Der Schlüssel der Magie - Die Diebin (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2020
608 Seiten
Blanvalet Taschenbuch Verlag
978-3-641-25719-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Schlüssel der Magie - Die Diebin - Robert Jackson Bennett
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Eine Diebin, die niemand bemerkt.
Ein sprechender Schlüssel, dem kein Schloss widerstehen kann.
Eine Macht, die die Welt verändert.

Sancia ist eine Diebin - und zwar eine verdammt gute. Daher ist sie im ersten Moment auch begeistert, als sie ihre neueste Beute betrachtet: ein Schlüssel, der jedes Schloss öffnet. Doch dann wird ihr klar, was das bedeutet. Man wird sie jagen! Jedes der mächtigen Handelshäuser wird dieses Artefakt besitzen wollen. Denn die Magie des Schlüssels ist nicht nur alt und mächtig. Die Person, die sie kontrolliert, könnte die Welt verändern. Plötzlich ist Sancia auf der Flucht. Um zu überleben, muss sie nicht nur lernen, die wahre Macht des Artefakts zu beherrschen. Sie muss vor allem alte Feinde zu neuen Verbündeten machen ...
Die Trilogie Der Schlüssel der Magie:
1. Die Diebin
2. Der Meister
3. Die Götter

Robert Jackson Bennett wurde bereits mehrfach für seine Fantasy-Romane ausgezeichnet, unter anderem mit dem Edgar Award, dem Shirley Jackson Award und dem Philip K. Dick Award. Außerdem war er Finalist beim World Fantasy Award, dem Locus Award, dem Hugo Award und bei dem British Fantasy Award. Neben den Kritikern und zahllosen Lesern gehören auch die größten seiner Autorenkollegen zu seinen Fans, zum Beispiel Brandon Sanderson und Peter V. Brett. Robert Jackson Bennett lebt mit seiner Frau und seinen Söhnen in Austin, Texas.

Kapitel 1


Sancia Grado lag mit dem Gesicht im Schlamm, eingezwängt unter der Holzempore an der alten Steinwand, und gestand sich ein, dass der Abend nicht so gut verlief wie erhofft.

Dabei hatte er ganz annehmbar begonnen. Dank ihrer gefälschten Ausweise hatte sie es aufs Michiel-Gelände geschafft, und zwar mühelos – die Wachen an den ersten Toren hatten sie kaum eines Blickes gewürdigt.

Dann hatte sie den Abwassertunnel erreicht, und von da an war alles … weniger mühelos verlaufen. Zwar war ihr Plan tatsächlich aufgegangen – der Kanal hatte ihr ermöglicht, sich unter allen inneren Toren und Mauern hindurchzuschleichen, bis dicht an die Michiel-Gießerei –, doch hatten ihre Informanten versäumt zu erwähnen, dass es im Tunnel nicht nur von Tausendfüßlern und Schlammottern wimmelte, sondern es dort auch Scheiße im Überfluss gab, die von Menschen und Pferden stammte.

Das hatte Sancia zwar nicht gefallen, doch kam sie damit zurecht. Sie war nicht zum ersten Mal durch Unrat gekrochen, den Menschen hinterließen.

Durch einen Abwasserkanal zu robben führt jedoch leider dazu, dass man dabei einen starken Geruch annimmt. Während Sancia durch die Höfe der Gießerei schlich, hielt sie sich darum auf der windabgewandten Seite der Wachtposten. Als sie ans Nordtor gelangte, hatte aus der Ferne ein Wächter gerufen: »O mein Gott, was ist das für ein Gestank?«, woraufhin er pflichtbewusst nach der Ursache für den Geruch gesucht hatte, sehr zu Sancias Entsetzen.

Es war ihr jedoch gelungen, unentdeckt zu bleiben, aber sie hatte sich auf dem Gelände in eine Sackgasse zurückziehen und unter dem verwitterten Holzpodest verstecken müssen, das früher vermutlich ein alter Wachtposten gewesen war. Rasch war ihr klar geworden, dass ihr dieses Versteck keine Fluchtmöglichkeit bot: In der Sackgasse gab es nichts außer der Empore, Sancia und dem Wächter.

Sie stierte auf die schlammigen Stiefel des Wächters, der schnüffelnd an der Empore vorbeischritt, wartete ab, bis er vorbei war, und steckte den Kopf hinaus.

Der Mann war groß, trug eine glänzende Stahlhaube, Schulterpanzer, Armschienen sowie einen Lederkürass, in den das Wahrzeichen der Michiel-Handelsgesellschaft geprägt war: die brennende Kerze im Fenster. Am alarmierendsten war, dass er ein Rapier am Gürtel trug.

Sancia beäugte die Waffe. Als sich der Mann entfernte, war ihr, als hörte sie ein Wispern im Kopf, ein fernes Säuseln. Sie hatte damit gerechnet, dass die Klinge skribiert war, und das leise Wispern bestätigte das. Ihr war klar, dass eine skribierte Klinge sie mühelos in zwei Hälften spalten konnte.

Verdammt dumm von mir, mich derart in die Enge treiben zu lassen, dachte sie und zog sich unter die Empore zurück. Dabei hat meine Mission gerade erst begonnen.

Sie musste es zur Fahrbahn schaffen, die schätzungsweise gerade mal siebzig Schritt entfernt lag, hinter der gegenüberliegenden Mauer. Je eher sie dort ankäme, desto besser.

Sie erwog ihre Möglichkeiten. Sie hätte auf den Mann schießen können, immerhin hatte sie ein kleines Bambusblasrohr und ein paar kleine, aber teure Pfeile dabei, die mit dem Gift des Dolorspinafischs beträufelt waren: eine tödliche Plage, die in den Tiefen des Ozeans lebte. Hinreichend verdünnt, schickte das Gift sein Opfer nur in einen tiefen Schlaf, aus dem es einige Stunden später mit fürchterlichen Kopfschmerzen erwachte.

Dummerweise trug der Wächter eine ziemlich gute Rüstung. Sancia würde einen perfekten Treffer landen müssen. Sie hätte ihn in die ungeschützte Achselhöhle schießen können, doch das Risiko, die Stelle zu verfehlen, war zu hoch.

Sie konnte auch versuchen, ihn zu töten. Sancia hatte ihr Stilett dabei und war gut im Anschleichen, zudem war sie für ihre geringe Körpergröße recht stark.

Allerdings taugte Sancia weit mehr zur Diebin denn zur Mörderin, und sie hatte es mit dem ausgebildeten Wachmann eines Handelshauses zu tun. Keine sonderlich guten Erfolgsaussichten.

Darüber hinaus war Sancia nicht zur Michiel-Gießerei gekommen, um Kehlen aufzuschlitzen, Gesichter einzuschlagen oder Schädel zu zertrümmern. Sie war hier, um ihren Auftrag zu erledigen.

Eine Stimme hallte durch die Gasse. »Ahoi, Niccolo! Was machst du so weit von deinem Posten entfernt?«

»Ich glaube, es ist schon wieder etwas im Abwasserkanal verendet. Hier stinkt’s nach Tod!«

»Oh, warte mal«, erwiderte die Stimme. Schritte näherten sich.

Ach verdammt, dachte Sancia. Jetzt sind es schon zwei.

Sie musste einen Ausweg finden, und zwar schnell.

Sie schaute zur Steinwand hinter sich und dachte nach. Dann seufzte sie, kroch hinüber und zögerte.

Sie wollte sich nicht jetzt schon verausgaben. Doch ihr blieb keine Wahl.

Sancia zog den linken Handschuh aus, drückte die Hand auf die dunklen Mauersteine, schloss die Augen und setzte ihr Talent ein.

Die Wand sprach zu ihr.

Sie erzählte ihr vom Rauch der Gießerei, von heißem Regen, kriechendem Moos und den leisen Schritten Tausender Ameisen, die im Laufe der Jahrzehnte über ihr fleckiges Gesicht gekrabbelt waren. Die Oberfläche der Mauer erblühte in Sancias Geist, und sie nahm jeden Riss, jeden Spalt, jeden Mörtelklecks und jeden verschmutzten Mauerstein wahr.

All diese Informationen schossen Sancia im selben Moment durch den Kopf, in dem sie die Wand berührte. Und in diesem plötzlichen Wissensschwall fand sie auch das, worauf sie gehofft hatte.

Lose Steine. Vier Stück, groß, nur wenige Schritte von ihr entfernt. Und dahinter lag ein geschlossener, dunkler Raum, ungefähr einen Meter dreißig breit und hoch. Augenblicklich wusste sie, wo er sich befand, als hätte sie die Wand selbst gemauert.

Hinter der Wand ist ein Gebäude, dachte sie. Ein altes. Gut.

Sancia nahm die Hand von der Mauer. Zu ihrem Schrecken fing die große Narbe auf ihrer rechten Kopfseite an zu schmerzen.

Ein schlechtes Zeichen. Sie würde ihr Talent in dieser Nacht noch viel öfter einsetzen müssen.

Sie streifte sich wieder den Handschuh über und kroch zu den losen Steinen. Anscheinend hatte sich hier früher eine kleine Luke befunden, die man vor Jahren zugemauert hatte. Sie hielt inne und lauschte – die beiden Wächter liefen offenbar schnüffelnd durch die Gasse, um zu ergründen, woher der Gestank kam.

»Ich schwör’s bei Gott, Pietro«, sagte einer von ihnen, »das roch wie die Scheiße des Teufels!« Gemeinsam schritten die beiden die Gasse entlang.

Sancia packte den obersten losen Stein und zog ganz vorsichtig daran. Er gab nach und ließ sich ein Stück herausziehen.

Sie blickte zu den Wächtern zurück, die sich noch immer zankten.

Rasch und leise zog Sancia die schweren Steine aus der Wand und legte sie in den Schlamm, einen nach dem anderen. Dann spähte sie in den muffigen Raum dahinter.

Darin war es dunkel, doch als nun ein wenig Licht hineinfiel, sah sie viele winzige Augen in den Schatten und jede Menge kleiner Kothäufchen auf dem Steinboden.

Ratten, dachte sie. Und zwar viele.

Dagegen konnte sie nichts tun. Ohne einen Gedanken zu verschwenden, kroch sie in den engen, dunklen Raum.

Die Ratten gerieten in Panik und kletterten die Wände hoch, flüchteten in Risse und Spalten zwischen den Steinen. Einige flitzten über Sancia hinweg, manche versuchten sie zu beißen, doch Sancia trug, was sie als ihre »Diebeskluft« bezeichnete: einen selbstgemachten Aufzug mit Kapuze, der aus dicker grauer Wolle und altem schwarzem Leder bestand. Er bedeckte ihre ganze Haut und war recht schwer zu durchdringen.

Sie zwängte die Schultern durch das Einstiegsloch, schüttelte die Ratten ab oder schlug sie beiseite – doch dann erhob sich vor ihr ein größeres Tier auf die Hinterbeine, gut und gern zwei Pfund schwer, und fauchte sie bedrohlich an.

Sancias Faust fuhr herab und zermalmte den Schädel der Ratte auf dem Steinboden. Sie lauschte, ob die Wächter sie gehört hatten, und als sie zufrieden feststellte, dass dem nicht so war, schlug sie zur Sicherheit noch einmal auf die große Ratte ein. Dann kroch sie ganz in den Raum, griff vorsichtig nach draußen und schloss die Öffnung wieder mit den Mauersteinen.

Geht doch, dachte sie, schüttelte eine weitere Ratte ab und klopfte sich die Kothaufen von der Kleidung. Das lief gar nicht mal so schlecht.

Sie schaute sich um. Ihre Augen gewöhnten sich allmählich an die Finsternis. Anscheinend befand sie sich in einem Kaminofen, in dem die Arbeiter der Gießerei vor langer Zeit ihr Essen gekocht hatten. Der Kamin war mit Brettern vernagelt. Über ihr war der offene Schornstein – gleichwohl erkannte sie, dass jemand versucht hatte, auch die Kaminöffnung mit Brettern zu verschließen.

Sie nahm ihr Umfeld in Augenschein. Der Schornstein war recht schmal. Genau wie Sancia. Und sie war gut darin, sich durch enge Schächte zu winden.

Mit einem Grunzen sprang sie hoch, verkeilte sich mit Schultern und Füßen in der Öffnung und begann, den Schornstein hochzuklettern, Zentimeter um Zentimeter. Sie war schon fast halb oben, als sie unter sich ein Klirren vernahm.

Sie erstarrte und blickte hinunter. Ein dumpfer Schlag erklang, gefolgt von einem Knall, dann fiel Licht in den Ofen unter ihr.

Die Stahlhaube eines Wächters tauchte auf. Der Mann beäugte das verlassene Rattennest und rief: »Uh! Sieht aus, als hätten es sich die Ratten hier gemütlich gemacht. Daher muss auch der Gestank...

Erscheint lt. Verlag 19.10.2020
Reihe/Serie The Founders
The Founders
Übersetzer Ruggero Leò
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Foundryside (The Founders Trilogy 1)
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Schlagworte Diebin • eBooks • Fantasy • Gauner • Heroische Fantasy • High Fantasy • Industrialisierung • Leigh Bardugo • Magie • Scott Lynch • starke Heldin • Überfall, Verbrechen, Einbruch • Zeit der Krähen
ISBN-10 3-641-25719-0 / 3641257190
ISBN-13 978-3-641-25719-4 / 9783641257194
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