Schweigende See (eBook)

Nordsee-Krimi

(Autor)

eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
527 Seiten
Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG
978-3-7325-7820-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Schweigende See -  Nina Ohlandt
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Am Strand von Sylt wird die Leiche einer Frau gefunden, die erst seit Kurzem auf der Insel lebte. Wer könnte ihr nach dem Leben getrachtet haben, fragt sich Hauptkommissar John Benthien. Denn schon einmal wurde ein Anschlag auf sie verübt. Benthiens Ermittlungen werden komplizierter als gedacht, denn der Mord führt ihn zu einem bislang unbekannten Ereignis der deutsch-deutschen Vergangenheit, das manche Menschen gerne für immer verbergen würden. Und zu seinem Entsetzen spielt auch sein Vater dabei eine nicht unwesentliche Rolle.



Nina Ohlandt wurde in Wuppertal geboren, wuchs in Karlsruhe auf und machte in Paris eine Ausbildung zur Sprachlehrerin, daneben schrieb sie ihr erstes Kinderbuch. Später war sie als Übersetzerin, Sprachlehrerin und Marktforscherin tätig, bis sie zu ihrer wahren Berufung zurückfand: dem Krimischreiben im Land zwischen den Meeren, dem Land ihrer Vorfahren.

Nina Ohlandt wurde in Wuppertal geboren, wuchs in Karlsruhe auf und machte in Paris eine Ausbildung zur Sprachlehrerin, daneben schrieb sie ihr erstes Kinderbuch. Später war sie als Übersetzerin, Sprachlehrerin und Marktforscherin tätig, bis sie zu ihrer wahren Berufung zurückfand: dem Krimischreiben im Land zwischen den Meeren, dem Land ihrer Vorfahren.

Kapitel 1


Wuppertal, Anfang August

Hannah Landsberg stand am Fenster ihres Zimmers unter dem Dach und starrte auf die Straße hinab.

Konnte er es wirklich sein? War das möglich?

Sie spürte, wie sich die Härchen auf ihren Armen aufstellten, wie sie, trotz der Hitze draußen und im Haus, eine Gänsehaut überlief. Die Figur, der schlaksige Gang, die dunklen Locken … alles stimmte, und dennoch war es schlichtweg unmöglich. Auch er war fünfzig Jahre älter geworden inzwischen, auch vor ihm hatte die Zeit nicht haltgemacht.

Sie schüttelte den Kopf. Wie dumm sie war!

Derjenige, der da unten die steile Straße hinunterlief, vorbei an den Vorgärten der Nachbarschaft, war ein junger Mann und hatte mit ihr und ihrer Geschichte nichts zu tun.

Immer noch fröstelnd schlang Hannah die Arme um sich. Das ärmellose Sommerkleid schien auf einmal viel zu kalt zu sein. Sie versuchte vergeblich, die schlimmen Erinnerungen abzuschütteln, die dieser Mann auf der Straße bei ihr ausgelöst hatte: Bilder von steilen, staubigen Gassen, durch die sie atemlos floh, verfolgt von einer grölenden Männerhorde; Bilder von alten Frauen oder Greisen, die neugierig, lachend, rauchend aus den Fenstern hingen und die Verfolgungsjagd als einen Scherz ansahen, die glühende Sonne, der Schweiß, der Schmutz, die meckernden Ziegen, die ihr den Weg versperrten, der durchdringende, Übelkeit erregende Duft von Thymian, ein Gewürz, das sie niemals mehr verwenden würde … Diese Bilder, unauslöschlich eingebrannt in ihre Seele, hatten ihr halbes Leben geprägt, sie nie wieder losgelassen, waren bis heute nächtelang ihre treuen Begleiter. Und nun, in dieser nüchternen westdeutschen Stadt, in einer Straße, die außer einem gewissen Gefälle keinerlei Ähnlichkeit mit ihrem damaligen Leidensweg hatte, suchten sie Hannah erstmalig mitten am Tage heim.

Erschrocken zuckte sie zusammen, als es hinter ihr leise an der Tür klopfte. Es war Doro, nur Doro, wer denn sonst. Brigitte beliebte es ja immer noch, mit dem Rollstuhl durch die Gegend zu fahren oder vielmehr: sich fahren zu lassen. Sie würde niemals die Treppe hochsteigen.

Doros liebes Gesicht, gesund, braun gebrannt und voller Sommersprossen, strahlte Hannah an. »Ich habe Kaffee gekocht und im Garten den Tisch gedeckt. Kommst du?«

Hannah drehte sich um und lächelte. Nach der Plackerei mit den Umzugskisten kam ihr eine Erfrischung recht. »Ich bin gleich so weit.«

»Es gibt warme Pförtchen mit Kirschen und Eis, also warte nicht zu lang.« Doro ließ den Blick über Taschen und leere und halb gepackte Koffer schweifen, die überall im Zimmer herumstanden oder auf dem Sofa lagen. »Hannah, Liebes, sag doch was, ich kann dir doch helfen!«

»Du hast selbst genug Arbeit mit deinen Koffern, Doro. Außerdem sollst du uns nicht so verwöhnen! Brigitte kann auch mal was tun!«

»Bald habe ich keine Gelegenheit mehr, euch zu verwöhnen«, sagte Doro wehmütig, »daher lass es mich noch eine Weile genießen.« Vorsichtig stieg sie die steile Treppe wieder nach unten.

Gerührt sah Hannah ihr hinterher. Die gute Doro! Seit der Schulzeit waren sie beste Freundinnen, seit einem halben Jahrhundert. Das Leben hatte sie auseinandergeführt, doch dann waren fast zeitgleich Doros Ehemann Bruno und Hannahs Lebensgefährte Enno gestorben. Hannah war von Ennos Tochter Fenja, der es nicht schnell genug gehen konnte, den gepflegten alten Niedersachsenhof auszuräumen und zu verkaufen, per richterlichem Beschluss auf die Straße gesetzt worden. Und Doro, die sich in ihrem Häuschen in Wuppertal, weit weg von Hannah, sehr einsam fühlte, hatte der so plötzlich obdachlos gewordenen Freundin vorgeschlagen, zu ihr zu ziehen. Dafür war Hannah ihr ewig dankbar.

Noch einmal warf sie einen prüfenden Blick auf die Straße, doch die lag flirrend und menschenleer in der Sonne. Es war eine kurze Anwohnerstraße, die oben auf dem Parkplatz eines Friedhofs endete, eine stille, ruhige Straße, in der jeder jeden kannte. Wohl deshalb war ihr der unbekannte Mann so suspekt vorgekommen. Wer weiß, vielleicht hatte er einfach nur einen harmlosen Friedhofsbesuch gemacht? Und sie war ganz unnötig in Panik geraten!

Unten in der Küche traf Hannah auf Brigitte, die ziemlich chaotisch in ihrem Rollstuhl durch die Gegend kurvte. Sie hielt ein Tablett auf dem Schoß, das sie aufs Geratewohl mit vier Tassen, einem viel zu vollen Milchkännchen und – aus Gründen, die nur ihr bekannt waren – einem Schneebesen und einer Knoblauchpresse bestückt hatte.

Hannah nahm ihr das Tablett, das durch seine Schräglage abzurutschen drohte, von den Knien und stellte es auf der Arbeitsplatte ab. »Brigitte, das steht doch schon alles draußen auf dem Tisch!«

Ihre Schwester drehte eine Pirouette mit dem Rollstuhl. »Du wirfst mir vor, dass ich zu wenig zum Haushalt beitrage, aber du lässt mich ja nichts machen!«

Hannah atmete tief ein und lautlos wieder aus. Sie griff nach den Gehhilfen in der Ecke und reichte sie ihrer Schwester. »Soll ich dir helfen?«

»Nein!« Brigitte hievte sich geschickt aus dem Stuhl und packte die Krücken. »Für meinen Bauch ist das gar nicht gut, mit diesen Dingern zu gehen. Das weißt du ganz genau. Er wird dadurch gestaucht und reizt meine Faszien und die Nervenbahnen!«

Hannah verzichtete auf eine Erwiderung, da sie dieses Thema schon etliche Male durchgekaut hatten. Brigitte mochte es eben auf Kosten anderer am liebsten bequem, obwohl das ständige Fahren im Rollstuhl absolut kontraproduktiv war und ihrer Genesung im Wege stand. Sie machte auch die Übungen nicht in ausreichendem Maß, die der Arzt ihr nach der Reha empfohlen hatte, Übungen wie Radfahren, Schwimmen, leichte Wassergymnastik. Was Hannah allerdings am meisten Sorgen machte, war der Geisteszustand ihrer Schwester. Wieder einmal sann sie darüber nach, während sie das Tablett leer räumte und Brigitte in den Garten humpelte, wie unterschiedlich das Schicksal mit ihnen umgesprungen war. Brigitte hatte mit Sicherheit den undankbareren Part erwischt, was Hannah herzlich leidtat. Auch sie selbst hatte sich vor gut einem Jahr, kurz vor Ennos Tod, einer Gallenoperation unterziehen müssen, aber bei ihr war alles gut verlaufen.

Brigitte hatte gleich drei schmerzhafte Operationen über sich ergehen lassen müssen, da es immer wieder zu Entzündungen gekommen war, die man nur schwer in den Griff bekam. Insgesamt fünf Monate war sie im Krankenhaus gewesen. Schon als Hannah ihre Schwester nach der ersten OP besucht hatte, war sie zutiefst erschrocken gewesen über den Grad ihrer Verwirrung.

»Das gibt sich wieder, das ist nur ein Durchgangssyndrom nach der Narkose«, hatte man sie getröstet, und dem ersten Anschein nach hatte sich Brigittes Zustand nach ein paar Wochen gebessert. Doch die nachfolgenden Operationen hatten nicht dazu beigetragen, dass dies so blieb. Hannah war sich nicht sicher, ob das alles tatsächlich den Narkosen geschuldet war, oder ob ihre Schwester mit ihren vierundsiebzig Jahren langsam in eine Altersdemenz geriet.

Sie hatte sich mit Doro beraten, die vorgeschlagen hatte, Brigitte in ihr Haus aufzunehmen, da sie zumindest vorerst nicht mehr allein zurechtkam und betreut werden musste. Hannah war sich bewusst, dass sie ihre Schwester, die geringfügige neun Minuten jünger war als sie, seitdem argwöhnisch beobachtete und nach Anzeichen dafür suchte, ob ihr Delir allmählich in eine Demenz überging.

Ich darf nicht ungeduldig mit ihr sein, ermahnte sie sich wieder, sie war immerhin sehr krank gewesen und musste sich erst einmal eingliedern in ihre kleine WG. Hannah empfand sich als einen geduldigen Menschen, sie war einst mit ihrer Schwester eng vertraut gewesen, auch wenn diese manchmal schwierig, weil eifersüchtig, gewesen war. Jetzt, sagte sie sich, mussten sie sich eben wieder aneinander gewöhnen, was bei Menschen in ihrem Alter, die lange getrennt waren, zu einem Problem werden konnte.

Sie hörte Brigitte im Garten sprechen und fragte sich, mit wem sie sprach. Die Nachbarn zur Rechten waren verreist. Doch nicht etwa mit dem etwas schwierigen Nachbarn zur Linken? Hoffentlich kam es nicht wieder zu einem Streit! Auch das war typisch für ihre Schwester, einer Auseinandersetzung ging sie nur ungern aus dem Weg. Und ihr schien, als sei Brigitte nach ihren Operationen noch eine Spur aggressiver geworden, noch mehr auf Krawall gebürstet, als sie es ohnehin war.

Doro kam wieder in die Küche und ging zum Kühlschrank. »Ich denke, wir haben nun alles«, sagte sie. »Dann kann ich wohl das Eis rausnehmen?«

Hannah nickte. »Brigitte ist schon im Garten.«

Doro seufzte. »Ich werde unsere kleine Golden-Girls-WG vermissen!« Sie öffnete den Kühlschrank und entnahm dem Kühlfach eine Packung Vanilleeis.

»Dafür siehst du deine Tochter das erste Mal seit drei Jahren wieder und lernst deine kleine Enkelin kennen«, versuchte Hannah sie zu trösten.

»Darauf freue ich mich ja auch. Aber mussten sie ausgerechnet nach Namibia gehen? Weiter weg ging’s ja wohl nicht!«

»Sei froh, dass es nicht Australien ist!«, sagte Hannah trocken. Sie sahen sich an und lachten. Sie fürchtet sich vor der Rückkehr, dachte Hannah, davor, in ein paar Monaten in ein leeres Haus zurückzukommen und Brigitte und mich mehr als sechshundert Kilometer entfernt zu wissen. Das konnte sie gut nachvollziehen. Und manchmal kam sogar ihr selbst die Idee, nur in der Gesellschaft ihrer Schwester nach Sylt zu ziehen, abenteuerlich vor. Aber sie hatte ja noch eine weitere Option … Einen Traum, eine Sehnsucht … Verloren in widersprüchliche Gedanken, zog sie ihre Zigaretten hervor und zündete sich eine...

Erscheint lt. Verlag 27.3.2020
Reihe/Serie Hauptkommissar John Benthien
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte 20. - 21. Jahrhundert • Berg • BRD • Bundesrepublik • DDR • Deutschland • Düne • Ermittler • Eva Almstädt • Familie • Flucht • Fluchtversuch • Fortsetzung • Friesland • Geschwister • Grenze • John Benthein • Krimi • Krimis • Küstenkrimi • Meer • Nordsee • Ostfriesland • Polizei • Serie • Serienkrimi (Serienermittler) • Strand • Strandkrimi • Sylt • Todesstreifen • Urlaubslektüre • Wolf
ISBN-10 3-7325-7820-8 / 3732578208
ISBN-13 978-3-7325-7820-7 / 9783732578207
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