Saale Premium - Die Frauen vom Weinschloss (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
400 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-2284-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Saale Premium - Die Frauen vom Weinschloss -  Paula Seifert
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Die dramatische Familiengeschichte im Weinschloss geht weiter 1916, zwischen Saale und Unstrut. Hedda leitet das Weingut der Familie, ihr Sekt Saale-Premium ist ein großer Erfolg. Doch der Krieg stellt alles in Frage. Als eine junge Französin vor der Tür steht und Ansprüche auf das Gut erhebt, muss Hedda handeln. Vor allem weil beide Frauen sich in denselben Mann verlieben. Drei Generationen Frauen aus einer Familie, deren Schicksal eng mit der Kunst des Sektkelterns im Unstruttal verbunden ist. Vom Kaiserreich bis zum Mauerfall. Ungewöhnliche Frauenwege, große Liebesgeschichten, unausweichliche Schicksalsschläge in stürmischen Zeiten packend und lebensnah erzählt.  Band 3: Der Himmel über dem Weinschloss (29.01.2021)

Paula Seifert, geboren 1966 in Taucha bei Leipzig, arbeitete nach dem Studium der Kunstgeschichte in der Deutschen Bücherei Leipzig, danach im Verlag Edition Leipzig. 1995 zieht sie nach Bad Hersfeld in Hessen, wo sie heute mit Mann und Hund lebt. 

Paula Seifert, geboren 1966 in Taucha bei Leipzig, arbeitete nach dem Studium der Kunstgeschichte in der Deutschen Bücherei Leipzig, danach im Verlag Edition Leipzig. 1995 zieht sie nach Bad Hersfeld in Hessen, wo sie heute mit Mann und Hund lebt. 

1


Aenne hielt die Luft an und ließ die Zeitung mit dem Datum 3. August 1914 sinken. Sie blickte aus dem Fenster. Draußen strahlte die Sonne, ein leichter Wind bewegte die Gardinen am offenen Fenster, die Lerchen zwitscherten, das Hausmädchen klapperte mit Geschirr.

Alles war genau wie gestern, und alles hatte sich verändert.

»Krieg«, murmelte sie vor sich hin.

»Was hast du gesagt?«, wollte ihre Tochter Hedda wissen. Sie saß ihr am Frühstückstisch gegenüber, blätterte in der Winzerzeitung und trank ab und an einen Schluck Kaffee. Vor ihr auf dem Teller lag ein angebissenes Brötchen, eine Biene summte um das offene Glas mit der Erdbeermarmelade. Ein Sonnenstrahl fiel auf ihr hellbraunes Haar und ließ es leuchten.

»Jetzt ist wirklich Krieg«, wiederholte Aenne. Solange sie lebte, hatte es keinen Krieg gegeben, sah man vom Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 ab. Aber da war sie noch ein Kind gewesen.

Das Herz klopfte ihr mit einem Mal bis zum Hals. Sie hatte das Gefühl, etwas tun zu müssen. Doch was tat man, wenn plötzlich Krieg war?

»Vorgestern hat Deutschland den Russen den Krieg erklärt und nun auch den Franzosen. Es wird zur allgemeinen Mobilmachung aufgerufen. Alle Männer zwischen achtzehn und vierzig Jahren sollen sich freiwillig melden.« Hedda hatte sich die Zeitung genommen und fasste die Ereignisse zusammen. »Das heißt wohl, dass wir die Lese in diesem Jahr allein schaffen müssen.«

Die Lese! Daran hatte Aenne noch gar nicht gedacht. In ungefähr sechs Wochen mussten die Trauben von den Weinstöcken des Gutes Saale-Premium geerntet werden. Dreihundert Hektar Rebfläche, davon allein hundertzwanzig Hektar für den Spitzenwein des Gutes, den Saale-Premium, ein Cuvée, das vorrangig aus Weißburgunder- und Rieslingtrauben gekeltert wurde.

Plötzlich hielt Aenne nichts mehr auf dem Schlösschen. Sie musste hinunter in die kleine Stadt Freyburg, musste unter Menschen, musste hören, was jetzt zu tun war, musste sich vergewissern, dass das Leben trotzdem weiterging. Aenne richtete ihren Rock, strich sich durchs Haar, setzte ihren Hut auf, nahm ihre Handtasche und trat vor die Tür.

Aus der Waschküche trat Trudi, das Hausmädchen, mit einem vollen Wäschekorb.

»So ein strahlender Tag, trotzdem bricht Krieg aus.« Aenne merkte selbst, wie seltsam dieser Satz klang. Als ob es nur bei schlechtem Wetter und Regen Krieg gäbe.

»Ein Tag zum Anbeißen«, erwiderte Trudi.

Trudi war noch nicht lange auf dem Weinschloss. Erst seit zwei Jahren, nachdem die alte Haushälterin Luzie sich zur Ruhe gesetzt hatte. Trudi kam aus der Nähe von Leipzig und verfügte über die typisch sächsische Mundart mit ihren vielen lustigen Begriffen. Aenne liebte es, ihre zweite Tasse Kaffee gegen elf Uhr an dem sauber geputzten Küchentisch zu trinken und von Trudi den neuesten Klatsch und Tratsch aus Freyburg zu hören. Da sie an vielen Tagen außer ihren Weinbergen, den Arbeitern, die sie für die Lese angestellt hatte, und den Büchern für die Buchhaltung nichts anderes zu sehen und hören bekam, interessierte sie der Klatsch mehr, als sie zugeben mochte.

»Gehen Sie in die Stadt hinunter?«, wollte Trudi wissen.

»Ja, meine Liebe, das tue ich.«

»Oh bitte, wenn Sie am Kaufladen der Hirschs vorbeikommen, bringen Sie mir doch bitte eine Tüte Himbeerbonbons mit. Für fünf Pfennige.«

»Ich werde daran denken«, versprach Aenne.

Sie ließ das Auto stehen, denn sie brauchte Bewegung. Die brauchte sie immer, wenn sie aufgewühlt war. Also lief sie die sechs Kilometer den Hügel hinab zum Städtchen.

Der Schuldirektor kam ihr auf halber Strecke entgegen und lüpfte seinen Hut zum Gruß. Er trug wie immer ein dunkelbraunes Jackett aus Manchesterstoff und auf dem Kopf einen braunen weichen Hut.

Ein paar Straßenecken weiter standen zwei alte Frauen beisammen und winkten Aenne gut gelaunt zu, als hätten sie noch keine Zeitung gelesen. »Geht es euch gut dort oben?«, wollte die eine wissen, die ihnen einmal im Monat frische Eier von den eigenen Hühnern zum Schlösschen brachte und hernach bei einer Tasse Kaffee berichtete, was in Freyburg passiert war. »Nächste Woche bringe ich euch wieder drei Dutzend Eier.«

»Wenn du hast, leg noch ein Suppenhuhn dazu«, bat Aenne, winkte und ging weiter.

Ein Fuhrwerk, beladen mit Heuballen, rumpelte vorüber, und vor der Brauerei wurden Fässer aufgeladen.

Vor Hirschs Lebensmittelladen standen ein paar Leute zusammen.

»Krieg«, hörte sie die alte Liesbeth Adler sagen, von der es hieß, ihr Vater sei ein Zigeuner gewesen und sie habe das zweite Gesicht. »Harte Zeiten kommen auf uns zu. Blut und Verderben.« Liesbeth stützte sich dabei auf ihren Stock, und Aenne überlegte, wie alt sie jetzt sein mochte. Weit über die achtzig, wenn nicht gar neunzig Jahre alt. Und noch immer rüstig.

»Ach was!«, fiel ihr Klärchen Stippak ins Wort. Sie schüttelte den Kopf, dass die grauen Löckchen flogen. »Weihnachten ist alles vorbei.«

»Ja, das sagt man, aber ich weiß, was ich weiß. Dieser Krieg wird lang und grausam.«

»Was du da redest!« Klärchen Stippak machte eine wegwerfende Handbewegung.

Holzmanns Grete, eine Frau in mittleren Jahren, verzog das Gesicht, als würde sie gleich anfangen wollen zu weinen.

»Meine vier Jungs. Sie wollen sich freiwillig melden.« Ihre Stimme zitterte, als sie das sagte.

»Fürs Vaterland und für den Kaiser. Aber ich frage mich, was der Kaiser wohl für mich tun wird, wenn meine Jungs alle tot sind. Was habe ich dann vom Vaterland?«

»Das wirst du dann schon sehen, Grete. Wenn wir neue Gebiete erobern, wenn Deutschland größer und mächtiger wird. Alle werden wir etwas davon haben. Kaiser Wilhelm hat’s gesagt.« Klärchen Stippak hob den Finger, um ihre Aussage zu unterstreichen.

Liesbeth Alder schüttelte den Kopf. »Ich weiß, was ich weiß«, wiederholte sie. »Alles wird schlimmer, als es je war.«

Aenne hatte keine Lust mehr, diese düsteren Prophezeiungen zu hören. Sie betrat Hirschs Lebensmittelladen, doch auch hier wurde debattiert. Der alte Lohring fuchtelte mit der Hand in der Luft herum und rief: »Nieder mit dem Erzfeind Frankreich!« Dann stieß er einen jungen Mann mit dem Ellbogen in die Seite. »Verteidige die Heimat, mein Junge!«

Aenne atmete erleichtert auf, als Lohring den Laden verließ.

»Die ganze Stadt ist seit heute Morgen wie im Fieber«, erzählte Ruth, die mit Aenne seit Kindertagen befreundet war.

»Die Kirche St. Marien hält zwei zusätzliche Gottesdienste ab, und alle jungen Männer, die zwei gesunde Hände und Füße haben, melden sich an die Front. Mein Gabriel muss sich auch melden. Aber wenigstens bleibt mir Thomas. Du weißt ja, sein Herzfehler. Ich hätte nie geglaubt, dass ich mich eines Tages darüber freuen würde.« Ruth seufzte, und jetzt erst sah Aenne, dass ihre Augen rot geweint waren.

»Das viele Leid, das große Elend. Mein Gott!« Aenne schüttelte den Kopf.

Ruth kam hinter ihrer Ladentheke hervor, um Aenne zu umarmen. Doch schon schellte die Ladenglocke erneut, und Klärchen Stippak kam herein. Ihr Gesicht war hochrot, und auf der Oberlippe standen ein paar Schweißtropfen. An der Schläfe klebten graue Löckchen, und sie wedelte sich mit einem Papierfächer Luft zu. Obwohl sie nur vier Jahre älter war als Aenne, wirkte sie doch mit ihrer molligen Figur und der ältlichen Kleidung wie eine Großmutter.

»Es ist Krieg«, rief sie gut gelaunt und kramte einen ellenlangen Zettel aus ihrer Handtasche hervor. »Ich brauche fünf Dutzend Kerzen, zwanzig Kilo Mehl, zehn Kilo Zucker, drei Liter Essig, zehn Kilo Graupen, fünf Kilo Haferflocken und fünf große Stück Seife.«

Ruth blickte Klärchen Stippak verwundert an. »So viel?«

»Ich muss mich bevorraten. Im Krieg wird über kurz oder lang alles knapp. Deshalb nehme ich vielleicht doch lieber zehn Dutzend Kerzen, falls bis Weihnachten doch noch nicht alles vorbei ist. Ach was, Frau Hirsch, geben Sie mir einfach von allem das Doppelte.«

Sie legte ihren Einkaufszettel auf die Ladentheke und tippte mit dem Finger drauf.

Ruth blickte sich im Laden um. »Das wären dann vierzig Kilogramm Mehl?«, fragte sie.

»Jawohl. Vierzig Kilo. Damit sollten wir eine Weile hinkommen.«

»So viel habe ich derzeit gar nicht auf Lager. Das muss ich erst bestellen. Soll ich Ihnen das Übrige liefern lassen?«

»Lassen Sie es liefern, ja, ja, und sehen Sie zu, dass Sie alles kriegen, was ich bestellt habe.«

Klärchen Stippak nickte Aenne zu, dann rauschte sie aus dem Laden. Aenne blickte ihr verwundert hinterher. Auf die Idee, Vorräte anzulegen, war sie bislang noch nicht gekommen.

»Sie hat recht«, meinte Ruth Hirsch. »Im Krieg wird alles knapp. Das war schon immer so. Gar nicht dumm von ihr, jetzt so viel einzukaufen, wie sie kriegen kann. Am besten, Aenne, du machst mir auch so eine Liste. Im Augenblick werden wir die Sachen wohl noch...

Erscheint lt. Verlag 28.9.2020
Reihe/Serie Die Weinschloss-Saga
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Champagner • Erfolgsautorin • Erster Weltkrieg • Frauenroman • Freyburg • Geschenkbuch für Familie • Geschenkbuch für Frauen • Historischer Roman • Ines Thorn • Kloss & Foerster • Liebesgeschichte • Neuer Historischer Roman • Rezepte im Buch • Rotkäppchen • Saale • Saga • Schmöker • Sekt herstellen • Sektkellerei • Sekt trinken • Serie • Thüringen • Unstrut • Weimarer Republik • Weinberg • Zweiter Weltkrieg
ISBN-10 3-8437-2284-6 / 3843722846
ISBN-13 978-3-8437-2284-1 / 9783843722841
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