Das Geheimnis der Themse (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021
448 Seiten
Diana Verlag
978-3-641-25694-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Geheimnis der Themse - Susanne Goga
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London 1894. Zwei Jahre nach der Hochzeit liegt ein Schatten über dem Glück von Charlotte und Tom Ashdown. Durch ihre Kinderlosigkeit steht vieles unausgesprochen zwischen ihnen. Ein spannendes Buchprojekt über die magischen Orte Londons bringt die beiden einander unverhofft wieder näher. Doch ohne es zu ahnen, geraten Charlotte und Tom nach einem Leichenfund an der Themse in tödliche Gefahr ...

Susanne Goga wurde 1967 in Mönchengladbach geboren und lebt dort bis heute. Die renommierte Literaturübersetzerin und Autorin reist gern - mit Vorliebe auch in die Vergangenheit. Das spiegelt sich in ihren überaus erfolgreichen historischen Romanen wider. Für die Kriminalreihe um Leo Wechsler taucht sie ein ins Berlin der 1920er-Jahre, für den Diana Verlag begibt sie sich immer wieder ins geschichtsträchtige 19. Jahrhundert. Die Künstlerinnen in Glasgow, die dort in jener Zeit ein kreatives Forum gründeten und in ganz Europa berühmt wurden, waren Inspiration für ihren neuesten Roman.

1

Charlotte betrachtete den Magnolienbaum vor dem Fenster, der in einer geradezu unerhörten Pracht blühte. Die ersten Blütenblätter waren abgefallen und lagen wie rosafarbener Schnee auf dem Fleckchen Rasen, aus dem der Baum emporwuchs. Das Fenster war geöffnet und ließ einen Hauch von Frühling herein, auch wenn der Maiabend hier in London noch kühl war. Das Stimmengemurmel hinter ihr war wie eine Begleitmelodie, die sich um ihre Gedanken wand, ohne sie zu stören.

Heute vor zwei Jahren war es noch der Duft des Flieders gewesen, der durchs Fenster wehte, als wollte selbst die Natur ihnen alles Glück der Welt wünschen. Ihr war vom Wein ein bisschen schwindlig gewesen, doch an einem Tag wie diesem – umgeben von Freunden, an der Seite des Mannes, den sie über alles liebte, ihres Mannes, von nun an – hatte sie das nicht gekümmert.

Als sie daran dachte, wie Tom sie zum Hochzeitstanz geführt hatte, während alle zusahen, sie beide aber nur Augen füreinander besaßen, überkam sie eine leise Traurigkeit. Sie spürte noch seine Arme, die sie umfangen hielten, seine dunklen Locken an ihrer Wange, hörte noch den Takt des Walzers und das leise Murmeln ihrer Gäste. Es war ein vollkommener Moment gewesen. Ein Moment, der sie – das wusste sie genau – ihr Leben lang begleiten würde.

Ihre Brautrede war kurz. Sie hatte allen gedankt, die sie so freundlich aufgenommen und ihr das Gefühl gegeben hatten, willkommen zu sein. »Vor allem aber möchte ich Tom danken – für seine Liebe, seinen Humor, seine grenzenlose Begeisterung und die Fähigkeit, über sich selbst zu lachen.«

Es war eine Zeit gefolgt, in der sie glücklich war, die ihr mehr geschenkt hatte, als sie sich je erhofft hatte. Doch in den letzten Monaten war es, als wehte ab und an ein kühler Hauch durchs Haus, als legte sich ein Schatten auf sie beide, für den Charlotte keinen Namen wusste. Gerade weil er nicht greifbar war, schien es unmöglich, Tom darauf anzusprechen. Bisweilen war es, als befände sich eine unsichtbare Mauer zwischen ihnen, die sie nicht durchdringen konnte.

Und nun stand sie hier an ihrem zweiten Hochzeitstag und wusste nicht wohin mit ihrer Traurigkeit.

»Charlotte, wir vermissen dich schon!« Sarah Hoskins trat neben sie ans Fenster, um die Magnolie zu betrachten. »Sie ist wunderschön.«

»Ich kann mich gar nicht satt daran sehen. Mir ist, als würde sie die Blüten verlieren, sowie ich ihr den Rücken kehre.«

Sarah tippte ihr auf die Schulter. »Wir wollen jetzt anstoßen«, sagte sie. »Der Umzug in ein neues Haus ist ein feierlicher Anlass.«

Charlotte und Tom wohnten seit drei Wochen in ihrem neuen Heim in Nr. 47 Clerkenwell Close, nicht weit von ihrem alten Haus entfernt.

»Du siehst so nachdenklich aus«, stellte Sarah fest. »Ihr habt es doch wunderbar hier.«

Charlotte drehte sich schulterzuckend zu ihr um. »Ich liebe dieses Haus, und der Garten und die Kirche gleich nebenan sind zauberhaft, aber … manchmal zweifle ich und frage mich, ob Tom in Nr. 54 nicht glücklicher gewesen wäre.«

Sarahs Hand schoss vor und umfasste ihren Unterarm. »Wie kann eine kluge Frau nur solchen Unsinn reden? Es war Toms eigener Wunsch, das alte Haus zu verlassen, das hat er John schon vor geraumer Zeit erzählt.«

Tom hatte mit seiner verstorbenen Frau Lucy in Nr. 54 Clerkenwell Green gewohnt, und nach ihrer Heirat war Charlotte als zweite Mrs. Ashdown dort eingezogen. Es war nicht ungewöhnlich, dass die zweite Ehefrau im Haus der ersten lebte, inmitten der Möbel und Dekorationen, die ihre Vorgängerin ausgesucht hatte, umgeben von Erinnerungen, die ihr Mann nicht mit ihr teilte. Es hatte Charlotte nicht gestört, da sie als Gouvernante stets in Räumen gewohnt hatte, in denen ihr nichts gehörte außer ihren Kleidern und Büchern und deren Einrichtung sie nicht selbst ausgesucht hatte. Sie war in Nr. 54 bald heimisch geworden und hatte nur hier und da dezente Änderungen vorgenommen, ohne das Andenken an Lucy Ashdown auszulöschen. Und dennoch …

»Du hast recht. Es war Toms Idee hierherzuziehen. Habe ich dir überhaupt erzählt, wie er es angestellt hat?«

Sarah schüttelte lächelnd den Kopf.

»Wir hatten wie so oft einen Spaziergang unternommen, vom Green über den Kirchhof. Es war Vollmond, das weiß ich noch, ein kühler Abend im März. Doch statt nach Hause zu gehen, bog Tom nach rechts ab, blieb vor diesem Haus stehen und sah mich einfach an.«

»Schweigend?«

»Ausnahmsweise«, sagte Charlotte belustigt. »Was mir verriet, dass es wichtig war. Also habe ich ihn auch angesehen und geschwiegen. Es war wie ein Duell, um zu prüfen, wer länger durchhält.«

»Wer hat gewonnen?«

»Ich. Denn irgendwann hielt Tom es nicht mehr aus. ›Die Tür hat ein schönes Oberlicht‹, sagte er. Ich muss ihn ziemlich dumm angesehen haben. ›Der Garten ist klein, aber es wächst ein Magnolienbaum darin.‹ Als ich immer noch nichts sagte, ergriff er meine Hände und sah mich ernst an. ›Nun mach es mir doch nicht so schwer, Liebste. Ich möchte dieses Haus kaufen. Ein neues Haus für mein neues Leben mit dir.‹« Charlotte schluckte, als sie den Augenblick noch einmal durchlebte. »›Du wirst es einrichten, wie es dir gefällt, es soll dein Wesen widerspiegeln. Du verdienst ein Heim, das nur dir gehört, in dem es keine Schatten gibt.‹«

»Hast du sofort Ja gesagt?«

»Nein, ich wollte in Ruhe darüber nachdenken und habe mir Zeit gelassen. Mehr Zeit, als Tom lieb war, er ist tagelang wie ein ungeduldiger Kater um mich herumgestrichen. Letztlich habe ich erkannt, dass ein neuer Anfang für uns beide besser wäre und wir uns von den Erinnerungen lösen sollten. Also habe ich zugestimmt.«

»Und das war richtig«, sagte Sarah. »Außerdem ist heute euer zweiter Hochzeitstag. Nun musst du aber wirklich mitkommen und mit uns anstoßen. Die anderen warten schon auf dich.«

Toms dunkle Augen strahlten, als Charlotte das Wohnzimmer betrat. Er kam auf sie zu und streckte ihr beide Hände entgegen, worauf alle zu applaudieren begannen. Er küsste sie auf die Wange und schaute in die Runde.

»Freunde, nun, da meine liebe Frau wieder bei uns ist, möchte ich euch alle bitten, mit uns zu trinken. Heute vor zwei Jahren haben wir einander in eurem Beisein versprochen, unser Leben miteinander zu verbringen. Es war einer der glücklichsten Tage für mich, und ich möchte nie wieder ohne dich sein, liebe Charlotte. Dich an meiner Seite zu wissen hat mein Leben viel heller und leichter gemacht. Und nun haben wir für unsere Zukunft auch den angemessenen Ort gefunden.«

Er holte zwei Weingläser, reichte eins davon Charlotte und stieß klingend mit ihr an. Alle anderen taten es ihnen nach.

»Auf Charlotte und Tom und ein langes, glückliches Leben in Clerkenwell Close Nr. 47!«

Sie standen ganz still da, einander zugewandt, und Charlotte fuhr mit dem Zeigefinger sanft über seine pflaumenblaue Weste. Ihr Mann liebte diese ausgefallenen Kleidungsstücke, und sie liebte es, ihn darin zu sehen.

Dann stellte er sein Glas ab und grinste. »Nun aber zu den wirklich drängenden Fragen – wer von euch hat den unerhörten ›König Lear‹ in Drury Lane gesehen?«

John Hoskins, sein Freund aus Studientagen, schüttelte den Kopf. »Die Kunde davon ist noch nicht bis nach Oxford gedrungen. Was habe ich versäumt?«

»Gar nichts«, erwiderte Leland Williams, der Theaterkritiker des Morning Herald. »Und leider ist mir unser guter Tom zuvorgekommen. Ich hatte mich schon auf die Ehre gefreut, den ersten Verriss zu schreiben.«

»Es gibt viele Gründe, von Oxford nach London zu reisen, aber diese Inszenierung gehört nicht dazu«, warf Tom ein. »Bernard LaGrange gibt einen übergewichtigen Lear von achtundzwanzig Jahren, womit er nicht nur kein Greis, sondern auch jünger als seine Töchter Regan und Goneril ist. Die Darstellerin der Cordelia ist immerhin sechsundzwanzig, doch auch hier dürfte eine Vaterschaft ausgeschlossen sein.«

Er hielt inne, weil das Gelächter zu laut wurde. Tom war Kritiker und liebte es, über das Theater zu dozieren. Je schlechter die Aufführung war, desto mehr genoss er es, sie zu zerpflücken. Charlotte hatte ihn zu Anfang ihrer Bekanntschaft einmal gefragt, ob er eine gute Inszenierung überhaupt zu schätzen wisse, und er hatte geantwortet: »Natürlich. Die guten wärmen mir das Herz. Aber die schlechten befeuern meine Feder.«

»Kühnheit ist ein Privileg der Jugend«, warf Toms Freund Stephen Carlisle ein. »Und es zeugt von Kühnheit, eine solche Rolle so früh zu wagen.«

Tom zog eine Augenbraue hoch. »Lear ist ein Vater, das ist der eigentliche Kern der Rolle. Es geht um Väter und Töchter. Um das, was ein Vater von seinen Kindern erwartet und diese von ihrem Vater. Um Liebe und Wertschätzung, um echte und vorgetäuschte Gefühle. Um Schuld und Unschuld, Vertrauen und Verrat. Selbst wenn LaGrange ein guter Schauspieler wäre, was er nicht ist, erscheint er mir zu jung für diese Rolle.«

»Und wo würdest du das Mindestalter für einen Lear ansetzen?«, fragte Sarah Hoskins.

»Nun, das ist eine Frage der Mathematik, nicht wahr?«, erwiderte Tom. »Sagen wir, Lears älteste Tochter wäre Mitte zwanzig und die jüngste sechzehn. Dann sollte er mindestens Mitte vierzig sein.«

Carlisle wiegte den Kopf. »Wer sitzt schon im Theater und rechnet das nach? Ich habe Mütter auf der Bühne gesehen, die kaum älter als ihre Söhne waren oder sogar jünger. Da ist unsere Fantasie...

Erscheint lt. Verlag 8.2.2021
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte Der verbotene Fluss • eBooks • Ehe • Emanzipation • England • Frauen um 1900 • Historische Romane • Historischer Roman • London • Mythen und Sagen • ungewollte Kinderlosigkeit
ISBN-10 3-641-25694-1 / 3641256941
ISBN-13 978-3-641-25694-4 / 9783641256944
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