Starting a Revolution (eBook)

Was wir von Unternehmerinnen über die Zukunft der Arbeitswelt lernen können | Feminismus & Arbeit: Ratgeber zu Unternehmenskultur, Innovation, Wachstum und Sinn im Beruf
eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
208 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-2331-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Starting a Revolution -  Naomi Ryland,  Lisa Jaspers
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Die Berliner Startup-Gründerinnen Lisa Jaspers und Naomi Ryland sehnten sich nach neuen Wegen für ihren Berufsalltag: Wie können Normen wie Wachstum um jeden Preis, Wettbewerb, Druck, Konkurrenz und Aggressivität gebrochen werden? Wie kann angesichts der aktuellen globalen Herausforderungen in Zeiten der digitalen Transformation und desillusionierter Arbeitnehmer*innen ein Kulturwandel in Firmen gelingen? Sie fanden sieben Unternehmerinnen, die Themen wie Führung und Leadership, Personal- und Organisationsentwicklung, Innovation und Fundraising anders angehen und damit erfolgreich sind. Die Frauen stellen konventionelle Business-Wahrheiten auf den Kopf und machen Lust auf eine Revolution in der Arbeitswelt - für alle. Ein horizonterweiterndes, mit vielen persönlichen Erfahrungen angereichertes Buch und ein wegweisendes Manifest für die Wirtschaftswelt von morgen.

Naomi Ryland,*1985, lebt seit 2008 in Berlin und ist Gründerin von tbd*, der Karriere-Plattform für Menschen, die sich auf Sinnsuche befinden. Durch tbd* konnten sich bereits eine Million Menschen über nachhaltige Jobs informieren, sich mit Gleichgesinnten vernetzen oder das richtige Team rekrutieren. Naomi hat Germanistik und Intercultural Conflict Management studiert und ist Gründungsmitglied von SEND (Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland).

Naomi Ryland,*1985, lebt seit 2008 in Berlin und ist Gründerin von tbd*, der Karriere-Plattform für Menschen, die sich auf Sinnsuche befinden. Durch tbd* konnten sich bereits eine Million Menschen über nachhaltige Jobs informieren, sich mit Gleichgesinnten vernetzen oder das richtige Team rekrutieren. Naomi hat Germanistik und Intercultural Conflict Management studiert und ist Gründungsmitglied von SEND (Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland).

Vorwort


Naomis Geschichte:
Der Funke, der das Feuer entfachte


Sei aggressiv. Zeig keine Schwäche. Gib nie zu, dass du etwas nicht weißt, sondern rede einfach irgendetwas, und löse die Probleme später. Übertreibe bei der Umsatzprognose. Sprich darüber, wie du deine Konkurrenz ausschalten wirst. Erzähle den potenziellen Investor*innen, dass es bereits andere Interessent*innen gibt, egal, ob das stimmt oder nicht. Stelle beide Füße fest auf den Boden, und straffe die Schultern. Senke deine Stimme.

All diese Ratschläge bekamen meine Mitgründerinnen und ich zu hören, als wir uns für unsere Firma tbd* auf Investor*innen-Suche begaben. Es sind gute Tipps. Genau so muss man es machen, wenn man im Start-up-System von heute an Kapital kommen will. Teilweise basieren diese Ratschläge auf unserer menschlichen Konditionierung: Wir setzen Maskulinität mit Selbstbewusstsein gleich und verwechseln dieses dann mit Kompetenz.1 Chamorro-Premuzic, Tomas. »Why do so many incompetent men become leaders?« Harvard Business Review, 22. August 2013. https://hbr.org/2013/08/why-do-so-many-incompetent-men Soweit ich es beurteilen kann, funktioniert diese Herangehensweise für ziemlich viele Start-up-Gründer*innen. Aber mich brachte sie zum Nachdenken. Führt nicht genau dieses System, in dem vor allem die extrovertierten, vor Selbstbewusstsein strotzenden Blender*innen erfolgreich sind, zu einer Welt, in der acht Männer genauso viel Vermögen besitzen wie 50 Prozent der Weltbevölkerung?2 Oxfam-Presseerklärung. »An economy for the 99 %«, 16. Januar 2017. https://www.oxfam.org/en/pressroom/pressreleases/2017-01-16/just-8-men-own-same-wealth-half-world Und will ich ein Teil dieses Wirtschaftssystems sein? Gibt es keinen anderen Weg?

Zugegeben, meine Mitgründerinnen und ich sind vielleicht etwas naiv an die ganze Start-up-Sache herangegangen. 2014 gewannen wir einen Platz in einem Inkubator-Programm zur Förderung von Unternehmensgründungen. Von den insgesamt 20 Teams waren wir das einzige rein weibliche. Außerdem waren wir die einzige Firma mit einer sozialen Mission: Mit tbd*, einer Jobbörse und Online-Community, wollten wir Menschen in Arbeit bringen, die dem Planeten und der Gesellschaft zugutekommt, zu einer Zeit, bevor es so richtig im Trend war. Wir waren Pionierinnen.

Doch ohne es zu merken, verloren wir uns schon bald in den Untiefen des unternehmerischen »Business as usual«. Nach ein paar Monaten begannen wir mit der Suche nach Investor*innen, weil wir dachten, das sei der logische nächste Schritt. Wir wollten Impact-Investor*innen, die unsere sozialen Ziele unterstützen würden, aber von allen Seiten riet man uns, außerdem auch nach klassischen Investor*innen Ausschau zu halten. Und dem Rat folgten wir.

Diese Entscheidung veränderte alles. Dank meiner Privilegien als weiße Europäerin aus der Mittelschicht war die Suche nach Investor*innen tatsächlich das erste Mal, dass ich das Gefühl hatte, mich bewusst für ein Spiel entscheiden zu müssen, das ich eigentlich nicht mitspielen wollte. Doch ich dachte, um eine Finanzierung für tbd* zu bekommen, würde ich die Zähne zusammenbeißen und in die Schlacht ziehen müssen. Mit einem klaren Fokus auf die monetären Ziele und mit wenig Rücksicht darauf, was dies für mich, die eigenen Mitarbeiter*innen, Zulieferer*innen, Konkurrent*innen oder Investor*innen bedeuten könnte.

Ich hatte nie Angst davor, hart zu arbeiten. Dieses Spiel spiele ich schon mein ganzes Leben und bin bisher immer ganz gut damit gefahren. Also versuchte ich, mich auch dieses Mal mit harter Arbeit durchzubeißen. Aber irgendetwas sträubte sich in mir, und ich fühlte mich immer unwohler. Jeden Tag gegen meine eigene Intuition ankämpfen zu müssen, war nicht leicht. Trotzdem trafen wir immer neue Investor*innen (es war tatsächlich nur eine Frau dabei) und erzählten ihnen, was sie hören wollten. Ich kam an den Punkt, dass mir vor Meetings regelmäßig übel wurde und ich am liebsten losgeheult hätte. Auf Pitch-Veranstaltungen beobachtete ich die Männer auf dem Podium, die oft vor Selbstbewusstsein nur so strotzten (selbst, wenn sie schlecht vorbereitet waren), und versuchte, sie zu imitieren. Und wenn ich mich einschleimen und das Ego von Investor*innen streicheln musste, machte ich auch das. Ich fühlte mich schrecklich dabei, und es schien noch nicht mal wirklich zu fruchten. Zu unserem ersten Investoren-Meeting hatten wir einen männlichen Angestellten mitgebracht – und der Investor sprach tatsächlich ausschließlich ihn namentlich an und richtete das Wort kein einziges Mal an mich oder meine Mitgründerinnen. Von einem anderen Investor bekamen wir das Feedback, dass wir arrogant wirken würden. Andere gaben uns unterschwellig das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden – wir wurden häufiger nach unserer Freundschaft untereinander als nach unserer Qualifikation gefragt.

Zu guter Letzt bekamen wir unser Kapital von klugen und herzlichen Impact-Investor*innen, die hinter unserer sozialen Mission standen. So konnten wir eine Firma aufbauen und am Laufen halten, die Tausenden Einzelpersonen und Organisationen dabei hilft, die Welt jeden Tag ein bisschen besser zu machen.

Unsere Erfahrungen bei der Kapitalbeschaffung hatten uns jedoch einen Einblick in eine Welt verschafft, mit der wir bis dahin im Grunde nichts zu tun hatten. Durch den Prozess wurde mir zum ersten Mal bewusst, dass die Start-up-Szene meist stereotypes Alpha-Verhalten belohnt, das meiner Meinung nach aus einer Kombination der unangenehmsten menschlichen Eigenschaften besteht. Spürte ich dieses Unbehagen, weil ich eine Frau bin? Bis zu einem gewissen Grad sicherlich. Aber ich kenne auch viele Männer, die diese Investment-Kultur ablehnen. Unsere Erkenntnis, dass wir dieses Spiel nicht länger mitspielen wollten, kam leider spät. Nach der ersten Finanzierungsrunde schwor ich mir und meinen Mitgründerinnen: so nie wieder!

Aber wie finanziert man sein Unternehmen, wenn man den altbekannten Weg nicht gehen will? Und was noch wichtiger ist: Wie baut man eine Firma auf? Die Gründung und Finanzierung meiner Firma war der Anfang eines langen und schmerzhaften Prozesses: Ich erkannte langsam, dass ich unabsichtlich einen Beitrag dazu leistete, ein kaputtes System aufrechtzuerhalten, das viel mehr umfasst als die Beschaffung von finanziellen Mitteln. Denn unsere Wahrnehmung davon, wie man richtig führt und welche Rolle Wachstum spielt, ist durch ein Bild von Erfolg bestimmt, das bisher von einer sehr kleinen, sehr homogenen Gruppe von Menschen geprägt wurde. Dieses Buch zu schreiben, war das letzte Puzzlestück, das mir noch fehlte: Denn endlich lernte ich, wie man es anders machen kann. Ich lernte, wie man eine Revolution startet.

Als das Haus einstürzte


Meine Mitgründerinnen und ich wollten unsere Firma von Anfang an anders führen. Wir wollten menschlich, nahbar und wertschätzend sein. Wir wollten eine Arbeitsumgebung schaffen, in der wir uns wohlfühlten. Wir wollten selbst Spaß bei der Arbeit haben, aber vor allem eine Atmosphäre ermöglichen, in der sich unser Team wohlfühlte. Wir wollten unsere Arbeit gut machen, und mehr als das, wir wollten die Welt verändern (zu niedrig gesteckte Ziele waren noch nie unser Problem). Wir wollten die größte globale Marke für Impact-Berufe werden und dabei finanziell abgesichert sein, ja vielleicht sogar in Wohlstand leben. Das alles wollten wir erreichen, ohne Kompromisse einzugehen und ohne unsere Integrität zu gefährden. Wir wollten unsere Konkurrenz nicht ausschalten, sondern mit ihr zusammenarbeiten. Wir wollten nicht ausschließlich gewinnorientiert arbeiten. Wir wollten unsere Mitarbeiter*innen nicht unter Druck setzen. Wir haben Millionen Menschen erreicht, Preise gewonnen, Keynote-Vorträge gehalten und Interviews gegeben. Und trotzdem haben wir genau das gemacht, was wir eigentlich nicht wollten: Wir haben uns so sehr unter Druck gesetzt, dass wir fast daran zerbrochen sind. In den letzten Jahren hatten meine beiden Mitgründerinnen Burn-outs. Auch im restlichen Team kriselte es immer wieder, was dazu führte, dass wir ein paar großartige Leute verloren.

Aber diese Krisenmomente waren nur die Spitze des Eisbergs. Wir hatten uns zwar vorgenommen, alles anders zu machen – aber als wir uns umschauten, wurde uns klar, dass wir weiterhin Gefangene des Systems waren. Wir waren bestimmt keine Tyrannen und behandelten unsere Angestellten respektvoll, ließen ihnen eine Menge Freiheit, waren freundlich und versuchten, die Chefinnen zu sein, die wir selbst gerne gehabt hätten. Doch wir arbeiteten bis zur Erschöpfung, weil wir ihnen ein »gutes Beispiel« sein wollten, und das spiegelte auch unsere Erwartungen an das Team wider. Vor allem ich hatte verinnerlicht, dass allein Stress und Druck zu produktiver Arbeit führen können, und gab diese Einstellung – bewusst wie unbewusst – an unsere Mitarbeiter*innen weiter. Einige begannen, uns zu abzulehnen. Schlecht über uns zu sprechen. Obwohl wir »nette Chefinnen« waren, hatten wir es irgendwie geschafft, die Arbeitsatmosphäre zu vergiften und dadurch auch unseren eigenen Alltag unangenehm und belastend zu machen. Warum war es uns nicht möglich gewesen,...

Erscheint lt. Verlag 31.8.2020
Übersetzer Violeta Topalova
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Sachbuch/Ratgeber Beruf / Finanzen / Recht / Wirtschaft Bewerbung / Karriere
Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Wirtschaft Betriebswirtschaft / Management Personalwesen
Wirtschaft Betriebswirtschaft / Management Unternehmensführung / Management
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ISBN-10 3-8437-2331-1 / 3843723311
ISBN-13 978-3-8437-2331-2 / 9783843723312
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