Angst in deinen Augen (eBook)

(Autor)

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2020 | 1. Auflage
304 Seiten
Harpercollins (Verlag)
978-3-95967-947-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Angst in deinen Augen - Tess Gerritsen
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Hätte Nina Cormier ihrem Verlobten das Ja-Wort gegeben, wäre sie jetzt tot. Doch da er sie in letzter Minute vor dem Altar stehen lassen hat, explodiert die Bombe in einer leeren Kirche. Detective Sam Navarro vom Portland Police Departement steht vor einem Rätsel: Hat der Anschlag etwas mit der Bombenexplosion zu tun, die Navarros Partner erst kürzlich das Leben kostete? Oder war die Kirche vielleicht doch nur ein rein zufällig ausgewähltes Ziel? Die Tat trug die Handschrift des berüchtigten Attentäters Vincent Spectre - aber der ist seit einem halben Jahr tot. Navarros einziger Anhaltspunkt ist und bleibt Nina. Und so kümmert er sich ab sofort persönlich um ihre Sicherheit - in der Hoffnung, tiefere Einblicke zu gewinnen ...



Tess Gerritsen studierte Medizin und arbeitete mehrere Jahre als Ärztin, bis sie für sich das Schreiben von Romantic- und Medical-Thrillern entdeckte. Die Kombination von fesselnden Stories und fundierten medizinischen Kenntnissen brachte ihr den internationalen Durchbruch. Die Bestseller-Autorin lebt mit ihrem Mann in Maine.

1. KAPITEL

Die Hochzeit fand nicht statt. Sie war geplatzt. Schluss, aus, vorbei. Alles kaputt.

Nina Cormier saß vor dem Spiegel im Ankleidezimmer der Kirche und fragte sich, warum sie nicht einmal weinen konnte. Sie wusste, dass tief in ihrem Inneren der Schmerz wütete, überdeckt von einer seltsamen Gefühllosigkeit, aber sie spürte ihn nicht. Noch nicht. Sie konnte nur dasitzen und ihr Spiegelbild aus tränenlosen Augen anstarren – das wunderschöne Bild einer Braut. Wie feiner Nebel lag der hauchdünne Schleier um ihr Gesicht. Bezaubernd das elfenbeinfarbene Satinkleid mit schulterfreiem, mit Saatperlen besticktem Mieder. Zu einem weichen Knoten zusammengefasst die langen schwarzen Haare. Alle, die sie an diesem Morgen im Ankleidezimmer gesehen hatten – ihre Mutter, ihre Schwester Wendy, ihre Stiefmutter Daniella –, hatten gesagt, sie sei eine wunderschöne Braut.

Ja, das wäre sie gewesen – wenn der Bräutigam so nett gewesen wäre, aufzutauchen.

Tatsächlich hatte er nicht einmal den Mut aufgebracht, es ihr persönlich zu sagen. Nach sechs Monaten, in denen sie geplant und geträumt hatte, erhielt sie seine Absage gerade mal zwanzig Minuten vor Beginn der Zeremonie, zu allem Überfluss überbracht von seinem Trauzeugen.

Nina,

ich brauche Zeit, um darüber nachzudenken. Es tut mir leid, es tut mir wirklich leid. Ich werde die Stadt für ein paar Tage verlassen. Ich rufe dich an.

Robert

Sie zwang sich, die Nachricht noch einmal zu lesen.

Ich brauche Zeit … Ich brauche Zeit …

Wie viel Zeit braucht ein Mann? fragte sie sich.

Vor einem Jahr war sie mit Dr. Robert Bledsoe zusammengezogen. Nur so können wir herausfinden, ob wir zusammenpassen, hatte er ihr gesagt. Mit einer Heirat ging man eine so umfassende, so auf Dauer angelegte Bindung ein, dass er keinen Fehler begehen wollte. Mit einundvierzig Jahren hatte Robert schon genügend Erfahrung mit katastrophal verlaufenden Beziehungen gemacht. Noch mehr Fehler wollte er unter allen Umständen vermeiden. Wollte sichergehen, dass Nina wirklich die Frau war, auf die er sein Leben lang gewartet hatte.

Sie war sich sicher gewesen, dass Robert der Mann war, auf den sie gewartet hatte. So sicher, dass sie noch am selben Tag, an dem er vorgeschlagen hatte, zusammenzuziehen, direkt nach Hause gefahren war und ihre Koffer gepackt hatte …

»Nina? Nina, mach die Tür auf!« Ihre Schwester Wendy rüttelte am Türknauf. »Bitte, lass mich rein.«

Nina ließ den Kopf sinken und schlug die Hände vors Gesicht. »Ich will jetzt niemanden sehen.«

»Du brauchst jetzt jemanden um dich.«

»Ich will einfach nur allein sein.«

»Hör zu, die Gäste sind alle gegangen. Die Kirche ist leer. Hier draußen bin nur noch ich.«

»Ich will jetzt mit niemandem reden. Geh einfach nach Hause, ja? Bitte, geh einfach.«

Vor der Tür blieb es lange völlig still. »Wenn ich jetzt wegfahre«, sagte Wendy schließlich, »wie kommst du dann nach Hause? Irgendwer muss dich doch fahren.«

»Dann rufe ich mir eben ein Taxi. Oder bitte Reverend Sullivan, mich nach Hause zu fahren. Ich brauche Zeit zum Nachdenken.«

»Du bist sicher, dass du nicht reden möchtest?«

»Ganz sicher. Ich rufe dich später an, in Ordnung?«

»Wenn du das wirklich willst.« Wendy schwieg einen Moment. Dann setzte sie so giftig, dass es durch die schwere Eichentür zu hören war, hinzu: »Robert ist ein Arschloch, weißt du. Das kann ich dir jetzt auch sagen. Ich habe ihn schon immer für ein Arschloch gehalten.«

Nina antwortete nicht. Sie saß am Ankleidetisch, den Kopf in den Händen, und wollte weinen, aber es kam keine einzige Träne. Sie hörte, wie sich Wendys Schritte entfernten, dann nur noch die Stille der leeren Kirche. Immer noch kamen keine Tränen. Sie konnte jetzt nicht über Robert nachdenken. Stattdessen kreisten ihre Gedanken hartnäckig um die praktischen Seiten einer abgesagten Hochzeit. Die Speisen, die für den Empfang bereitstanden und nicht gegessen werden würden. Die Geschenke, die sie zurückgeben musste. Die Flugtickets nach St. John Island, die nicht erstattungsfähig waren. Vielleicht sollte sie einfach allein auf ihre Hochzeitsreise gehen und Dr. Robert Bledsoe vergessen. Ja, sie würde allein fliegen, nur sie und ihr Bikini. Dann würde sie dieser Geschichte, die ihr das Herz gebrochen hatte, wenigstens eine gesunde Bräune abgewinnen können.

Langsam hob sie den Kopf und betrachtete noch einmal ihr Spiegelbild. Doch keine so schöne Braut, dachte sie. Ihr Lippenstift war verschmiert, ihr Haarknoten begann sich zu lösen. Sie verwandelte sich in ein Wrack.

In plötzlicher Wut langte sie nach oben und riss sich den Schleier vom Kopf. Haarnadeln flogen in alle Richtungen davon, und ihre schwarzen Haare fielen ihr wie befreit auf die Schultern. Zum Teufel mit dem Schleier. Sie warf ihn in den Mülleimer. Den Brautstrauß aus weißen Lilien und rosa Sweetheart-Rosen pfefferte sie schwungvoll hinterher. Das tat gut. Ihr Zorn schien ihre Adern wie ein neuer, energiereicher Kraftstoff zu durchfluten und gab ihr den Schwung, aufzuspringen.

Raschen Schrittes verließ sie das Ankleidezimmer, ihre Schleppe schleifte über den Boden, als sie das Kirchenschiff betrat.

Die Sitzbänke waren leer. Girlanden aus weißen Nelken schmückten den Gang, ein luftiges Gesteck aus rosa Rosen und Schleierkraut den Altar. Die Bühne war wunderschön bereitet für eine Hochzeit, die nun niemals stattfinden würde. Aber Nina nahm kaum wahr, was die Floristen in harter Arbeit so hübsch hergerichtet hatten, als sie am Altar vorbeischritt und den Gang hinunterging. Ihre ganze Aufmerksamkeit galt dem Ausgang. Flucht war alles, woran sie denken konnte. Selbst als Reverend Sullivan ihr besorgt nachrief, wurde sie nicht langsamer. Sie marschierte an all den blumigen Erinnerungen an das Fiasko dieses Tages vorbei und stieß die Doppeltür auf, die ins Freie führte.

Dort, auf den Stufen der Kirche, blieb sie abrupt stehen. Die Julisonne blendete sie, und ihr wurde plötzlich und schmerzlich bewusst, wie auffällig sie sein musste: eine einsame Frau im Brautkleid, die versuchte, ein Taxi herbeizuwinken. Erst jetzt, als sie wie erstarrt im grellen Nachmittagslicht stand, spürte sie, wie ihr die ersten Tränen brennend heiß in die Augen stiegen.

Oh nein, großer Gott, nein. Sie würde einen Zusammenbruch erleiden und hier auf der Treppe in Tränen ausbrechen. Ausgerechnet hier, wo man sie aus jedem Auto, das auf der Forest Avenue vorbeifuhr, sehen konnte.

»Nina? Nina, Liebes.«

Sie drehte sich um. Reverend Sullivan stand eine Stufe über ihr, Besorgnis in seiner freundlichen Miene.

»Kann ich etwas für dich tun? Irgendetwas?«, fragte er. »Wenn du möchtest, können wir hineingehen und reden.«

Sie schüttelte kläglich den Kopf. »Ich möchte fort von hier. Bitte, ich möchte einfach nur fort.«

»Natürlich, natürlich.« Sanft nahm er sie beim Arm. »Ich fahre dich nach Hause.«

Reverend Sullivan führte sie die Treppe hinunter und um das Gebäude herum nach hinten zum Parkplatz für die Angestellten. Sie nahm ihre Schleppe hoch, die sie bis jetzt hinter sich her geschleift hatte und die entsprechend verschmutzt war, bevor sie in seinen Wagen stieg. Da saß sie nun mit meterweise Satin auf ihrem Schoß.

Reverend Sullivan glitt hinters Steuer. Die Hitze im Auto war erdrückend, dennoch ließ er nicht den Motor an. Stattdessen saßen sie einen Moment in unbehaglichem Schweigen da.

»Ich weiß, es ist schwer zu verstehen, welchen möglichen Grund der Herrgott für all das haben mag«, sagte er schließlich leise. »Aber ganz sicher gibt es einen Grund, Nina, auch wenn du ihn im Moment nicht sehen kannst. Ja, dir mag es vorkommen, als hätte der Herr sich von dir abgewandt.«

»Robert hat sich von mir abgewandt«, erwiderte sie. Schniefend griff sie nach einer sauberen Ecke ihrer Schleppe und wischte sich damit über ihr Gesicht. »Hat mir den Rücken zugekehrt und ist davongerannt, als wäre der Teufel hinter ihm her.«

»Zwiespältige Gefühle gibt es häufig beim Bräutigam. Ich bin sicher, dass Dr. Bledsoe das Gefühl hatte, dies sei ein großer Schritt für ihn …«

»Ein großer Schritt für ihn? Ich nehme an, zu heiraten ist für mich nur ein kleiner Spaziergang durch den Park?«

»Nein, nein, du verstehst mich falsch.«

»Ach, bitte.« Sie schluchzte unterdrückt. »Fahren Sie mich einfach nach Hause.«

Kopfschüttelnd steckte er den Zündschlüssel ins Schloss. »Ich wollte dir nur auf meine unbeholfene Art und Weise erklären, dass davon die Welt nicht untergeht, Liebes. So ist das Leben. Das Schicksal hält immer Überraschungen für uns bereit, Nina, unerwartete Krisen. Dinge, die uns aus heiterem Himmel treffen.«

Im selben Moment erschütterte ein ohrenbetäubender Knall das Kirchengebäude. Die Explosion ließ die Buntglasfenster bersten, und ein Hagel aus bunten Glassplittern prasselte auf den Parkplatz. Zerfetzte Gesangsbücher und Bruchstücke von Kirchenbänken regneten auf den Asphalt.

Als sich der weiße Rauch allmählich legte, sah Nina, wie Blütenblätter sanft vom Himmel schwebten und sich vor Reverend Sullivans erschrockenen Augen auf der Windschutzscheibe niederließen.

»Aus heiterem Himmel«, murmelte sie. »Besser hätten Sie das nicht ausdrücken können.«

»Sie zwei haben eindeutig die größte Scheiße des Jahres gebaut.«

Sam Navarro, Police...

Erscheint lt. Verlag 8.4.2020
Übersetzer Anita Sprungk
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Original-Titel Keeper of the Bride
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte action thriller • gute Thriller • Krimi • Kriminalroman • krimi und thriller • tess gerritsen bücher • tess gerritsen die meisterdiebin • tess gerritsen sag niemals stirb • Thriller • Thriller Buch • Thriller Krimi
ISBN-10 3-95967-947-5 / 3959679475
ISBN-13 978-3-95967-947-3 / 9783959679473
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