DIE TERRANAUTEN, Band 51: WELT IM CHAOS (eBook)
CXIII Seiten
BookRix (Verlag)
978-3-7487-3853-4 (ISBN)
2.
Der Himmel über Hayvant hatte sich verfinstert, als David den Ringo am Roten Fluss entlang auf die Stadt zusteuerte. Das Gebiet der Heißen Quellen lag längst hinter ihm.
An den Ufern des Scharlachmeers brodelte und zischte es. Gewaltige, rochenähnliche Kreaturen von grauer und weißer Farbe, die Ausdehnungen von mehreren hundert Quadratmetern besaßen, warfen sich gegen die Kaimauern, zerrten an den Befestigungen, zertrümmerten die Molen und machten Anstalten, sich an Land zu ziehen. Halbversunkene Wracks blockierten den Hafenausgang.
Die Feuerlohe, die sich dem Himmel entgegenreckte, verhieß nichts Gutes. Hayvant war dem Untergang geweiht, und was den Flammen noch nicht zum Opfer gefallen war, musste den rattenhaften Kreaturen zur Beute werden, von denen niemand wusste, was sie überhaupt in diese Breitengrade verschlagen hatte. An vielen Stellen in der Umgebung der Stadt war die Erde wie nach einem Beben aufgeplatzt. Krater überzogen die Landschaft, und aus vielen wuchsen seltsame grüne Pflanzen, die irdischen Trauerweiden nicht unähnlich waren. Sie reckten blütentragende Äste in den Himmel und sonderten Sturzbäche einer Flüssigkeit ab, die den Boden in einen übel riechenden Sumpf verwandelte. Wo die Maulwurfshügel wucherten, waren die Rattenwesen erstaunlicherweise am häufigsten anzutreffen, denn die hartrindigen Knollengewächse, die sich wie überdimensionale Eier dem Licht entgegenreckten, schienen sie zu ernähren.
An jener Stelle, wo der Rote Fluss aus dem Scharlachmeer geboren wurde, bäumte sich der gigantische schwarze Körper eines walähnlichen Ungetüms auf und zerschmetterte mit dem Schwanz das letzte Schiff, dem es gelungen war, die Hafenausfahrt zu passieren. Planken und Masten flogen durch die Luft. Knirschend zerbrach die Schiffswandung und schüttete mehrere Dutzend Menschen in die aufgewühlten Wogen. Ertrinken würde niemand, der auf diese Weise über Bord fiel, denn die gasähnliche Substanz, die das Scharlachmeer füllte und auf diesem Planeten das Wasser ersetzte, war atembar. Wer Glück hatte, konnte das nächste Ufer zu Fuß erreichen, aber es sah nicht so aus, als würden sich die erregten Geschöpfe des Binnenmeers lediglich mit Zerstörungswerk an Schiffen zufrieden geben.
Zu allem Übel kam nun auch noch ein Sturm auf. Die Außenmikrofone des Ringos übertrugen ein scharfes Heulen, dann zeigten die Instrumente an, dass mindestens mit einem schweren Orkan zu rechnen war. David terGorden hatte die atmosphärischen Stürme dieser Welt zur Genüge kennengelernt, und er wusste, dass mit ihnen nicht zu spaßen war. Es wurde Zeit, dass sie sich nach einer der Lage entsprechenden Deckung umschauten, wenn sie ihre Reise ungehindert fortsetzen wollten.
Aber das war einfacher gesagt als getan. Er flog jetzt genau in einen roten Farbwirbel hinein. Unter ihm heulte die See. Ein Schiff, das Kurs auf die großen Inseln nahm, hatte sich vom Pulk der anderen getrennt und kämpfte um sein Überleben. Als David tiefer ging, um so weit wie möglich den Windschatten der Inseln auszunutzen, stellte er fest, dass an Bord des Seglers heftig gekämpft wurde.
Mann gegen Mann, dachte er. Der totale Wahnsinn ist ausgebrochen. Und er muss gesteuert sein.
Er fragte sich, was die unbekannte Macht, die diesen Planeten beherrschte und sich erst jetzt zu erkennen gab, mit dieser Vorgehensweise beabsichtigte. Alles deutete darauf hin, dass Rorqual sich plötzlich gegen seine Bewohner zur Wehr setzen als besäße diese Welt eine eigene Intelligenz, die nun nach langen, langen Jahren endlich zur Aktion geschritten sei, um die Kreaturen, die ihre Hülle urbar gemacht hatten und seit Generationen bewohnten, mit einem Schlage abzuschütteln.
Als er Thorna von seinen Gedanken berichtete, sagte das Mädchen mit einem erstaunten Augenaufschlag: »Du sprichst, als würdest du Rorqual für ein intelligentes Wesen halten.«
David lächelte still. Er konnte sich vorstellen, wie absurd eine solche Idee einem Menschen vorkommen musste, der die Hälfte seines Lebens damit verbracht hatte, sich hauptsächlich um das eigene Überleben zu kümmern. Thorna war als Kind nach Rorqual gekommen; ihre Erinnerungen an die Erde waren nur noch bruchstückhaft, aber was David – und mit ihm seine engeren Freunde – an ihr liebte, war die Direktheit, mit der sie Dinge aussprach, an denen sich ein wissenschaftlich geschulter Geist eher verschluckt hätte.
»Die Vorgänge auf Rorqual sind dermaßen bar jeglicher Systematik«, sagte er, »dass man zu gar keinem anderen Schluss kommen kann. Wir haben nicht erst seit heute die Gewissheit, dass auf dieser Welt Dinge vor sich gehen, die sich mit logischer Abfolge nicht erklären lassen. Die Malaiara beispielsweise...« Er sah, wie Thorna fröstelte, und fuhr fort: »Sie sind weit herumgekommen. Ihre Aufzeichnungen wimmeln nur so von seltsamen Phänomenen, und dabei nehmen die tierischen Lebensformen, für deren Existenz es nicht den geringsten Grund gibt, keinesfalls den Hauptteil ein. Rorqual ist, wie du weißt, ein Planet, der verschiedenen Generationen von Raumfahrern zur zweiten Heimat wurde. Rorqual ist die Welt der Gestrandeten. Zwar hat man hin und wieder bei interstellaren Flügen tierisches Leben an Bord gehabt, aber der größte Teil der Kreaturen, die heute hier leben, sind sowohl uns als auch den Malaiara unbekannt, und man kann davon ausgehen, dass sie im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Nichts heraus entstanden sind, denn eine natürliche Evolution gibt es hier nur bei den Pflanzen. Und selbst da – was sollen wir von diesen Knollen halten, die jetzt plötzlich überall aus der Erde brechen?«
Er berichtete von den Erfahrungen, die der Terranaut Collyn auf seinen weiten Reisen mit dem Segler Sturmvogel gemacht hatte.
Nach seinen Erkenntnissen lebte jeder Volksstamm Rorquals in einem Gebiet, das seinen Bedürfnissen in geradezu idealer Weise angepasst war – und auf einer winzigen Welt wie dieser, auf der es keine der Erde oder anderen Planeten vergleichbare Klimazonen gab, war das absolut ungewöhnlich.
»Wären wir im realen Universum auf einem normalen Planeten, könnte man sagen, dass sich jede Bevölkerungsgruppe den Platz ausgesucht hat, der ihren Bedürfnissen am nächsten kommt. Hier, wo Wind und Wetter für eine im weitesten Sinne gleichmäßige Landschaft gesorgt haben, dürfen extreme Lebensbedingungen gar nicht existieren. Es sieht wirklich so aus, als stelle Rorqual sich völlig auf das ein, was die einzelnen Gruppen benötigen; egal, ob es sich dabei um Minderheiten oder Mehrheiten handelt. Und eine weitere Beobachtung, die die Malaiara gemacht haben – Collyn hat sie übrigens bestätigen können –, besagt, dass die klimatischen und geologischen Verhältnisse sich ändern, wenn die, denen sie bisher zugute gekommen sind, weiterziehen und sich anderswo ansiedeln.«
»Was mich schon immer gewundert hat«, warf Thorna ein, »ist, dass die gasähnliche Substanz der Meere und Flüsse Rorquals geatmet werden kann. Dafür gibt es einfach keine vernünftige physikalische Erklärung.«
David nickte. »Rorqual kann keinen natürlichen Ursprung haben. Weltraum II, in dem sich diese Welt befindet, kennt kein Leben unserer Art. Wenn unsere mageren Informationen überhaupt einen Schluss zulassen, dann den, dass er organischem Leben gegenüber absolut feindlich eingestellt ist. Hier herrschen Energien, die uns nicht nur völlig fremd sind, sondern uns auch im höchsten Maße schaden können.«
Und jetzt schicken sie sich an, den ganzen Planeten untergehen zu lassen, wollte er hinzufügen, aber unerwartet wurde er von einer heftigen Müdigkeit ergriffen und sackte zur Seite. Der Schalensitz verhinderte, dass er hinfiel. Thorna schrie auf, aber im gleichen Augenblick spürte David, dass die unbekannte Macht sich wieder in ihm regte und die Steuerung seines Körpers übernahm.
Er hatte eine Vision: Er sah einen dunklen, von Flammen überzogenen Himmel und stellte fest, dass glühende Funken an ihm vorüberzogen. Er stand auf einem mit Geröll übersäten Platz und hörte Kriegsgeschrei. Nicht weit von ihm entfernt erhoben sich die Zinnen einer mächtigen, aus großen Quadern erbauten Burg. Es war die Burg, die brannte, und das Geschrei wurde von einer Horde wildäugiger Krieger erzeugt, die triumphierend und zu allem entschlossen ihre Waffen schwangen und jene, die die Festung in aufgeregter Hast verließen, heftig bedrängten. Überall wimmelte es von Flüchtlingen, und David terGorden dachte: Ich bin nur ein Beobachter.
Als er den Kopf wandte, sah er einen Mann, der ihm sehr bekannt vorkam, auch wenn er ihn anders in Erinnerung hatte. Der Mann gehörte zur Besatzung der Basis auf Pitcairn, aber seine Gesichtszüge waren undeutlich und verschwommen. Er musste eine Maske tragen, denn seine Züge spiegelten nicht den Charakter wider, unter dem man ihn bisher gekannt hatte. Der Mann hielt ein Schwert in der Hand, dessen Spitze auf einen zweiten gerichtet war, der am Boden lag.
Der Mann am Boden war Claude Farrell.
Davids Muskeln spannten sich. Über ihm schwebte ein dunkler, großer Schatten dahin, aber er wusste, dass dies für ihn keine Bedrohung bedeutete. Die Gefahr ging von dem Mann mit dem Schwert aus, der eine andere Art von Schatten war.
Der Mann lachte und holte aus. Farrell rollte sich mit Schwung zur Seite. Die Klinge des Attentäters bohrte sich in die Erde. Funken stoben auf. David machte einen verzweifelten Satz nach vorn und sprang dem Unbekannten an die Kehle. Ein wohlgezielter Schlag traf den Schatten am Kinn. Der Mann taumelte, fing sich aber sofort wieder und krallte seine linke Hand in die Kette, die um Davids...
Erscheint lt. Verlag | 28.4.2020 |
---|---|
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Science Fiction |
Schlagworte | Abenteuer • action • Aliens • Alternative Science Fiction • Apex-Verlag • Außerirdische • Bestseller • Deutsch • eBook • Fremde Welten • Heftroman • Klassiker • klassisch • Kult • Reihe • Roman • Romane • Saga • Science Fiction • Sci-fi • SciFi • Serie • SF • SF-Saga • Space Opera • Spannung • Utopie • Weltraum • Zukunft |
ISBN-10 | 3-7487-3853-6 / 3748738536 |
ISBN-13 | 978-3-7487-3853-4 / 9783748738534 |
Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR) | |
Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
![EPUB](/img/icon_epub_big.jpg)
Digital Rights Management: ohne DRM
Dieses eBook enthält kein DRM oder Kopierschutz. Eine Weitergabe an Dritte ist jedoch rechtlich nicht zulässig, weil Sie beim Kauf nur die Rechte an der persönlichen Nutzung erwerben.
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich