Die Toten von Crowcross (eBook)

(Autor)

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2020 | 1. Auflage
410 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-1932-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Toten von Crowcross - Iain McDowall
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Zwanzig Jahre saß Martin Grove unschuldig im Gefängnis. Als er endlich freikommt, zieht er zurück nach Crowby, um Claire Oldhams wahren Mörder zu finden. Kurz bevor er ihn überführt, wird er jedoch brutal ermordet. Nahe dem Tatort finden Jacobson und Kerr bald noch eine Tote, auf identische Weise umgebracht. Sie hat für eine Privatdetektei gearbeitet. Aber wie hängen die beiden Fälle zusammen?



Iain McDowall, in Kilmarnock, Schottland, geboren, war Universitätsdozent für Philosophie und Computerfachmann, ehe er als Autor von Kriminalromanen bekannt wurde. Heute lebt er in Worcester, England, wo sich auch die fiktive Stadt Crowby befindet, in der seine Kriminalromane allesamt spielen.

5


Jacobson durchquerte die Fußgängerzone in Richtung Silver Street, wo Slingsby & Ass. in einem denkmalgeschützten Gebäude residierten, das von den Planungsvandalen des vergangenen Jahrhunderts auf wundersame Weise verschont geblieben war. Das spätviktorianische, aus den typischen roten Ziegeln der Midlands errichtete Gebäude war über drei Generationen Sitz einer Anwaltskanzlei gewesen, bis der letzte Vertreter der Familie im Zweiten Weltkrieg zu Tode gekommen war. Danach hatte sich dort zunächst eine Arztpraxis etabliert, auf die ein Versicherungsbüro und ein Immobilienmakler gefolgt waren. Alan Slingsby schließlich hatte Gefallen an der Vorstellung gefunden, das schöne alte Gebäude wieder seiner ursprünglichen Bestimmung und Funktion zuzuführen. Äußerlich war das Haus sorgfältig restauriert worden, das Innere jedoch hatte Slingsby vollständig entkernen lassen, um eine harmonische Verbindung von alter Solidität und heller, moderner Alltagstauglichkeit zu erzielen. Slingsby & Ass. waren über die Jahre gewachsen, mittlerweile gab es sechs zusätzliche Büros in der Region, aber Crowby bildete nach wie vor das Zentrum der Aktivitäten.

Sie waren beide noch jung gewesen, als sie zum ersten Mal die Schwerter kreuzten. Slingsby, der radikale Agitator, frisch von der Universität, wollte den kapitalistischen Staat mit seinen eigenen Waffen schlagen und so den längst überfälligen Niedergang beschleunigen. Jacobson, noch feucht hinter den Ohren, war der jüngste Beamte im CID und Lichtjahre davon entfernt, überhaupt über die Polizeiarbeit nachzudenken, geschweige denn kritisch. Im Laufe der Jahre hatten sie sich beide verändert. Slingsbys Kanzlei (das Experiment mit dem »Radikalen Rechtskollektiv Crowby« hatte nicht allzu lange Bestand gehabt) war aufgeblüht, genährt von einer profitablen Mischung aus endlosen Alltagsfällen und komplizierten Mandaten bei den spektakulärsten Prozessen der Gegend. »Ich will jemanden von Slingsby«, war im Polizeigewahrsam von Crowby bis Coventry, über Birmingham und Derby und wieder zurück täglich zu hören. Da verwunderte es wenig, dass die eher mittelmäßigen Beamten, ob vom CID oder der uniformierten Truppe, Alan Slingsby und seine Geschäfte aus tiefstem Herzen verabscheuten. Sie hassten es, wenn seine Anwälte sie vor Gericht schlecht dastehen ließen (was nicht selten vorkam), weil sie wieder einmal ihre Notizen nicht fanden oder eine Schlafmütze der anderen widersprach. Ihnen war zuwider, dass seine Mandanten stets auf »nicht schuldig« plädierten und, wenn eben möglich, ein Geschworenengericht wollten. Und Vorurteile hatten nun mal die unangenehme Angewohnheit, um sich zu greifen, sodass selbst kompetente Leute wie DS Kerr in Slingsby mittlerweile den Satan persönlich und den Hauptfeind des CID sahen. Jacobson dagegen, der die Dinge wie immer gern etwas anders betrachtete, mochte ihn.

Wahrscheinlich würden sie sich oben im vierten Stock, in Slingsbys Büro, unterhalten. Von dem großen Erkerfenster aus konnte man das Gerichtsgebäude sehen, das gleich ums Eck am Clarence Square lag. Jacobson zog den Fahrstuhl dem großzügigen marmornen, viktorianisch anmutenden Treppenhaus, das die Entkernung überlebt zu haben schien, vor. Er hatte der ungezwungen zuvorkommenden Empfangsdame nicht gesagt, warum er Slingsby zu sprechen wünsche, wusste er doch, dass Slingsby nicht annehmen würde, er wolle ihm einen Höflichkeitsbesuch abstatten; es war klar, dass es einen triftigen Grund geben musste. So hatte die Empfangsdame auch nur gesagt, »Alan« freue sich, ihn zu begrüßen; allerdings müsse er noch zu einer Konferenz nach Wolverhampton und sei auf den Zug um zehn Uhr fünfunddreißig gebucht.

Er ließ Slingsby die Sekretärin um Kaffee bitten und wartete, bis sie in den bequemen Sesseln Platz genommen hatten; erst dann rückte er mit der schlechten Nachricht heraus. Slingsby hatte ein Gesicht, das sich am besten als professionell ausdruckslos beschreiben ließ und von dem Gedanken oder Gefühle abzulesen äußerst schwierig war – normalerweise, aber heute war es anders. Jacobson sah, wie so gut wie alle Farbe aus ihm wich.

»Sind Sie sicher, Frank?«, sagte Slingsby nach einer langen Pause leise.

Keine ernsthafte Frage. Er hatte nur etwas sagen, seinen Verstand wieder in Gang setzen wollen. Jetzt stand er auf, holte einen zwölf Jahre alten Glenmorangie aus dem Mahagonischrank seitlich vom Schreibtisch, schüttete sich einen großzügigen Schluck ein und winkte mit der Flasche zu Jacobson hin.

»Nein, danke«, sagte Jacobson. »Mir reicht eine Tasse Kaffee.«

Slingsby trank, schenkte sich noch einmal kräftig nach und setzte sich wieder. Jacobson hatte ihm nur das Wichtigste gesagt: dass Grove mit einem Kopfschuss getötet und von seiner Freundin gefunden worden war. Es war noch zu früh, entschied er, um Slingsby mit den eher unappetitlichen Einzelheiten des Mordes zu belasten.

»Sie haben nicht zufällig eine Zigarette? Ich rauche zwar nicht mehr, aber …«

Jacobson sagte nein, er rauche auch nicht mehr, seit ein paar Monaten schon.

»Schade. Diese verfluchten Gesundheitsapostel, am Ende kriegen sie uns alle, einen nach dem anderen.« Slingsby rang sichtlich um Fassung.

»Sie sind also in Verbindung geblieben?«, fragte Jacobson.

In der Ecke tickte eine alte Standuhr vor sich hin. Mit römischem Zifferblatt. Der Name des Herstellers war auf einem Schild unten am Sockel zu lesen: Knight and Gibbins, London. Es war eine Minute vor zehn.

Slingsby nahm einen weiteren Schluck, bevor er antwortete.

»Ja, das sind wir. Gewissermaßen. Aber Martin war kein normaler Mandant.«

»Gewissermaßen?«

»Er war ein ungewöhnlicher Mensch. Es war nicht leicht, mit ihm zu reden, und er war auch keine einfache Gesellschaft. Intensiv, Frank, immer sehr intensiv.«

Slingsbys Sekretärin brachte eine Kanne frischen Kaffee herein und bot ihnen eine Tasse an. Slingsby schüttelte den Kopf, aber Jacobson sagte: »Ja, bitte«, und nahm auch einen Spritzer Sahne. Er wartete, bis die Sekretärin wieder gegangen war.

»Wie oft haben Sie sich …?«

»Das kann ich so nicht sagen, aber in meinem Terminkalender könnte ich es nachsehen. Vielleicht sechs, sieben Mal, seit er entlassen wurde. Wobei ich die Zeit unmittelbar nach der Entlassung nicht mitzähle.«

»Als er bei Ihnen wohnte, meinen Sie?« Plötzlich erinnerte Jacobson sich wieder daran.

Slingsby nickte. »Nachdem seine Mutter gestorben war, hatte er draußen niemanden. Nur diese Irre, die ihn heiraten wollte.«

»Und? Haben sie?«

Stück für Stück kam Jacobson die Martin-Grove-Geschichte wieder in Erinnerung, wenn auch nicht mit jeder Einzelheit und auch nicht exakt dem tatsächlichen Geschehen entsprechend.

»Nein, sie haben nicht geheiratet. Martin hatte genug gesunden Menschenverstand, das irgendwann zu beenden. Jedenfalls hat er den ersten Monat bei uns gewohnt. Jill, meine Partnerin, hielt es am Ende aber nicht mehr aus und hat mit der Faust auf den Tisch gehauen. Wir waren von Paparazzi und Presse umzingelt, die sind uns mit Teleobjektiven, Infrarotkameras und was es sonst noch gibt zu Leibe gerückt. Nicht mal zu Waitrose haben sie uns noch unbeobachtet gelassen. Wobei Martin auch nicht unbedingt eine Hilfe war. Er fuhr mit dem Taxi nach Crowby hinein, zog von Theke zu Theke und kam sturzbetrunken zurück.«

Slingsby hob sein Glas an die Lippen, trank aber nicht. »Das war eine Phase, da musste er durch. Auf jeden Fall waren wir ziemlich erleichtert, als er ein möbliertes Zimmer fand. Das war natürlich noch, bevor die Frage der Entschädigung geklärt war, mit der er sich ein eigenes Haus kaufen konnte.«

Die Antwort auf seine nächste Frage kannte Jacobson bereits, oder glaubte es wenigstens.

»Sie haben Ihren Job gemacht, Alan. Haben zu ihm gehalten, bis er am Ende freikam. Warum sich da schuldig fühlen? Warum sich infrage stellen? Ich meine, er kann doch nicht der einzige Mandant gewesen sein, der für etwas verurteilt wurde, das er nicht getan hat.«

Slingsby lächelte gezwungen.

»Die Gefängnisse sind voll mit unschuldigen armen Teufeln, Frank. Das wissen Sie so gut wie ich, und ich habe meinen Anteil daran, indem ich es nicht immer verhindern kann. So ist das nun mal in dem Job. Aber mit Martin … das war das erste Mal, bei dem ich gescheitert bin. Und Sie kennen meinen Hintergrund, Sie wissen, woher ich komme. In den ersten Jahren habe ich die ganzen Verschwörungstheorien noch ernst genommen. Ich dachte, sein Fall würde ›politisch‹ etwas aufdecken.«

»Sie meinen, dass Claire Oldham vom Geheimdienst ermordet worden war?«

»Genau. Ich dachte, ich könnte dem MI5 etwas nachweisen. Mein Gott, Frank! Was ich für Vorstellungen hatte …« Er trank endlich einen Schluck und fuhr dann fort: »Ich denke, der Fall hat sich über die Jahre in mich hineingefressen. Ich fühlte mich verpflichtet. Ja, das ist das beste Wort dafür.«

»Wenn Sie sagen, Sie sind in Kontakt geblieben, was genau meinen Sie damit? Gesellschaftlich?«

»Ich bin nicht sicher, ob das im Zusammenhang mit Martin der...

Erscheint lt. Verlag 20.5.2020
Reihe/Serie Ein Fall für Jacobson und Kerr
Übersetzer Werner Löcher-Lawrence
Sprache deutsch
Original-Titel Envy the Dead
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Ellen Sandberg • Ermittler • Ian Rankin • Irland • Jeffrey Deaver • John leCarré • Lee Child • Michael Robothan • Mord • Polizeiarbeit • stuart mcbride • Tot
ISBN-10 3-8412-1932-2 / 3841219322
ISBN-13 978-3-8412-1932-9 / 9783841219329
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