Andromeda (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2021
320 Seiten
Heyne Verlag
978-3-641-26512-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Andromeda - Michael Crichton
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Eine unbemannte Raumsonde des US-Militärs entdeckt einen außerirdischen Organismus in der oberen Atmosphäre und nimmt eine Probe. Doch bei der Rückkehr zur Erde geschieht das Unfassbare: Die Sonde stürzt in der Nähe der Stadt Piedmont in Arizona ab. Kurze Zeit später sind alle Bewohner der Kleinstadt tot. Die Regierung aktiviert das Project Wildfire und ruft die vier besten Biophysiker in einem unterirdischen Labor zusammen. Sie haben nur wenig Zeit, ein Mittel gegen den extraterrestrischen Organismus zu finden, denn der hermetisch abgeriegelte Bunker wird sich selbst zerstören, wenn die Wissenschaftler versagen ...

Michael Crichton wurde 1942 in Chicago geboren und studierte in Harvard Medizin; seine Romane, übersetzt in mehr als 36 Sprachen, verkauften sich über 200 Millionen Mal, dreizehn davon wurden verfilmt. Zu seinen bekanntesten Büchern zählen »Next«, »Timeline« und »Jurassic Park«. Crichton ist bis heute der einzige Künstler, der es schaffte, mit Film, Fernsehserie und Roman gleichzeitig die ersten Plätze der Charts zu belegen. Im November 2008 starb Michael Crichton im Alter von 66 Jahren.

Tag eins
KONTAKT


1. Land der verlorenen Grenzen


Ein Mann stand mit seinem Feldstecher am Straßenrand, auf einem Hügel über einem kleinen Ort in Arizona. So begann alles – an einem kalten Winterabend.

Lieutenant Roger Shawn hatte sicher Schwierigkeiten mit seinem Feldstecher. Das Metall muss kalt gewesen sein, und sein pelzgefütterter Anorak und die dicken Handschuhe behinderten ihn zusätzlich. Außerdem beschlugen die Linsen von seinem Atem, der im Mondschein dampfte. Er war gezwungen, das Glas immer wieder mit einem Handschuhfinger abzuwischen.

Er kann nicht gewusst haben, wie sinnlos sein Tun war. Kein Feldstecher der Welt konnte in diesen kleinen Ort hineinsehen und seine Geheimnisse lüften. Lieutenant Shawn wäre verblüfft gewesen zu hören, dass die Männer, denen das schließlich gelang, dazu Instrumente benutzten, die millionenfach stärker waren als ein Feldstecher.

Wenn man sich vorstellt, wie Shawn seine Arme auf einen Felsblock stützte und das Glas an die Augen presste, dann geht von diesem Bild etwas Trauriges aus, etwas Lächerliches, Menschlich-Allzumenschliches. Der Umgang mit dem Feldstecher war zwar schwierig, doch fühlte der Lieutenant ihn in seinen Händen wohl als etwas Beruhigendes und Vertrautes. Es sollte eine seiner letzten vertrauten Empfindungen vor dem Tode sein.

Wir können nur raten und versuchen zu rekonstruieren, was von diesem Augenblick an geschah.

Lieutenant Shawn suchte den Ort langsam und gründlich ab. Er sah, dass er nicht groß war und nur aus einem halben Dutzend hölzerner Gebäude bestand, aufgereiht an der einzigen Straße. Alles war sehr ruhig – kein Licht, keine Bewegung; auch der schwache Wind trug keinen Laut an sein Ohr.

Seine Aufmerksamkeit verlagerte sich von dem Ort auf die Hügel ringsum. Sie waren niedrig, staubbedeckt und kahl. Da und dort wuchsen ein paar karge Büsche, hin und wieder ragte eine einzelne, welke, schneeverkrustete Yuccapalme auf. Dahinter lagen weitere Hügel, dann kam die endlose Weite der flachen, wegelosen Mojave-Wüste. Die Indianer nannten die Wüste das Land der verlorenen Grenzen.

Lieutenant Shawn fröstelte im kalten Wind. Der Februar ist hier der kälteste Monat, und es war schon nach zehn Uhr abends. Er ging die Straße entlang, zurück zu dem Ford Econovan mit der großen rotierenden Antenne auf dem Dach. Das leise Brummen des Motors im Leerlauf war das einzige Geräusch, das er hörte. Shawn öffnete die Tür an der Rückseite des Wagens, kletterte hinein und schloss sie wieder hinter sich.

Er wurde in das tiefrote Licht der Nachtbeleuchtung getaucht, die dafür sorgen sollte, dass er nicht geblendet wurde, wenn er ins Freie trat. Die Reihen der Instrumente und elektronischen Geräte schimmerten grünlich.

Der Soldat Lewis Crane, sein Elektroniktechniker, saß, ebenfalls in einen Anorak gehüllt, über eine Landkarte gebeugt. Er stellte Berechnungen an und las dabei gelegentlich die Skalen der Geräte vor ihm ab.

Shawn fragte Crane, ob er auch ganz sicher sei, dass sie den richtigen Ort vor sich hätten. Crane nickte. Die beiden Männer waren müde. Sie hatten auf ihrer Suche nach dem neuesten Scoop-Satelliten eine lange Fahrt von Vandenberg hierher hinter sich und waren den ganzen Tag unterwegs gewesen. Über die Scoop-Satelliten wussten sie beide nicht viel, nur dass es sich um geheime Raumsonden handelte, die zur Erforschung der obersten Schichten der Atmosphäre dienten und dann zur Erde zurückkehren sollten. Shawn und Crane hatten die Aufgabe, die Kapseln nach ihrer Landung zu bergen.

Zur Erleichterung der Bergung waren die Raumkapseln mit elektronisch gesteuerten Funkgeräten ausgerüstet, die automatisch Signale sendeten, sobald eine Höhe von acht Kilometern unterschritten wurde.

Das war auch der Grund, weshalb der Wagen mit den neuesten Funkortungsgeräten ausgerüstet und imstande war, eigene trigonometrische Messungen auszuführen. Im Jargon der Armee nannte man das »Einfahrzeug-Triangulation«. Dieses Verfahren war sehr zuverlässig, wenn auch zeitraubend, und im Grunde genommen ganz einfach: Der Wagen hielt an, bestimmte seinen Standort und verzeichnete Stärke sowie Richtung des vom Satelliten ausgestrahlten Funksignals. War das erledigt, fuhr man zwanzig Meilen weit in die Richtung, aus der das Signal kam. Dann hielt man abermals an, und die neuen Koordinaten wurden bestimmt. Auf diese Weise konnte auf der Karte eine ganze Serie trigonometrischer Messungen eingetragen werden: Das Fahrzeug näherte sich in Zwanzig-Meilen-Schritten im Zickzack dem gelandeten Satelliten, wobei jedes Mal Fehler in der Richtungsbestimmung korrigiert werden konnten. Das erforderte zwar mehr Zeit als der Einsatz zweier Spezialfahrzeuge, war aber gleichzeitig weniger auffällig: Nach Ansicht der Army konnten zwei Militärfahrzeuge in derselben Gegend leicht Neugier erregen.

Seit sechs Stunden schob sich der Wagen auf diese Weise an den Satelliten heran. Jetzt hatten sie ihn beinahe erreicht.

Crane stieß nervös die Bleistiftspitze auf einen bestimmten Punkt der Karte und nannte den Namen des Ortes am Fuß des Hügels: Piedmont in Arizona. Einwohnerzahl: achtundvierzig. Darüber mussten sie beide lachen, obgleich sie sich insgeheim Sorgen machten. Nach Angaben des Versuchsgeländes Vandenberg lag der voraussichtliche Landepunkt des Satelliten zwölf Meilen nördlich von Piedmont. Diesen Punkt hatte Vandenberg anhand von Radarbeobachtungen und 1410 Bahnkurvenprojektionen der Computer errechnet; solche Berechnungen konnten normalerweise Abweichungen von höchstens ein paar Hundert Meter enthalten.

Doch die Angaben der Funkortung waren über jeden Zweifel erhaben. Danach lag der Ausgangspunkt des Richtsignals genau mitten im Ort. Shawn konnte sich das nur so erklären, dass jemand aus dem Ort das Niedergehen des Satelliten – der vor Reibungshitze geglüht haben musste – beobachtet, ihn geborgen und nach Piedmont gebracht hatte.

Das war die logische Erklärung; nur etwas daran stimmte nicht: Wenn ein Einwohner von Piedmont einen amerikanischen Satelliten gefunden hatte, der frisch aus dem Weltraum kam, so hätte er das bestimmt gemeldet: der Presse, der Polizei, der NASA, der Armee – irgendjemandem.

Aber sie hatten nichts davon erfahren.

Shawn kletterte wieder aus dem Wagen. Crane folgte ihm. Beide zitterten vor Kälte. Gemeinsam blickten die beiden Männer hinüber zu der Siedlung.

Sie lag friedlich, aber vollkommen dunkel da. Shawn bemerkte, dass sowohl die Tankstelle als auch das Hotel alle Lichter gelöscht hatten. Viele Meilen im Umkreis gab es keine andere Tankstelle und kein anderes Hotel.

Und dann fielen Shawn die Vögel auf.

Im Schein des Vollmonds sah er sie ganz deutlich: große Vögel, die sich langsam in weiten Kreisen auf die Häuser senkten und wie schwarze Schatten am Mond vorbeistrichen. Er fragte sich, warum er sie nicht gleich bemerkt hatte.

Auf seine Frage erwiderte Crane, er könne sich das auch nicht erklären. Halb im Scherz fügte er hinzu: »Vielleicht sind es Geier.«

»Genauso sehen sie auch aus«, sagte Shawn.

Crane lachte nervös. Sein Atem stand als weiße Wolke in der kalten Nacht. »Aber was hätten Geier hier zu suchen? Die kommen doch nur dahin, wo sie Aas finden.«

Shawn zündete sich eine Zigarette an. Dabei schirmte er die Flamme des Feuerzeugs mit beiden Händen gegen den Wind ab. Er sagte nichts, sondern betrachtete nur stumm die Häuser, die Umrisse des kleinen Ortes. Dann suchte er Piedmont noch einmal mit dem Feldstecher ab, sah aber keinerlei Anzeichen von Leben oder Bewegung.

Schließlich ließ er das Glas sinken und warf den Zigarettenstummel in den Schnee. Leise verlosch die Glut.

Er drehte sich zu Crane um und sagte: »Dann fahren wir mal hin und sehen uns die Sache aus der Nähe an.«

2. Vandenberg


Dreihundert Meilen entfernt saß Lieutenant Edgar Comroe in dem großen, quadratischen, fensterlosen Raum, der als Kontrollzentrum für Projekt Scoop diente. Er hatte die Füße auf die Tischkante gelegt und vor sich einen Stapel Artikel von wissenschaftlichen Fachzeitschriften liegen. Comroe war in dieser Nacht Offizier vom Dienst, eine Aufgabe, die ihm einmal monatlich zufiel und die darin bestand, die Arbeit des zwölfköpfigen Stammpersonals zu leiten. In dieser Nacht verfolgten die Männer den Weg und die Meldungen des Fahrzeugs, das den Decknamen »Caper 1« trug und irgendwo durch die Wüste von Arizona gondelte.

Comroe mochte diese Aufgabe nicht. Der Raum war grau gestrichen und von Leuchtstoffröhren erhellt. Eine karge, nützlichkeitsbetonte Anmutung, die Comroe nicht gefiel. Sonst kam er nur bei einem Start ins Kontrollzentrum. Dann war die Atmosphäre hier ganz anders: der Raum voll besetzt mit geschäftigen Technikern, von denen jeder eine einzige komplexe Aufgabe zu leisten hatte, jeder erfüllt von der eigenartigen Anspannung, die dem Start eines Raumfahrzeugs stets vorangeht.

Die Nächte hingegen waren langweilig. Nachts ereignete sich nie etwas. Comroe nutzte den Leerlauf dazu, die nötige Lektüre nachzuholen. Von Beruf war er Herzgefäßspezialist und Fachmann für die bei hohen Beschleunigungen auftretenden Belastungen.

An diesem Abend studierte Comroe gerade einen Aufsatz mit der Überschrift »Stöchiometrie der Kapazität der Sauerstoffzufuhr und des Diffusionsgefälles bei gesteigertem arteriellem Gasdruck«. Der Artikel war schwer lesbar und nur mäßig interessant. Er ließ sich deshalb gern stören, als sich der Lautsprecher meldete, über den die Stimmen von Shawn und Crane im Bergungswagen übertragen...

Erscheint lt. Verlag 13.4.2021
Übersetzer Norbert Wölfl
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel The Andromeda Strain
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
Schlagworte action • Andromeda-Virus • eBooks • globale Katastrophe • Nahe Zukunft • Pandemie • Science-Thriller • The Andromeda Strain • Thriller • Wissenschaftsthriller
ISBN-10 3-641-26512-6 / 3641265126
ISBN-13 978-3-641-26512-0 / 9783641265120
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