Friedemanns Grimm -  Ursula Hirt,  Dagmar Kratzsch

Friedemanns Grimm (eBook)

Ein Marburg-Krimi
eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
284 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7504-5643-3 (ISBN)
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Der unerwartete Tod seiner Frau lässt Märchenforscher Friedemann Wagner nicht zur Ruhe kommen. Er will den Schuldigen zur Verantwortung ziehen und sticht dabei gleich in mehrere Wespennester. Seine Spurensuche führt ihn nicht nur in die Knüll-Klinik und durch die historische Altstadt, sondern auch in den "Wilden Westen" Marburgs.

Ursula Hirt, geboren am 27.6.1950, wuchs in Kassel und Marburg auf.Sie war Lehrerin für Deutsch und Sport an verschiedenen Schulen in Hessen und Spanien.

Juni


„Meinst du, wir können heute draußen frühstücken?“

„Bestimmt, es ist ein herrlicher Tag.“ Friedemann schüttete die Brötchen, die er eben geholt hatte, in den Brotkorb.

„Wenn es dir nicht zu kühl wird, wäre das toll.“

„Ich kann mir ja eine Decke mitnehmen.“ Barbara stellte Geschirr und Marmeladengläser auf das Tablett und öffnete die Terrassentür. Friedemann fühlte eine leichte, warme Welle durch sich ziehen, er freute sich über Barbaras Vorschlag. Obwohl der Mai schön gewesen war, hatten sie kein einziges Mal draußen gefrühstückt. Barbara litt unter den Nebenwirkungen ihrer Medikamente, die sie manchmal ganz schön außer Gefecht setzten. War das jetzt nur ein einsamer guter Tag, oder ging es ein bisschen bergauf?

Friedemann holte Schinken, Käse und Joghurt aus dem Kühlschrank und nahm die Thermoskanne aus der Kaffeemaschine. Sie besaßen als einzige aus ihrem Freundeskreis noch immer keine schicke Espressomaschine, brühten sogar manchmal einen Pott voll mit Filter und Filtertüte. Er betrat die Terrasse.

Barbara hatte sich eine Decke über die Knie gelegt und hielt ihr Gesicht in die Sonne. „Das tut vielleicht gut! Ich fühle mich heute viel besser als sonst. Ich glaube, das ist das neue Medikament. Vielleicht vertrage ich es einfach besser. Wäre doch gut, was?“

Friedemann schenkte einen Becher voll Kaffee ein, reichte ihn ihr und sagte: „Das wäre sogar mehr als gut. Ich freu mich total darüber. Lass es dir schmecken.“ Sie frühstückten mit großem Genuss und Barbara strahlte.

„Wenn du vom Markt zurück bist, könnten wir vielleicht einen kleinen Spaziergang durch die Oberstadt machen, was meinst du? Haben wir lange nicht gemacht.“

Friedemann blickte überrascht auf. Das musste heute wirklich ein ausnehmend guter Tag sein, denn wie Barbara sagte, hatten sie seit vielen Monaten von dieser lieben Gewohnheit lassen müssen, weil Barbara einfach zu schwach dafür gewesen war.

„Werd nicht übermütig!“, warnte er voller Begeisterung, „nachher willst du noch zum Schloss rauf steigen.“

„Keine Angst“, erwiderte sie lächelnd, „wir werden es langsam angehen lassen.“

Friedemann räumte den Tisch ab und machte sich fertig für seinen Gang zum Markt. Das gehörte zum Wochenende einfach dazu, und er erledigte diesen Einkauf mit großer Freude. Mittlerweile sorgte er zwar die ganze Woche über für die Lebensmittel, um Barbara nicht unnötig zu belasten, aber der Samstagmorgen in der Frankfurter Straße war doch etwas ganz anderes. Er kannte alle Standbetreiber und kaufte fast bei jedem etwas. Und natürlich traf er eine Vielzahl von Freunden, Nachbarn, Bekannten, sodass es immer eine ganze Weile dauerte, bis er schwer bepackt wieder zu Hause erschien.

„Was wollen wir am Wochenende essen?“ fragte er Barbara.

„Wie wär's mit einem Fisch? Guck doch mal, was der Fischmann heute hat. Und dazu einen schönen Salat. Vielleicht gibt's schon Rucola und frischen Dill. Ein bisschen Käse wie immer, und beim Türken ein Fladenbrot und Auberginenpaste.“

„Sehr wohl, Gnädigste“, flachste Friedemann. „Und noch Wünsche für morgen?“

„Was hältst du von Maishähnchen? Und entsprechendes Gemüse.“

„Wird sofort erledigt. Bin gleich wieder da!“

„Wer's glaubt, wird selig. Grüß alle von mir.“

Während Friedemann zwei Einkaufsbeutel vom Haken an der Küchentür nahm, holte Barbara die Tageszeitung und machte es sich wieder auf der Terrasse bequem. Sie hatte ein sehr gespaltenes Verhältnis zu diesem Blättchen, der „Marburger Presse“, kurz MP. Einerseits fühlte sie sich von der überregionalen Presse besser informiert, und sie ärgerte sich oft genug über die Reportagen über die Kaninchen- und Taubenzüchter. Andererseits schien ihr das Stadtgeschehen schon wichtig. Sie wollte wissen, was im Stadtparlament besprochen wurde, welche Bauvorhaben zu erwarten waren, was im kulturellen Bereich geschah. Ab und zu schrieb sie einen Leserbrief, der dann meistens nicht abgedruckt wurde, was sie wiederum sehr erboste.

Trotzdem gehörte es irgendwie dazu, und am Samstag erst recht. Seit sie krank war, hatte sie zwar jeden Morgen genügend Zeit, Zeitung zu lesen, und am Nachmittag auch noch. Aber das war so ein Relikt aus der Zeit, als sie noch jeden Tag in die Schule musste und der Samstag der schönste Tag der Woche war. Der begann mit langem Frühstück und Zeitung-Lesen und Auf-den-Markt-Gehen. Und es war der Beginn eines meist ganz freien Tages, während der Sonntag spätestens nach dem Mittagessen wieder zum Arbeitstag wurde, weil korrigiert und Unterricht vorbereitet werden musste.

Sie legte die Beine auf einen Stuhl, breitete die Decke wieder darüber und schlug die Zeitung auf. Ein langer Bericht über die Zustände in den Universitätskliniken beherrschte die dritte Seite. Sie blätterte weiter. Sie mochte nicht daran erinnert werden. Die regelmäßigen Aufenthalte dort oben auf dem Berg gehörten nicht zu den schönen Seiten ihres Lebens. Im Landkreis gab es auch nichts Neues, der Sport interessierte sie nicht und bevor sie zu den Rezensionen gekommen war, legte sie die Zeitung beiseite und hielt wieder ihr Gesicht in die Sonne. Sie schob ein Kissen unter den Nacken und döste zufrieden vor sich hin.

Als Friedemann kurze Zeit später zurück kam, war sie gerade eingeschlafen. Er betrachtete seine Frau zärtlich. Ihr kastanienbraunes Haar zeigte nur sehr vereinzelt graue Strähnchen, es war kurz geschnitten und eine schwungvolle Welle legte sich über ihr rechtes Auge. Als er sich vor etwa 35 Jahren in Barbara verliebt hatte, trug sie lange Haare, die sie beim Sport häufig zu Rattenschwänzen zusammen band. Von ihren Mannschaftskameradinnen wurde sie deshalb oft „Pippi Langstrumpf“ genannt. Ihr schmaler Mund war ein wenig geöffnet und ab und zu schnaufte sie etwas. Ihre Mundfalte war im letzten Jahr tiefer geworden, ebenso die „Denkerfalten“ auf ihrer Stirn. Aber die Wangen waren glatt und rosig.

Jetzt blinzelte sie ein wenig, ihre Augen hatten ein sanftes Braun, das Friedemann sehr bewunderte. Er lächelte sie an. „Jetzt habe ich mich total beeilt und nur zwei Stunden gebraucht und du pennst hier einfach“, spielte er den Beleidigten. „Ich hab dir ein paar Blümchen mitgebracht.“

Er wickelte das Papier ab und es erschien ein wunderschöner Strauß in rot-orange-gelber Pracht. Barbara war ein bisschen gerührt, obwohl Friedemann das häufig machte. Aber weil es eben kein Ritual war, freute es sie jedes Mal wieder. Er holte eine Vase und stellte die Blumen hinein. Vase und Strauß passten überhaupt nicht zusammen, aber das wussten sie beide. Barbara würde später ein anderes Gefäß suchen und den Strauß neu arrangieren. Friedemann nahm ihr das nicht übel. Er konnte das eben nicht so gut wie sie.

„Gibt es Post?“, fragte Barbara, als sie ein paar Umschläge in Friedemanns Hand wahrnahm.

„Ja, außer Rechnungen und Werbung ist eine Einladung zum Klassentreffen für mich dabei. Stell dir vor, 40 Jahre Abitur! Das hätte ich glatt vergessen.“

„Ach, das ist aber schön. Wann wird das denn sein?“

„Mitte des Monats. Meinst du, ich kann dich dann mal ein Wochenende allein lassen?“

„Aber ganz bestimmt“, versicherte Barbara. „Ich fühle mich so viel besser als letzten Monat. Da bin ich ganz zuversichtlich. Was gibt’s Neues auf dem Markt? Ein bisschen Tratsch vielleicht?“

„Na klar, was glaubst du, warum ich auf den Markt gehe? Die Baumanns haben sich eine Ferienwohnung in Marokko gekauft. Die spinnen wirklich. Und die Schmidt-Goldigers haben sich getrennt. Jetzt endgültig, wie es heißt. Aber warten wir mal den nächsten Samstag ab, dann sieht das vielleicht alles schon wieder ganz anders aus. Und dann habe ich noch eine ganze Reihe Leute getroffen, wie immer, die dich alle grüßen lassen. Aber ganz besonders herzlich soll ich dich von Sybille grüßen.“

„Ach, das ist ja eine Überraschung. Lebt sie nicht mehr in Dagobertshausen?“

„Nein, sie ist jetzt in die Stadt gezogen, nach Ockershausen. Hat sich pensionieren lassen und genießt das Leben ohne Schule, wie sie sagt. Du sollst sie mal anrufen, wenn du Lust hast. Wie ist‘s? Magst du noch in die Oberstadt?“

„Na, klar! Ich bin wild entschlossen!“

„Dann nix wie raus, altes Haus.“

„Zieh dich an und dann ran!“ vervollständigte Barbara lachend den Spruch.

„Mann, Mann“, murmelte Friedemann, als wollte er sagen: Wie lange hat sich diese Blödelei gehalten? Während ihrer Studentenzeit hatte irgendjemand diesen anspruchslosen Reim von sich gegeben und sie beide und ihre Freunde unter den Sportstudenten hatten ihn in allen Variationen häufig und gern benutzt.

Friedemann war...

Erscheint lt. Verlag 22.4.2020
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
ISBN-10 3-7504-5643-7 / 3750456437
ISBN-13 978-3-7504-5643-3 / 9783750456433
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