Das Kaffeehaus - Bewegte Jahre (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
752 Seiten
Goldmann (Verlag)
978-3-641-25143-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Kaffeehaus - Bewegte Jahre -  Marie Lacrosse
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Wien in den 1880er-Jahren: Die junge Sophie von Werdenfels flüchtet aus der tristen Atmosphäre ihres Elternhauses so oft wie möglich in die Pracht des Kaffeehauses ihres bürgerlichen Onkels. Dort lernt sie Richard von Löwenstein kennen, einen persönlichen Freund des Kronprinzen Rudolf. Während sich die beiden verlieben, schwärmt Sophies beste Freundin Mary für den verheirateten Kronprinzen. Ungeachtet aller Warnungen Sophies, lässt sich Mary sogar auf eine Affäre mit Rudolf ein. Und niemand ahnt, dass dadurch das Kaiserreich in seinen Grundfesten erschüttert wird ...

Marie Lacrosse hat in Psychologie promoviert und arbeitete viele Jahre hauptberuflich als selbstständige Beraterin überwiegend in der freien Wirtschaft. Ihre Autorentätigkeit begann sie unter ihrem wahren Namen Marita Spang und schrieb erfolgreich historische Romane. Heute konzentriert sie sich fast ausschließlich aufs Schreiben. Ihre Trilogie »Das Weingut « wurde ebenso zu einem großen SPIEGEL-Bestseller wie die »Kaffeehaus«-Saga. Die Autorin lebt mit ihrem Mann in einem beschaulichen Weinort. Weitere Romane der Autorin sind bei Goldmann in Vorbereitung.



Prolog


Café Prinzess in Wien


April 1879

»Oh, diese Torte ist ja ganz prachtvoll gelungen, Onkel Stephan!«

Sophie klatschte vor Begeisterung in die Hände. Ihre grünen Augen strahlten mit dem gleichfarbigen Turban des Marzipanprinzen um die Wette. Das Figürchen mit seinen roten Pluderhosen, dem gelben weiten Hemd mit schwarzer Weste und der ausladenden Kopfbedeckung schmückte als Aufsatz eine riesige dreistöckige Torte. Vier Miniaturausgaben, ausgestochen aus gefärbtem Marzipan, zierten jeweils die zehn Zentimeter hohen Seiten der drei nach obenhin kleiner werdenden Stockwerke. Die beiden oberen waren zusätzlich von einem Ring aus kandierten Kirschen und Pistazien umgeben.

»Mein Geschenk zur Silberhochzeit unseres hochverehrten Kaiserpaars.« Stephan Danzer strich seiner achtjährigen Lieblingsnichte liebevoll über die blonden Haare, die ihr, zu zwei dicken Zöpfen geflochten, weit über den schmalen Rücken fielen.

Seit dem viel zu frühen Tod seines geliebten Annerls, das ihren gemeinsamen Sohn mit in die Ewigkeit genommen hatte, lebte Stephan Danzer allein und schenkte seine ganze väterliche Liebe den beiden kleinen Töchtern seiner Schwester Henriette. Vor allem die ältere Sophie, deren Pate er war und die ihn so oft wie möglich besuchte, hatte er in sein Herz geschlossen.

Danzer war der Besitzer des Kaffeehauses Prinzess an der Ecke der Dorotheergasse zum Graben, einer der elegantesten Einkaufsstraßen Wiens. Das Haus in der Dorotheergasse hatte Stephan von seinem Vater geerbt, der die heute stadtbekannte Lokalität zwar gegründet, aber nie selbst geleitet hatte. Stephans Familie bewohnte die oberen Etagen des Hauses.

Schon als junger Bub hatte Stephan das Nachbarsmädchen Annerl verehrt, die einzige Tochter des Besitzers des Eckhauses zum Graben, eines ehemaligen Palais. Annerl teilte schon als Kind seine Leidenschaft für das Kaffeehaus und hielt sich so oft dort auf, wie es ihr ihre gestrenge Mutter erlaubte. Die ging natürlich davon aus, dass Annerl Stephans sechs Jahre jüngere Schwester Henriette, die ungefähr im Alter ihrer Tochter war, besuchte und dass sich die Mädchen in der Wohnung der Danzers unter der Aufsicht von Stephans Mutter aufhielten.

Doch die fühlte sich durch die Kinder oft gestört und erlaubte ihnen nur zu gern, die Treppen ins Kaffeehaus hinunterzulaufen. Gemeinsam lungerten Stephan, Henriette und Annerl in der Küche oder einer Nische des Gastraums herum und beobachteten die Herren, die oft über einem einzigen Haferl Melange oder Verlängertem stundenlang die Zeitungen studierten.

Als Annerl zwölf Jahre alt war, starb ihre Mutter an einer Lungenkrankheit. Danach gab ihr Vater seine Tochter zu Stephans großer Betrübnis in ein Pensionat für höhere Töchter. Umso größer war seine Freude, als die kaum Sechzehnjährige endlich wieder nach Hause kam, um ihrem nun ebenfalls gebrechlichen Vater den Haushalt zu führen.

Stephan konnte den Abschluss seiner Zuckerbäckerlehre in der renommierten Konditorei Gerstner in der Kärntnerstraße kaum abwarten, um endlich um Annerls Hand anzuhalten. Zu seiner übergroßen Freude sagte sie Ja und brachte als Mitgift bereits das Haus am Graben, welches ihr der sieche Vater vermacht hatte, mit in die Ehe.

Einige Jahre später verstarb auch Annerls Vater. Nun konnten die beiden ihren Traum verwirklichen, das Kaffeehaus in der Dorotheergasse um ein elegantes Konditor-Café zu erweitern, dessen Eingang zum Graben hin lag. Ein Mauerdurchbruch verband das Café mit den Räumen des ursprünglichen Kaffeehauses.

Das Kaffeehaus hatte sich bis zu diesem Zeitpunkt nicht von vielen anderen Kaffeehäusern Wiens unterschieden. Es bot neben den üblichen Kaffeesorten ein paar einfache Mehlspeisen wie Apfelstrudel oder Buchteln an, außerdem kleine Gerichte wie Schinkensemmeln und Würstel.

Die Besucher waren ausschließlich Männer. Denn anders als im Café durfte dort nach Herzenslust geraucht werden. Natürlich gab es Zeitungen und Zeitschriften aller Art, und natürlich konnte sich jeder Besucher dort so lange aufhalten, wie es ihm genehm war. Auch wenn er lediglich einen Kleinen Schwarzen konsumierte.

Schnell stellte sich heraus, dass das Café eine eigene Backstube brauchte, in der Stephan sein Talent als Zuckerbäcker zur Gänze ausschöpfen konnte. Diese wurde im Souterrain eingerichtet, wo er genug Platz für seine zahlreichen Gerätschaften hatte.

Wer Danzer zum ersten Mal sah, hätte ihn eher für einen Schlachtermeister gehalten als für einen der begnadetsten Zuckerbäcker Wiens. Mit seinen fleischigen Händen formte er aus Teig und allerlei Zuckerwerk die filigransten Kunstwerke.

Annerls und Stephans Glück wäre vollkommen gewesen, hätte der ersehnte Nachwuchs sich endlich eingestellt. Doch erst neun Jahre nach der Hochzeit wurde Annerl zum ersten Mal schwanger.

Ihr Zustand hinderte sie allerdings nicht daran, sich mit der für sie charakteristischen Leidenschaft der kostspieligen Neuausstattung des Cafés zu widmen. Diese sollte dem Haus endgültig einen Rang unter den ersten Zuckerbäcker-Adressen Wiens sichern. Schließlich lag das Etablissement von Ch. Demel’s Söhne, kurz Demel genannt, nur wenige Gehminuten entfernt am Michaelerplatz gegenüber der Hofburg. Dem Café war zudem bereits der k. u. k. Hoflieferantentitel verliehen worden, von dem die Danzers damals noch träumten.

»Gefällt dir mein Werk?«, versicherte sich Danzer nun überflüssigerweise noch einmal der Bewunderung seiner Nichte.

»Oh ja! Die Mokkaprinzentorte ist wunderschön! Aber«, Sophie nutzte die Gunst des Augenblicks, »wann darf ich denn einmal ein Stückerl davon probieren?« Sie hob ihren treuherzig bittenden Blick zur massigen Gestalt ihres Onkels empor.

Die Idee zur »Mokkaprinzentorte«, der herausragenden Spezialität des Cafés Prinzess, verdankte Danzer ebenfalls seiner verstorbenen Gattin. Selbst als Annerls Schwangerschaft immer beschwerlicher wurde, sodass sie das Bett hüten musste, ruhte ihr Geist nicht. »Wir brauchen eine ganz besondere Torte, die jedermann nur mit dem Café Prinzess in Verbindung bringt«, erklärte sie ihrem überraschten Gatten eines Abends, als er neben ihrem Krankenbett saß. »Und ich habe auch schon etwas im Sinn, was so leicht von niemandem übertroffen werden kann.« Dann begann sie, Stephan ihren Plan zu erläutern.

Auf einer Reise nach München hatten die beiden vor einigen Jahren eine Torte gekostet, an die Annerl sich später immer wieder erinnert hatte. Sie bestand aus verschiedenen Biskuitböden und Buttercremeschichten und hatte beiden damals ausgezeichnet gemundet. Von ihrem Krankenbett aus entwickelte sie nun gemeinsam mit Stephan ein an diese Köstlichkeit angelehntes Rezept, das er dann tagsüber immer wieder ausprobierte. Abends brachte er Annerl eine Kostprobe der Torte, die sie unzählige Male verwarf, bis sie beide endlich zufrieden waren.

Entstanden war schließlich eine im Aufbau ähnliche, doch im Geschmack ganz andersartige Torte als die damals in München verkostete. Ihr Aroma erhielt sie vor allem durch die Zutat des berühmten Wiener Kaffees, den es in der ganzen Hauptstadt mittlerweile in unzähligen Variationen gab.

Sechs hauchdünne Biskuitböden wurden mit köstlicher Mokkabuttercreme bestrichen und übereinandergelegt. Der letzte Boden wurde, genauso wie die gesamte Torte, zusätzlich mit einer Marzipanschicht überzogen, die mit Kakaopulver hellbraun gefärbt und geschmacklich verfeinert war. Verziert wurde das Werk zunächst mit Mokkabohnen aus Bitterschokolade, Mandeln und Tupfern aus Schlagobers.

Zwar sprachen die Gäste des Cafés Prinzess der Torte von Anfang an zu. Deren Triumphzug erlebte Annerl zu Stephans großer Trauer allerdings nicht mehr mit. Im achten Monat ihrer Schwangerschaft erlitt sie eine Totgeburt und starb wenige Stunden später an ihren nicht zu stillenden Blutungen.

Mehr denn je hatte sich Stephan nach diesem entsetzlichen Verlust in die Arbeit gestürzt. In kürzester Zeit verhalf er dem Café Prinzess zu einem Bekanntheitsgrad, der durchaus mit dem des Demel und des zweiten k. u.k Hoflieferanten, der Konditorei Gerstner, mithalten konnte. Dabei spielte die Prinzess-Torte, wie Danzer sein Werk zunächst nannte, keine unerhebliche Rolle. Dennoch schien noch etwas zu fehlen.

Die zündende Idee war Stephan Danzer dann im vergangenen Jahr gekommen, als der einzige Sohn Kaiser Franz Josephs, Kronprinz Rudolf, im August 1878 seinen zwanzigsten Geburtstag feierte. Er sandte eine seiner Prinzess-Torten an das allmächtige Obersthofmeisteramt und ließ nachfragen, ob er die Torte zu Ehren des Thronfolgers in Zukunft »Kronprinz-Rudolf-Torte« nennen dürfe.

Diese Bitte wurde zwar letztlich abschlägig beschieden, da sich dies mit der Würde des Kaiserhauses nicht vereinbaren ließe, lautete die Antwort. Aber das Glück war Stephan Danzer trotzdem hold.

Durch ein Missgeschick in der Hofküche hatte es zum festlichen Diner des Kaisers, zu dem auch einige Gäste geladen waren, ausgerechnet an diesem Tag an Nachspeisen gefehlt. Der Obersthofmeister erinnerte sich an Danzers Präsent, das alsbald an der hochherrschaftlichen Abendtafel serviert wurde und sowohl dem Kronprinzen als auch dem Kaiser höchstpersönlich vorzüglich mundete. Als es zu kaiserlichen Nachbestellungen kam, bewarb sich Danzer sofort um den Titel des Hoflieferanten, den ihm das Obersthofmeisteramt nur wenige Wochen später zuerkannte.

Diesen Titel ließ sich der Hof mit einer Taxe von fünfhundert Gulden zwar teuer bezahlen. Er wurde aber gleichwohl nur wenigen ausgewählten Unternehmen verliehen. Daher war der Titel aufgrund der damit...

Erscheint lt. Verlag 28.9.2020
Reihe/Serie Die Kaffeehaus-Saga
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte Affäre Meyerling • Ball • Café • eBooks • Familiensaga • Fin de siècle • Historische Romane • Hofburg • Hofreitschule • Kaiser Franz Joseph • Kronprinz Rudolf • k und k • Mary Vetsera • Österreich • Sissi • Walzer • Wien
ISBN-10 3-641-25143-5 / 3641251435
ISBN-13 978-3-641-25143-7 / 9783641251437
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