Fräulein Paula und die Schönheit der Frauen (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
384 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-2568-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Fräulein Paula und die Schönheit der Frauen - Caroline Bernard
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Träume aus Seide.

Hamburg, 1948: Obwohl es an allem mangelt, ist Paula fest entschlossen, die Schönheit in ihr Leben zurückzuholen - das Trümmergrau soll endlich Farbe weichen. Mit ihrem Gespür für Mode wird Paula die rechte Hand eines Strumpffabrikanten und kämpft gegen alle Hürden der Nachkriegszeit darum, den Frauen ihre heißbegehrten Nylons zu verschaffen. Schon bald erreicht sie viel - und kann dennoch nicht vergessen, dass sie im Krieg ihre große Liebe verloren hat.

Dann begegnet sie einem britischen Offizier, doch der scheint nur die Geschäfte ihres Chefs kontrollieren zu wollen ...

Eine junge Frau, die im Nachkriegsdeutschland die Welt der Mode neu erfindet. Der neue Roman von der Autorin des Nummer-1-Bestsellers 'Frida Kahlo und die Farben des Lebens'.



Caroline Bernard ist das Pseudonym von Tania Schlie. Die Literaturwissenschaftlerin arbeitet seit zwanzig Jahren als freie Autorin. Sie liebt es, sich Geschichten über starke Frauen auszudenken. Neben 'Die Muse von Wien' und 'Rendezvous im Café de Flore' erschien von ihr zuletzt im Aufbau Taschenbuch der Bestseller 'Frida Kahlo und die Farben des Lebens', der monatelang die Bestsellerlisten anführte und in zahlreichen Ländern erscheinen wird.

Kapitel 1


Paula schlug die Arme um den Körper, als sie die Brache passierte, wo früher die Häuser gestanden hatten. Jetzt ragten dort nur noch die Reste einer Mauer auf, an deren Fassade die Umrisse der ehemaligen Räume zu erkennen waren. Ein einzelner Balkon zeigte in Höhe des dritten Stockwerks auf den Fußweg hinaus, hinter der geschmiedeten Umrandung stand in aller Unschuld ein Stuhl. Er war nur noch da, weil niemand an ihn herankam, denn einen Stuhl hätten viele Leute gebraucht.

Die Mauer hatte Paula für die Dauer weniger Schritte vor dem heftigen Novemberwind geschützt, jetzt hatte er wieder freies Spiel auf dem Trümmerfeld und fegte den eiskalten Regen in ihre Richtung. Sie nahm den Mantel vor der Brust zusammen und ging schneller. Eine Frau kam ihr entgegen, und Paula glaubte, eine Erscheinung zu haben. Als würde plötzlich eine Farbfotografie in einem Schwarz-Weiß-Film auftauchen. Die Frau trug einen flauschigen Mantel aus kamelfarbenem Mohair. Paula spürte förmlich, wie weich er sich um ihren Körper legte, wie warm sich das passende Wolltuch mit eingewebten Rosen an ihren Hals schmiegte. Zu allem Überfluss trug die Frau einen modischen Hut, unter dem ihr rötliches Haar in Wellen hervorquoll. Bei jedem ihrer raschen Schritte wippte es auf und ab. Die Fremde ging an Paula vorüber, die stehen blieb, um ihr mit offenem Mund nachzusehen. Die Frau hatte warme, dennoch nicht klobige Stiefel an den Füßen, mit denen sie leichtfüßig ausschritt. Wahrscheinlich trug sie sogar echte Seidenstrümpfe. Sie musste die Frau eines englischen Soldaten sein. Oder eine Prostituierte, obwohl sie dafür zu elegant wirkte. Normale Frauen hatten in diesen Zeiten keine warmen Mäntel, und in solch edlen Stiefeln würde eine ganz normale Hamburgerin in diesen Zeiten niemals durch die notdürftig von Trümmern geräumte Stadt laufen.

Paula fuhr sich mit der Hand über die Ärmel ihres Mantels, um die Regentropfen abzustreifen. Dabei fühlte sie die fadenscheinigen Stellen am Ellenbogen. Der Mantel hatte ihrem Vater gehört, sie hatte ihn für sich geändert. Sie seufzte. Lange würde der Mantel nicht mehr mitmachen, und dabei stand der Winter erst noch bevor. Was würde sie für einen Traum wie diesen Mohairmantel geben! Aber immerhin wurden die Zeiten langsam besser, und wenn auf Hamburgs Straßen wieder Frauen in solcher Garderobe zu sehen waren, gab es Grund zur Hoffnung.

Sie stieß einen tiefen Seufzer aus, als eine neue Windböe sie traf. Noch ein paar Schritte, dann schlüpfte sie erleichtert durch die Tür des Wohnhauses in der Hoheluftchaussee, gerade noch rechtzeitig bevor es draußen richtig zu schütten begann.

»Na, na! Und ich muss wieder alles sauber machen!«

Paula verdrehte die Augen. Hätte sie sich ja denken können, dass Renate Schostack sie dabei erwischte, wie sie ihr das Treppenhaus volltropfte. Dabei waren weder Frau Schostack noch das Treppenhaus in einem sonderlich gepflegten Zustand. Die Frau müffelte stets, und ihr Kittel hätte eine Wäsche vertragen können. Weil auf dem Gehweg vor dem Haus immer noch Schuttberge lagen, drangen Staub und bei Regenwetter grauer Matsch mit den Schuhen herein. Es war bestimmt nicht leicht, unter diesen Umständen einigermaßen Ordnung zu halten, aber Frau Schostack lauerte auch lieber den Hausbewohnern auf, statt zu fegen oder zu feudeln.

»Guten Tag, Frau Schostack«, rief Paula betont fröhlich. »Ein scheußliches Wetter ist da draußen.« Sie wollte an der Hausmeisterin vorbei, doch die verstellte ihr mit ihrem Besen den Weg.

»Ihre Schwester kommt immer so spät nach Hause. Meine Güte, wenn ich daran denk, dass sie bis vor Kurzem noch so ein liebes Mädchen war …«

»Uschi kellnert im Winterhuder Keller, das wissen Sie doch. Da muss sie nun mal bis spät arbeiten«, gab Paula zurück. Mein Gott, die Schostack ging ihr so was von auf die Nerven. Unter Hitler war ihr Mann Hauswart gewesen und hatte sie alle tyrannisiert. Im letzten Kriegsjahr war er dann noch eingezogen worden, obwohl er schon über fünfzig war. Er war an die Ostfront gekommen, und seitdem gab es keine Nachricht mehr von ihm. Was Paula wirklich leidtat. Ihr eigener Vater wurde auch vermisst, schon seit dem Sommer 1943. Sie wusste, dass man darüber bitter werden konnte. Aber dass nun Schostacks Frau hinter ihr und ihren Schwestern herschnüffelte, musste auch nicht sein.

»Wer hat denn in diesen Zeiten Geld, um in ein Restaurant zu gehen?«, fragte Frau Schostack, und ihr Ton ließ keinen Zweifel daran, was sie von solchen Leuten hielt.

»Lassen Sie mich durch?« Mit diesen Worten stieg Paula einfach über den Besen hinweg, den die Hausmeisterin quer vor die Treppe gestellt hatte und auf dessen Stiel sie ihr Kinn abstützte. Paula nahm die ersten drei Stufen und ließ dann die nächste und die übernächste aus. In den letzten Kriegstagen hatte das Haus noch einen Treffer abbekommen, und von den beiden Wohnungen unter dem Dach waren nur die Mauern zur Straße geblieben. Der Rest war ins Treppenhaus gestürzt und hatte das Geländer und einige Stufen mitgerissen. Inzwischen kannten alle Hausbewohner die notdürftig mit losen Brettern geflickten Stufen und überstiegen sie einfach.

»Ob das wohl noch mal repariert wird«, murmelte sie gerade laut genug, dass die Schostack es hören musste. Obwohl die auch nichts dafürkonnte. Es gab kaum Bauholz, und das wenige, was da war, wurde für notwendige Instandsetzungen gebraucht, für Schulen, Krankenhäuser oder die Bahnhöfe der Stadt.

Paula stieg weiter die Treppe hinauf. Sie wohnte mit ihrer Mutter und den Schwestern im zweiten Stock rechts. Die Wohnung war zum Glück mehr oder weniger unversehrt durch den Krieg gekommen, es gab Wasser, und die elektrischen Leitungen funktionierten, auch wenn der Strom öfter mal abgestellt war. Doch sie hatten noch ihre Möbel, sie konnten in Betten schlafen und hatten ein Dach über dem Kopf. Nur Geschirr und der Spiegel im Badezimmer waren bei dem Bombeneinschlag kaputtgegangen. Und viele Einrichtungsgegenstände, das bisschen Schmuck und das gute Porzellan hatten den Weg auf den Schwarzmarkt gefunden, damit sie nicht verhungerten. Bis vor einigen Wochen war ein älteres Paar aus Breslau bei ihnen einquartiert gewesen und hatte das zweite Zimmer bewohnt. Sie waren ganz gut mit den Wojczinjuks ausgekommen, trotzdem waren alle froh gewesen, als sie einem Evakuierungsangebot der Stadt folgten. Man hatte sie mit DDT-Pulver entlaust und ihnen einen Sack mit Marschverpflegung und eine Zugfahrkarte nach Meldorf in Dithmarschen in die Hand gedrückt. Seitdem hatten sie nichts mehr von dem Ehepaar gehört, obwohl die Post inzwischen recht gut funktionierte.

Jetzt hatten Paula und ihre Familie alles wieder für sich, auch wenn es nur zwei kleine Zimmer waren. Paula wohnte mit ihren beiden Schwestern in dem einen und ihre Mutter im anderen Zimmer, dazu kam eine winzige Küche, die zum Glück ein Fenster mit einer breiten Fensterbank außen hatte, wo sie jetzt im Winter ihre wenigen Lebensmittel lagern konnten. Alles war besser als die Nissenhütten an der Schwenckestraße, wo sich zwei Familien eine dieser Wellblechhütten ohne Heizung teilen mussten. Jedes Mal, wenn Paula dort vorbeikam, war sie dankbar, diese Wohnung zu haben.

Paula öffnete die Wohnungstür. Drinnen streifte sie als Erstes ihre Schuhe ab. Sie war so stolz gewesen, als sie die braunen Wildlederschuhe mit den kleinen Hacken erstanden hatte. Aber sie drückten! Mit einem Laut des Schmerzes rieb sie sich die Füße, dann schlüpfte sie in die ausgelatschten Pantoffeln ihres Vaters und ging in die Küche.

»Hallo, Mama«, sagte sie.

Ihre Mutter stand am Herd und rührte in einem Topf.

»Was gibt es zu essen?«

»Was soll es schon geben«, gab ihre Mutter zurück, »Kartoffeln und Speckstippe. Aber die Schostack war hamstern im Alten Land und hat mir ein paar Äpfel abgegeben. Ich hab Mus davon gekocht. Dafür soll ich ihr die Jacke von ihrem Mann im Rücken enger machen, damit sie ihr passt.« Sie wies mit dem Ellenbogen auf die Jacke, die über einem Küchenstuhl hing.

Paula ärgerte sich. »Ach, Mama, die Schostack nutzt dich aus.« Sie nahm die Jacke der Hauswirtin und begutachtete sie. Der Stoff war hart und verfilzt, ihre Mutter würde Stunden damit zubringen, sie zu ändern. Und das alles für ein paar Äpfel. »Und dann tut sie auch noch so, als würde sie dir einen Gefallen tun. Hamstern muss keiner mehr. Seit der Währungsreform gibt es doch alles. Hast du gesehen, in der Roonstraße hat schon wieder ein neues Lebensmittelgeschäft aufgemacht. Und nächste Woche wird das Kaufhaus für Mode am Eppendorfer Weg eröffnet. Die sollen auch Tischdecken zum Aussticken und Wolle haben.«

Ihre Mutter schnaubte. »In der Theorie vielleicht. Man muss sich das erst mal leisten können. Und unter Nachbarn hilft man sich doch gern.«

Ganz unrecht hatte sie nicht. Kohle und Benzin waren immer noch rationiert, und Zucker gab es erst seit einigen Monaten wieder frei auf dem Markt. Paula konnte sich noch gut an die Tage vor dem 20. Juni erinnern. Alle ahnten, dass bald eine neue Währung kommen würde. Wer noch etwas zu verkaufen hatte, hielt es zurück und wartete auf das neue Geld, weshalb sich die Schaufenster leerten. Und viele, die noch wertlose Reichsmark hatten, wollten sie unbedingt loswerden und kauften alles, was sie kriegen konnten. Am Sonntag, dem 20. Juni, hatten sie dann alle angestanden und sich ihre vierzig Mark abgeholt. Und am Montagmorgen waren die Geschäfte plötzlich voller Dinge und Lebensmittel gewesen. Paula war damals mit der Straßenbahn gefahren, und...

Erscheint lt. Verlag 18.8.2020
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 50er Jahre • Aenne Burda • Caroline Bernard • Die Muse von Wien • emanzipierte Frauen • Frida • Frida Kahlo • Hamburg • Liebe • Michelle Marly • Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe • Nachkriegszeit • Rendezvous im Cafe de Flore • Romy
ISBN-10 3-8412-2568-3 / 3841225683
ISBN-13 978-3-8412-2568-9 / 9783841225689
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