Die Nacht des Zorns (eBook)

Kriminalroman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2020
512 Seiten
Blanvalet Taschenbuch Verlag
978-3-641-26930-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Nacht des Zorns - Fred Vargas
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Wen das »Wütende Heer« mit sich reißt, für den gibt es keine Hoffnung mehr ...
Es ist Hochsommer in Paris, als eine verängstigte alte Dame Kommissar Adamsberg um Hilfe bittet. Ihre Tochter Lina will in der Normandie das »Wütende Heer« gesehen haben. Vier Menschen seien in der Gewalt der geisterhaften Reiter gewesen - der Legende nach sind sie dem Tode geweiht. Und tatsächlich dauert es nicht lange, bis das erste Opfer des Wütenden Heeres stirbt. Adamsberg bricht sofort in Richtung Norden auf, denn er ist sich sicher: Jemand macht sich die mittelalterliche Sage zunutze, um ungestört zu morden. Und Adamsberg bleibt nicht mehr viel Zeit, denn das nächste Opfer wird gefunden ...
»Fred Vargas' Krimis sind etwas Besonderes - eigenwillig, mit geradezu genialem Plot und viel französischem Esprit!« Bestsellerautorin Sophie Bonnet
»Lässig, klug, anarchisch und manchmal ziemlich abgedreht - die Krimis von Fred Vargas sind sehr französisch und zum Niederknien gut.« Bestsellerautor Cay Rademacher
»Fred Vargas erschafft nicht nur Figuren, sondern echte Charaktere. Sie kennt die Abgründe, die Sehnsüchte und die Geheimnisse der Menschen - und Commissaire Adamsberg ist für mich einer der spannendsten Ermittler in der zeitgenössischen Literatur.« Bestsellerautor Alexander Oetker
Wenn Ihnen die Krimis um Kommissar Adamsberg gefallen, lesen Sie auch die Evangelisten-Reihe unserer Bestseller-Autorin Fred Vargas!

Fred Vargas, geboren 1957, ist ausgebildete Archäologin und hat Geschichte studiert. Sie ist heute die bedeutendste französische Kriminalautorin mit internationalem Renommee. 2004 erhielt sie für »Fliehe weit und schnell« den Deutschen Krimipreis, 2012 den Europäischen Krimipreis für ihr Gesamtwerk und 2016 den Deutschen Krimipreis in der Kategorie International für »Das barmherzige Fallbeil«.

1


Eine Spur kleiner Brotkrumen lief von der Küche zum Zimmer bis auf die sauberen Laken, in denen die alte Frau ruhte, tot und mit offenem Mund. Kommissar Adamsberg ging mit langsamen Schritten die Krümelspur entlang, schweigend betrachtete er die Bröckchen und fragte sich, welcher kleine Däumling oder in diesem Fall auch welcher Oger sie hier verstreut hatte. Die Wohnung bestand aus drei dunklen kleinen Zimmern im Erdgeschoss eines Hauses im 18. Pariser Arrondissement.

Im Schlafzimmer die alte Frau auf dem Bett. Im Esszimmer der Ehemann. Geduldig und ohne jede Gefühlsregung wartete er, allein auf seine Zeitung sah er begehrlich, sie lag auf der Seite mit den Kreuzworträtseln aufgeschlagen, doch er traute sich nicht weiterzuraten, solange die Bullen da waren. Seine kurze Geschichte hatte er schon erzählt: Er und seine Frau hatten sich in einer Versicherungsgesellschaft kennengelernt, sie war dort Sekretärin, er Buchhalter, im Überschwang hatten sie geheiratet, ohne zu ahnen, dass das neunundfünfzig Jahre dauern sollte. Und nun war die Frau in der Nacht gestorben. An Herzstillstand, wie der Kommissar des 18. Arrondissements am Telefon präzisiert hatte. Da er ans Bett gefesselt war, hatte er Adamsberg angerufen mit der Bitte, ihn zu vertreten. Tu mir den Gefallen, es kostet dich nicht mal eine Stunde, reine morgendliche Routine.

Noch einmal ging Adamsberg die Krümelspur entlang. Die Wohnung war in makellosem Zustand, die Sessel zierten Schonbezüge für den Kopf, alle Kunststoffoberflächen waren blankpoliert, die Fenster geputzt, der Abwasch erledigt. Er ging bis zum Brotkasten zurück, in dem noch ein halbes Baguette lag und, eingeschlagen in ein sauberes Geschirrtuch, ein großer Kanten, dessen Inneres ausgehöhlt war. Dann kam er zu dem Mann zurück und zog sich einen Stuhl zu dessen Sessel heran.

»Keine guten Nachrichten heute Morgen«, meinte der Alte und sah von seiner Zeitung auf. »Diese Hitze aber auch, da kocht einem das Gemüt. Hier im Erdgeschoss kann man die Kühle wenigstens halten. Darum lasse ich auch die Fensterläden zu. Und viel trinken muss man, sagen sie.«

»Sie haben nichts bemerkt?«

»Als ich mich hinlegte, war sie ganz normal. Ich sah nämlich immer noch mal nach ihr, weil sie herzkrank war. Erst heute Morgen habe ich bemerkt, dass sie gestorben ist.«

»In ihrem Bett sind Brotkrümel.«

»Ja, das mochte sie. Im Liegen noch was knabbern. Ein Stückchen Brot oder einen Zwieback vorm Einschlafen.«

»Ich könnte mir eher vorstellen, dass sie danach alle Krümel beseitigt hätte.«

»Aber sicher. Sie putzte von früh bis abends, als wenn das ihr Lebenszweck wäre. Am Anfang war es gar nicht so schlimm. Aber mit den Jahren wurde es geradezu eine Besessenheit. Sie hätte etwas schmutzig gemacht, nur um es sauber machen zu können. Das hätten Sie mal sehen müssen. Und gleichzeitig war sie dadurch auch beschäftigt, die Gute.«

»Aber das Brot? Hat sie gestern Abend nicht sauber gemacht?«

»Natürlich nicht, denn da hab ich es ihr ja gebracht. Sie war zu schwach, um aufzustehen. Klar hat sie mir befohlen, die Krümel wegzunehmen, aber mir ist das doch so was von egal. Sie hätte es am nächsten Tag ohnehin gemacht. Jeden Tag hat sie das Bettzeug ausgeschüttelt. Keine Ahnung, was das soll.«

»Sie haben ihr also Brot ans Bett gebracht und haben es dann in den Kasten zurückgelegt.«

»Nein, ich habe es in den Mülleimer geworfen. Es war viel zu hart, das Brot, sie konnte es schon nicht mehr essen. Ich habe ihr einen Zwieback gebracht.«

»Es liegt aber nicht im Mülleimer, es liegt im Brotkasten.«

»Ja, ich weiß.«

»Und die Krume ist rausgepult. Hat sie die ganze Krume gegessen?«

»Aber nicht doch, Kommissar. Warum sollte sie sich mit Brotkrume vollstopfen? Noch dazu von altbackenem Brot? Sie sind doch Kommissar, oder?«

»Ja. Jean-Baptiste Adamsberg, Brigade criminelle.«

»Und warum kommt nicht die für das Viertel zuständige Polizei?«

»Der Kommissar liegt mit einer Sommergrippe im Bett, und sein Stab ist unabkömmlich.«

»Alle die Grippe?«

»Nein, es gab eine Schlägerei heute Nacht. Zwei Tote und vier Verletzte. Wegen eines gestohlenen Motorrollers.«

»Scheiße. Ich sag’s ja, bei dieser Hitze kocht den Leuten das Gehirn. Also, ich bin Tuilot Julien, Finanzbuchhalter im Ruhestand der Versicherungsgesellschaft ALLB.«

»Ja, habe ich notiert.«

»Sie hat mir immer vorgeworfen, dass ich Tuilot heiße, ihr Mädchenname, Kosquer, sei viel schöner. Womit sie übrigens gar nicht so unrecht hatte. Dass Sie Kommissar sind, hab ich mir gedacht, so, wie Sie einen über Brotkrümel ausfragen. Der Kollege von hier ist nicht so.«

»Sie finden, dass ich mich zu lange bei den Krümeln aufhalte?«

»Nein, machen Sie ruhig, wie Sie wollen. Das ist für Ihren Bericht, irgendwas müssen Sie ja in den Bericht schreiben. Verstehe ich vollkommen, ich habe mein Leben lang nichts anderes gemacht bei der ALLB, Abrechnungen und Berichte. Wenn es noch ehrliche Berichte gewesen wären. Von wegen. Der Chef hatte seine Devise, er sagte immer: Eine Versicherung muss nicht zahlen, selbst wenn sie zahlen muss. Fünfzig Jahre Betrug in dieser Weise, das verkleistert einem ganz schön den Verstand. Ich sagte zu meiner Frau: Wenn du mal meinen Kopf waschen könntest statt der Gardinen, das wäre weiß Gott nützlicher.«

Tuilot Julien lachte, wie um seinen Geistesblitz zu unterstreichen.

»Ich verstehe ja nur diese Geschichte mit dem Brotkanten nicht.«

»Wer verstehen will, muss logisch vorgehen, Kommissar, logisch und schlau. Ich, Tuilot Julien, bin es, ich habe sechzehn Kreuzworträtselmeisterschaften in zweiunddreißig Jahren gewonnen. Im Schnitt alle zwei Jahre eine, allein mit meinem Grips. Logisch und schlau. Das bringt auf diesem Niveau sogar Geld ein. Das hier«, sagte er und wies auf die Zeitung, »ist Kinderkram. Allerdings muss man dabei häufig seine Bleistifte anspitzen, und das gibt Späne. Was ist sie mir auf den Geist gegangen mit diesen Spänen! Was stört Sie eigentlich an diesem Brot?«

»Es liegt nicht im Mülleimer, ich finde es gar nicht besonders alt, und ich begreife nicht, warum es keine Krume mehr hat.«

»Geheimnis des Hauses«, sagte Tuilot, und er schien amüsiert. »Ich habe nämlich zwei kleine Untermieter, Toni und Marie, ein richtiges kleines Paar, unheimlich nett, und sie lieben sich innig. Nur sind sie nicht nach dem Geschmack meiner Frau, das können Sie mir glauben. Über Tote soll man ja nichts Schlechtes sagen, aber sie hat alles versucht, sie mir umzubringen. Und ich hintertreibe nun seit drei Jahren alle ihre Listen! Logisch und schlau, das ist das Geheimnis. Nicht du, meine arme Lucette, sagte ich zu ihr, wirst einen Kreuzworträtsel-Champion austricksen. Ich und diese beiden, wir sind ein Trio, sie wissen, dass sie auf mich zählen können, und ich auf sie. Allabendlich ein kleiner Besuch. Da sie schlau sind und sehr feinfühlig, kommen sie nie, bevor Lucette im Bett ist. Sie wissen ja, dass ich auf sie warte. Toni kommt immer als Erster, er ist der Größere, Kräftigere.«

»Und die haben also die Krume gefressen? Während das Brot im Mülleimer lag?«

»Sie sind ganz verrückt danach.«

Adamsberg warf einen Blick auf die Kreuzworträtsel, die ihm durchaus nicht so einfach erschienen, dann schob er die Zeitung von sich.

»Und wer sind ›sie‹, Monsieur Tuilot?«

»Ich spreche nicht gern darüber, die Leute verurteilen so was. Sie sind borniert, die Leute.«

»Tiere? Hunde, Katzen?«

»Ratten. Toni ist brauner als Marie. Und sie lieben sich so sehr, dass sie oft mitten im Fressen innehalten, um einander mit ihren Pfoten den Kopf zu kraulen. Wenn die Leute nicht so vernagelt wären, würden sie so ein Schauspiel bemerken. Marie ist die Lebhaftere. Nach ihrer Mahlzeit klettert sie auf meine Schulter und krallt sich in meine Haare. Sie kämmt mich sozusagen. Es ist ihre Art, sich zu bedanken. Oder mich zu lieben? Wer kann das sagen? Jedenfalls ist es irgendwie tröstlich. Und dann, nachdem wir uns eine Menge netter Dinge gesagt haben, trennen wir uns bis zum nächsten Abend. Durch das Loch hinter dem Fallrohr gelangen sie wieder in den Keller. Einmal hat Lucette alles zuzementiert. Arme Lucette, sie hat keine Ahnung, wie man Zement anmischt.«

»Ich verstehe«, sagte Adamsberg.

Der Alte erinnerte ihn an Félix, der achthundertachtzig Kilometer von hier Weinstöcke beschnitt. Er hatte eine Ringelnatter mit Milch gezähmt. Eines Tages hatte ein Kerl seine Ringelnatter getötet. Daraufhin tötete Félix den Kerl. Adamsberg ging zum Schlafzimmer zurück, wo Lieutenant Justin bei der Toten wachte, bis der behandelnde Arzt käme.

»Sieh mal in ihren Mund«, sagte er. »Sieh nach, ob du weißliche Überreste findest, wie Brotkrume.«

»Ich habe keine große Lust, das zu tun.«

»Tu’s trotzdem. Ich denke, dass der Alte sie erstickt hat, indem er sie mit Brotkrume vollstopfte. Danach hat er die Krume wieder rausgeholt und sie irgendwohin geschmissen.«

»Die Krume, die in dem Kanten war?«

»Ja.«

Adamsberg öffnete das Fenster und stieß die Läden auf. Prüfend sah er in den kleinen, mit Vogelfedern übersäten Hof hinaus, der zur Hälfte als Gerümpelablage diente. In seiner Mitte bedeckte ein Rost den Wasserabfluss, er war nass, obwohl es nicht geregnet hatte.

»Geh dann mal raus und nimm den Rost ab. Ich vermute, er hat die Krume da reingeschmissen und einen Eimer Wasser drübergekippt.«

»Schwachsinn«, murmelte Justin,...

Erscheint lt. Verlag 21.12.2020
Reihe/Serie Kommissar Adamsberg ermittelt
Kommissar Adamsberg ermittelt
Übersetzer Waltraud Schwarze
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel L'Armée furieuse
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
Schlagworte Adamsberg • Das barmherzige Fallbeil • Der Zorn der Einsiedlerin • eBooks • Europäischer Krimipreis • Frankreich • Kommissar • Krimi • Kriminalromane • Krimis • KrimiZeit Bestenliste • Mittelalter • Mordserie • Mythos • Normandie • Paris • SPIEGEL-Bestseller
ISBN-10 3-641-26930-X / 364126930X
ISBN-13 978-3-641-26930-2 / 9783641269302
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