Die Rückführung (eBook)
329 Seiten
Uksak E-Books (Verlag)
978-3-7389-3864-7 (ISBN)
2.
Etwa zwanzig Kilometer vor Aybak verließ der Pick-up die Schotterpiste und fuhr auf einem unbefestigten Weg in die Richtung eines Höhenzuges, der zirka fünf Kilometer vor ihnen aufragte. Keine Menschenseele war zu sehen, doch Diana war sich darüber im Klaren, dass jede Bewegung im Gelände von unsichtbaren Augen wahrgenommen wurde. Der Jeep verschwand in einem Gewirr von Felsschluchten und plötzlich tauchten vor ihnen ein paar bewaffnete Kämpfer der Taliban auf, die den Fahrer dazu veranlassten, sein Gefährt zu stoppen.
„Neue Kämpfer wie ich sehe“, sagte ein Mann, der sich mit der Waffe im Anschlag der Pritsche des Geländewagens näherte.
„Frisch aus Masar“, rief Dianas Begleiter und winkte dem Mann zu.
Dieser lachte und ließ den SUV passieren. Nach einem weiteren Kilometer erblickte sie den Eingang einer großen Höhle, vor dem sich zwei Wachen postiert hatten.
„Ab hier sind Sie auf sich alleine gestellt. Die beiden Frauen befinden sich im Privatquartier von Amir Bakhtari, dem Kommandanten dieser Taliban Einheit“, flüsterte ihr Begleiter.
Sie nickte ihm kurz zu und sprang von der Pritsche des Fahrzeuges. Zusammen mit den anderen Männern betrat sie das ausgedehnte Höhlensystem, das den Widerstandskämpfern Schutz und Unterschlupf bot.
In einem geeigneten Moment entfernte sie sich unauffällig von der Gruppe der Neuankömmlinge und bewegte sich tiefer in das Labyrinth hinein. Von ihrem Informanten hatte sie erfahren, dass sich momentan nicht viele Kämpfer hier aufhielten. Die meisten waren mit ein paar Kommandounternehmen unterwegs und es gab nur wenige Wachen.
Als sie sich dem Quartier des Kommandanten näherte, sah sie zwei Männer, die mit Sturmgewehren bewaffnet vor der Türe auf Posten standen. Sie zog ihr Halstuch weit nach oben, sodass ihr Gesicht von der Nase abwärts bedeckt war und näherte sich langsamen Schrittes den beiden Wachen.
„Sind die beiden Kuffar Frauen bei Bakhtari?“, fragte sie einen der beiden Wachen.
Die beiden Männer waren sich ihrer Lage so sicher, dass ihnen die fremde Person gar nicht weiter auffiel. Der von Diana angesprochene Afghane grinste sie an.
„Ja, er zeigt ihnen gerade was ein echter afghanischer Schwanz ist“, erwiderte er und quittierte seinen Spruch zusammen mit seinem Kameraden mit lautem Gelächter.
„Mehr wollte ich nicht wissen“, murmelte Diana und zog mit fließender Bewegung ihre schallgedämpfte Glock. Die beiden Männer schauten sie mit entsetzten Augen an und im nächsten Moment hatten beide ein Loch in ihrer Nasenwurzel. Dumpf fielen ihre Körper zu Boden und Diana betätigte leise die Türklinke. Als sie die Türe halb geöffnet hatte, hörte sie ein leises Wimmern, das aus dem Inneren des Raumes kam. Vorsichtig öffnete sie die Türe und sah eine männliche Person, die auf einer nackten Frau lag, von der sie das Wimmern vernommen hatte. Auf einer zweiten Pritsche lag ebenfalls eine unbekleidete Frau, die teilnahmslos und mit leeren Augen zu ihr herüberschaute. Mit zwei schnellen Schritten näherte sich Diana dem vor Lust stöhnenden Mann und jagte ihm ihr Messer in den Nacken.
„Keine Fragen! Ich bringe Sie hier raus und in Sicherheit“, sprach sie die beiden Frauen nun auf Deutsch an, die völlig konsterniert auf den Leichnam ihres Peinigers starrten.
Diana warf den beiden einen Umhang zu, den sie hektisch über ihren nackten Körper warfen und hastig schlüpften sie in ein paar Sandalen. Zusammen mit den Geiseln verließ Diana die Kommandozentrale, wobei sie genau wusste, dass sie den Mudschaheddin noch nicht entkommen waren.
*
Die beiden Ärztinnen folgten Diana auf dem Fuße. Mittlerweile hatten die beiden ihren Überlebenswillen zurückgewonnen und sie schlichen zusammen durch die Gänge der unterirdischen Höhle.
„Wer sind Sie?“, fragte eine der beiden Diana schüchtern.
„Derjenige der Sie hier herausschafft und in Sicherheit bringt. Aber das schwerste Stück steht uns noch bevor. Das ist der Teil, um von hier wegzukommen. Machen Sie sich auf einen längeren Fußmarsch gefasst.“
Dianas Informant hatte recht behalten und die kleine Gruppe traf auf keinerlei Wachen mehr. Anscheinend rechnet niemand damit, dass es jemand wagen würde, eines der Hauptquartiere der örtlichen Taliban zu infiltrieren und schon gar nicht einen Befreiungsversuch zu starten.
Als sie um eine Biegung kamen, sah Diana von Weitem den Eingang des Höhlensystems. Dort standen immer noch wie bei ihrer Ankunft die beiden Wachen und richteten ihre Blicke zu ihrem Glück in die andere Richtung.
Diana schlich mit den beiden Frauen weiter und bedeutete ihnen mit einer Handbewegung, dass sie sich in eine Nische der Wand kauern sollten. Sie zog ihr Messer und schlich sich geräuschlos von hinten an die beiden Posten an. Blitzschnell rammte sie einem der beiden ihr Messer in seinen Rücken und mit einer fließenden Bewegung durchschnitt sie dem anderen die Kehle. Hinter sich hörte sie einen leichten Aufschrei und sofort lief Diana zu den beiden Ärztinnen zurück, die sie mit entsetztem Blick anstarrten.
„Ich konnte sie leider nicht höflich bitten uns den Weg frei zu geben“, sagte sie mit leicht ironischem Unterton und forderte die beiden auf, ihr zu folgen.
Diana hatte sich vor ihrem Einsatz das Gelände genau eingeprägt. Ihr Ziel war die Straße nach Aybak, die ungefähr fünf Kilometer Luftlinie entfernt war. Unter Berücksichtigung des unwegsamen Geländes schätzte sie, dass sie für den Fußmarsch mindestens zwei Stunden benötigten. Zudem musste sie davon ausgehen, dass das Verschwinden der beiden Frauen nicht unbemerkt bleiben würde und daher nahm sie sofort nach Verlassen der Höhle Kontakt mit Görlitz auf.
„Die Zielpersonen sind in Sicherheit; vorerst. Aber ich brauche Luftunterstützung, da wir damit rechnen müssen, verfolgt zu werden.“
„Ich schicke Ihnen eine bewaffnete Drohne. Ihre GPS Koordinaten habe ich ja. Halten Sie durch. Und viel Glück“, meldete sich Görlitz aus Masar.
So rasch wie sie nur konnten rannten die drei durch das unwegsame Gelände, wobei Diana darauf achtete, dass sie jederzeit Deckung hatten. Das kostete zwar Zeit, war aber für ihre Sicherheit vonnöten. Schon bald hörten sie das aufgeregte Schreien einiger Männerstimmen. Ihre Flucht war bemerkt worden und die drei liefen um ihr Leben.
Derartige Missionen stellten immer ein gewisses Risiko dar. Wäre Diana alleine unterwegs gewesen, hätte sie weniger Probleme gehabt, sich von ihren Verfolgern abzusetzen.
Aber hier hatte sie die Verantwortung für zwei Geiseln zu tragen, die sich zwar alle Mühe gaben, mit ihr Schritt zu halten, jedoch durch ihren zwangsweisen Aufenthalt derart geschwächt waren, dass Diana sich ihrem Rhythmus anpassen musste.
Die ersten Kugeln, abgefeuert aus den Sturmgewehren der Rebellen, flogen ihnen um die Ohren und Dianas Blick ging sehnsüchtig gen Himmel, wo sie das Auftauchen der Drohne erwartete, die Görlitz ihr avisiert hatte. Die Verfolger kamen ihnen immer näher und die Flüchtenden verbargen sich hinter einem großen Felsen.
„Ich werde versuchen, sie auf Distanz zu halten“, raunte sie ihren Schützlingen zu, die sich in die äußerste Ecke des Felsens drückten.
Mit dem kleinen Spiegel schaute sie um die Ecke und erkannte drei Mudschaheddin, die in ihre Richtung stürmten. Als sie auf Schussweite herangekommen waren, feuert Diana eine Salve aus ihrer HK in deren Richtung und erwischte zwei der Angreifer mitten in die Brust, während der dritte sich in Deckung warf.
Wo bleibt die verdammte Drohne?, dachte Diana, als sie ein leises Summen hörte, das sich ihrem Standort näherte. Diana warf einen Blick nach oben und es knackte in ihrem Ohrlautsprecher.
„Wir haben drei Ihrer Verfolger im Visier. Insgesamt sehen wir von hier aus acht Männer, die Ihnen gefolgt sind“, drang Görlitz’ Stimme an ihr Ohr.
„Dann habe ich ja nur noch fünf Mann zu erledigen“, folgte ihre Antwort in sarkastischem Ton.
„Die sind weiter zurück. Versuchen Sie sich zur Straße durchzuschlagen. Dort erwartet Sie ein gepanzerter „Fuchs“, der Sie und die beiden Geiseln aufnehmen wird.“
Im selben Augenblick feuerte die MQ-1 Predator Drohne eine Hellfire Rakete ab, die fünfzig Meter von Dianas Standort entfernt einschlug und das Gebiet in ein Inferno verwandelte.
„Das zum Thema, die Bundeswehr hat nur Aufklärungsdrohnen in ihrer Ausrüstung“, nuschelte sie in das Mikro.
„Sie wurde uns leihweise von unseren amerikanischen Freunden zur Verfügung gestellt“, hörte sie Görlitz’ Stimme und konnte sein Grinsen am anderen Ende der Leitung förmlich spüren.
„Wir sind unterwegs“, gab sie zurück und die drei machten sich weiter auf den Weg. Niemand befand sich nun unmittelbar hinter ihnen und nach einer Stunde strammen Marsches sahen sie in der Ferne ein großes Fahrzeug, das auf der Straße nach Aybak stand und offensichtlich auf sie wartete.
„Wir haben es gleich geschafft“, rief sie den beiden Ärztinnen zu, die am Ende ihrer Kräfte waren. Sie mobilisierten ihre letzten Reserven, da ihre Verfolger sich ihnen auf Schussdistanz genähert hatten und rannten zu dem gepanzerten Fahrzeug. Eine Luke wurde geöffnet und die drei sprangen ins Innere des Fahrzeuges. Unmittelbar danach hörten sie die Kugeln, die von der Außenhülle des „Fuchses“ abprallten und der Panzerwagen startete sofort durch. Zwei Sanitäter kümmerten sich augenblicklich um die beiden Geiseln während Diana sich von ihrer Maske befreite.
„Ich komme unter dem ganzen Latex um“, stöhnte sie und entfernte die restlichen Fetzen des...
Erscheint lt. Verlag | 24.3.2020 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Fantasy |
ISBN-10 | 3-7389-3864-8 / 3738938648 |
ISBN-13 | 978-3-7389-3864-7 / 9783738938647 |
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