Die Frauen vom Nikolaifleet - Der Traum von Übersee (eBook)

Eine hanseatische Familiensaga: In Hamburg kämpfen drei Frauen für die Liebe und für ihre Leidenschaft
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2020 | 1. Auflage
416 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-2374-9 (ISBN)

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Die Frauen vom Nikolaifleet - Der Traum von Übersee -  Katharina Lansing
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Hamburg, 1899: Für Leonore gibt es keinen schöneren Ort als den Kolonialwarenladen ihres Vaters mit seinen deckenhohen Regalen, der klingelnden Kasse und den vielen exotischen Gerüchen. Sie würde am liebsten den ganzen Tag Kunden bedienen, aber davon will ihr Vater nichts wissen. Denn er sieht Leonores Platz im Haushalt - bald an der Seite des Bäckers Mathias. Als Leonore den Künstler Julius aus Lübeck kennenlernt, spürt sie zum ersten Mal die Kraft der Liebe und ist bereit, dafür zu kämpfen. Aber kann sie ihr Glück mit ihm finden, wenn sie dafür ihrem geliebten Laden den Rücken kehren muss?

Katharina Lansing ist gebürtige Westfälin und lebt seit vielen Jahren in Niedersachsen. Hamburg und das besondere Flair dieser Stadt haben sie schon immer fasziniert. Sie erzählt leidenschaftlich gerne von Frauen, die heute wie damals für ihre Träume kämpfen

Katharina Lansing ist gebürtige Westfälin und lebt seit vielen Jahren in Niedersachsen. Hamburg und das besondere Flair dieser Stadt haben sie schon immer fasziniert. Sie erzählt leidenschaftlich gerne von Frauen, die heute wie damals für ihre Träume kämpfen

1.


Hamburg im Oktober 1899

Leonore riss sich vom Anblick der sacht flackernden Kerze los. Je länger sie in die kleine Flamme gestarrt hatte, desto mehr war sie gedanklich abgeschweift. Viel war ihr im Kopf herumgeschwirrt – nur an ihren Geburtstag hatte sie keinen Gedanken verschwendet. Sie hoffte, dass auch ihr Bruder und ihr Vater es so halten würden.

Noch vor dem Frühstück war sie zur St.-Nikolai-Kirche gegangen, um eine Kerze für ihre Mutter anzuzünden. Auf den Tag vor drei Jahren war sie gestorben. Es war Leonores sechzehnter Geburtstag gewesen. Ein rabenschwarzer Tag.

Seitdem hatte sie beschlossen, keinen Geburtstag mehr zu feiern.

Leonore wandte sich ab und ging zum Ausgang. Als sie die schwere Eichentür öffnete, musste sie blinzeln, um ihre Augen an das helle Licht zu gewöhnen.

Heute war Markttag auf dem Hopfenmarkt, und die ersten Händler hatten sich bereits versammelt, um ihre Waren feilzubieten.

Früher hatten die Bierbrauer hier ihren Hopfen eingekauft, und es war hoch hergegangen, wie Leonore von ihrem Großvater wusste. Jetzt zogen Männer mit Tragjochen an ihr vorbei, und Frauen stellten laut schwatzend ihre voll beladenen Körbe auf. Der süßliche Geruch von überreifen Äpfeln und Birnen hing in der Luft. Ein Mann mit zwei Wassereimern drängte sie beiseite, schimpfte, sie solle nicht im Weg herumstehen, und eilte ohne Entschuldigung weiter.

Leonore war auf ihren Rocksaum getreten und gestolpert. Sie blieb kurz stehen und überlegte. Sollte sie den direkten Weg nach Hause nehmen oder einen kleinen Umweg über den Rödingsmarkt machen?

Sie entschied sich für den längeren Weg. Der kleine Spaziergang in der kühlen Morgenluft würde ihr guttun.

Die Sonne war gerade aufgegangen und spiegelte sich im Wasser des Nikolaifleets – ein zauberhafter Anblick, der Leonore kurz innehalten ließ, auch wenn sie ihn schon unzählige Male genossen hatte.

Dann ging sie mit raschen Schritten weiter, sie wollte nicht zu spät heimkommen. Der Vater wartete bestimmt schon auf sein Frühstück.

Sie war froh, dass der Sommer vorbei war. Er war in diesem Jahr früh gekommen und lange geblieben. An manchen Tagen war es so unerträglich heiß gewesen, dass die Luft auf dem Kopfsteinpflaster der schmalen Gässchen geflimmert und man gemeint hatte, nur noch Staub einzuatmen. Selbst die Möwen hatten nur träge auf den Holzpfählen gehockt und gedöst, während sich auf dem Wasser riesige Mückenschwärme getummelt hatten, die nachts in die stickigen Häuser gedrungen und über die Bewohner hergefallen waren.

Leonore bog rechts ab in die Deichstraße, bis zu ihrem Elternhaus waren es nun nur noch ein paar Schritte.

Vor mehr als einem halben Jahrhundert war an dieser Stelle ein Feuer ausgebrochen; die Flammen hatten sich so rasend schnell ausgebreitet, dass man etliche Gebäude hatte sprengen müssen, um den Brand wenigstens einigermaßen in Schach zu halten. Leonores Großvater hatte ihr oft davon erzählt und davon, wie er damals geholfen hatte, die Flammen zu löschen. »Füer, Füer!«, hatte er während des Erzählens ausgerufen, derweil sie sich zitternd vor Aufregung und mit schreckgeweiteten Augen an ihn gekuschelt hatte. »Die Leute sind um ihr Leben gerannt, mien Deern. Es war grauenvoll.«

Drei Tage und zwei Nächte brannte es damals, unzählige Häuser und Kirchen lagen danach in Schutt und Asche. Keiner wusste, wie es danach weitergehen sollte. Der russische Zar spendete schließlich eine hohe Geldsumme, um Hamburg wieder auf die Beine zu helfen.

Leonore fuhr zusammen, als eine Stimme sie aus ihren Gedanken riss. »Moin, Leonore! So früh schon unterwegs?« Gertraude Fink, ihre Nachbarin, stand auf ihren Reisigbesen gestützt und blickte sie freundlich an. Sie sah müde aus, dunkle Ringe lagen unter ihren Augen.

»Morgen, Gertraude. Du bist ebenfalls früh auf den Beinen.«

Die ältere Frau zeigte auf das Kopfsteinpflaster zu ihren Füßen. »Es juckt niemanden, ob der Weg gefegt ist. Aber ich kann wohl nicht aus meiner Haut. Und du? Wo bist du gewesen?«

»In St. Nikolai.«

Die Nachbarin nickte. »Ich will nachher auch hin.« Sie streckte die Hand aus und legte sie Leonore auf den Unterarm. »Sie fehlt dir, ich weiß, mien Deern. Aber es wird besser. Jeden Tag ein bisschen. Glaub einer Frau, die schon in jungen Jahren ihren Mann zu Grabe tragen musste.« Gertraudes Ehemann war nur wenige Jahre nach der Hochzeit gestorben. Er war während der Arbeit im Hafen einfach umgefallen. Die Ehe war kinderlos geblieben. »Wie geht es deinem Bruder? Hab ihn seit einer Ewigkeit nicht zu Gesicht bekommen.«

»Carl arbeitet viel«, gab Leonore zur Antwort. Doch wenn es nach Vater geht, arbeitet er niemals genug, fügte sie im Stillen hinzu.

»Euer Vater hat ihn ziemlich an der Kandare. Mir tut der Junge leid«, brummelte Gertraude und begann weiterzufegen.

»Ich muss weiter, Gertraude.«

Bevor die Nachbarin noch etwas erwidern konnte, war Leonore weitergegangen. Sie schloss die Tür des Kolonialwarenladens auf, der sich im Erdgeschoss eines Fachwerkhauses befand. Ihr Großvater hatte den Laden eröffnet, und seit seinem Tod führte ihr Vater ihn weiter. Sie trat ein und blieb stehen, um zu horchen, ob sich bereits etwas tat. Doch alles war still, offenbar war ihr Vater noch nicht aufgestanden.

Während Leonore langsam den breiten Tresen entlangschritt und den Duft von Kaffeebohnen einatmete, strich sie zärtlich über das dunkle, glänzende Holz. Sie liebte diesen Laden. Aus deckenhohen Regalen schauten ihr Kaffee, Tee, Havanna-Zigarren, Waschmittel, Seifen, Pfeffer, Gewürznelken und Muskatblüten entgegen. Weiter unten fand sich Werkzeug: Hämmer, Äxte und Beile, Spindelbohrer und Nägel in allen Größen. Daneben stapelten sich Schachteln mit Bindfäden, Knöpfen und Nähgarn in allerlei Variationen. Auf dem verschrammten Holzfußboden stand eine große Waage; dahinter hingen an großen, inzwischen etwas verrosteten Nägeln Leinen- und Papiersäcke für Salz, Zucker und Mehl, die hier abgewogen wurden. Auf dem stets blank polierten Tresen schließlich thronte eine bildschöne glänzende Kasse, die einen glockenhellen Ton von sich gab, sobald das Geldfach geöffnet wurde.

Das frühe Sonnenlicht drang durch eins der beiden Fenster, und man konnte die feinen Staubkörnchen durch die Luft tanzen sehen.

Wenn besonders viel zu tun war, stand auch Leonore hinter dem Tresen und bediente die Kundschaft. Sie erfüllte diese Aufgabe stets mit Hingabe und Leidenschaft. Meistens aber bestand ihr Vater darauf, dass sie sich um den Haushalt kümmerte. Etwas, womit sie seiner Meinung nach voll und ganz ausgelastet war.

Aber sie würde nicht aufhören davon zu träumen, eines Tages den Laden selbst zu führen.

Leonores Bruder Carl war erst nach Mitternacht nach Hause gekommen und hatte sich bis zum Morgengrauen unruhig im Bett herumgewälzt, getrieben von einer Mischung aus Enttäuschung und Schuldgefühlen. Man hatte ihn über den Tisch gezogen. Dabei hatte Leopold behauptet, es sei eine sichere Sache, ein garantierter Gewinn. Carls Enttäuschung war schließlich einer unbändigen Wut gewichen, und er hatte auf sein Kopfkissen eingedroschen. Zum Teufel mit Leopold! Das war das letzte Mal, er würde nie wieder wetten. Nie wieder!

Er hatte diesen Vorsatz sogar mit einem feierlichen Schwur bekräftigt, der ihm später kindisch vorgekommen war. Zu guter Letzt hatte sich Selbstmitleid eingestellt, das kannte er bereits. Er hatte sich in den Handballen gebissen, um nicht zu heulen wie ein kleiner Junge. Schließlich war er in einen unruhigen Schlaf gefallen und hatte von Leopold geträumt, der mit einer Peitsche in der Hand hinter ihm stand und ihn wie einen Ackergaul antrieb.

Carl schreckte hoch, als er eine Tür zuschlagen hörte.

Plötzlich war er hellwach. Er wusste, was ihm blühte, wenn er verschlief. Er hatte seinem Vater versprochen, die Apfellieferung entgegenzunehmen, und musste sich sputen. Wenn es nicht schon zu spät war und sein alter Herr sie selbst angenommen hatte.

Ich hätte Nora bitten sollen, mich rechtzeitig zu wecken, dachte er.

Carl schwang die Beine aus dem Bett, spritzte sich kaltes Wasser aus der Emailleschüssel ins Gesicht und strich mit den Fingern sein wirres Haar nach hinten. Seine Hände zitterten leicht, er hatte am Abend zuvor eindeutig zu tief ins Glas geschaut.

Was war er doch für eine erbärmliche Kreatur!

Als er Stimmen hörte, lief er zur Tür und legte das Ohr daran. Der Vater sprach mit Leonore. »Was mache ich nur mit dir? Anstatt dich in aller Herrgottsfrühe irgendwo rumzutreiben, solltest du dafür sorgen, dass das Frühstück pünktlich auf dem Tisch steht.« Es klang ungehalten, aber auch ein wenig resigniert.

»Ich habe mich nirgendwo rumgetrieben, ich war in St. Nikolai und habe eine Kerze angezündet.«

Es entstand eine Pause, und Carl konnte sich vorstellen, wie die beiden voreinander standen und sich anfunkelten.

»Ich gehe später auch hin«, brummte sein Vater.

»Möchtest du Brot?« Die Stimme seiner...

Erscheint lt. Verlag 2.11.2020
Reihe/Serie Die Kolonialwaren-Saga
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte der kleine Kolonialwarenladen • die weite Welt • Familienbetrieb • Familiendynastie • Familiengeschichte Roman • Familiensaga • Generationenkonflikt • Hamburger Familie • Historischer Roman • Kaffeehaus • Kolonialwarenladen • Kolonialwaren-Saga • Kulinarisch • Liebesgeschichte • Liebesroman • mehrere Generationen • Nikolaifleet • Speicherstadt • speicherstadt-saga • Starke Frauen • Übersee
ISBN-10 3-8437-2374-5 / 3843723745
ISBN-13 978-3-8437-2374-9 / 9783843723749
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