Behemoth (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021
576 Seiten
Heyne Verlag
978-3-641-26501-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Behemoth - T.S. Orgel
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Die Erde ist in ferner Zukunft unbewohnbar geworden. Die einzige Hoffnung der Menschheit sind drei riesige Generationenschiffe, die sich ein kosmisches Rennen zum nächsten habitablen Planeten liefern. Im Laufe der langen Reise haben sich die Besatzungen immer weiter auseinander entwickelt. Als sie plötzlich auf ein Raumschiffwrack treffen, entbrennt ein Konflikt zwischen den drei Schiffen, denn wer die Ressourcen des Wracks kontrolliert, kann das Rennen zur neuen Erde gewinnen. Aber niemand ahnt, was es mit dem toten Schiff wirklich auf sich hat ...

Hinter dem Pseudonym T. S. Orgel stehen die beiden Brüder Tom und Stephan Orgel. In einem anderen Leben sind sie als Grafikdesigner und Werbetexter beziehungsweise Verlagskaufmann beschäftigt, doch wenn beide zur Feder greifen, geht es in fantastische Welten. Ihr erster gemeinsamer Roman »Orks vs. Zwerge« wurde mit dem Deutschen Phantastik Preis für das beste deutschsprachige Debüt ausgezeichnet. Seitdem haben sie mit »Die Blausteinkriege«, »Terra« und »Die Schattensammlerin« noch viele weitere Welten erkundet.

LEBEN UND TOD


Weltschiff Zheng He
2302

Eine Gesellschaft kann immer nur dann überleben, wenn Harmonie ihr vorherrschendes Element ist. Unsere Vorfahren haben sie mit einem Uhrwerk verglichen, einem Gebilde höchster Präzision, von Meistern gefertigt, um die Zeit in harmonische Segmente zu unterteilen. Jedes kleine Rädchen an seinem vorherbestimmten Platz. Nur wenn alle ihren Dienst erfüllen, ist der Erfolg garantiert. Eine winzige Störung, ein einziges Staubkorn ist in der Lage, die Harmonie nachhaltig zu zerstören.

Wir sind die Werkzeuge des Uhrmachers. Die stählernen Pinzetten, die Zangen, und wenn es sein muss, manchmal auch die Hämmer. Unsere Aufgabe ist es, den Schmutz zu entfernen, der sich im Laufe der Jahre unweigerlich ansammelt. Die Harmonie wiederherzustellen, damit das Uhrwerk weiterticken kann, so wie es das seit Tausenden von Jahren tut.

Wir nennen uns Tiger, und der Tiger entscheidet über Leben und Tod.

Mit ausgreifenden Schritten marschierte Laohu den breiten Gang hinunter, der den Huo-Sektor, den größten Wohnbereich auf der Zheng He, mit seinen Außenbezirken verband. Das grelle Licht der Deckenbeleuchtung ließ die kantigen Züge des Sicherheitsbeamten hervortreten und verstärkte den Eindruck grimmiger Entschlossenheit in seinem Gesicht. Die Passagiere machten eilig Platz, als sie seine hoch aufgeschossene Gestalt kommen sahen, denn sie wussten, dass man sich einem Tiger besser nicht entgegenstellte, wenn er sich auf der Jagd befand.

Kurze Zeit später stieß Chen aus einem Seitengang dazu. Der athletische junge Tiger war bereits in voller Kampfmontur. Nur sein rasierter Schädel ragte noch ungeschützt aus dem wulstigen Halsschutz hervor. Er reichte Laohu eine Schutzweste, die der sich, ohne langsamer zu werden, über den Kopf streifte. Eilig huschten die Naniten an ihre vorbestimmten Plätze, um sie festzuzurren. Prüfend zog Laohu an den Rändern und streckte die Hand nach der Waffe aus, die Chen ihm als Nächstes entgegenhielt. Mit sicheren Bewegungen überprüfte er ihre Funktion und lud durch. Der diensthabende Kommunikator machte sie über ihre Headsets mit der Lage vertraut und übergab ihnen die volle Einsatzkontrolle. Eilig tauchten die beiden Männer in das weitverzweigte Netz aus Verbindungstunneln ein, die den Grenzbereich zum Jin-Sektor markierten. Der grelle Schein der Leuchtdioden an den Decken wich einem diffusen Dämmerlicht, in dem die Unterschiede zwischen Tag und Nacht zunehmend verschwammen.

Wo der Huo-Sektor von sterilen, nach den Prinzipien des Feng Shui gestalteten Wohnbereichen dominiert wurde, herrschte im Jin-Sektor eine Enge und Hektik, die in Laohus Vorstellung nur mit den Zuständen auf dem Schiff der Gweilo vergleichbar waren. Die Bewohner gehörten zum Großteil den niederen Tierkreiszeichen an. Grobschlächtige Menschen mit breiten Schultern und harten Gesichtern, die von den Strapazen der Arbeiten in den Recyclingfabriken und an den Tag und Nacht brennenden Stahlöfen gezeichnet waren. Die meisten waren im Sternzeichen des Büffels geboren, aber auch zahlreiche Ratten und Schweine tummelten sich in den engen Gängen.

Für diese Menschen gab es nicht jeden Tag eine so spannende Abwechslung. Selbst die Aussicht auf einen negativen Kredit hielt sie nicht davon ab, ihre Arbeit zu unterbrechen, um einen Blick auf das Spektakel an der Sektorengrenze zu werfen. Sie standen so dicht gedrängt vor den Absperrungen, dass die Sicherheitsbeamten alle Hände voll zu tun hatten, die Ordnung aufrechtzuerhalten. Ein untersetzter Sicherheitsbeamter mit den typischen, rot unterlaufenen Augen der Büffel winkte Laohu und Chen eilig durch die Absperrungen und führte sie über einen Seitengang zu einer großen Schleusentür, vor der bereits ein gutes Dutzend schwer bewaffneter Gou in Stellung gegangen war.

Die Sicherheitsbeamten, im Volksmund auch »Hunde des Kriegs« genannt, waren in voller Antiaufstandsmontur erschienen und hatten sich mit schweren Tasern bewaffnet. Sie hatten einen Detonator am Öffnungsmechanismus der Schleusentür angebracht, die laut Angaben des diensthabenden Kommunikators von der anderen Seite blockiert worden war. Als die beiden Tiger eintrafen, sprang der grellrote Zähler auf null. Im nächsten Augenblick ertönte ein dumpfer Schlag.

Als die Schleusentür nach innen aufflog, sprangen die Gou auf und stürmten brüllend und mit hoch erhobenen Schilden los. Laohu wurde kaum langsamer, als er den Durchgang erreichte und den Sicherheitsbeamten in die Außenbezirke des Jin-Sektors folgte.

Baihu, das dienstälteste Mitglied ihrer Einheit, hatte irgendwann mal vermutet, dass die Bewohner der Außenbezirke in einem früheren Leben die Götter erzürnt haben mussten. Wenn man diese Menschen gesehen hatte, konnte man dem alten Tiger kaum widersprechen. In den Außenbezirken lebten diejenigen Passagiere, die aus dem strengen Ausleseprozess der Administration als Verlierer hervorgegangen waren. Sie wurden als Affenmenschen bezeichnet, da sich ihre Nützlichkeit auf dem Schiff aufgrund ihrer minderwertigen Gene meist nur in einfachen Handlangertätigkeiten erschöpfte: Lastenträger, Müllverwerter, Hilfsarbeiter.

Der überfallartige Einsatz der hochtrainierten Gou hatte den Abschaum völlig überrumpelt. Inmitten der Lichtblitze und des Lärms fanden sie keine Gelegenheit für eine geordnete Gegenwehr. Verdächtige Passagiere wurden blitzschnell separiert und verhaftet. Die übrigen Affenmenschen kauerten mit hoch erhobenen Händen an den Wänden der Gänge. Manche von ihnen zeterten und schrien zwar, doch nur die Dümmsten leisteten ernsthaften Widerstand. So wie der stiernackige Kerl, von dessen baumdicken Armen ein halbes Dutzend Sicherheitsbeamte herunterhingen wie Trauben, verzweifelt bemüht, ihn unter Kontrolle zu bringen. Erst die gebündelte Wirkung mehrerer Taser zwang ihn schließlich zu Boden, wo er zitternd und schnaubend fixiert werden konnte. »Verhalten Sie sich kooperativ«, überplärrte eine schwer verständliche Lautsprecherstimme das Geschrei und verstärkte die Panik und das heillose Durcheinander nur noch mehr. »Widerstand ist eine Straftat und wird mit – klick – Verhalten Sie sich kooperativ. Widerstand ist eine Straftat.«

»Verdammte Technik«, knurrte Laohu, während er den Scanner an den massigen Hals des gefällten Riesen legte, um dessen Personaldaten einzulesen. »Das wird von Tag zu Tag schlimmer.«

»Sie gehorchen ohnehin nur einem ordentlichen Taser«, sagte Chen. »Wir könnten eine Menge Kosten sparen, wenn wir die Lautsprecher abbauen und das Material recyceln – und noch mehr, wenn wir einfach die Außenschleusen öffnen und den gesamten Sektor desinfizieren.«

Laohu warf ihm einen Seitenblick zu und rollte mit den Augen. Nach einer kurzen Wartezeit knackte es in seinem Ohr, und die bedächtige Stimme des diensthabenden Kommunikators informierte ihn über Namen, Funktion, Sozialstatus und die wichtigsten Verfehlungen ihres Gefangenen.

Passagier Xutay war das traurige Ergebnis einer verunreinigten Brütungscharge gewesen. Entsprechend der Plansollvorgaben sollte der im Sternzeichen des Büffels geborene Mann ursprünglich in der Metallurgie eingesetzt werden. Da man die Fehlerhaftigkeit der Charge zu spät erkannt hatte, war eine Entsorgung aus rechtlichen Gründen nicht mehr möglich gewesen. Entsprechend der Richtlinien war Xutay deshalb nur neu evaluiert und einer weiteren Verwendung im Hilfssektor zugeführt worden. Seine bisherigen Arbeiten hatten sich auf unregelmäßige Einsätze als Lastenträger beschränkt. In den vergangenen Jahren war er aufgrund geringerer Sozialvergehen mehrfach zu Kreditentzug verurteilt worden. Laohu übermittelte einen kurzen Einsatzbericht an den Archivar und ließ den Mann abführen. Über sein weiteres Schicksal musste jetzt die Administration entscheiden. Angesichts seines massiven Widerstands gegen die Verhaftung würde er diesmal wohl kaum mit einem einfachen Kreditentzug davonkommen.

Mit erhobenen Schilden rückten die Sicherheitsbeamten weiter durch die schmalen Gänge vor. Nachdem der erste Widerstand gebrochen war, stießen sie nur noch selten auf Gegenwehr. Die klügeren Bewohner des Bezirks hatten es vorgezogen, sich still und leise in ihre Kabinen zurückzuziehen und so unauffällig wie möglich zu verhalten. Den Verbrechern unter ihnen half das allerdings nicht viel, denn die Implantate in ihren Nacken speicherten nicht nur jede Verfehlung, die sie sich irgendwann einmal in ihrem Leben hatten zuschulden kommen lassen, sondern waren auch darauf ausgelegt, sie an jedem beliebigen Punkt des Raumschiffs mühelos zu orten.

Reihe um Reihe rasselten die Zahlen über Laohus Display: Dieb, Betrüger, Lügner, unkooperatives Verhalten und zersetzendes Verhalten. Die meisten dieser Verfehlungen waren für ihn allerdings nicht von Interesse. Um solche Lappalien kümmerten sich die Gou. Für die Tiger zählten nur die ganz dicken Fische. Die Schwerverbrecher und Terroristen, die sich im Schutz der labyrinthartig aufgebauten Gänge vor dem Zugriff der Administration zu verbergen versuchten.

Die Hunde hatten gute Vorarbeit geleistet und ihren Weg weitgehend abgesichert. Ihr eigentliches Ziel war ein Kabinenkomplex nahe der Außenschotts. Ein wucherndes Barackengeschwür, das aus Sperrmüll und gestohlenen Recyclingmaterialien zusammengezimmert worden war und trotz regelmäßiger Säuberungsaktionen immer wieder nachwuchs. Für Laohu blieb unverständlich, wieso die Administration dieses Konglomerat am Leben ließ. Er hielt so ein Verhalten für äußerst nachlässig, und Nachlässigkeit war eine Eigenschaft, die er mit der Leitung des Schiffs bislang kaum einmal in...

Erscheint lt. Verlag 10.5.2021
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
Schlagworte Aliens • deutsche Science-Fiction • eBooks • Ferne Zukunft • first contact • Future History • Generationenschiff • Space Opera • Tom und Stephan Orgel
ISBN-10 3-641-26501-0 / 3641265010
ISBN-13 978-3-641-26501-4 / 9783641265014
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