Volpe und der mörderische Fall Kain und Abel -  Meinhard-Wilhelm Schulz

Volpe und der mörderische Fall Kain und Abel (eBook)

eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
185 Seiten
Uksak E-Books (Verlag)
978-3-7389-3813-5 (ISBN)
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Abseits der Staatsstraße von Venedig nach Treviso wird in Abständen eine Anhalterin, die in die Lagunenstadt unterwegs ist, erstochen. Zwei Besonderheiten zeichnen die Serie aus: Die Opfer wurden nicht vergewaltigt und ihre Leichen jeweils nachts vor einem Revier der Carabinieri aus dem Auto gestoßen. Täter und Motiv bleiben unbekannt. Erst als es zum fünften Mord kommt, bittet Commissario di Fusco seinen Freund Volpe um Hilfe. An einer sofort eingerichteten Straßensperre stößt Volpe auf ein seltsames Brüderpaar. Der ältere, der die 'Bullen' unverschämt provoziert, hat bei einem Unfall beide Beine verloren; der jüngere ist Vaporetto-Capitano. Volpe kommt ihrem grausigen Treiben auf der Spur, doch da ist kein Licht am Ende des Tunnels ...

2. Teil: Schicksal einer Anhalterin


Der 1. September 2019; um 6.00 Uhr früh; ein Spätsommertag: Barbara Bellini, wohnhaft auf einem Bauernhof am Rande des Fleckens San Trovaso (südlich Trevisos), stellte sich gegen 7.45 Uhr neben der Fahrbahn der Staatsstraße 13 (nach Mestre und Venedig) auf einen Felsblock, um jedes nach Süden und damit Richtung Venedig fahrende Auto bereits aus einer Entfernung von 200 Metern beurteilen zu können, denn sie war keineswegs gewillt, sich einem Kleinwagenfahrer anzuvertrauen.

Wie so viele Mädchen vom Lande, war sie darauf aus, dem trostlosen Landleben zu entfliehen, um im frisch erstandenen Luxusbikini draußen am Lido von Venedig zu flanieren und sich dort einen Millionär zu angeln.

Bei Morgengrauen hatte sie sich aus den Armen ihres schlafenden Freundes gelöst, einen verächtlichen Blick auf den sägenden Nackedei geworfen, war vorsichtig aus dem Bett gestiegen, hatte sich am offenen Fenster gedehnt und gestreckt, um dann ein pappiges Brötchen, das sie dick mit Butter und Käse belegt hatte, zu verschlingen und im Bad zu verschwinden.

Dort erleichterte sie seufzend die Blase (oder mehr) und stellte sich dann unter die Dusche, um Schweiß und Unrat der Liebesnacht vom Körper zu spülen. Nachdem sie das Haar geföhnt hatte, baute sie sich vor dem Wandspiegel auf, bewunderte sich, naiv und in sich selber verliebt, wie sie eben war, sonder Ahnung, dass ihr molliger Leib der verblühenden Rose glich.

Als sie die Arme gähnend zur Decke streckte, gewahrte sie einen entstehenden krausen Ziegenbart in den Höhlen und rasiere sich dort ratzekahl. Danach riss mit Wachsstreifen auch das letzte Härchen von den Schenkeln herunter, zupfte die Brauen aus und malte sie nach, tuschte die Wimpern, umrandete die Augen grün und färbte die Lippen rot. Die zehn Nägel ihrer Hände und Füße (mehr gab es nicht) bedurften keines Aufmotzens, denn sie waren bereits seit gestern Nachmittag rosenfarbig lackiert.

Als sie mit der ganzen Prozedur fertig war, zwängte sie sich in einen winzigen Schlüpfer, der auf der Rückseite nur aus einem durch die Kerbe geführten Strick bestand und dann in ihr Lieblingskleid, das ich unten näher beschreiben werde. Dazu kam eine Halskette aus flimmernden, aber unechten Perlen. Eine grüne Lackledertasche baumelte ihr am roten Schulterriemen zur rechten Seite. Nach einem letzten zufriedenen Blick in den Spiegel steckte sie die Füße in flotte Trekkingsandalen und schlenderte hinüber zur nahe gelegenen Staatsstraße.

Dort verharrte sie in ihrem gerippten hellgelben Schlauchkleid im Turnerhemdlook, das mit einem die Taille betonenden schwarzen Gürtel samt Silberschnalle zusammen gehalten wurde und das untere Drittel der molligen welligen Oberschenkel frei ließ. Der Kopf steckte in einem breitkrempigen grünen Hut.

Das rundum dekolletierte Textil mit seinem enormen Armausschnitt war aus so feinem Stoff gefertigt, dass sich die Konturen ihres üppigen, aber immer noch schlanken Körpers samt ringförmig weich übereinander liegenden Wülsten abzeichneten. Die ‚donna bella’ war ungefähr 1, 85 Meter groß, Mitte bis Ende dreißig und hatte langes schwarzes Haar.

An den Füßen (Schuhgröße 42) trug sie die oben genannten grünen, mit roten Glas-Steinchen besetzte Trekkingsandalen, denn im Venedig der Fußgänger tut man gut daran, auf modischen Schnickschnack wie Stöckelschuhe zu verzichten.

Das fein gebräunte, durchaus nicht hässliche Gesicht schützte sie mit dem genannten breitkrempigen Strohhut vor den Strahlen der zwischen Wolkentürmen über der fernen Adria emporsteigenden Sonne, deren Wärme ihr gut tat. Die Frische des frühen Morgens hatte sie nämlich frösteln und die Brustspitzen sich aufrichten lassen.

Unter dem Chapeau quoll in breitem Strom ihr schwarzes krauses Haar hervor und lag ihr auf den Schultern wie ein riesiger Schwamm. Aus dem Wust der Spiralen über ihrer linken Schulter kam das feuerrote Riemchen zum Vorschein, an dem die Tasche hing. Sie enthielt Portemonnaie, Schminkzeug samt Spiegel sowie einen nagelneuen roten Bikini mit gelben Tupfen; sonst nichts.

Nun stand sie auf dem Felsblock neben der Straße, die Daumen fest im Gürtel verhakt und wartete, ungeduldig nach Norden spähend, auf den richtigen Wagen, auf den richtigen Fahrer.

Nicht lange, und die fast schnurgerade verlaufende Fernstraße belebte sich mit zahlreichen Lastwagen, deren Fahrer die Gebühr der parallelen Autostrada sparen wollten. Zwischen ihnen eingeklemmt fuhren in beiden Richtungen die Personenkraftwagen entlang, hupte wiederholt und versuchte zu überholen.

Fünfzehn davon waren bereits südwärts an ihr vorübergebrettert, ohne dass sie ihnen die geringste Beachtung geschenkt hätte, denn jedes Mal handelte es sich um ältere FIAT-Kleinwagen, an deren Steuer schmierige Kerle hockten, die sie neugierig musterten oder aus heruntergekurbelten Fenstern mit unverschämten und anzüglichen Zurufen neckten.

Dann blieb die Straße eine Zeitlang leer, bis am Horizont ein Wagen auftauchte, ein zweisitziges offenes Cabrio. Als es näher herangebraust kam, nahm sie gekonnt die Haltung des Buchstabens ‚S‘ an, ließ den Saum des Kleides bis an den unteren Rand des Schlüpfers emporrutschen, presste Oberschenkel an Oberschenkel, riss den rechten Arm empor und winkte.

Als der Fahrer die frivole Donna gewahrte, bremste er ab, fuhr im Schritttempo auf sie zu, schob den Schlapphut aus dem Gesicht, so dass sie, als er näher kam, seinen massigen Kopf, die breiten Schultern und die vor Muskeln strotzenden Arme sehen und bewundern konnte. Ja, das war ein Mann nach ihrem Geschmack, und sie sprang vom Felsen herab, um in großen Sprüngen an den Straßenrand zu rennen.

Frech hob sie die Hand und winkte mit der Hüfte wackelnd, als er näher kam und sein Fahrzeug abbremste. Aber dann schlich er an ihr vorüber, fuhr weiter, blickte geradeaus und schenkte ihr keine Beachtung.

Er hatte sich eine Decke über die Beine gelegt, so dass man die Füße nicht sehen konnte. Anscheinend war es ihm zu dieser frühen Stunde noch zu kühl. Doch dann besann er sich eines anderen, fuhr auf den grasigen Randstreifen und brachte seinen Wagen zum Stehen. Er war um die fünfzig Meter an der Anhalterin vorübergefahren, ohne sich umzudrehen.

Jetzt stand sein flottes Auto. Er blickte starr geradeaus. Sie wusste, was zu tun sei und schlenderte lässig, aus der speckigen Hüpfte heraus auf das Cabrio zu, auf dem sich in der Mulde hinter den beiden schwarzen Ledersitzen eine zusammengerollte Plane räkelte, die einer zerknautschten Schlange glich.

Die Anhalterin lehnte sich jetzt mit dem nach rechts vorkragenden Becken an das blitzende Fahrzeug, blickte auf den Signore und fragte mit gekonnt spöttischem Unterton:

»Nach Venedig?«

»Warum nicht?«

Sie zögerte einen Augenblick. Der opernreife Bassbariton des Fahrers hatte etwas an sich, was sie störte, nur was? Ja, er hatte das gewisse Etwas, das sie eigentlich nicht mochte. Was genau es war, konnte sie nicht sagen.

»Ja, oder nein, Signorina bellissima?«, dröhnte er, die behandschuhte Rechte am lederüberzogenen Schaltknüppel. Er erhöhte die Drehzahlen, bis der Motor wummerte, »ich hab’s eilig.«

»Klingt wie Signore Generale vor den Soldaten«, sagte sie kichernd, »aber mit einem wie ihnen werde ich noch fertig.«

Hurtig sprang sie ums Auto herum, riss die Beifahrertüre auf, schwang sich neben ihn, knallte die Tür wieder zu und lehnte sich gekonnt nach links, so dass sich ein Haarwust über seiner rechten Schulter ausbreitete. Ruckartig fuhr er die Kiste an.

Vorerst fühlte sich die Katze noch sicher vor seiner Zudringlichkeit, denn er hatte beide Hände voll mit Lenken und Schalten zu tun, weil der Gegenverkehr ziemlich dicht war und ein Fahrer dahinter zum Drängeln überging, obwohl man Kolonne fuhr.

Die Schwüle war nun fast unerträglich. Eine fette Wolke verdunkelte den Himmel, und es begann wie aus Eimern zu schütten. Der Fahrer mimte ein Pokerface und drückte mehrfach vergebens auf den Knopf, der zum Schließen des Verdecks im Armaturenbrett prangte. Vielleicht hätte sie doch besser eine geschlossene Limousine angehalten, dachte sie, denn der feine Seidenstoff klebte ihr jetzt wie eine zweite Haut am Körper und machte sichtbar, was unsichtbar hätte bleiben sollen.

Der Mann neben ihr schien nichts von ihren Nöten zu bemerken, murmelte nur leise lästerliche Flüche über Wetter und Hersteller und lenkte sein Cabrio von der asphaltierten Staatsstraße herunter und in einen grünen Feldweg hinein, um es nach einer Strecke von rund 200 Metern unter einem riesigen Baum zum Stehen zu bringen. Hier waren sie fürs Erste vor dem Regen geschützt, denn wie es aussah, dürfte die Sonne gleich wieder die Oberhand gewinnen und gleichermaßen Weib und Mann trocknen.

Nachdem er den Motor abgestellt hatte, drehte sich Barbara dem immer noch wortlosen Fahrer zu und blickte mit entsprechendem Wimpernschlag zu ihm auf. Er begriff, was sie von ihm wollte, streifte die feinen Lederhandschuhe ab, drehte sich in der Hüfte soweit zu ihr hin, dass sie sich jetzt fast Brust an Brust gegenüber saßen, und legte ihr den linken Arm über den rechten Oberschenkel, während er die um 180 Grad gewendete rechte Hand durch den Armausschnitt in das Gebiet der Hügel gleiten ließ, wozu sie leise, leise stöhnte. Doch sonst tat sich weiter nichts, wirklich nichts, nicht einmal ein Kuss.

»Ach du lieber Gott, bist du schüchtern«, sagte sie, schnurrend wie ein Kätzchen, legte den Kopf in den Nacken und blickte mit gespitztem Mund zu ihm empor. Er entgegnete nichts, ließ die linke Hand weiter nach oben wandern, zog das mollige Weib nun kraftvoll an sich und küsste sie auf die roten...

Erscheint lt. Verlag 10.3.2020
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
ISBN-10 3-7389-3813-3 / 3738938133
ISBN-13 978-3-7389-3813-5 / 9783738938135
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