Der Gebannte (eBook)
416 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-99765-2 (ISBN)
Alexey Pehov, geboren 1978 in Moskau, studierte Medizin. Seine wahre Leidenschaft gilt jedoch dem Schreiben von Fantasy- und Science-Fiction-Romanen. Er ist neben Sergej Lukianenko der erfolgreichste phantastische Schriftsteller Russlands. »Die Chroniken von Siala« wurden zu millionenfach verkauften, mit mehreren Preisen ausgezeichneten Bestsellern. Zuletzt erschien seine epische Fantasyreihe »Die Beschwörer«. Gemeinsam mit seiner Ehefrau, die ebenfalls Schriftstellerin ist, lebt Pehov in Moskau.
Alexey Pehov, geboren 1978 in Moskau, studierte Medizin. Seine wahre Leidenschaft gilt jedoch dem Schreiben von Fantasy- und Science-Fiction-Romanen. Er gehört zu den erfolgreichsten phantastischen Schriftstellern Russlands. "Die Chroniken von Siala" wurden millionenfach verkauft und mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Pehov lebt mit seiner Frau, die ebenfalls Schriftstellerin ist, in Moskau.
Prolog
Peinigende Stille breitete sich im noch unversehrten Kern der Stadt aus wie Milch, die jemand aus einer gigantischen Kanne auf den Boden goss.
Langsam, aber unerbittlich schwappte sie in jedes Haus, flutete jede Straße, jedes Viertel. Niemand entkam ihr. Die prachtvollen, in ihrem Gold funkelnden Paläste samt ihrer Türme aus blauem Marmor kapitulierten vor ihr ebenso wie die Kirschgärten mit ihrem weißen Blütenmeer, die elfenbeinernen Brücken, die breiten, sonnengetränkten Terrassen aus warmem Sandstein, die herrlichen Springbrunnen, die imposanten Statuen der Helden aus der Vergangenheit oder die Obelisken mit den Darstellungen von Albatrossen.
Die Albatrosse mit ihren gespreizten Flügeln ...
Über sie fiel die Stille zuallerletzt her. Dann aber vermochten nicht einmal mehr diese magischen Geschöpfe, die dem Land vor Hunderten von Jahren ihren ewigen Schutz zugesichert hatten, dieser Kraft etwas entgegenzusetzen. Waren gefallen. Ihre Augen brachen, das von ihrem Gefieder ausgehende Licht erlosch.
Nunmehr für immer.
Vom Hafenviertel angefangen bis hin zur Festung hoch oben am Hang auf den steilen Klippen hatte sich in der gesamten Stadt eisiges Schweigen ausgebreitet.
Kein Vogel sang, denn Vögel gab es nicht mehr. Kein Hund bellte, denn der letzte Vierbeiner war noch vor Anbruch der allmächtigen Lautlosigkeit gestorben. Zusammen mit seinem Herrn. Kein Kind lachte, kein Kind spielte vergnügt. Vom Hafen drang kein Gelärm mehr heran ...
Die Springbrunnen versiegten, das türkisfarbene Wasser ergoss sich nicht länger in die prachtvollen Becken aus rosafarbenem Perlmutt. Der Wind verstummte, müde des vergeblichen Brüllens, das nie das Ohr der Erhabenen Sechs erreichte. Sogar das Meer schwieg, eingeschüchtert vom eigenen Wüten. Als schämte es sich dieses Rasens, zu dem es sich hatte hinreißen lassen, hatte es sich zurückgezogen. Im graubraunen Schlamm zappelten Fische, umschlungen von Algen, im Todeskampf, den Mund zu einem lautlosen Schrei der Agonie geöffnet, während glutrote Krabben auf die Spalten in den Meeresklippen zuflitzten, der kochend heiße Schlick indes obsiegte.
Die Steine barsten nicht mehr, rangen nicht mehr wie Lebewesen nach Atem. Auf ihnen gerannen Basaltströme zu großen Tränen.
Die Stille eroberte die Stadt und richtete sich in ihr ein, als wollte sie nie wieder weichen.
Doch dann wurde sie aufgestört.
In einem Gang mit rosafarbenen Säulen, der zu dem Tempel der Erhabenen Sechs am Fuße eines Hügels führte, waren Schritte zu vernehmen. Sie begleitete ein leises melodisches Pfeifen.
Im dichten Schatten bewegte sich ein Mann. Sobald er ins Sonnenlicht hinaustrat, musste er blinzeln. Einige Sekunden verharrte er reglos, damit sich seine Augen an die Helligkeit gewöhnten.
Er atmete die heiße, würzige Luft ein. Dann wandte er sich nach Westen um. In weiter Ferne, unmittelbar am Horizont, hinter dem sich das Meer versteckt hatte, waren als stahlgraue Legion Wolken aufgezogen, die der ohnehin dem Untergang geweihten Stadt einen weiteren verhängnisvollen Schlag versetzen wollten.
Eine tiefe Falte durchfurchte die Stirn des Mannes. Was sich hier zusammenbraute, missfiel ihm. Das schienen die Wolken zu spüren, denn sie rückten nicht weiter gegen die Stadt vor. Blitze zuckten. Vermutlich donnerte es auch, doch das vermochte der Mann nicht wahrzunehmen, dazu war das Gewitter viel zu weit weg.
Und näher kam es nun nicht mehr ...
Mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen und mit Neugier im Blick setzte der Mann seinen Weg fort.
Von dem runden Bau der Bibliothek führte ein schmaler Weg aus schwarzen und weißen Steinplatten um wenige Bäume herum zu einer breiten Treppe. Links und rechts davon standen Löwen aus schneeweißem Stein, die sich auf die Hinterbeine aufgerichtet hatten. Leichten Schrittes erklomm der Mann die Stufen. Erneut pfiff er sein Liedchen vor sich hin. Trotz des langen Anstiegs geriet er nicht außer Atem.
Dann erreichte er die Säule aus dem seltenen dunkelblauen Marmor. Ihre Spitze krönte ein weiterer gigantischer Albatros.
Der Blick des Mannes suchte die Augen des Vogels. Er zog sein stutzerhaftes Barett von kornblumenblauer Farbe vom Kopf und vollführte vor dem Denkmal eine fast spöttische Verbeugung.
Heute konnte er über diese Statue lachen. Das war jedoch nicht immer so gewesen. Noch vor Kurzem hatten diese Vögel, die Hüter der Stadt, ihm unsagbare Angst eingeflößt, hatten ihm jeden Mut genommen und ihn verzagt sein lassen. Hatten seinem Feind geholfen ...
»Aber das ist jetzt vorbei.«
Natürlich antwortete der Vogel ihm nicht.
Nun richtete der Mann seine Aufmerksamkeit auf den Springbrunnen mit den marmornen Delfinen, auf deren Rücken barbusige junge Frauen mit goldenem Haar ritten. Am Rand des Brunnens lag ein toter Star. Seine Flügel waren verbrannt. Aus einer Laune heraus beugte sich der Mann über den Vogel, nahm ihn behutsam auf und pustete sanft auf den bereits starren Körper. Anschließend warf er die kleine Leiche wie einen Stein hoch in die Luft, woraufhin der Star mit den Flügeln zu flattern begann und im Nu davonflog.
»So gefällst du mir schon besser«, murmelte der Mann lächelnd.
Als er weiterging, stellte er fest, dass die Kuppel der prachtvollen Kaserne für die herzogliche Garde eingestürzt war und alle Männer, die sich darin befunden hatten, unter sich begraben hatte.
Die Ruinen zwangen ihn zu einem Umweg, was es ihm jedoch erlaubte, mehr von der Stadt zu sehen, die einstmals sein Zuhause gewesen war.
In der Straße der Tränenperlen, die im ganzen Norden für ihre Goldschmiede bekannt war, herrschte gähnende Leere. Man hatte hier furchtbar gewütet. Die Geschmeide lagen auf dem Pflaster, darunter auch die legendären Goldperlen aus Lethos. Das allerdings beeindruckte den Mann kaum. Diese Kostbarkeiten würdigte er keines Blickes. Er lief an ihnen vorbei, als handelte es sich um Kieselsteine.
Schließlich erreichte er die Apfelgärten, die den Palast säumten. Dieser schien aus Sonnenlicht geschaffen, aus Meeresgischt und aus Türkisen. Er galt als der schönste Bau, der je erbaut worden war. Das behaupteten sogar die Eywen, die schon mancherlei gesehen hatten, von dem die Menschen nicht einmal etwas ahnten. Selbst sie waren aus ihren Wäldern gekommen und Tausende von Leagues gewandert, um dieses Wunder der Astoré in Augenschein zu nehmen.
Der Mann jedoch hatte nicht einmal für dieses Meisterwerk einen Blick übrig, denn es verkörperte alles, was er zu hassen gelernt hatte.
Die Bäume trieben dieser Tage die ersten Knospen. Der Mann berührte einen Ast. Die Zeit, die durch diesen floss, raste nun dahin, und kurz darauf hing am Zweig eine saftige Frucht mit leuchtend roter, leicht wächserner Schale.
Er pflückte den Apfel, rieb ihn am Ärmel seiner Wildlederjacke ab und biss hinein. Kauend lief er den schattigen Weg hinunter, der zum Palast führte. Das Halbrund davor säumten Statuen. Die Figuren waren allerdings von ihren Sockeln gestürzt und lagen zersplittert am Boden. Der Kopf eines wunderschönen jungen Bogenschützen fand sich weit vom Hals entfernt. Die steinernen Augen betrachteten den Mann mit einem gewissen Vorwurf, fast als hielte er ihn für schuldig an dem, was hier geschehen war.
Das Palasttor steckte zwar nicht mehr in den Angeln, doch der Zutritt war durch eine Ranke umwunden, die dick wie der Arm eines erwachsenen Mannes war. Als der ungebetene Gast sich näherte, spannte sie sich, dehnte sich und stellte die giftigen, gleichsam stählernen Dornen auf.
»Du kämpfst für jemanden«, sagte der Mann, »der die Schlacht verloren hat.«
Die Ranke erzitterte, schwankte von einer Seite zur anderen, als wöge sie die richtige Entscheidung ab: Sollte sie den Zugang zu den legendären Sälen, die mit ihrem zarten Rosa an Meeresmuscheln erinnerten, freigeben oder nicht?
Schließlich wich sie knackend und knisternd zur Seite.
Eine leichte Brise strich durch die eingeschlagenen Fenster und trug den süßen Duft von Pfirsichen in die Räume. Nur gelegentlich zog dieser Wind den beißenden Geruch von Feuer, Blut und Magie hinter sich her, der von den Geschehnissen kündete, die sich hier zugetragen hatten.
Mühelos fand der Mann seinen Weg durch die Säle, Gänge und Hallen, doch das war kein Wunder, schließlich kannte er ihn auswendig. Unzählige Male hatte er inzwischen davon geträumt, wie er seine Schritte durch das leere Gebäude lenken würde. Nun genoss er jede Sekunde seines bitteren Triumphs, den niemand sonst zu würdigen vermochte.
Irgendwann erreichte er das oberste Stockwerk und betrat einen großen Raum. Im Krieg war der Fußboden aufgerissen worden, während die prachtvolle Deckenbemalung sich in einen gewaltigen, buntscheckigen Fleck verwandelt hatte, der aussah, als hätte jemand allerlei Farben in einen Eimer gegeben und diese dann kräftig verrührt.
Auch hier fehlte in den hohen Fenstern das bunte Glas. Seine spitzen Splitter bedeckten den Boden und erinnerten an mit Blut gesprenkelte Eiskristalle. Die Vorhänge waren verkohlt, die Statuen zerstört. Die Wand gegenüber der Tür dräute in Rußschwarz, an einer Stelle klaffte sogar ein Loch in ihr. Durch dieses fiel ein lanzenscharfer Sonnenstrahl in den Raum. In seinem Licht wirbelten in ungestümem Tanz Schneeflocken.
Sie kamen aus dem Nichts, sie verschwanden im Nichts. Sie verwandelten die Luft in ein eisiges, gut geschärftes Messer.
Einzig der Thron, geschnitzt aus einem Kristallblock von wundersamer Form, war noch unversehrt und protzte mit seinem aufwendigen Ornament. Ein Mann saß darin, die Unterarme auf den hohen Armlehnen. Seine linke Hand war völlig mit dem Sitzmöbel verschmolzen, sodass er keinen Zauber mehr wirken konnte. Noch längst...
Erscheint lt. Verlag | 1.2.2021 |
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Reihe/Serie | Das Reich der blauen Flamme | Das Reich der blauen Flamme |
Übersetzer | Christiane Pöhlmann |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Fantasy |
Schlagworte | Assassinen • blaue Flamme • Buch • Bücher • eBook • epische Fantasy • Fantasy Bücher • Fantasy für Erwachsene • Fantasy Reihe • Fantasy Serie • High Fantasy • Magie • magischer Krieg • magisches Artefakt • Nachclan • neue Fantasy Serie • Neuerscheinungen 2020 • Queste • reihenauftakt • Russische Fantasy • Untot • Untote • Wanderzirkus |
ISBN-10 | 3-492-99765-1 / 3492997651 |
ISBN-13 | 978-3-492-99765-2 / 9783492997652 |
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