Angst sollst du haben (eBook)

Thriller

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021
416 Seiten
Blanvalet Taschenbuch Verlag
978-3-641-25640-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Angst sollst du haben - Peter Swanson
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Sie weiß, dass nebenan ein Mörder wohnt. Sie wird ihn überführen - und nun ist der richtige Augenblick gekommen!
Henrietta weiß, dass nebenan ein Mörder wohnt. Sie und ihr Mann Lloyd sind eben erst in die Bostoner Vorstadt gezogen, als sie während eines Dinners im Haus ihrer Nachbarn einen unglaublichen Fund macht: eine Trophäe, die von einem Tatort verschwand, an dem ein junger Mann ermordet wurde. Dass der sympathische Lehrer Matthew im Besitz dieses Objekts ist, scheint für Hen der untrügliche Beweis zu sein, dass er in die Tat verwickelt war. Heimlich beginnt sie, Matthew zu beschatten. Doch als es erneut zu einem Mord kommt, glaubt Hen als Einzige daran, dass ihr Nachbar der Täter ist. Wird sie beharrlich genug sein, um die Wahrheit aufzudecken?

Peter Swanson studierte am Trinity College, der University of Massachusetts in Amherst und am Emerson College in Boston und hat Abschlüsse in kreativem Schreiben, Pädagogik und Literatur. Er veröffentlichte Kurzgeschichten und Gedichte in zahlreichen namhaften Magazinen wie The Atlantic. Mit seinem Thriller »Die Gerechte« gelang ihm ein internationaler Bestseller. Der Roman wurde von der Presse begeistert besprochen und für einen Ian Fleming Steel Dagger Award nominiert. Zudem schrieb Swanson weitere spannende Thriller, zuletzt »Angst sollst du haben«. Er lebt mit seiner Ehefrau in Somerville, Massachusetts.

Kapitel 1


Die beiden Paare lernten sich bei einem Nachbarschaftsfest in ihrer Straße kennen, am dritten Samstag im September.

Hen hatte nicht hingehen wollen, aber Lloyd überredete sie. »Es ist nur ein Stück die Straße runter. Wenn du es furchtbar findest, kannst du gleich wieder nach Hause gehen.«

»Kann ich eben nicht«, sagte Hen. »Ich muss mindestens eine Stunde bleiben, sonst fällt es auf.«

»Niemand bemerkt so was.«

»Doch, na klar. Ich kann nicht einfach einen Blick auf meine neuen Nachbarn werfen und dann auf dem Absatz kehrtmachen und wieder verschwinden.«

»Wenn du nicht mitkommst, gehe ich auch nicht.«

»Schön«, zwang sie ihn, Farbe zu bekennen. Sie wusste, er würde allein gehen, wenn ihm nichts anderes übrigblieb.

Lloyd schwieg einen Moment. Er stand vor dem Bücherregal im Wohnzimmer und ordnete es neu. Sie hatten Anfang Juli ein Einfamilienhaus in West Dartford erstanden, während einer der schlimmsten Hitzewellen in der Geschichte von Massachusetts. Zwei Monate später hatte es abgekühlt, und Hen begann, das Haus als ihres zu empfinden. Die Möbel standen alle in den richtigen Räumen, Bilder hingen an der Wand, und Vinegar, ihr Maine-Coon-Kater, wagte sich gelegentlich aus seinem Kellerversteck nach oben.

»Was, wenn ich dich bitten würde, mir zuliebe mitzukommen?«

Mir zuliebe war ein uneingestandener Code zwischen ihnen, ein Schachzug, den Lloyd üblicherweise nur durchführte, wenn es Hen nicht gut ging. In der Vergangenheit hatte er sie auf diese Weise oft morgens aus dem Bett bekommen.

»Tu es nicht für dich. Tu es mir zuliebe.«

Manchmal störte sie der Ausdruck und die Art und Weise, wie Lloyd ihn einsetzte, aber sie verstand auch, dass er für Gelegenheiten reserviert war, die Lloyd für wichtig hielt. Wichtig für sie beide.

»Also gut, ich komme mit«, willigte sie schließlich ein, und Lloyd sah sie lächelnd an.

»Ich entschuldige mich im Voraus, falls es schrecklich wird«, sagte er.

Der Samstag war sonnig und sehr windig. Böen zerrten sporadisch an dem Plastiktischtuch, das von Schalen voller Nudelsalat, Hummus und Pita ohne Ende und Chips beschwert wurde. Dartford war ein wohlhabender Vorort von Boston, fünfundvierzig Minuten von der City entfernt, aber in West Dartford, auf der anderen Seite des Scituate River, waren die Häuser kleiner und standen dichter beisammen. Sie waren einst alle für die Arbeiter einer längst stillgelegten Fabrik gebaut worden, die man vor Kurzem in Ateliers für Künstler umgewandelt hatte. Die umgebaute Fabrik war einer der Gründe, warum sich Lloyd und Hen für diese Gegend entschieden hatten. Hen hatte ihr eigenes Atelier in fußläufiger Entfernung von zu Hause, und Lloyd konnte mit dem Vorortzug – der Bahnhof war ebenfalls zu Fuß erreichbar – zur Arbeit nach Boston fahren. Sie würden weiterhin nur ein Auto brauchen, die Kreditraten fielen geringer aus als für ihr Haus in Cambridge, und sie lebten praktisch auf dem Land, abseits des Trubels.

Aber auf dem von hippen jungen Paaren dominierten Nachbarschaftsfest fühlte sich West Dartford nicht so viel anders an als ihr früheres Viertel. Eine Frau namens Claire Murray – dieselbe, die persönlich die Einladungen zum Fest verteilt hatte – stellte Hen und Lloyd allen vor. Wie immer ergaben sich Gespräche nach Geschlechtern getrennt: Hen erklärte mindestens dreimal ihren Namen – »Kurzform von Henrietta« – und weitere dreimal, dass sie Vollzeit als Künstlerin tätig sei, und nein, erzählte sie zwei der Frauen, sie habe noch keine Kinder. Nur eine, eine Rothaarige mit dunklen Sommersprossen, die ein T-Shirt mit dem Logo einer Vorschule trug, fragte Hen, ob sie Kinder zu bekommen plane. »Wir werden sehen«, log Hen.

Nachdem sie wirklich köstlichen Nudelsalat und einen halben trockenen Cheeseburger gegessen hatte, fand sich Hen, zu ihrer Erleichterung mit Lloyd zusammen, im Gespräch mit dem offenbar einzigen anderen kinderlosen Paar auf dem Fest wieder. Wie sich herausstellte, wohnten Matthew und Mira Dolamore in dem Haus im holländischen Kolonialstil genau neben ihrem eigenen.

»Sie müssen zur selben Zeit gebaut worden sein, meint ihr nicht?«, fragte Lloyd.

»Alle Häuser in dieser Straße wurden zur selben Zeit gebaut«, erläuterte Matthew und rieb sich über die Stelle zwischen Unterlippe und Kinn. Als er die Hand wegnahm, sah Hen, dass er dort eine Narbe hatte wie Harrison Ford. Er sah gut aus, dachte Hen, nicht auf Harrison-Ford-Art, sondern in dem Sinn, dass alle seine Merkmale – das dichte braune Haar, die hellblauen Augen, das kantige Kinn – die Züge eines gutaussehenden Mannes waren, auch wenn sie zusammen etwas ergaben, was hinter den Einzelteilen zurückblieb. Seine Haltung war steif, und er trug ein Anzughemd, das in einer Jeans mit altmodisch hoher Taille steckte. Mit seinen breiten Schultern und seinen großen, knochigen Händen erinnerte er Hen an eine Schaufensterpuppe. Später, bei ihrem gemeinsamen Abendessen, würde sie zu dem Schluss kommen, dass er einer jener harmlosen, fröhlichen Männer war, die Sorte Mensch, bei denen man sich freute, wenn man sie traf, aber an die man nie dachte, wenn sie nicht da waren. Viel später sollte sie erkennen, wie falsch sie mit diesem ersten Eindruck gelegen hatte. Aber an diesem sonnigen Samstagnachmittag war Hen einfach froh, dass Lloyd wieder an ihrer Seite war und sie die Unterhaltung nicht allein bestreiten musste.

Mira, die etwa halb so groß war wie ihr Mann, rückte näher an Hen heran. »Ihr habt auch keine Kinder«, sagte sie, es war eher eine Feststellung als eine Frage, und Hen wurde klar, dass ihre neuen Nachbarn sie bei ihrem Einzug im Juli ganz offenbar beobachtet hatten. Es war merkwürdig, dass sie nicht herübergekommen waren, um sich vorzustellen.

»Nein, keine Kinder.«

»Ich glaube, wir sind die einzigen Paare in der Straße, die keine haben.« Sie lachte nervös. Hen konnte nicht umhin zu bemerken, dass Mira äußerlich das genaue Gegenteil ihres Mannes war, dass ihre Züge – eine etwas zu große Nase, ein tiefer Haaransatz, ausladende Hüften – sich zu etwas summierten, das weit attraktiver war als Matthew.

»Was arbeitest du?«, fragte Hen und ärgerte sich augenblicklich über sich selbst, weil sie sofort bei dieser Frage Zuflucht nahm.

Die vier unterhielten sich noch etwa zwanzig Minuten lang. Matthew war Geschichtslehrer an einer privaten Highschool drei Ortschaften weiter, und Mira war Vertreterin bei einem Unternehmen, das Unterrichtssoftware entwickelte, was bedeutete, dass sie mehr Zeit auf Reisen verbrachte als zu Hause, wie sie mehrmals betonte. »Ihr müsst ein Auge auf Matthew haben. Erzählt mir, was er so treibt, während ich fort bin.« Darauf folgte wieder das nervöse Lachen. Hen hätte sie eigentlich schrecklich finden müssen, aber aus irgendeinem Grund tat sie es nicht. Vielleicht hatte der Umzug sie tatsächlich milder gestimmt, aber wahrscheinlich rührte es eher von ihrer gegenwärtigen Medikation her. Ein weiterer noch kälterer Windstoß fegte durch die Straße und ließ die noch grünen Blätter der Bäume rascheln. Hen zog sich die Strickjacke um den Oberkörper und fröstelte.

»Ist dir kalt?«, fragte Matthew.

»Immer«, erwiderte Hen und fügte an: »Ich gehe vielleicht langsam nach Hause …«

Lloyd lächelte sie an. »Ich komme mit.« Dann wandte er sich an Matthew und Mira. »Ob ihr es glaubt oder nicht, wir sind immer noch beim Auspacken. War nett, euch beide kennenzulernen.«

»War nett, dich kennenzulernen, Lloyd«, erwiderte Matthew. »Und dich, Hen. Ist das kurz für …«

»Henrietta, ja, aber von meiner Geburtsurkunde abgesehen hat mich nie jemand so genannt. Immer nur Hen.«

»Lasst uns mal was zusammen unternehmen. Kochen vielleicht, wenn es nicht zu spät wird.« Das kam von Mira, und die vage Zustimmung, die sie von allen Seiten erntete, ließ Hen zu dem Schluss kommen, dass es nie passieren würde.

Deshalb war sie überrascht, als Mira eine Woche später aus ihrer Haustür stürzte, als Hen gerade von ihrem Atelier nach Hause kam.

»Hallo, Hen.«

Wie üblich, wenn sie den ganzen Nachmittag gearbeitet hatte, fühlte sich Hen leicht benommen, aber auf eine gute Art. »Hallo, Miri«, antwortete sie und merkte sofort, dass sie einen falschen Namen benutzt hatte. Ihre Nachbarin korrigierte sie jedoch nicht.

»Ich wollte eigentlich heute Abend vorbeischauen, aber ich hab dich gerade die Straße runterkommen sehen. Möchtet ihr an diesem Wochenende zum Abendessen zu uns kommen?«

»Ähm …«, zögerte Hen.

»Freitag oder Samstag, das spielt keine Rolle«, fügte Mira hinzu. »Sogar Sonntag würde bei uns gehen.«

Hen wusste, sie würde sich nicht aus der Sache herauswinden können, schon gar nicht, wenn sie drei Abende zur Auswahl hatte. Sie und Lloyd hatten keine konkreten Pläne fürs Wochenende, also wählte sie den Samstag und fragte, was sie mitbringen sollten.

»Nur euch selbst. Super. Gibt es etwas, was ihr nicht esst?«

»Nein, wir essen alles«, erwiderte Hen und unterließ es, ihr von Lloyds Phobie vor jeglichem Fleisch zu erzählen, das noch an seinem Knochen hing.

Sie einigten sich auf sieben Uhr am Samstag, und Hen informierte Lloyd, als er am Abend nach Hause kam.

»Okay. Neue Freunde. Bist du dazu bereit?«

Hen lachte. »Eigentlich nicht, aber es ist doch angenehm, bekocht zu werden. Sie finden uns bestimmt sterbenslangweilig und laden uns dann nie wieder ein.«

Sie und Lloyd erschienen Punkt sieben mit einer Flasche Rot- und einer Flasche...

Erscheint lt. Verlag 15.3.2021
Übersetzer Fred Kinzel
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Before She Knew Him
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte A. J. Finn • Boston • Buchverfilmung • Desperate Housewives • Die Gerechte • Die Unbekannte • eBooks • Mord • Mörder nebenan • Nachbarn • Neuerscheinungen 2021 • psychologische Spannung • Psychopathin • Psychothriller • Spiegel-Bestseller-Autor • The woman in the window • Thriller
ISBN-10 3-641-25640-2 / 3641256402
ISBN-13 978-3-641-25640-1 / 9783641256401
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