Die Löwen von Sizilien (eBook)

Roman
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2021 | 1. Auflage
640 Seiten
Goldmann (Verlag)
978-3-641-24315-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Löwen von Sizilien -  Stefania Auci
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Sizilien im 19. Jahrhundert. Als die Brüder Paolo und Ignazio Florio in Palermo ihr Glück suchen, besitzen sie nichts. Außer dem Willen, es ganz nach oben zu schaffen, und den Mut, Neues zu wagen. Aus einem unbedeutenden Gewürzladen machen sie ein florierendes Unternehmen. Sie investieren klug und bringen es allen Anfeindungen zum Trotz zu Geld und Ansehen. Dann stirbt Paolo, und das Schicksal der Familie liegt in der Hand seines Sohnes Vincenzo. Unter ihm gedeiht die Casa Florio, in seinen Kellern wird aus dem Wein der Armen, dem Marsala, Siziliens größter Schatz. Und in der Mailänder Händlertochter Giulia findet Vincenzo nicht nur die große Liebe seines Lebens, sondern auch eine tapfere Mitstreiterin. Doch dann drohen Familienstreitigkeiten und Schicksalsschläge die Florios zu Fall zu bringen ...

Stefania Auci wurde in Trapani, Sizilien, geboren und lebt in Palermo. Nach ihrem Studium hat sie zunächst in einer Rechtsanwaltskanzlei und dann als Lehrerin gearbeitet, bevor sie sich ganz dem Schreiben von Romanen widmete. Mit ihrer Familiensaga »Die Löwen von Sizilien« gelang ihr einer der größten Bestseller der letzten Jahre in Italien.

Zimt, Pfeffer, Kreuzkümmel, Anis, Koriander, Safran, Sumach, Cassiazimt …

Nein, Gewürze braucht man nicht nur zum Kochen: Sie sind Arzneimittel, sie werden in der Kosmetik eingesetzt, dienen als Gifte und Parfüms, und sie sind Erinnerungen an ferne Länder, die nur wenige Menschen je gesehen haben.

Um auf der Theke eines Gewürzladens zu landen, gehen eine Zimtstange oder eine Ingwerwurzel durch Dutzende von Händen, sie reisen in langen Karawanen auf dem Rücken eines Maultiers oder Kamels, sie überqueren den Ozean, bis sie schließlich in einem europäischen Hafen landen.

Und es liegt auf der Hand, dass die Kosten mit jeder Etappe ihres Transports steigen.

Reich ist derjenige, der Gewürze kaufen kann, und reich auch der, dem es gelingt, sie zu verkaufen. Gewürze für die Küche – und erst recht diejenigen, die zu medizinischen Zwecken oder als Duftstoffe dienen – stehen nur wenigen Auserwählten zur Verfügung.

Venedig hat seinen Reichtum auf dem Handel mit Gewürzen und auf seinen Einfuhrzöllen begründet. Jetzt, zu Beginn des 19. Jahrhunderts, sind es vor allem die Engländer und Franzosen, die Handel betreiben. Aus ihren überseeischen Kolonien treffen Schiffe ein, die nicht nur voller Heilkräuter sind, sondern auch hochbeladen mit Zucker, Tee, Kaffee und Schokolade.

Die Preise sinken, der Markt verzweigt sich, die Häfen öffnen sich, es sind immer mehr Gewürze im Umlauf. Nicht nur Neapel, Livorno oder Genua spielen eine Rolle. In Palermo gründen die Aromateure eine Zunft. Sie haben sogar eine eigene Kirche: Sant’Andrea degli Amalfitani.

Und es wächst auch die Zahl derer, die es sich erlauben können, Gewürze zu verkaufen.

Ignazio hält den Atem an.

Das tut er immer.

Jedes Mal, wenn vor dem Bug der Schifazzo der Hafen von Palermo in Sicht kommt, hat er Schmetterlinge im Bauch, so wie man es von Verliebten kennt. Lächelnd drückt er Paolos Arm, und sein Bruder erwidert die Geste.

Nein, er hat ihn nicht in Bagnara zurückgelassen. Er wollte ihn bei sich haben.

»Freust du dich?«, fragt Paolo. Ignazio nickt, seine Augen leuchten, und seine Brust schwillt an, während er die ganze Schönheit dieser Stadt in sich aufnimmt. Er hält sich an den Tauen fest, beugt sich in Richtung Bugspriet.

Er hat Kalabrien verlassen, seine Familie oder das, was davon übrig ist. Doch jetzt, wo seine Augen voller Himmel und Meer sind, hat er keine Angst um die Zukunft mehr. Die Furcht vor der Einsamkeit ist ein Gespenst, das sich verflüchtigt hat.

Ihm stockt der Atem angesichts der verschiedenen Schattierungen von Himmelblau, über denen sich die Begrenzungsmauern des Hafens erheben, ins Licht der Nachmittagssonne getaucht. Die Augen fest auf die Berge gerichtet streichelt Ignazio den Ehering seiner Mutter, den er am rechten Ringfinger trägt. Er hat ihn sich übergestreift, damit er ihn nicht mehr verlieren kann. Nun hat er jedes Mal, wenn er ihn berührt, das Gefühl, seine Mutter sei an seiner Seite, und er könne ihre Stimme hören. Es ist, als würde sie ihn rufen, ihm zuhören.

Vor ihm legt die Stadt ihren Schleier ab. Sie nimmt Gestalt an.

Majolikakuppeln, zinnenbewehrte Türme, Ziegeldächer. Da ist die Cala, dicht an dicht liegen die Feluken, Brigantiner und Schoner im herzförmig geschwungenen Hafenbecken, von zwei Landzungen begrenzt. Durch den Wald der Masten erkennt man die Stadttore zwischen den Palazzi, wie ein Stein in der Fassung und buchstäblich über ihnen errichtet: die Porta Doganella, Porta Calcina, Porta Carbone. Häuser, die Wurzeln geschlagen haben und stolz beieinanderstehen, als wollten sie einen Blick aufs Meer erhaschen. Zur Linken, halb von den Dächern verborgen, ragt der Glockenturm von Santa Maria di Porto Salvo empor; nicht weit davon entfernt erkennt man San Mamiliano und den schmalen Turm der Annunziata, und dann, unmittelbar hinter den Mauern, die achteckige Kuppel von San Giorgio dei Genovesi. Rechter Hand eine weitere Kirche, Santa Maria di Piedigrotta, klein und gedrungen, und der imposante Umriss des Castello a Mare, das von einem Wassergraben umgeben ist; gleich daneben, auf einer Landzunge, die ins Meer hineinragt, steht das Lazarett, in dem kranke Seeleute auf das Ende ihrer Quarantäne warten.

Über allem ragt der Monte Pellegrino empor. Dahinter eine bewaldete Gebirgskette.

Ein ganz besonderer Duft steigt vom Land auf und schwebt in einer Wolke über dem Wasser: eine Mischung aus Salz, Früchten, verbranntem Holz, Algen, Sand. Paolo sagt, das sei der Geruch des Festlandes. Ignazio hingegen hält es für das ganz eigene Parfüm dieser Stadt.

Der Lärm eines lebhaften Hafens dringt an ihr Ohr. Allmählich legt sich ein modriger Gestank über das Aroma des Meeres: Mist, Schweiß und Pech, zusammen mit dem muffigen Geruch von Brackwasser.

Weder Paolo noch Ignazio bemerken, dass Giuseppina den Blick auf das offene Meer gerichtet hat, als könnte sie dort noch immer Bagnara sehen.

Sie wissen nicht, dass sie an die Umarmung Mattias zurückdenkt. Denn für sie ist diese Frau nicht einfach nur eine Schwägerin: Sie ist eine Freundin, ein sicherer Hafen, die Stimme, die sie in den ersten, schwierigen Monaten der Ehe mit Paolo geleitet hat.

Giuseppina hat gehofft, dass auch Barbaro und Mattia ihnen nach Palermo folgen würden, doch diese Hoffnung hat sich nicht erfüllt – Paolo Barbaro hat erklärt, er würde in Bagnara bleiben und von dort nach Palermo pendeln, um mit dem Norden Italiens Handel zu treiben und einen weiteren sicheren Hafen für ihre Geschäfte zu haben. Außerdem brauche er ein weibliches Wesen, das sich um Haus und Kinder kümmert. Insgeheim hat Giuseppina jedoch den Verdacht, dass Paolo seine Frau von ihren Brüdern entfernen will. Barbaro war nie von ihrer Nähe begeistert, vor allem die enge Beziehung zwischen Ignazio und Mattia war ihm ein Dorn im Auge.

Eine einzelne Träne kullert über ihre Wange, zerspringt auf dem Schal. Giuseppina denkt an das Rauschen der Bäume zurück, die sich von den Bergen bis fast ans Meer ziehen, an all die Male, die sie auf den Straßen Bagnaras bis zum Turm von König Roger gelaufen ist, an das Sonnenlicht, das sich auf dem Wasser und den nassen Kieseln des Strandes brach.

Dort, an der Mole unterhalb des Turms, hat Mattia ihr beim Abschied einen Kuss auf die Wange gegeben. »Du darfst nicht denken, dass du allein bist. Ich werde den Schreiber bitten, dir Briefe zu schicken, und du wirst dasselbe tun. Und jetzt weine nicht mehr so, ich bitte dich.«

»Das ist nicht gerecht!« Giuseppina ballte die Fäuste. »Ich will nicht!«

Die andere schloss sie in ihre Arme. »Cori meu, so ist es, mein Herz. Wir gehören unseren Ehemännern, wir haben keine Macht. Sei stark.«

Giuseppina schüttelte den Kopf, denn für sie war es undenkbar, ihrer Heimat einfach entrissen zu werden. Ja, die Frauen gehörten ihren Ehemännern, diese hatten das Sagen. Doch oft begriff ein Ehemann nicht, wie er seine Frau an sich binden konnte.

So war das auch bei ihr und Paolo.

Auf einmal wandelte sich Mattias Gesichtsausdruck. Sie löste sich aus Giuseppinas Umarmung, um Ignazio entgegenzugehen. »Ich wusste, dass dieser Tag kommen würde. Es war nur eine Frage der Zeit.« Sie küsste ihn auf die Stirn. »U’ Signuri v’aiuta e a’ Maronna v’accumpagna«, segnete sie ihn. Der Herr stehe euch bei, und die heilige Mutter Gottes sei mit euch.

»Amen«, erwiderte er.

Mattia streckte die Hand aus und zog Giuseppina und Ignazio in eine gemeinsame Umarmung. »Pass auf unseren Bruder Paolo auf«, sagte sie. »Er ist zu hart zu allen, vor allem ihr gegenüber. Sag ihm, er soll geduldiger sein. Du kannst das, du bist sein Bruder und ein Mann. Auf mich hört er nicht.« Wenn sie jetzt daran zurückdenkt, spürt Giuseppina, wie es ihr immer noch eng in der Brust ist. Sie weinte erstickte Tränen der Zärtlichkeit an der Schulter ihrer Schwägerin, schmiegte ihr Gesicht an den rauen Stoff des Umhangs.

»Danke, cori di lu me cori, Herz von meinem Herzen.«

Die Antwort war ein Streicheln.

Bei diesen Worten verfinsterte sich Ignazios Miene. Er wandte sich um, Paolo Barbaro stand in einiger Entfernung. »Und dein Mann, Mattia? Ist dein Mann denn geduldig, und respektiert er dich?« Er schnaubte leise. »Du weißt nicht, wie schwer es mir fällt, dich hier mit ihm allein zu lassen.«

Die Schwester senkte den Blick. »So ist er. Er verhält sich so, wie er sich zu verhalten hat.« Ein Satz. Ein Flüstern, leise wie das Knistern von Stroh, das verbrennt.

Und Giuseppina schloss aus dieser Geste das, was sie ohnehin bereits wusste. Dass Barbaro handgreiflich mit Mattia wurde, dass er sie hart anfasste. Ihre Ehe war von den Familien geschlossen worden, und es war nur ums Geld gegangen, so wie bei ihr und Paolo.

Das können die Männer nicht begreifen: dass sie alle beide ein gebrochenes Herz haben.

Jetzt ruft Vittoria nach ihr: »Tante, schaut nur! Wir sind da!« Die Kleine ist ganz aus dem Häuschen. Der Gedanke an eine neue Stadt, weit weg von Bagnara, hat sie von Anfang an mit Freude erfüllt. »Das wird wunderschön, Tante«, hat sie noch am Tag vor der Abreise zu Giuseppina gesagt.

Die Tante zieht eine Grimasse. »Du bist zu klein, um das zu begreifen. Da ist es nicht wie hier im Dorf …«

»Eben.« Vittoria hat nicht vor, sich entmutigen zu lassen. »Eine Stadt, eine richtige Stadt.«

Giuseppina schüttelt nur den Kopf, während eine Mischung aus Schmerz, Wut und Zorn in ihr wütet.

Jetzt springt das Mädchen auf,...

Erscheint lt. Verlag 17.5.2021
Reihe/Serie Auci, Stefania
Übersetzer Judith Schwaab
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel I leoni di Sicilia. La saga dei Florio
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte Dynastie • eBooks • Familie Florio • Familiensaga • Frauenromane • Liebesromane • Marsala • Meistverkauftes Buch in Italien • Nr. 1 Bestseller • Thunfisch • Wahre historische Personen
ISBN-10 3-641-24315-7 / 3641243157
ISBN-13 978-3-641-24315-9 / 9783641243159
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