Die Krankenschwester von St. Pauli - Tage des Schicksals (eBook)

Roman

(Autor)

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2020 | 1. Auflage
496 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-99548-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Krankenschwester von St. Pauli - Tage des Schicksals -  Rebecca Maly
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Eine Krankenschwester muss sich in der Hamburger Familiensaga behaupten: historischer Roman mit starken Frauen?  Eine junge Krankenschwester muss sich in der Cholera-Epidemie beweisen und kämpft um die Liebe ihres Lebens. Für Leserinnen von »Die Ärztin« und »Die Charité«.?  1885 - Svantje Claasen ist dreizehn Jahre alt, als ein Hochwasser den elterlichen Hof im Alten Land zerstört und die Familie gezwungen ist, nach Hamburg zu ziehen. Im lauten und überfüllten Gängeviertel der Stadt lernt Svantje schnell, sich durchzukämpfen. Doch das Elend lässt sie nicht los, und so beschließt die junge Frau, Krankenschwester zu werden, um den Menschen das Leben in den armen Vierteln erträglicher zu machen. Als sie sich schließlich in den weltoffenen Tuchhändler Friedrich Falkenberg verliebt, muss Svantje gegen gesellschaftliche Konventionen und für eine gemeinsame Zukunft kämpfen. Dann bricht 1892 eine verheerende Choleraepidemie in Hamburg aus, und die junge Krankenschwester kann sich endlich beweisen ... Autorin Rebecca Maly wurde mit dem Delia-Preis ausgezeichnet. »Die Krankenschwester von St. Pauli - Tage des Schicksals« ist der erste Teil einer Trilogie, in der Svantje Claasen als starke Frau die Emanzipation greifbar macht. Die Liebesgeschichte bietet alles, was das Herz begehrt: große Gefühle, historisches Setting und eine Krankenschwester, die für das kämpft, was ihr wichtig ist.?  Historische Roman-Reihe in realistischem Krankenhaus-Setting?  Von der Cholera zur Arbeiterbewegung, von verhinderten Hochzeiten und erzwungenen Berufen: Rebecca Maly bereichert die Liebesgeschichte in »Die Krankenschwester von St. Pauli - Tage des Schicksals« mit einem gut recherchierten historischen Hintergrund, der die zeitgenössischen Probleme der Protagonisten greifbar macht. Und dass, ohne die Spannung auch nur eine Minute aus den Augen zu lassen.? 

Rebecca Maly, geboren 1978, arbeitete als Archäologin, sowie in Köln und Los Angeles beim Film, bevor sie sich ganz der Schriftstellerei widmete. Gespräche mit indianischen Freunden und ausgedehnte Reisen im Westen der USA inspirierten sie zu diesem Roman. Unter ihrem realen Namen Rebekka Pax veröffentlichte sie bereits erfolgreich mehrere Romane und wurde 2017 für »Die Schwestern vom Eisfluss« mit dem Delia-Preis ausgezeichnet.

Rebecca Maly, geboren 1978, arbeitete als Archäologin, sowie in Köln und Los Angeles beim Film, bevor sie sich ganz der Schriftstellerei widmete. Gespräche mit indianischen Freunden und ausgedehnte Reisen im Westen der USA inspirierten sie zu diesem Roman. Unter ihrem realen Namen Rebekka Pax veröffentlichte sie bereits erfolgreich mehrere Romane.

1


Altes Land, 1885


Svantje zerrte mit aller Kraft an den Stricken, doch die beiden Ziegenböcke blieben stur. Erst als Mutter drohend den Stock hob, warfen sie sich wieder ins Geschirr und zogen den hoch beladenen Karren vorwärts.

»Du darfst nicht so zögerlich sein!«, mahnte die Mutter und drückte dem Mädchen die Weidenrute in die Hand. »In der Stadt kommst du so auch nicht weiter.«

»Ja, Mutter«, erwiderte Svantje folgsam und wischte sich den Schweiß von der Stirn und die Tränen aus den Augen. Sie hasste es, Tiere zu schlagen. Kein Wesen verdiente es, schlecht behandelt zu werden! Die Rute hätte sie am liebsten fortgeworfen, doch ihre Mutter würde das nicht dulden. Die Ziegen kannten die Peitsche und waren nun, da Svantje sie in der Hand hielt, viel folgsamer. »Wir müssen alle schuften, also los, ihr zwee«, ermunterte sie die Böcke.

Sie hatten nur kurz Rast gemacht, um den Tieren und sich in der größten Mittagshitze eine Pause zu gönnen. Svantje hatte schon jetzt das Gefühl, keinen Schritt mehr tun zu können. Die hölzerne Trage auf ihrem Rücken schien von Stunde zu Stunde schwerer zu werden, und die kaum gepolsterten Riemen schnitten ihr in die Schultern. Klagen wollte sie dennoch nicht.

Mutter trug noch viel mehr Last und zog einen Karren hinter sich her, dazu hatte sie sich den kleinen Piet umgebunden, der ständig quengelte und weinte. Mit seinen drei Monaten verstand er nicht, warum er nicht in seiner Krippe schlafen durfte. Doch die war mit so vielen anderen Dingen in ihrem alten Haus zurückgeblieben.

Wann immer Svantje an den Ort dachte, an dem sie jeden Tag ihres dreizehn Jahre alten Lebens verbracht hatte, begannen ihre Augen zu brennen. Vermutlich würde sie den Hof nie wiedersehen. Nach dem letzten Elbhochwasser, dem dritten in wenigen Jahren, war er endgültig nicht mehr zu retten gewesen. Die Wände aus Fachwerk hatten dem erneuten Ansturm nicht standgehalten und waren einfach davongespült worden, genauso wie der Pflug. Das Ständerwerk schimmelte im abgelagerten Schlamm, das Vieh war ertrunken.

»Wir müssen fort«, hatte Mutter beschlossen. »Gott will es so.« Vater war schon vor einigen Jahren nach Hamburg gegangen, um außerhalb der Aussaat und Erntezeiten auf einer Schiffswerft zu arbeiten. Nun würden sie ihm folgen. Das Land war für einen kümmerlichen Preis verkauft worden. Der Erlös reichte gerade aus, um die Schulden bei der Bank zu tilgen.

Freude auf den Vater wollte sich bei Svantje nicht so recht einstellen. Er war schon lange zu einem Fremden geworden, der alle paar Monate blass und hager zu ihnen kam, sich beinahe zu Tode ackerte und dann wieder verschwand. Er machte es Svantje nicht leicht, ihn zu lieben, aber sie tat es doch, still und leise, tief in sich vergraben. Sie wusste, dass er all die Mühen auf sich nahm, damit seine kleine Familie ein besseres Auskommen hatte. Er schuftete für Mutter, für sie und für den kleinen Piet.

Von nun an würden sie wieder zusammenleben. Bald, in der großen Stadt, die sie noch nie mit eigenen Augen gesehen hatte. »Tor zur Welt« hatte Vater sie genannt, weil jeden Tag und jede Stunde Schiffe aus allen Himmelsrichtungen eintrafen.

»Wie lange dauert es noch, bis wir da sind, Mutter?«

»Zwei Tage noch, vielleicht drei, und jetzt frag nicht mehr. Bitte den Herrgott lieber darum, dass wir für hüüt Nach eine Bleibe finden, denn dort kommt ein Unwetter heran.«

Sie wies nach Westen, wo sich dunkle Wolkentürme über den Horizont schoben. Drückend feucht war es geworden, aber noch immer heiß. In den trockenen Wiesen sangen die Grillen, und die Luftfeuchtigkeit lockte allerlei Plagegeister hervor. In Scharen fielen dicke Bremsen über Ziegen und Menschen her.

Das Vorankommen wurde immer mühsamer. Svantje meinte, kaum noch einen Schritt tun zu können, trotzdem kämpften sie sich immer weiter voran. Hin und wieder wurden sie von anderen Reisenden überholt. Von einem Händler mit einem dicht bepackten Leiterwagen, der sie schimpfend vom Weg trieb; von einem Zimmermann auf Wanderschaft, der seinen Hut lupfte und mit seinen langen Beinen an ihnen vorbeieilte, als spüre er die drückende Hitze nicht.

Mutter Claasens Wunsch, einen Hof zu finden, der ihnen Unterschlupf bot, wurde nicht erhört. Schon eine Weile verfolgte sie das aufziehende Unwetter mit tiefem Grollen und schweren Böen.

Piet zuckte bei jedem Donnerschlag zusammen und wimmerte.

»Gnade Gottes«, hörte Svantje ihre Mutter leise sagen, dann folgte ein Gebet.

Sie waren auf offenem Feld. Bis auf einige Büsche, einen Baum hier und da und den Graben neben dem Weg gab es keinen Schutz. Stur zerrte Svantje die Ziegen weiter vorwärts, kniff die Augen zusammen und spähte über das windgepeitschte Land. Sie mussten Schutz finden. Während Mutter um jeden Schritt rang, als würde sie angesichts eines weiteren Unwetters, das ihr Leben bedrohte, den Mut verlieren, erwachte Svantjes Dickkopf. Das letzte Unwetter hatte mit seinen Fluten den Hof zerstört. Dieses würde nicht auch noch ihr letztes bisschen Besitz bekommen. Svantje wusste selbst nicht, woher die Kraft kam, mit der sie den Karren nun weiterschob, um die Zugtiere zu entlasten. »Maak to, Mutter, maak to!«

Ihre Blicke begegneten sich. »Vielleicht sollten wir uns hier neben den Weg kauern, Svantje. Wo der Graben etwas tiefer ist …«

»Aber der läuft ganz schnell voll Wasser, wir müssen weiter!«

War der dunkle Schemen, der dort unter knorrigen Eichen kauerte, nicht ein Schuppen? Svantjes Herz tat einen Satz. Ja! Sie würden es schaffen, wenn sie sich nur beeilten. Schon konnte sie den herannahenden Regen hören, als stürze ein Wasserfall vom Himmel. Keine hundert Meter von ihnen begann die Wiese bläulich zu flirren. Ein dünner Lichtfaden stieg auf. Dann wurde alles gleißend hell, der Knall war ohrenbetäubend. Nach dem Blitzschlag war Svantje wie taub, und ein unheimliches Kribbeln lag auf ihrer Haut.

Ihre Mutter kauerte auf dem Boden, die Arme schützend um Piet gelegt. »Mutter!«, schrie Svantje.

Doch sie sah nicht auf. Wahrscheinlich hatte der Lärm des Einschlags auch sie taub gemacht. Außerdem hatte sie große Angst vor Gewittern, mehr noch als Svantje. Und zu Recht, denn beim nächsten Einschlag würden sie vielleicht nicht mehr verschont bleiben.

Svantje fasste sie am Arm und zog sie auf die Beine. »Komm!«, schrie sie. So war sie noch nie mit Mutter umgegangen, aber nun musste sie für sie beide mutig sein.

»Schau, dort ist eine Scheune, wir schaffen es!« Svantje versuchte zu ignorieren, dass sie genau dort entlangmussten, wo der Blitz eingeschlagen war und das Gras schwarz verkohlt hatte. Die Ziegen waren vor Angst wie erstarrt, legten sich nun aber wieder ins Geschirr.

Sie verließen den Pfad. Auf der Wiese sanken die Räder des Karrens tief ein. Auch Stockschläge änderten nichts, die Ziegen schafften es nicht.

»Ich lasse den Wagen nicht zurück«, schrie ihre Mutter gegen das Tosen an. Die ersten dicken Regentropfen schlugen eisig gegen ihre erhitzten Wangen. Piet brüllte nun mit aller Vehemenz.

»Lauf vor, Mutter, ich schaffe das schon!« Svantje warf sich mit ihrem ganzen Gewicht gegen das Ende des Karrens, während ihre Mutter die Böcke vorwärtszerrte und auch nicht mit Schlägen sparte.

Der Karren verhakte sich im Grund, dann plötzlich kam er frei. Mit schwankender Ladung rumpelte er vorwärts durch hohes Gras und Disteln. Svantje war so sehr damit beschäftigt, nach Luft zu ringen und das Brennen und Zittern in ihren Beinen zu ignorieren, dass sie gar nicht merkte, wie sie den Schuppen erreichten.

»Geschafft«, keuchte die Mutter. Svantje sank auf die Knie.

Die Ziegen standen breitbeinig und mit aufgerissenen Mäulern da, die Augen rot unterlaufen.

Der Sturm rüttelte an den dünnen Bretterwänden und fegte die Äste der Sanddorn- und Schlehenbüsche umher, die rings um den Verschlag wucherten. Im Inneren roch es nach faulem Heu, das allenfalls noch für Rinder taugte.

Mutter nahm Svantje in den Arm. »Mien dapper Deern. Ohne dich würde ich vielleicht noch immer dort am Wegesrand kauern.«

Svantje sagte nichts.

Während die Mutter den kleinen Piet ablegte, kümmerte sich Svantje schweigend um die Ziegenböcke. Sie schirrte sie aus, pflockte sie an, sodass sie Gras und Heu fressen konnten, und rieb etwas Fett auf die aufgescheuerten Stellen, wo das Zuggeschirr nässende Wunden verursacht hatte. Es war ein geringer Trost, dass die Tiere an ihrem Ziel ohnehin an einen Schlachter verkauft würden.

Als Svantje sich schließlich neben ihrer Mutter ins Heu setzte, tobte das Unwetter über ihnen. Es war so laut, dass eine Unterhaltung zwecklos war. Die Knie angezogen, stützte Svantje den Kopf auf und sah hinaus. Der Himmel war blauschwarz und schwer wie Blei. Äste und Laub trieben vorbei, das Getreide auf dem nahen Feld wurde flach gedrückt, und immerzu zuckten Blitze.

Piet hatte sich heiser geschrien und war nun in einen tiefen Erschöpfungsschlaf gefallen. Svantje nahm eine seiner kleinen geballten Fäuste in die Hand und streichelte sie vorsichtig. »Armer, armer kleiner Piet, ich verspreche dir, ich werde immer auf dich aufpassen.«

»Ach, Svantje«, seufzte ihre Mutter, »gib keine Versprechen, die du nicht halten kannst.« Sie tauschten einen Blick. Wetterleuchten flackerte über ihre Gesichter. Mutters sah schmal aus und unendlich müde. Dennoch rang sie sich ein Lächeln ab, musterte ihren kränklichen Sohn und sah dann wieder auf. Die Hoffnung war aus ihren Augen gewichen. Ob Gott beschlossen hatte, auch dieses Kind von ihr zu nehmen?

Svantje wurde die Kehle eng. Sie lehnte den Kopf an Mutters Schulter und strich über Piets kleines...

Erscheint lt. Verlag 4.5.2020
Reihe/Serie Die St. Pauli-Reihe
Die St. Pauli-Saga
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 19. Jahrhundert • Arbeiterbewegung • Cholera • Choleraepidemie • Emanzipation • Familiensaga • Große Gefühle • Hamburg • historisch • Historischer Roman • Krankenhaus • Krankenschwester • Liebe • Liebesgeschichte • Norddeutschland • Seuche • Starke Frauen
ISBN-10 3-492-99548-9 / 3492995489
ISBN-13 978-3-492-99548-1 / 9783492995481
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