Rembrandts Geliebte (eBook)

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2021 | 1. Auflage
504 Seiten
Harpercollins (Verlag)
978-3-7499-5022-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Rembrandts Geliebte -  Simone van der Vlugt
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Verlassen, verraten, vergessen: Rembrandts Geliebte
Aus heiterem Himmel wird Geertje Dircx verhaftet. Die Anklage: Diebstahl, Betrug, Hurerei. Schnell stellt sich heraus, dass der Maler Rembrandt van Rijn hinter den Vorwürfen steckt. Den bejubelten Künstler und die wissbegierige Frau aus einfachen Verhältnissen verband lange eine Liebesbeziehung - bis Rembrandt sich einer jüngeren Frau zuwandte und Geertje, die sich trotz zahlreicher Schicksalsschläge stets treu geblieben ist, ihr Leben neu aufbauen musste. Doch auf Drängen des Malers wird sie in einem Schauprozess zu einer unverhältnismäßig hohen Strafe verurteilt: Zwölf Jahre Zuchthaus lautet das Urteil ... Der Roman über die Geliebte Rembrandts erzählt das bewegende Schicksal einer Frau, die erst Jahrhunderte nach ihrem Tod langsam rehabilitiert wird.
»Eine tragische Geschichte, lebendig erzählt. «
De Telegraaf



Simone van der Vlugt (1966) gehört unter die TOP 3 der bekannten und erfolgreichsten Krimiautorinnen in den Niederlanden. Neben ihren Spannungsromanen schreibt sie Jugendbücher und historische Romane. Sie erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter des NS Publieksprijs und den Alkmaarse Cultuurprijs.

1

5. Juli 1650

Die Kutsche rast in voller Fahrt über die ungepflasterten Straßen. Ich werde in einem fort hin und her geschleudert. An Händen und Füßen gebunden, kann ich nicht verhindern, dass ich ständig gegen die Wand pralle. Bald habe ich das Gefühl, voller blauer Flecken zu sein. Das Dorf liegt längst hinter uns, aber noch immer kann ich nicht fassen, was mir geschehen ist.

Eben ging ich mit einem Korb am Arm den sandigen Feldweg entlang, da erklang plötzlich hinter mir Hufgetrappel. Ich blickte mich um und gewahrte eine Kutsche, die sich rasch näherte. Mit einem Sprung zur Seite brachte ich mich in Sicherheit. Der Kutscher nahm das Tempo zurück und hielt an.

Zornig raffte ich meine Röcke zusammen und ging hin, um ihm gründlich die Meinung zu sagen. Aber ehe ich dazu kam, flogen zu beiden Seiten die Türen auf, und zwei Männer sprangen heraus. An den Farben ihrer Kleidung und den Federn am Hut, schwarz und rot, erkannte ich sie als Gerichtsdiener aus Amsterdam.

»Geertje Dircx?«, fragte einer der beiden.

Da begriff ich, dass Gefahr im Verzug war. Ich rannte los, doch schnell hatten die Männer mich eingeholt, sie ergriffen mich und zerrten mich mit sich.

»Ihr seid festgenommen, im Namen des Amsterdamer Magistrats. Unser Auftrag ist es, Euch ins Zuchthaus von Gouda zu bringen.«

Ich wehrte mich nach Kräften, kam aber nicht gegen sie an. Sie fesselten meine Hände und schubsten mich in die Kutsche, um danach selbst einzusteigen. Ich schrie und trat um mich.

Die Kutsche setzte sich in Bewegung, und als sie scharf wendete, stieß ich mir den Kopf an. Während ich noch wie betäubt an der Wand lehnte, wurden mir auch die Füße gebunden, und ich konnte nichts mehr tun außer schreien. Kaum tat ich das, stopfte mir auch schon einer der Männer ein Stück Tuch in den Mund.

Mir gegenüber saß eine grau gekleidete Frau mit weißer Haube. Sie hielt die Hände im Schoß gefaltet und schien sich nicht zu wundern, dass man mich so grob in die Kutsche befördert hatte.

Erst versuchte ich noch, mich von den Fesseln zu befreien, doch dabei tat ich mir nur weh, sodass ich schließlich aufgab. Fragen, was um Himmels willen los war, konnte ich mit dem Knebel im Mund nicht. Ihn ausspucken ebenso wenig.

Jetzt sitze ich da wie erstarrt und kämpfe gegen die Angst an, die mehr und mehr Besitz von mir ergreift.

Die Frau lässt mich nicht aus den Augen. Bisher hat sie noch nichts gesagt, nun aber richtet sie das Wort an mich: »Wenn Ihr ruhig bleibt, nehmen wir Euch das Tuch aus dem Mund. Aber sobald Ihr schreit, ist es wieder drin.«

Ich nicke. Zwar bin ich alles andere als ruhig, aber bereit, mich zusammenzunehmen.

Die Frau bedeutet einem der Männer, mich von dem Knebel zu befreien. Er tut es, und ich hole erleichtert Luft.

»Mein Name ist Cornelia Jans«, fährt die Frau fort. »Ich arbeite für das Gericht und soll Euch ins Zuchthaus von Gouda begleiten.«

»Warum?«, stoße ich hervor, den Mund noch voller Fusseln.

»Wisst Ihr das denn nicht?«

Eine Vermutung habe ich natürlich, aber ich will es von ihr hören. Es gibt nur einen Menschen, der mir so etwas antun könnte, aber auch wenn ich weiß, wie er über mich denkt, habe ich doch nicht damit gerechnet, dass es so weit kommen würde.

»Ich will es von Euch hören«, sage ich heiser.

Ich meine, einen Anflug von Mitleid auf dem Gesicht der Frau wahrzunehmen, doch dann antwortet sie mit gleichgültigem Tonfall: »Ihr seid des Vertragsbruchs, des Diebstahls und der Hurerei für schuldig befunden worden. Euer Fall wurde den Bürgermeistern Cornelis Bicker, Nicolaes Corver und Anthony Oetgens van Waveren vorgetragen, und sie haben das Urteil gesprochen. Der vierte Bürgermeister, Wouter Valckenier, war nicht dabei, weil er im Sterben liegt. Die drei Herren jedoch waren sich einig.«

Ins Zuchthaus muss ich also … Darüber habe ich mehr als genug Geschichten gehört, und allein der Gedanke, wochenlang eingesperrt zu sein, versetzt mich in Angst und Schrecken. Aber ich bemühe mich, Ruhe zu bewahren.

»Ihr sprecht von Hurerei, das verstehe ich nicht …«

»Wirklich nicht? Man hat Erkundigungen über Euch eingezogen, und mehrere Zeugen haben ausgesagt, dass Ihr ein lasterhaftes Leben führt.«

»Wer behauptet das?«

»Unter anderem der Besitzer eines reichlich zwielichtigen Gasthauses. Wie heißt es doch gleich wieder?« Sie nimmt ein paar Blatt Papier aus ihrer Tasche. »Het Swartte Bottje, genau. Ein berüchtigter Ort, an dem Herren mit Dirnen zusammenkommen. Ihr wart dort wochenlang ansässig.«

»Aber doch nicht als Dirne! Ich hatte lediglich ein Zimmer gemietet.«

Die Frau hebt die Hand. »Es ist nicht an mir, darüber zu urteilen. Ich nenne nur die Tatsachen.«

Mit Bestürzung wird mir klar, wie die Dinge zusammenhängen. Er hat es wirklich getan. Hat mich festnehmen lassen wie eine x-beliebige Verbrecherin. Ich schaue der Frau ins Gesicht: »Zu wie vielen Wochen bin ich verurteilt worden?«

»Wochen? Man hat Euch zu zwölf Jahren verurteilt.«

Kaum fange ich an zu schreien, habe ich auch schon wieder den Knebel im Mund.

Die Kutsche hält bei einer Herberge. Es dunkelt bereits, Gouda werden wir vor Toresschluss nicht mehr erreichen. Dass wir auf halbem Weg übernachten, lässt neue Hoffnung in mir keimen. Vielleicht kann ich ja entkommen. Aber daran ist nicht zu denken. Zwar wird mir das Tuch aus dem Mund genommen, nicht aber die Fesseln von Händen und Füßen.

Es folgt eine lange, schlaflose Nacht. Fast bin ich erleichtert, als das Licht der Morgendämmerung durch die Fensterläden sickert und man mir befiehlt aufzustehen. Nach einem kargen Frühstück, das man mir Bissen um Bissen in den Mund steckt, geht es weiter.

Unterwegs ist es keinen Augenblick still in der Kutsche. Die beiden Männer und Cornelia Jans reden in einem fort, von mir nehmen sie kaum Notiz.

Ich schaue aus dem Fenster auf die vorbeiziehenden Wiesen, Wassergräben und Dörfer. Zwölf Jahre! Das muss ein Irrtum sein, nicht einmal notorische Diebe werden so hart bestraft. Aber wenn wir erst einmal in Gouda sind, wird die Sache sich bestimmt klären. Vermutlich geht es in Wirklichkeit doch nur um zwölf Wochen. Was schon übel genug ist. Wie soll ich die Zeit bloß überstehen?

Kurz nach Mittag kommt die Stadtmauer von Gouda in Sicht, und eine halbe Stunde später durchfahren wir das Stadttor.

Bedrückt starre ich nach draußen. Die Straßen, die Grachten, ein Markt, die Menschen … alles wirkt so alltäglich. Und ich werde demnächst von alledem ausgeschlossen sein. Muss zwölf Wochen unter Dieben und Huren leben … ein einziges Grauen, es kann gar nicht anders sein.

Als die Kutsche anhält, erfasst mich eine namenlose Furcht. Rechts sehe ich ein großes weißes Gebäude, offenbar ein Kloster. Ist darin das Zuchthaus untergebracht? Wohl schon, denn Cornelia Jans steigt aus.

Die Männer lösen die Fesseln um meine Füße und helfen mir aus der Kutsche. Mir zittern die Knie so sehr, dass ich mich kaum aufrecht halten kann.

Mehrere Leute sind stehen geblieben. Ein etwa Vierzehnjähriger ruft: »Da kommt wieder eine!« Und ein älterer Mann meint: »Eine Hure ist das nicht. Vermutlich hat sie gestohlen.«

Ein paar Jungen rufen Schimpfworte und bewerfen mich mit Unrat, doch als einer der Gerichtsdiener eine Drohgebärde macht, rennen sie davon.

Über dem imposanten eisenbeschlagenen Tor des Zuchthauses prangt ein Giebelstein mit drei Frauen, die spinnen, nähen und stricken, sowie drei Männern, die Holz sägen.

Cornelia hat bereits angeklopft. Das Tor geht auf, ein Mann in strengem Schwarz begrüßt sie und wirft einen kurzen Blick auf mich.

»Die Vorsteherinnen haben gerade eine Unterredung«, sagt er. »Bringt die Frau so lange in einer Arrestzelle unter.«

Ich werde durch einen Vorraum in einen Gang geführt, dann über einen lang gestreckten Innenhof, durch eine Tür und schließlich eine Treppe hinab. Erdiger Geruch schlägt mir entgegen. Unsere Schritte hallen unter dem Gewölbe.

Ein Wärter mit einem Schlüsselbund in der Hand tritt vor und winkt uns in einen weiteren Gang. Auf halber Strecke bleibt er stehen und schließt eine Zellentür auf. »Hier ist frei.«

Die Gerichtsdiener führen mich hinein und binden meine Hände los. Dann verlassen sie grußlos die Zelle. Nur Cornelia Jans steht noch bei mir. »Auf Wiedersehen, Geertje«, sagt sie. »Alles Gute.«

Dann ist auch sie fort, und die schwere Holztür wird verschlossen.

Ich lasse mich auf die Bank sinken, immer noch unfähig zu begreifen, was mir widerfahren ist. Dass der Mann, den ich so sehr geliebt habe und der – dessen bin ich mir gewiss – mich auch geliebt hat, mir das antut …

Meine Bestürzung weicht nicht. Sie ist noch da, als ich aus meiner Zelle geholt werde und die Aufseherin mich in das Zimmer der Vorsteherinnen bringt, wo man mir die Anstaltsregeln vorliest. Sie ist noch da, als ich stammelnd frage, ob meine Strafe in Wirklichkeit nicht zwölf Wochen beträgt. Ob das mit den zwölf Jahren vielleicht ein Irrtum sein könnte. Dem ist nicht so, bescheidet man mir.

Ich meine, so etwas wie Mitleid auf den Gesichtern der Vorsteherinnen zu lesen, doch was hilft mir das? Zwölf Jahre sind zwölf Jahre. Ich bekomme ein gerichtliches Dokument gezeigt, in dem steht, dass ich in Abwesenheit verurteilt wurde.

Ich weine und schreie nicht, als man mich in den Arbeitssaal führt,...

Erscheint lt. Verlag 23.3.2021
Übersetzer Eva Schweikart
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Original-Titel Schilderslief
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte bücher historische romane • Das Geheimnis der Muse • Das Mädchen mit dem Perlenohrring • Die Malerin • Die Muse von Wien • Die Tochter des Malers • Frida Kahlo und die Farben des Lebens • Geertje Dircx • Geliebte • Goldenes Zeitalter • Historische Romane • historische romane bücher • historische romane neuerscheinungen • Historischer Roman • historischer roman buch • Madame Picasso • Malerei • Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe • Nachtblau • Rembrandt • rembrandt buch • rembrandt frauen • Rembrandt van Rijn • Starke Frauen • Starke Frauen der Geschichte • tragisches Schicksal • Tulpenfieber
ISBN-10 3-7499-5022-9 / 3749950229
ISBN-13 978-3-7499-5022-5 / 9783749950225
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