes Verhandlungsgeschick war es jedoch zu verdanken, dass die Damen und Herren milde gestimmt werden konnten. Zweimal im Monat gab es einen Besuchertag, und hin und wieder öffnete sich das Tor am Ende der Straße auch für besondere Anlässe.

Harrison legte die Stirn in Falten. Das Tor stand tatsächlich offen. Und in diesem Augenblick näherte sich ein einzelnes Fahrzeug auf der Zufahrtsstraße. Ein schwarzer Wagen mit langer Schnauze, der aussah, als stamme er aus der Mitte des letzten Jahrhunderts. Was vermutlich sogar der Fall war, dachte Harrison, als das Gefährt das Tor passierte und sich über den leicht gewundenen Pfad dem markanten Hügel näherte, auf dem Lindisfarne Castle thronte.

Charlotte Day löste den Blick von ihrem Werk, als sie spürte, dass sich die Haltung ihres Bruders in ihrem Rücken versteifte.

»Erwartet ihr für heute Besuch?«

»Nein«, gab Harrison zurück. Er rieb dabei Daumen und Zeigefinger seiner rechten Hand aneinander, dass es leise knirschte.

Für Charlotte war es ein sicheres Anzeichen dafür, dass ihr Bruder wusste, wer sich da näherte.

»Sie hat es tatsächlich getan«, sagte Harrison in diesem...

Erscheint lt. Verlag 9.6.2020
Reihe/Serie John Sinclair
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Horror
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2017 • 2018 • Abenteuer • Academy • alfred-bekker • Bastei • Bestseller • Dämon • Dämonenjäger • dan-shocker • Deutsch • e Book • eBook • E-Book • e books • eBooks • Extrem • Fortsetzungsroman • Frauen • Geisterjäger • grusel-geschichten • Gruselkabinett • Grusel-Krimi • Grusel-Roman • Horror • Horror-Roman • horrorserie • Horrorthriller • Horror-Thriller • Julia-meyer • Kindle • Krimi • Kurzgeschichten • larry-brent • Lovecraft • Macabros • Männer • morland • neue-fälle • Paranomal • professor-zamorra • Professor Zamorra • Psycho • Roman-Heft • Serie • Slasher • spannend • Splatter • Stephen-King • Terror • Thriller • Tony Ballard • Tony-Ballard • Top • Walking Dead
ISBN-10 3-7325-9673-7 / 3732596737
ISBN-13 978-3-7325-9673-7 / 9783732596737
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