Miss Guggenheim (eBook)

Sie lebte die Liebe und veränderte die Welt der Kunst

(Autor)

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2020 | 1. Auflage
448 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-2584-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Miss Guggenheim - Leah Hayden
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'Ich war eine befreite Frau, lange bevor es einen Namen dafür gab.'. Lissabon, 1941: Endlich gelingt es Peggy Guggenheim und ihrer neuen Liebe, dem Maler Max Ernst in die USA auszureisen. Doch kaum angekommen, wird Max als Enemy Alien verhaftet, und Peggy fürchtet, dass ihr Geliebter nach Deutschland zurückgeschickt werden könnte. Zugleich setzt sie alles daran, ihren großen Traum zu verwirklichen: ein eigenes Museum, in dem sie ihre Sammlung der europäischen Moderne ausstellen will. Doch die Widerstände, gegen die Peggy zu kämpfen hat, sind groß, und ihre Liebe zu Max droht daran zu scheitern ... Ein einmalig berührender Roman über Peggy Guggenheim - die faszinierende und mutige Galeristin, die der abstrakten Kunst zum Durchbruch verhalf



Leah Hayden studierte Germanistik, Politikwissenschaft und Philosophie in Heidelberg und den USA, wo sie lange Zeit in der Nähe von New York lebte. Durch ihren Onkel, der Maler war, spürte sie schon früh die Faszination der Welt der Kunst. Heute wohnt Leah Hayden mit ihrem Mann und zwei Hunden als freie Autorin in Salerno bei Neapel. Für die Recherche zu diesem Roman kehrte sie nach New York zurück und erlebte die Stadt aus dem Blickwinkel Peggy Guggenheims noch einmal ganz neu.

1


Der Hang wurde immer steiler, und Peggy atmete schwer. Jetzt machte der Weg eine Biegung. Sie blieb stehen. Zu ihrer Rechten fiel die mit niedrigen Pinien bewachsene, steinige Landschaft zum Meer hin ab. Peggy konnte sich kaum sattsehen: das helle Grau der Felsen, das satte Grün der Bäume und dahinter das dunkelblaue Meer … Tief sog sie die würzige Luft ein. Wilder Thymian, Rosmarin und Lavendel. Wie sie diese Küste liebte! Peggys Blick wanderte weiter an den steil abfallenden Felsen entlang und glitt über die leuchtend weiße Stadt. Um diese Uhrzeit döste Marseille schläfrig in der kräftigen Mittagssonne, nur ein graues Kriegsschiff im Hafen erinnerte daran, dass der friedliche Eindruck täuschte. Peggy riss sich von dem Anblick los, sah auf die Uhr und erschrak. Sie war viel zu spät! Sandiger Staub wirbelte auf, als sie schnellen Schritts der Straße folgte. Jetzt konnte es nicht mehr weit sein. Hier, vor den Toren Marseilles, lag die Villa Bel Air, wo sie eigentlich schon vor fünf Minuten einen Termin gehabt hätte. Aber ihrer Meinung nach wurde Pünktlichkeit ohnehin überschätzt. Sie lächelte bei dem Gedanken. Es gab nicht viele in ihrer Familie, die das ähnlich sahen.

Jetzt lag die Villa vor ihr. Ein solider dreistöckiger Bau mit großen Fenstern, eingefasst von einem Garten und hohen Platanen. Die Gartenpforte öffnete sich quietschend, und sie trat ein. Der Garten war verwildert, unter ihren Schuhen knirschte der von Unkraut durchwachsene Kies. Von der rötlichbraunen Fassade des Hauses und seinen grünen Fensterläden blätterte der Putz. Mit einer Hand strich sich Peggy den knielangen Rock glatt, während sie mit der anderen die Glocke läutete. Sie musste nicht lange warten.

»Peggy!« Ein schlanker, dunkelhaariger Mann mit runder Brille öffnete die Tür. »Kommen Sie rein. Wir haben Sie schon erwartet.«

»Ich hatte unterschätzt, wie lange ich bis hierher brauchen würde.« Peggy lächelte entschuldigend, und Varian Fry lächelte zurück.

»Wir haben hier nichts so viel wie Zeit.«

Peggy wusste, was er meinte.

»Max erwartet Sie schon. Ich glaube, er ist im Garten. Einen Augenblick.« Fry ließ sie in der düsteren Eingangshalle allein. Peggy näherte sich dem Spiegel über einem steinernen Kamin und musterte sich. Für eine Frau knapp über vierzig sah sie jung aus. Die schwarzen Haare fielen ihr bis kurz über die Schultern, Gesicht und Arme waren sonnengebräunt, was gut zu ihren dunkelbraunen Augen passte. Auch ihre etwas zu große Nase wirkte im düsteren Licht der Vorhalle weniger auffällig. Peggy strich sich eine Strähne aus der Stirn. Wenn ihre große Schwester Benita sie so gesehen hätte! Die schlichte Kleidung, die einfache Halskette, der gelbe Staub auf den ausgetretenen Schuhen mit den niedrigen Absätzen … So kleidete sich keine Guggenheim. Aber ihre Lieblingsschwester war tot, gestorben bei der Geburt ihres Kindes, und Peggy selbst legte keinen Wert auf teure Kleidung oder Schmuck. Sie brauchte ihr Geld für anderes. Für Kunst …

»Kommen Sie, Peggy, ich habe ihn gefunden.« Fry war zurückgekehrt und begleitete sie durch einen großen Speisesaal hinaus in den Garten.

Max Ernst stand unter einer der großen Platanen an seiner Staffelei. Er wandte ihnen den Rücken zu.

»Er arbeitet ununterbrochen. Angeblich, um sich davon abzulenken, dass ihm der Magen knurrt. Unsere Rationen sind knapp bemessen.« Fry lachte, doch Peggy wusste, dass es kein Scherz war. Sie berührte kurz Frys Arm, dann stieg sie die steinernen Stufen in den Garten hinunter. Sie trat vorsichtig auf, um ihn nicht zu stören.

»Ich weiß, dass Sie da sind.« Max setzte einen letzten Akzent, stellte den Pinsel in einen Becher mit Terpentin und drehte sich um.

Peggy reichte ihm die Hand. »Herr Ernst, ich wollte Sie nicht unterbrechen.«

»Das haben Sie nicht. Wir waren verabredet, und …«, er sah auf die Uhr, »Sie haben mir schon mehr Zeit gelassen als erwartet.« Peggy stellte sich neben ihn.

»Was sehen Sie?« Max Ernst beobachtete sie aus leicht zusammengekniffenen Augen.

Peggy legte den Kopf schief und betrachtete das Bild genau. Es war in einer ihr fremden Technik gemalt.

»Eine öde Landschaft«, sagte sie schließlich. »Sie sieht sumpfig aus, aber gleichzeitig auch versteinert. Und verschiedene Lebewesen. Sie wirken eingemauert oder erstarrt.«

»Ich nenne es Europa nach dem Regen

»Nach dem Regen? Damit meinen Sie wohl den Krieg?« Sie trat näher. »Wenn es so weitergeht, wird von Europa tatsächlich nur noch eine zerstörte Wüstenlandschaft übrig bleiben.«

»Und genau deshalb sind Sie hier.« Er lächelte. »Kommen Sie, ich habe schon Gläser und Wasser bereitgestellt. Ich würde Ihnen gerne etwas Exotischeres anbieten, aber wir sitzen hier ziemlich auf dem Trockenen.« Er führte sie zu einem Holztisch zwischen zwei Platanen, und sie setzten sich. Max schenkte ein und sah sie an. Zu ihrem Ärger fühlte Peggy sich unter seinem offenen Blick erröten. Schnell brach sie das Schweigen.

»So sehen wir uns also wieder. Wann habe ich Sie in Ihrem Atelier in Paris besucht?«

»Vor zwei Jahren.«

Sie lächelte schelmisch. »Ich kam zu Ihnen, um Ihre Bilder zu sehen, stattdessen habe ich eines von Ihrer Lebensgefährtin gekauft, von Leonora Carrington.«

»Wir sind nicht mehr zusammen.« Max’ Stimme war barsch, doch im selben Moment hatte er sich wieder gefasst, und sein Gesicht entspannte sich, als er sagte: »Ich war dreimal interniert. Beim dritten Mal ist mir die Flucht gelungen. Aber als ich endlich nach St.-Martin-d’Ardèche zurückkam, hatte Leonora unser Haus verkauft und war auf und davon. Ich habe keine Ahnung, wo sie jetzt steckt. Ein paar meiner Bilder hat sie offenbar mitgenommen, andere standen noch in den Zimmern herum.« Peggy sah ihn betroffen an, doch bevor sie etwas erwidern konnte, wischte Max das Thema mit einer energischen Geste beiseite. »Das war einmal. Es hat keinen Sinn, sich darüber aufzureiben. Nicht heute, an diesem schönen Nachmittag. Also, zu uns …« Er lächelte sie an. »Hier sitzen wir in diesem herrlichen Garten. Es weht eine leichte Brise vom Meer, und Sie sind gekommen, um sich meine Bilder anzusehen … und diesmal vielleicht tatsächlich etwas zu kaufen.« Er zwinkerte ihr zu, und sie lachte. »Wenn Sie bereit sind, sich von ihnen zu trennen.«

»Sie können haben, so viele Sie mögen. Nach allem, was man so hört, werden sie bei Ihnen in bester Gesellschaft sein.« Peggy hob die Augenbrauen, und er fuhr fort. »Es hat sich herumgesprochen, dass Sie im letzten Jahr in Paris eine beträchtliche Sammlung geschaffen haben. Der Name Peggy Guggenheim ist in jedem Atelier bekannt.«

»Ich weiß. Wenn mir vor ein paar Jahren jemand gesagt hätte, dass ich eines Tages jeden Cent für Kunst ausgeben würde, hätte ich ihm ins Gesicht gelacht. Aber nachdem ich einmal angefangen hatte, konnte ich nicht mehr aufhören.« Sie lachte, belustigt über sich selbst. »Es ist wie eine Sucht. Wenn ich ein Bild oder eine Skulptur sehe, die mir gefällt, muss ich sie einfach haben. Auch wenn das in Zeiten wie diesen alles noch schwieriger macht. Ich versuche nämlich gerade, meine Ausreise nach New York zu organisieren, zusammen mit meinem Ex-Mann und unseren Kindern. Hier in Europa ist es einfach nicht mehr sicher – vor allem für eine Jüdin. Bisher hat mich mein amerikanischer Pass geschützt, aber ich habe das Gefühl, dass sich das jederzeit ändern kann.«

Auch Max wirkte nun besorgt. »Ich habe einen Sohn aus erster Ehe, Hans-Ulrich. Seine Mutter ist Jüdin. Zum Glück ist er schon vor ein paar Jahren nach New York ausgereist. Seitdem nennt er sich Jimmy.« Er lachte unsicher, als müsse er sich daran erst noch gewöhnen.

Peggy fiel in sein Lachen ein. »So wird er dort drüben jedenfalls besser klarkommen.« Sie sah Max eindringlich an. »Aber was ist mit Ihnen? Varian Fry hat mir erzählt, dass Sie auch nach New York wollen.«

Max zuckte mit den Schultern. »Ja, wie alle anderen auch. Fry und das Rettungskomitee tun alles, um mir die nötigen Papiere zu besorgen. Solange sitze ich hier in Air-Bel fest wie in einem Wartesaal. Aber wenigstens bin ich einigermaßen sicher. Wenn es nur nicht so langwierig und kostspielig wäre.«

Peggy nickte. Der Gedanke, Max Ernst in New York wiederzusehen, war ihr überraschend angenehm. Sie musterte ihn verstohlen. Seine blauen Augen in dem markanten Gesicht schienen seine Umgebung bis ins kleinste Detail wahrzunehmen. Wenn sich ihre Blicke trafen, kam es ihr vor, als könne er ihre geheimsten Gedanken lesen. Obwohl Max Ernst nur ein paar Jahre älter war als sie, hatte er schlohweißes Haar, mit dem jetzt der vom Meer kommende Wind spielte. Sein Körper war schlank, aber muskulös. Unvermittelt stand er auf.

»Jetzt sprechen wir über unsere missliche Lage und werden dabei immer trübsinniger. Es wird höchste Zeit, dass wir zu den wichtigen Dingen kommen.« Er streckte die Hand nach ihr aus und lächelte. »Kommen Sie, ich habe schon ein paar Bilder zusammengestellt. Sie lieben die Kunst, ich male. Es wäre doch gelacht, wenn wir da nicht irgendwie zusammenfänden …« Er sah sie an. Einen Augenblick zu lange, wie Peggy fand. Sie lachte. Er konnte ja nicht ahnen, dass sie sich zum ersten Mal seit Jahren in der Gegenwart eines Mannes nervös fühlte.

Ernst führte sie in einen anderen Teil des Gartens. Als sie eine Hecke umrundeten, blieb Peggy stehen. An einem niedrigen Baum hatte er mehrere Bilder aufgestellt. Einige hingen von den...

Erscheint lt. Verlag 18.8.2020
Reihe/Serie Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe
Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 40er Jahre • Abstrakte Kunst • Anne Girard • Caroline Bernard • Die Diva • Die Malerin • Frida Kahlo • Gloria Goldreich • Kunst und Liebe • Lena Johannson • Madame Piaf • Madame Picasso • Mademoiselle Coco • Manhattan • Marcel Duchamps • Mary Basson • Max Ernst • Michelle Marly • Moderne Kunst • Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe • New York • Peggy Guggenheim • Picasso • Pollock • Surrealismus
ISBN-10 3-8412-2584-5 / 3841225845
ISBN-13 978-3-8412-2584-9 / 9783841225849
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