Die Sünden der Gerechten (eBook)

Historischer Kriminalroman

(Autor)

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2020 | 1. Auflage
432 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-2564-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Sünden der Gerechten - Peter Tremayne
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Ein Mord im Paradies.

Irland 671. Als Fidelma und Eadulf in dem Dorf Cloichin eintreffen, das den Ruf hat, ein äußerst idyllischer Ort zu sein, wollen die aufgebrachten Bewohner dort gerade einen Mann hängen. Der Wanderarbeiter soll einen wohlhabenden Bauern und dessen gesamte Familie ermordet haben. Fidelma kann ihn gerade noch rechtzeitig vor dem grausamen Tod retten. Bei den Ermittlungen stellt sich heraus, dass die Bewohner viele dunkle Geheimnisse haben. Bevor Fidelma herausfinden kann, ob der Wanderarbeiter wirklich schuldig ist, wird ein neuer Mordanschlag auf ihn verübt ...

.»Wer einen Roman von Peter Tremayne gelesen hat, der möchte sie alle lesen.« NDR. 



Peter Tremayne ist das Pseudonym eines anerkannten Historikers, der sich auf die versunkene Kultur der Kelten spezialisiert hat. Seine im 7. Jahrhundert spielenden Romane mit Lady Fidelma, einer ehemaligen Nonne und Anwältin bei Gericht, sind zurzeit mit einunddreißig Bänden die langlebigste und erfolgreichste historische Krimiserie auf dem deutschen Buchmarkt. Wegen des großen internationalen Erfolgs der Serie wurde Peter Tremayne 2002 zum Ehrenmitglied der Irish Literary Society auf Lebenszeit ernannt.

Kapitel 1


Die Menschenansammlung war überschaubar, schien jedoch nicht mehr aus einzelnen Individuen zu bestehen, aus Männern, Frauen und ein paar kleinen weinenden Kindern dazwischen. Die Versammelten waren zu einem bedrohlichen Mob verschmolzen, der sich die Dorfstraße entlangschob wie ein einziger Körper, der von einem einzigen Ziel besessen war. Das Lärmen der Leute steigerte sich zu einem ohrenbetäubenden Brüllen – und war eine Beleidigung für die Sinne. Sogar die erhobenen Arme, mit denen sie Knüppel und Stöcke schwenkten, wirkten wie die Gliedmaßen eines einzigen Wesens. Ein scharfsichtiger Beobachter mochte vielleicht erkennen, dass sie in ihrer Mitte etwas oder jemanden mit sich zerrten. Schließlich sah man, dass es sich um den Körper eines Menschen handelte; eines Mannes, der sich gegen das Seil stemmte, mit dem man ihn vorwärtszog. Auch wenn er verdreckt und von Schlamm bedeckt war, unterschied er sich in einer Hinsicht von dem Mob, der ihn umzingelte, nämlich in der Farbe seiner Haut. Sie war schwarz.

An der Spitze der blindwütigen Menge schritt eine stämmige Gestalt, die sich ab und zu umdrehte, um die Leute durch Zurufe und Gesten zu ermutigen, wobei die Stimme des Anführers immer wieder von ihren Schreien und hasserfüllten Parolen übertönt wurde. Er trug eine wollene schwarze Mönchskutte und um den Hals an einem Lederband ein silbernes Kreuz. In einer Hand hielt er einen eigentümlich geschnitzten Schwarzdorn-Stecken.

Der Mob trieb seinen Gefangenen mit unsanften Stößen die Hauptstraße des Dorfes entlang, die gesäumt war von armseligen dunklen Häusern, wie sie für viele ländliche Siedlungen in dieser Gegend typisch waren. Vor manchen Haustüren standen schweigende Gaffer. Als die aufgebrachte Menge sich einem der Häuser näherte, flog die Tür auf; eine junge Frau, die sich offensichtlich aus dem festen Griff mehrerer Frauen losgerissen hatte, stürmte ins Freie und eilte auf einen gut aussehenden jungen Mann zu, der gerade vom Pferd gesprungen war und sich dem stämmigen Mönch in den Weg stellte. Zwei muskulöse Kerle packten ihn an den Armen. Er versuchte verzweifelt, die beiden abzuschütteln, doch sie hielten ihn fest umklammert.

»Bruder Gadra!«, schrie er. »Ich befehle dir, dem ein Ende zu setzen. Hör auf mit diesem Wahnsinn!«

Der Mönch blieb abrupt stehen, so dass der Mob hinter ihm unfreiwillig anhalten musste und sein wütendes Gejohle allmählich verebbte.

Bruder Gadra wandte sich mit zusammengekniffenen Augen zu dem jungen Mann um und zischte: »Ich tue hier Gottes Werk und sorge für Gerechtigkeit; eigentlich wärst du dafür zuständig, Fethmac von Cloichín.«

»Ich bin der bó-aire, der Schultheiß dieses Dorfes. Ich bin hier der Vertreter des Gesetzes.«

Bruder Gadra warf den Kopf zurück und lachte spöttisch.

»Der Schultheiß, was du nicht sagst«, höhnte er. »Du bist ja fast noch zu jung, um dich zu rasieren. Was weißt du denn schon von Gerechtigkeit? Du kennst nicht mal das einheimische Gesetz und bist völlig ungeeignet, als Brehon aufzutreten und von deinen Mitmenschen Respekt einzufordern. Jedenfalls hast du keine Ahnung von den Gesetzen der Kirche, nach denen wir alle leben sollten; wir können allein auf unseren höchsten Richter und Schöpfer vertrauen.«

Der junge Mann namens Fethmac ging nicht auf Bruder Gadras herablassenden Tonfall ein.

»Ich kenne meine Pflichten, Bruder. Und ich sage es noch einmal: Als euer Schultheiß bin ich der Einzige hier, der im Namen von Recht und Gerechtigkeit sprechen darf. Was ihr da tut, ist falsch. Lasst diesen Mann frei.«

Er deutete auf den Gefangenen, der jetzt mit Schlamm bedeckt am Boden lag, während seine Peiniger ein Ende des Seils in Händen hielten.

Angesichts der Autorität in den Worten des jungen Schultheiß’ machte sich in der Menge Unruhe bemerkbar.

»Du glaubst also, diese … diese Bestie … ist ein Mensch?«, höhnte Bruder Gadra. »Du glaubst, er hat irgendwelche Rechte? Er ist eine Bestie, ein hirnloses Tier – das sieht man schon an dem, was er getan hat.«

Die Selbstgefälligkeit des Mönchs stachelte Fethmac zum Widerspruch an.

»Er ist ein Mensch, der dem Gesetz untersteht und das Recht hat, sich zu verteidigen. Lasst ihn frei, sage ich!«

»Und ich sage, das werden wir nicht tun! Der Tod ist sein Lohn«, schrie Bruder Gadra. »Steht nicht im Levitikus, unserem Heiligen Buch: ›Wer irgendeinen Menschen erschlägt, der soll der Todes sterben?‹1 Er hat getötet, also muss er sterben!«

Bruder Gadras lautstarke Ankündigung löste zustimmendes Gemurmel aus.

»Unser Gesetz verlangt eine Gerichtsverhandlung und Beweise, bevor ein Mensch für schuldig befunden wird«, rief der Schultheiß und versuchte erneut, sich aus dem Griff seiner Häscher zu befreien. »Dieser Mann wurde nicht verurteilt.«

»Wir haben ihn aber bereits verurteilt«, blaffte Bruder Gadra ihn an. »Wie schon Hesekiel sagt: ›Denn welche Seele sündigt, die soll sterben.‹2 So sei es. Er soll sterben – und zwar sofort.«

Er nickte den beiden Männern zu, die den Schultheiß festhielten, und sie zerrten ihn mit Gewalt beiseite. Dann wandte sich Bruder Gadra zu der Menge um, denn er befürchtete, dass der Auftritt des Schultheiß’ sie in ihrer hitzigen Entschlossenheit verunsichert haben könnte. Mit fanatischem Blick hielt er sein silbernes Kruzifix in die Höhe, so dass alle es sehen konnten.

»Wir sind dabei, das Werk unseres Herrn zu vollenden«, rief er mit Donnerstimme. »Lasst euch nicht vom Pfad der Rechtschaffenheit abbringen, denn im Heiligen Buch steht geschrieben, und zwar ohne jede Einschränkung, dass Töten mit dem Tod bestraft werden soll. So verlangt es Gott – und ist hier jemand unter euch, der Gott zu widersprechen wagt?«

Seine hasserfüllten Worte wiegelten die Menschen erneut auf, und wieder wurden sie zu einem gefährlichen Mob, der nach Blut lechzte.

Zufrieden deutete Bruder Gadra zum Ende des Dorfes, von wo ein Pfad auf einen kleinen Hügel führte.

»Möge das Wahrzeichen eurer Gegend fortan einen zusätzlichen Zweck erfüllen. Mögen dort alle, die Gottes Gesetze übertreten, ihre verdiente Strafe empfangen!«

Er wies mit ausgestreckten Armen zu dem Baum, der oben auf der Anhöhe stand. Ein kräftiger Stamm unter einer ausladenden Krone, eine stiellose Eiche mit nur noch wenigen welken Blättern, die nicht abfallen wollten, und mit winterharten Eicheln und geraden Ästen, die wie Wegweiser in alle Richtungen zeigten. Der Baum stand offensichtlich schon seit Jahrhunderten dort und markierte das Gebiet der Gemeinde, die zu den unzähligen ländlichen Ansiedlungen der Eóghanacht Glendamnach gehörte, deren Hoheitsgebiet wiederum als eines der größten im Königreich Muman galt. Für die meisten Dorfbewohner war es ein heiliger Baum, denn solche Wahrzeichen hatte es schon in der Zeit vor der Zeit gegeben, lange bevor der Neue Glaube sich im ganzen Land verbreitete.

Man schleifte den Mann nun unter diesen Baum, wo er sich vergeblich aus dem starken Griff der beiden Dörfler zu befreien versuchte. Er schaute nach oben, und die Augäpfel in seinem dunklen, schmutzverschmierten Gesicht leuchteten weiß auf, während er voller Entsetzen auf die knorrigen Äste starrte; sie schienen sich zu ihm hinunterzuneigen, der Frucht entgegen, die bald von ihnen herabhängen würde.

»Wer hat den Strick?«, fragte Bruder Gadra.

Ein Mann trat vor und nahm den aufgerollten Strick von seiner Schulter. Er war ein kräftig gebauter Bursche mit mürrischer Miene.

»Ich habe ihn hier, Bruder Gadra.«

»Dann befestige ihn dort an dem Ast.«

Dem jungen Schultheiß, der versucht hatte, den Mob aufzuhalten, war es durch reine Willenskraft gelungen, seine zwei Bewacher hinter den anderen herzuziehen.

»Halt! Das ist Unrecht!«, brüllte er jetzt vom Rand der Menge über ihre Köpfe hinweg. »Ihr werdet euch vor dem Gesetz verantworten müssen!«

Der Mönch warf ihm einen kurzen Blick zu. »Genau wie du dich vor Gott verantworten musst«, entgegnete er. »Pass bloß auf, junger Schultheiß. Wenn du dich weiter hier einmischst, wird Gott dich womöglich gleich auf der Stelle zur Verantwortung ziehen.«

Die Menge verhielt sich erneut zögerlich. Immerhin genoss Fethmac eine gewisse Autorität im Dorf und war hier der Vertreter des Gesetzes. Hatte Bruder Gadra wirklich das Recht, ihm mit dem Tode zu drohen, was er anscheinend gerade tat?

Unverhofft löste sich ein junger Bursche, fast noch ein Halbwüchsiger, aus der Menge und näherte sich mit seltsam hüpfenden, fast tänzelnden Schritten dem Baum. Aus seiner lose um ihn flatternden Jacke zog er eine fedán, eine Rohrflöte, wie sie häufig von Schaf- und Kuhhirten gespielt wurde. Sie bestand lediglich aus einem hohlen Pflanzenstängel, den er an seine schmalen Lippen hob. Er entlockte ihr eine eigenartige Melodie, zu der seine Füße unter dem Baum einen rasenden Tanz aufführten – fast wie bei einem Ritual. Eine Weile sah die Menge sprachlos und peinlich berührt seiner Darbietung zu.

»Dulbaire! Hör sofort auf damit!« Ein älterer Mann trat vor und packte den Jungen am Arm, während er ihm mit der anderen Hand die Flöte entriss. Unter lautem Protest folgte ihm Dulbaire.

Bruder Gadra hatte die Gelegenheit genutzt, um den Mann mit dem Strick bei der Erledigung seiner grausamen Aufgabe anzutreiben. Als dieser einen Augenblick zögerte, knurrte Bruder...

Erscheint lt. Verlag 10.11.2020
Reihe/Serie Schwester Fidelma ermittelt
Schwester Fidelma ermittelt
Übersetzer Bela Wohl
Sprache deutsch
Original-Titel Blood in Eden
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Krimi / Thriller / Horror Historische Kriminalromane
Schlagworte Bruder Eadulf • Burg von Cashel • Cashel • Eadulf • Fidelma • Irland • Irland im 7. Jahrhundert • Kelten • Kelten in Irland • Keltenkrimi • König von Cashel • Schwester Fidelma • Schwester Fidelma ermittelt • Welt der Kelten
ISBN-10 3-8412-2564-0 / 3841225640
ISBN-13 978-3-8412-2564-1 / 9783841225641
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