Abgetaucht (eBook)

Thriller

(Autor)

eBook Download: EPUB
2020
528 Seiten
Heyne Verlag
978-3-641-26766-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Abgetaucht - David Baldacci
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Eine Kleinstadt voller Geheimnisse-Eine Ermittlerin, die sich ihren Dämonen stellt
Dreißig Jahre ist es her, dass Atlee Pines eineiige Zwillingsschwester Mercy entführt wurde und für immer verschwand. Atlee ist eine einzelgängerische FBI-Agentin geworden, aber das Trauma der Vergangenheit hat sie nie losgelassen. Sie macht sich daher auf in ihr Heimatstädtchen im provinziellen Georgia, um das Verbrechen von damals aufzuklären. Doch kurz nach ihrer Ankunft wird eine bestialisch ermordete Frau aufgefunden - mit einem Brautschleier über dem Gesicht. Wenig später taucht eine zweite Leiche auf, Atlee wird immer tiefer in den mysteriösen Fall gezogen. Und dann zeigt sich, dass es eine Verbindung zu Mercys Verschwinden geben könnte ...

David Baldacci, geboren 1960 in Virginia, arbeitete lange Jahre als Strafverteidiger und Wirtschaftsjurist in Washington, bevor er sich ganz dem Schreiben widmete. Sämtliche Thriller von ihm landeten auf der New York Times-Bestsellerliste. Mit über 150 Millionen verkauften Büchern in 80 Ländern zählt er zu den beliebtesten Autoren weltweit.

1

Es war ein Trip ins Tal des Todes.

Auch wenn das »Tal« in diesem Fall in Colorado lag und sich ADX Florence nannte – das einzige Hochsicherheitsgefängnis im US-Bundesstrafvollzug, das den »Supermax«-Standard erfüllte, die höchste Sicherheitsstufe. Von einem »Tal des Todes« zu sprechen war gar nicht so weit hergeholt. Hier roch es tatsächlich nach Tod, schon wegen der Verbrechen, die die Häftlinge begangen hatten.

FBI-Agentin Atlee Pine hatte ihren Oldtimer, einen 1967er Ford Mustang Cabrio im original Frost-Türkis-Farbton, mit Vollgas über die Highways gejagt. Zwei Jahre lang hatte sie dem einstigen Besitzer geholfen, den Wagen zu restaurieren. Der Mann war selbst FBI-Agent gewesen und so etwas wie Pines Mentor, nachdem sie ihre Ausbildung in Quantico absolviert hatte. Mittlerweile verstorben, hatte er ihr das Cabrio vermacht. Es war für Pine undenkbar, sich jemals davon zu trennen.

Nach ihrer rasanten Fahrt saß sie nun auf dem Gefängnisparkplatz hinter dem Lenkrad und versuchte sich zu sammeln. Es verlangte einigen Mut, das schlimmste Ungeheuer zu besuchen, das diese Mauern beherbergten, in denen nicht wenige Bestien in Menschengestalt einsaßen – Psychos, die Tausende hilfloser Opfer abgeschlachtet hatten, ohne einen Funken Reue zu zeigen.

Pine gab sich einen Ruck und stieg aus. Abgesehen von ihrer weißen Bluse war sie ganz in Schwarz gekleidet. Ihre FBI-Dienstmarke hatte sie sich ans Revers ihrer Jacke geheftet. Sie brauchte zehn Minuten, um die Sicherheitskontrollen zu passieren, wo sie ihre beiden Waffen abgeben musste: eine Glock 23 und eine Beretta Nano, die sie als Zweitwaffe in einem Fußholster trug. Zwar kam Pine sich ohne die Waffen nackt vor, doch das ADX Florence hatte seine eigenen Regeln. Und dass Besucher keine Waffen tragen durften, war aus verständlichen Gründen eine der wichtigsten.

Pine setzte sich auf den Hocker in einer Nische des Besucherraums und schlang ihre langen Beine um die Metallstützen des Sitzmöbels. Vor ihr befand sich eine dicke Trennscheibe aus Sicherheitsglas. Auf der anderen Seite würde jeden Moment das Monster erscheinen, das der Grund ihres Besuchs war.

Wenige Minuten später führten sechs stämmige Wärter den mit Fußketten gefesselten Daniel James Tor herein, befestigten die Ketten an einem Stahlring, der im Fußboden eingelassen war, und verschwanden wieder. Zurück blieben die Vertreterin des Gesetzes und der Gesetzesbrecher, nur durch die Panzerglasscheibe voneinander getrennt.

Tor war eine furchteinflößende Erscheinung, über eins neunzig groß und hundertdreißig Kilo schwer, davon größtenteils Muskelmasse. Obwohl er bereits auf die sechzig zuging, wirkte er fit genug, um in der Football-Profiliga mitmischen zu können. Pine wusste, dass der Körper des Mannes von oben bis unten mit Tattoos bedeckt war. Einige hatte er sich von den Menschen machen lassen, die er kurz darauf getötet hatte. Er musste sich seiner Macht sehr sicher gewesen sein, wenn er seinem Opfer eine Nadel in die Hand gegeben hatte – eine provisorische Waffe, die sie hätten benutzen können, um ihrem Albtraum ein Ende zu machen. Keines seiner Opfer hatte es auch nur versucht.

Tor war physisch und psychisch ein Ungeheuer. Ein narzisstisch veranlagter Soziopath, wie sämtliche Experten übereinstimmend urteilten. Er verkörperte die wohl tödlichste Kombination, die die Natur einem menschlichen Wesen mitgeben konnte: brutale Kraft und völlige Gewissenlosigkeit. Dieser Mann tötete nicht aus irgendeinem tief sitzenden Hass auf die Menschheit heraus; ihn trieb allein das unbezähmbare Verlangen, die Macht über Leben und Tod zu spüren und seine Opfer schlussendlich zu vernichten – was er mindestens dreißigmal getan hatte. Aber das waren lediglich die Morde, die Tor gestanden hatte. Pine und andere gingen davon aus, dass die Zahl seiner Opfer in Wahrheit doppelt, vielleicht sogar dreimal so hoch war.

Tors massiger Schädel war vollkommen haarlos und so glatt rasiert wie sein Gesicht. Mit seinen kalten, leeren Augen fixierte er Pine wie eine Schlange ihre Beute, bevor sie zuschlug. Es war der lauernde Blick eines Raubtiers, dessen einziger Gedanke auf das Töten gerichtet war. Das Tückische dabei war, dass Tor über das Talent verfügte, in die verschiedensten Rollen zu schlüpfen, um seine Opfer ins Verderben zu locken. Er konnte vollkommen überzeugend wie ein normaler Mensch auftreten – bis sein wahres Ich zum Vorschein kam.

»Sie schon wieder«, sagte er herablassend.

»Aller guten Dinge sind drei«, gab Pine zurück, so ruhig sie konnte.

»So langsam öden Sie mich an. Hoffentlich haben Sie diesmal was Interessantes zu sagen.«

»Beim letzten Mal habe ich Ihnen ein Foto meiner Schwester Mercy gezeigt.«

»Und ich habe Ihnen gesagt, ich brauche mehr Informationen.«

Pine wusste, dass ihr Besuch diesem Mann eine willkommene Gelegenheit bot, Macht auszuüben, auch wenn er so tat, als wäre er ihrer überdrüssig. Doch die Aufmerksamkeit, die sie Daniel James Tor schenkte, war eine Selbstbestätigung für ihn und bestärkte ihn in der Überzeugung, dass seine Existenz einem ganz besonderen Zweck diente.

Pine versuchte, die Situation zu ihrem Vorteil zu nutzen. »Das verstehe ich, aber ich habe Ihnen alles gesagt, was ich weiß.«

»Glauben Sie vielleicht. Ich hatte Ihnen geraten, Ihre Hausaufgaben zu machen, bevor Sie wieder zu mir kommen. Und? Haben Sie? Oder werden Sie mich schon wieder enttäuschen?«

Pine wusste, dass sie sich auf schmalem Grat bewegte. Sie musste sein Interesse wachhalten, ohne sich völlig von ihm vereinnahmen zu lassen, denn das hätte ihn wirklich gelangweilt. »Vielleicht können Sie ein paar Gedanken beisteuern, die mir weiterhelfen.«

Er sah sie mürrisch an. »Sie sagen, Ihre Zwillingsschwester war sechs, als sie entführt wurde.«

»Das stimmt.«

»Mitten in der Nacht aus ihrem Zimmer in Andersonville, Georgia?«

»Ja.«

»Und Sie haben neben ihr geschlafen?«

»Ja.«

»Und Sie glauben, ich sei es gewesen? Sie glauben, ich hätte Sie bewusstlos geschlagen? Weil ich gar nicht die Absicht hatte, Sie zu töten?«

»Nun ja, Sie haben mir immerhin den Schädel gebrochen.«

»Und dabei soll ich einen Abzählreim aufgesagt haben, um den Zufall entscheiden zu lassen, wen von euch beiden ich mitnehme?«

»Ene, mene, muh – und raus bist du.«

»Dann wäre meine Wahl kein Zufall gewesen. Dann hätte von vornherein festgestanden, wen es trifft.«

Pine beugte sich vor. »Warum haben Sie dann bei mir angefangen, wenn Sie schon vorher wussten, dass Mercy verliert?«

»Immer langsam, Agentin Pine. Nichts überstürzen, sonst kommen wir nicht weiter.«

»Ich habe aber keine Lust, noch mehr Zeit zu verschwenden«, platzte Pine heraus.

Tor lächelte und rasselte mit den Ketten. »Ich habe alle Zeit der Welt.«

»Warum haben Sie mich am Leben gelassen, und nicht Mercy? War es Zufall? Oder Ihre Entscheidung?«

»Lassen Sie sich nicht von Ihrem schlechten Gewissen leiten, das Sie als Überlebende verständlicherweise verspüren. Ich stehe nicht auf Jammerlappen. Dafür ist mir meine Zeit zu schade.« Mit einem Lächeln fügte er hinzu: »Auch wenn ich mehr als dreißigmal lebenslänglich absitzen muss.« Offenbar war er stolz auf sein unerhörtes Strafmaß. Vielleicht, überlegte Pine, betrachtet er es als eine Art Auszeichnung.

»Okay«, erwiderte sie, so ruhig sie konnte. »Wenn Sie mir nur sagen, weshalb Sie sich für Mercy entschieden haben.«

»Habe ich Ihnen wirklich den Schädel gebrochen? Mann, da hätten Sie aber genauso gut tot sein können.«

»War ich aber nicht. Und das ist seltsam, weil Sie bei Ihren Opfern sonst immer auf Nummer sicher gegangen sind.«

»Ist Ihnen klar, dass Sie sich jetzt selbst widersprechen? Bisher haben Sie immer behauptet, ich sei der Täter gewesen. Aber Sie leben noch. Das würde bedeuten, dass ich es doch nicht war.«

»Das habe ich nicht gesagt.«

»Na gut, dann bin jetzt mal ich an der Reihe, eine Frage zu stellen. Ist Ihnen auch nur ein einziger Fall bekannt, bei dem ich ein sechsjähriges Mädchen aus seinem Zimmer geholt und einen Zeugen am Leben gelassen hätte?«

Pine lehnte sich wieder zurück. »Nein.«

»Warum hätte ich dann bei Ihnen eine Ausnahme machen sollen? Nur weil Sie unter Hypnose darauf gekommen sind, wie Sie mir bei Ihrem letzten Besuch anvertraut haben? Ist schon eine komische Sache mit der Hypnose. Manchmal kommt etwas Richtiges dabei raus, aber mindestens genauso oft was Falsches. Außerdem hatten Sie sich vorher eingehend mit mir beschäftigt. Das habt ihr beim FBI ja alle gemacht«, fügte er beiläufig hinzu, doch Pine hörte ihm an, wie stolz er darauf war. »Sie haben gewusst, dass ich zur fraglichen Zeit in Georgia aktiv war. Sie haben es selbst gesagt. Wissen Sie, für mich ist die Sache ziemlich klar. Die Hypnose hat bei Ihnen keine verschütteten Erinnerungen hervorgeholt.«

»Sondern?«

»Sie hat Ihnen eine Schlussfolgerung bestätigt, die Sie zuvor gezogen hatten – auf der Basis Ihrer Informationen über mich.« Er schüttelte den Kopf. »Vor Gericht kämen Sie nie damit durch. Sie haben in mir den Täter gesehen, weil Sie es sich in den Kopf gesetzt hatten. Weil Sie den Täter in Wahrheit gar nicht gesehen haben oder sich nicht mehr erinnern können. Da kam ich gerade recht, um die Lücke in Ihrer Erinnerung zu...

Erscheint lt. Verlag 1.7.2020
Reihe/Serie Die Atlee-Pine-Serie
Die Atlee-Pine-Serie
Übersetzer Norbert Jakober
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel A Minute To Midnight (Atlee Pine 2)
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Agententhriller • Atlee Pine • eBooks • Entführung • Georgia • Kindheitstrauma • Krimi • Kriminalromane • Krimis • Lee Child • New York Times Besteller • New York Times Bestseller • Politthriller • Psychothriller • Rache • Serienmord • Spiegel Bestseller Autor • Thriller • Zwillinge
ISBN-10 3-641-26766-8 / 3641267668
ISBN-13 978-3-641-26766-7 / 9783641267667
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