G. F. Unger Sonder-Edition 188 (eBook)

Bruder des Teufels

(Autor)

eBook Download: EPUB
2020 | 1. Aufl. 2020
80 Seiten
Bastei Entertainment (Verlag)
978-3-7325-9625-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

G. F. Unger Sonder-Edition 188 - G. F. Unger
Systemvoraussetzungen
1,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen

Wir standen uns gegenüber als erbitterte Feinde: mein Bruder Johnny und ich. Und wir beide wussten, dass einer von uns in wenigen Minuten sterben würde.
Voller Bitterkeit sagte ich: 'Weil du mein Bruder bist und weil ich an dich geglaubt habe, rettete ich dich vor dem Henker, Johnny. Es war ein Fehler von mir und deshalb ...'
Johnny unterbrach mich mit einem höhnischen Lachen. Und dann handelte er mit jener mörderischen Wildheit, die schon so vielen Menschen zum tödlichen Verhängnis geworden war ...

In der kleinen Grenzstadt am Rio Grande traf ich meinen Bruder Johnny nach vier langen Jahren endlich wieder.

Doch das Wiedersehen war recht erbärmlich.

Wegen der großen Hitze hatten sie die Fenster und Türen des Saloons offengelassen. Drinnen tagte das Gericht.

Ich trat außen an das Seitenfenster. Ich hatte Durst.

Dann sah ich Johnny.

Er stand vor dem Richter und der Jury. Und er erhielt eben die Erlaubnis, noch etwas zu seiner Verteidigung zu sagen, bevor die Geschworenen sich zur Beratung zurückzogen.

Überall an den Fenstern und in den Türen standen Neugierige, die drinnen keinen Platz mehr gefunden hatten. Ich war recht groß geraten und konnte mühelos über die Köpfe der vor mir stehenden Zuschauer durch das Fenster blicken.

Oh, ich erkannte meinen älteren Bruder Johnny sofort wieder.

Er wirkte nun noch stattlicher und männlicher als vor vier Jahren. Er war blond und blauäugig, auf eine verwegene Art hübsch. Wenn er lachte, blitzten seine Zähne. Und er lachte gern.

Ich hörte ihn sagen: »Was die Zeugen vorhin sagten, war erstunken und erlogen vom Anfang bis zum Ende. Alle Zeugen sind Freunde und Partner des Toten. Ich habe nicht zuerst gezogen. Ich schwöre bei allem, was mir heilig ist, und auch beim seligen Andenken meiner Mum, dass der Tote zuerst zur Waffe griff, weil er beim Poker nicht verlieren konnte. Ich griff erst danach zum Revolver. Doch ich war schneller. Aber ich bin fremd hier in dieser lausigen Stadt. Ich habe keine Freunde hier, die für mich lügen und diese Lügen auch noch beschwören. Ich habe nicht mal Zeugen, die für mich die Wahrheit sagen. Ich habe keine Chance in dieser Stadt voller Vorurteile, wenn jetzt auch noch die Geschworenen unfair sind und den verlogenen Zeugen – die sämtlich Freunde des Toten sind – mehr glauben als mir.«

Ich erschrak.

Heiliger Rauch! Da war ich nun zufällig auf meinen Bruder gestoßen nach vier wilden, bewegten und hektischen Jahren – und nun traf ich Johnny in dieser bösen Situation.

Natürlich glaubte ich jedes Wort, das Johnny vorbrachte. Johnny setzte sich jetzt gerade.

Dann waren die Geschworenen an der Reihe. Normalerweise zogen sich die Geschworenen zurück, um über Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu beraten.

Aber diese hier machten das nicht.

Sie sahen sich nur gegenseitig an und nickten dann dem Sprecher zu.

Und dieser erhob sich und sagte zu dem kleinen, grauen und spitzbärtigen Männchen, das hinter dem Tisch hockte und offensichtlich der Richter dieser Stadt war: »Euer Ehren, wir haben uns eine Meinung gebildet!«

Das graue Männchen rückte den Kneifer zurecht und sagte dann mit einer Bassstimme, die einem urigen Riesen zur Ehre gereicht hätte: »Und zu welchem Spruch sind die Geschworenen gekommen?«

»Schuldig, Euer Ehren«, gab der Sprecher der Geschworenen unbewegt zurück.

Das Männchen nickte.

Mein Bruder erhob sich.

Und dann hörten wir es alle: Sie wollten Johnny bei Sonnenaufgang hängen!

»Du verdammter Schuft!«, schrie mein Bruder wild. »In dieser dreckigen Stadt voller verlogener Schufte bist du der König! Ihr wollt …«

Weiter kam er nicht, einer der beiden Bewacher stieß ihm den Revolverlauf in die Magengrube.

Ich stand ganz still in der Mittagssonne zwischen den anderen Leuten, als sie Johnny herausbrachten und mit ihm hinüber zum Jail gingen.

Mein Bruder sah sich um. Es war ihm anzumerken, dass er verzweifelt auf Hilfe hoffte.

Dann sah er mich.

Denn mich konnte man nicht übersehen. Ich war so groß wie Johnny, doch sonst recht hässlich. Das lag an unseren verschiedenen Großmüttern. Johnny und ich, wir hatten beide Comanchen-Blut in den Adern. Nur bei ihm sah man das nicht.

Johnny erkannte mich sofort. Aber er ließ sich nichts anmerken. Auch ich gab ihm kein Zeichen. Und dennoch wussten wir Bescheid.

Denn es war ja klar, dass ich ihn herauskämpfen würde.

Wir Cannon-Jungs würden es dieser miesen Stadt, dieser miesen Jury und diesem miesen Richter schon zeigen.

Ich blieb noch eine Weile vor dem Saloon. Die Leute zerstreuten sich. Im Saloon gab es jetzt mehr Platz. Die meisten Männer der Jury kamen heraus.

Ich betrachtete mein Pferd, das zwischen den anderen Tieren an der Haltestange stand. Das Tier war ausgepumpt. Es war auch nur ein Durchschnittsgaul. Für einen langen und rauen Ritt war er nicht geeignet.

Und wir würden lange und hart reiten müssen, wollten wir unseren Verfolgern entkommen. Denn die Leute hier, die meinen Bruder absolut hängen wollten, hatten gewiss kein großes Verständnis dafür, dass jemand ihnen ihre Absichten zunichte zu machen versuchte. Sie würden mit Sicherheit ein Aufgebot hinter uns hersausen lassen.

Ich brauchte also zwei erstklassige Pferde.

Und ich würde sie stehlen müssen. Denn bezahlen konnte ich sie nicht.

Für meinen Bruder musste ich also zum Pferdedieb werden, und wenn das Aufgebot uns erwischen sollte, nun, dann würden sie uns beide nebeneinander hängen.

Ich klimperte in der Hosentasche mit den wenigen Dollars.

Vor einigen Monaten war ich aus der Kriegsgefangenschaft entlassen worden. Doch ich hatte zuvor einige Ausrüstungsgegenstände rechtzeitig zur Seite gebracht.

Nachdem sie mich entließen, ritt ich hin und holte die Sachen.

Aber es war ja nicht viel, nur ein gutes Fernglas, ein Offiziersäbel, eine Uhr, silberne Sporen und zwei silberne Duellpistolen in einem mit Elfenbein ausgelegten Kästchen.

Als ich alles versilbert hatte, besaß ich hundertzwanzig Dollar.

Doch das war schon Monate her.

Und ich war inzwischen schon wieder höllisch abgebrannt. Ich ging in den Saloon, um ein Bier zu trinken und mich mit dieser lausigen Stadt und ihren Menschen vertraut zu machen.

Und dabei dachte ich immerzu an Johnny, den sie morgen bei Sonnenaufgang hängen wollten.

Ich war ganz und gar davon überzeugt, dass sie ihn reingelegt hatten. Schließlich hatte er doch bei unserer Mum seine Unschuld beteuert. Für mich stand fest, dass dies eine miese und unfaire Stadt war.

Ich hielt mich im Saloon abseits, doch ich lauschte allen Gesprächen. Und nach einer Weile wusste ich ziemlich genau, wen mein Bruder getötet hatte. Es war der Sohn eines mächtigen Großranchers. Fast die ganze Mannschaft dieser Ranch war in der Stadt, selbst der alte Rancher. Es war jener Mann, den sie vorhin im Rollstuhl aus dem Saloon zum Hotel hinübergeschoben hatten.

Dieser Mann und seine Crew würden auch morgen bei der Vollstreckung des Urteils zugegen sein.

Jetzt war mir alles klar.

Auch das Brandzeichen der Ranch kannte ich jetzt. Es war ein Spanish Bit, also das symbolisierte Zeichen einer spanischen Kandare.

Es standen viele Pferde mit diesem Brandzeichen in der Stadt. Auch als ich später mein Tier in den Mietstall brachte, sah ich dort Pferde mit diesem Brand.

Ich sah mir die Pferde genau an und fand schnell die besten Tiere heraus. Ich merkte mir ihren Standort und hoffte, dass ihre Reiter die ganze Nacht über in der Stadt bleiben würden.

Denn ich brauchte die Tiere für meinen Bruder und mich. Die Stunden vergingen verdammt langsam. Als es Abend wurde, überlegte ich, ob ich einen halben Dollar für ein Abendessen im Hotel opfern sollte.

Im Restaurant saß auch der mächtige Rancher. Sein Rollstuhl war an einen Tisch geschoben worden wie ein Sessel. Zwei Männer saßen rechts und links am Tisch des Ranchers – wahrscheinlich waren es seine Verwalter.

Ich betrachtete den Oldtimer genau.

Oh, er war alt, eisgrau und ein Krüppel, der nicht mehr gehen konnte. Hinter seinem Rollstuhl stand ein riesiger Neger.

Aber dieser alte Mann war immer noch hart. Das Alter hatte ihn nicht sanfter gemacht.

Er sah aus wie ein Mann, der noch vor wenigen Jahren aus dem Sattel seine Weiden kontrolliert hatte. Wahrscheinlich war er vom Gürtel abwärts querschnittgelähmt.

Einmal spürte ich seinen harten, forschenden Blick. Ich erwiderte ihn nur kurz, denn es schien mir zu gefährlich, in seine Augen zu sehen. Ich ahnte, dass dieser Mann sonst mit einem feinen, untrüglichen Instinkt meine Feindschaft spüren musste.

Und er war mein Feind. Ich war davon überzeugt, dass er mit seiner ganzen Macht dafür gesorgt hatte, dass die Augenzeugen logen und die Geschworenen auf »schuldig« erkannten.

Nun aber wollte er Johnny hängen sehen.

Ja, er war mein Feind. Alle hier waren meine Feinde.

Und dennoch verstand ich seine Handlungsweise.

Denn er war ein alter Mann, der sich eine mächtige Ranch aufgebaut hatte. Sein Sohn war der einzige Erbe gewesen.

Mit dem Tod dieses alten Mannes aber würde die mächtige Ranch herrenlos werden. Ich kannte solche Riesenranches. Sie hatten sich fast immer Feinde gemacht. Diese Feinde mussten an den Grenzen solcher Machtgebilde in deren Schatten leben.

Aber nach dem Tod des King würden sie kommen. Sie würden sich schadlos halten. Und so war dann auch eine solch große Ranch zum Untergang verurteilt.

Doch was ging mich das an?

Ich wollte meinen Bruder retten. Nur das allein zählte jetzt.

Und dann würden wir mächtig lange und weit reiten.

Es war lächerlich einfach, denn ich wartete, bis die Nacht schon weit in der zweiten Hälfte war.

Es war auch leicht, die beiden Pferde aus dem Hof des Mietstalles zu holen, wo sie mit den anderen Tieren unter einem Schutzdach in den Boxen an den Futterkrippen...

Erscheint lt. Verlag 28.4.2020
Reihe/Serie G. F. Unger Sonder-Edition
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2017 • 2018 • Abenteuer-Roman • abenteuerromane kindle • abenteuerromane kindle deutsch • abenteuerromane kindle für erwachsene • alfred-bekker • bastei hefte • bastei heftromane • bastei romane • bastei romane hefte • Bestseller • Cassidy • clint-eastwood • Country • Cowboy • Deutsch • eBook • E-Book • eBooks • Erwachsene • Exklusiv • für • für Erwachsene • g f barner • gf unger • Heftchen • Heftroman • heftromane bastei • Indianer • Jugend • karl-may • Karl May • Kindle • Klassiker • Krimi • Laredo • larry-lash • Lassiter • lucky-luke • Männer • pete-hackett • peter-dubina • Reihe • Ringo • Romanheft • Roman-Heft • Serie • spannend • western country • western country exklusiv • western deutsch • western ebook deutsch • western e books • western hefte • Western Klassiker • Westernreiten • Western-roman • Westernroman • Westernromane • Western Romane • western romane bastei • western romane deutsch • western romane kindle deutsch • western romanhefte • Wilder Westen • Wilder-Westen • Wild West • Wildwestromane • Wild West Romane • Winnetou • Wyatt Earp
ISBN-10 3-7325-9625-7 / 3732596257
ISBN-13 978-3-7325-9625-6 / 9783732596256
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Ohne DRM)

Digital Rights Management: ohne DRM
Dieses eBook enthält kein DRM oder Kopier­schutz. Eine Weiter­gabe an Dritte ist jedoch rechtlich nicht zulässig, weil Sie beim Kauf nur die Rechte an der persön­lichen Nutzung erwerben.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Roman

von Anne Freytag

eBook Download (2023)
dtv (Verlag)
14,99
Band 1: Lebe den Moment

von Elenay Christine van Lind

eBook Download (2023)
Buchschmiede von Dataform Media GmbH (Verlag)
9,49
Ein Provinzkrimi | Endlich ist er wieder da: der Eberhofer Franz mit …

von Rita Falk

eBook Download (2023)
dtv (Verlag)
14,99