Die Welt ohne Fenster (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2021
192 Seiten
Diana Verlag
978-3-641-26745-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Welt ohne Fenster - Barbara Newhall Follett, Jackie Morris
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Die junge Eepersip möchte nicht in einem Haus mit Türen, Fenstern und einem Dach leben. Ihr Herz verlangt nach dem Duft von Erde, nach dem Wind, der durch Baumkronen bläst, nach dem beständigen Summen und Brummen von Insekten. Sie läuft davon, um in der Wildnis zu leben - zuerst auf einer Waldwiese, dann am Meer, und schließlich in den Bergen. Ihre Eltern sind zutiefst betrübt. Sie folgen ihr, bringen sie zurück in die vermeintliche Sicherheit und sperren sie in der erdrückenden Stille des Hauses ein. Doch Eepersip lässt sich nicht aufhalten: Sie entkommt ein zweites Mal und folgt ihrem wilden Herzen nach draußen, ganz weit weg.

Barbara Newhall Follet war ein amerikanisches Wunderkind. Geboren im Jahr 1914, veröffentlichte sie ihren ersten Roman, Die Welt ohne Fenster, mit zwölf Jahren. Er wurde ein Bestseller. Das nächste Buch folgte ein Jahr später. Kurz vor Weihnachten 1939 ist Newhall Follet fünfundzwanzig und Berichten zufolge unglücklich in ihrer Ehe. Mit dreißig Dollar in der Tasche verließ sie eines Abends das Haus und wurde nie wieder gesehen. Das Geheimnis um ihr Verschwinden ist bis heute nicht gelüftet. Als die englische Künstlerin und Illustratorin Jackie Morris das Buch wiederentdeckte, hat sie sich augenblicklich in die Geschichte verliebt. Sie regte die Wiederveröffentlichung an und stattete die Neuausgabe mit ihren liebevollen Tuschezeichnungen aus.

Ein Schmetterling flog über ihren Kopf hinweg – ein kleiner gelber Schmetterling, der vor ihr tanzte und schimmerte. Eepersips braune Augen funkelten vor Freude. Eine Grille hüpfte zirpend auf und ab. Ein Vogel brach in Gesang aus. Ohne nachzudenken, sprang Eepersip in die Luft und tanzte, während die Schwalben über ihrem Kopf kreisten und die Blätter um sie herumwirbelten. Dann setzte sie sich erschöpft wieder hin und zog Schuhe und Strümpfe aus. Ihre Füße waren zart, und jeder Stock, auf den sie trat, schmerzte sie sehr. Aber sie war entschlossen, ihre Füße abzuhärten, um die ganze Zeit barfuß gehen zu können.

Direkt östlich der Lichtung befand sich ein steiler Hang, der bis zum Gipfel des Mount Varcrobis, genannt Eiki-ennern-Spitze, hinaufführte. Fasziniert betrachtete Eepersip diesen Abhang. Sie hätte zu gerne gewusst, was sich dort oben befand, wollte aber die Rehe noch nicht verlassen, und außerdem war sie fest entschlossen, ihre Schuhe und Strümpfe nicht wieder anzuziehen. Also beschloss sie, im weichen Gras zu bleiben, bis ihre Füße unempfindlicher geworden waren. Den wunderbaren Gipfel, über dem die Sonne jeden Morgen inmitten von herrlichen Wolken aufging, konnte sie auch später noch besteigen.

Noch bevor Eepersip lange getanzt hatte, ging sie mit Schuhen und Strümpfen unter dem Arm zu dem großen Abgrund hinunter. In dem Moment, als sie dort ankam, überkam sie eine Art Wahnsinn, und zisch! Zwei Schuhe und zwei Strümpfe segelten mit enormer Geschwindigkeit durch die Luft. Sie landeten weit unten in den Bäumen. Eepersip war froh, die Sachen loszuwerden, und kehrte zur Lichtung zurück. Sie fand, dass ihre Füße dank dieser kühnen Tat bereits robuster geworden waren. Sie beschloss, sich eine Weile auszuruhen, dann die entgegengesetzte Richtung einzuschlagen und zu erforschen, was sich am nördlichen Ende der Lichtung befand. Als sie sich erholt hatte, brach sie auf, zusammen mit dem Reh und dem Kitz, die neben ihr her trotteten. Endlich erreichte sie den Abhang des Berges auf dieser Seite. Aber hier war kein steiler Abgrund, sondern eine sanft abfallende Wiesenfläche, die sie hinunterwanderten. Das Reh und das Kitz folgten ihr noch ein Stück, dann drehten sie sich um und ließen Eepersip alleine weiterziehen. Doch als sie fast schon unten angekommen war, sah sie auf einmal Häuser. Nein, dort wollte sie nicht hin! So schnell sie konnte, rannte sie zurück.

Unterdessen fragten sich Mr. und Mrs. Eigleen, wohin ihr armes Kind wohl gegangen war. Anfangs hatten sie sich keine großen Sorgen gemacht, denn Eepersip hatte sich schon mehrere Male im Wald verlaufen und immer sicher den Weg nach Hause gefunden. Aber als sie nach zwei oder drei Tagen noch immer nicht wieder aufgetaucht war, kam ihnen alles wie ein Albtraum vor. Das Kind hungerte sicherlich, vielleicht war es auch längst zu einem Leckerbissen für ein herumstreifendes Tier geworden! Nun trauerten sie sehr, denn sie liebten Eepersip von ganzem Herzen.

Nicht lange darauf erschienen eine arme alte Frau und ihr Ehemann. Niemand unten im Dorf kümmerte sich viel um Mr. und Mrs. Ikkisfield, darum hatten sie beschlossen, das Dorf zu verlassen und sich anderswo Freunde zu suchen. Die Eigleens hatten Mitleid mit ihnen und überredeten sie schließlich, in ihre braune Hütte im Wald zu ziehen. Die Eigleens selbst bezogen das Haus ihrer Freunde, der Wraspanes. Es war das Rhododendronfeld der Wraspanes, das Eepersip immer so schön gefunden hatte.

Die Eigleens waren überaus freundliche Menschen und überließen Mr. und Mrs. Ikkisfield gern ihr Häuschen und ihren schönen Garten. Tatsächlich hatten sie keine Freude mehr daran, jetzt, da sie Eepersip verloren hatten, denn für sie hatten sie den Garten ja angelegt. Das alte Ehepaar war überglücklich und bedankte sich bei den Eigleens. Noch am selben Abend zogen die Ikkisfields ein, und die Eigleens ließen einige ihrer Habseligkeiten zurück.

Eepersip blieb viele Tage bei dem Reh und dem Kitz, dann überquerte sie mit abgehärteten Füßen das Bächlein und stieg die Eiki-ennern-Spitze hinauf. Nahe dem Gipfel, an einem kleinen geschützten Ort, entdeckte sie einen hübschen Teich, umgeben von Moos und Farnen, unter denen einige Iris blühten. Der Teich hatte einen sandigen Grund, über den winzige silberfarbene Fische schwammen. Als sie sich umdrehten und die Sonne auf ihre Bäuche schien, sah Eepersip einen silberfarbenen Streifen. Endlich am Gipfel angekommen, stellte sie fest, dass auf einer Seite eine riesige Gänseblümchenwiese wieder hinunterführte und die andere Wiese bis ganz unten bewaldet war. Vor Eepersip breiteten sich die Bergketten aus, viele Seen lagen unter ihr, und die Purpurfarbe der nun untergehenden Sonne spiegelte sich herrlich in ihnen wider. Es war wie im Märchenland! Und als sie sich nach Süden drehte, erblickte sie den mächtigen Ozean, in dem sich genau wie in den Seen die bezaubernden Farben des Sonnenuntergangs spiegelten. In jener Nacht schlief sie auf einem weichen Moosbett in einer Mulde in der Nähe des Teiches.

Nachdem sie sich am nächsten Morgen aus der saftigen Wurzel einer Pflanze, die sie gefunden hatte, ein gutes Frühstück gemacht hatte, legte sie sich neben den Teich und blickte in den Himmel hinauf, genau wie am zweiten Tag ihres Abenteuers. Und als sie dort lag, wurde es so still, dass sich ein Streifenhörnchen aus einem winzigen Loch wagte, das es sich zwischen den Wurzeln eines Baumes gegraben hatte. Es kam zu ihr herüber, schnupperte an einem Cracker, den sie gerade essen wollte, und kitzelte ihre Wange mit seiner Nase. Daraufhin streckte sie vorsichtig die Hand aus und hielt dem Tier ein Stück Cracker hin. Das Streifenhörnchen bekam Angst und rannte davon. Doch der Cracker sah wirklich verlockend aus, und es dauerte nicht lange, bis es seine Scheu verlor und sich wieder näher wagte. Schritt für Schritt schlich es sich heran, bis es mit einem verängstigten Quietschen das Stück ergriff und verschwand. Eepersip lachte. Nach ein paar Minuten kam das Streifenhörnchen wieder zurück. Dieses Mal nahm es das Stück, das sie ihm entgegenhielt, und lief damit nur ein paar Schritte fort. Das dritte Mal schnappte das Tier das Futter unerschrocken und fraß es, ohne überhaupt fortzurennen, offensichtlich überzeugt, dass Eepersip eine Freundin war. Beim vierten Mal war es noch mutiger und setzte sich auf ihren Bauch, während es fraß. Nun hatten sie jedoch alles aufgegessen – der Cracker war verschwunden.

Genau wie das Reh und sein Kitz, dachte Eepersip. Wie furchtlos es war, das kleine flauschige Wesen! Eepersip freute sich darüber, dass alle wilden Kreaturen bereit waren, sich mit ihr anzufreunden, ganz so, als hätte keine einzige Angst vor ihr. Sie hatte mehr denn je das Gefühl, diese faszinierenden Wälder niemals verlassen zu können. Sie konnte niemals, nie mehr zurückgehen, da war sie sich sicher. Wie wunderbar war es doch, hier zu liegen und die Umgebung zu beobachten. Tatsächlich war ein Bewohner dieses Waldes – ein schüchterner, der normalerweise Angst hatte – auf sie zugekommen und hatte ihr aus der Hand gefressen! Dieses Abenteuer hatte ihren Wunsch verstärkt, für immer zu bleiben und noch mehr Geschöpfe kennenzulernen – wie die Schwalben, die sie so sehr liebte, und die zarten kleinen Schmetterlinge.

Wann immer sie zu dem geschützten Platz am Teich hinunterging, sah sie so viele schöne Dinge überall, dass sie vor Freude ganz durcheinander geriet. Iris blühten in Gold und Blau, Schmetterlinge tanzten über ihr wie gelbe Rosenblätter, die im Wind flatterten. Als sie zum Teich hinüber rannte, entdeckte sie einen winzigen Strand, etwa vierzig Zentimeter lang und fünfzehn Zentimeter breit – gerade mal eine Handvoll Sand, vollständig verborgen in einem Wald aus Farnen. Darüber verliefen die Fußabdrücke des Streifenhörnchens, und die Spuren seiner kleinen Krallen waren deutlich im feuchten Sand zu erkennen. Der Miniaturstrand erschien Eepersip wie ein Kleinod an diesem wilden Ort. Auf den Wiesen um sie herum blühten Tausende von Butterblumen, und große Gänseblümchenfelder erhellten die braune Oberfläche der Erde.

Zwischen den dunklen Farnen wippten Akeleiblüten im Wind wie fröhliche kleine Zigeuner. Ihre Farben erinnerten sie an die Morgendämmerung, an den goldenen Sonnenuntergang und die weißen Wolken, an Schnee und Eiszapfen, an den von Mondstrahlen umrankten Nachthimmel, an schwarze Wolken, an die strahlende Sonne und an orangefarbene, gelbe und scharlachrote Blätter – an Herbstlaub. Sie pflückte einige Blumen und wand einen bunten Kranz daraus. Dann setzte sie ihn sich aufs Haar, und die Blüten tanzten von Neuem.

Unter den Zweigen einer weißen Kiefer wuchs rosablütiger Frauenschuh – den hatte Eepersip noch nie zuvor gesehen. Manchmal kommt die Morgendämmerung auf die Erde, dachte sie, bringt uns ihre Blumenwolken und umfängt sie mit Perlsamen

Eepersip wollte unbedingt wissen, was sich am Südhang der Spitze des Mount Varcrobis befand. Also machte sie sich eines Tages fröhlich singend auf den Weg. Dann stellte sie überrascht fest, dass dieser Hang, anders als jener felsige Abgrund am Eiki-ennern-Gipfel, noch ein kleines Stück weiter abfiel und dann in einer riesigen Wiese auslief. Diese Wiese war so groß, dass Eepersip gerade so ihren Rand ausmachen konnte. Eine Gruppe Rehe befand sich in der Ferne. Mit einem Schrei stürzte sie sich hinunter. Sie tanzte, wie sie noch nie zuvor getanzt hatte, und sang aus Freude über ihre Entdeckung wie eine Nachtigall.

Und doch, dachte sie, wenn es nun ein Traum sein sollte? Sie war sich ziemlich sicher, dass es nicht so war, denn sie hatte sich zu Beginn...

Erscheint lt. Verlag 8.3.2021
Übersetzer Stefanie Fahrner
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel The House Without Windows
Themenwelt Literatur
Sonstiges Geschenkbücher
Schlagworte Bestseller • Coming of Age • eBooks • Eskapismus • Geschenk • Klassiker • Mädchen • Natur • Naturliebhaber • Peter Pan • Tiere • Wiederentdeckung
ISBN-10 3-641-26745-5 / 3641267455
ISBN-13 978-3-641-26745-2 / 9783641267452
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