Exodus 9414 - Der dunkelste Tag (eBook)
384 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-491252-3 (ISBN)
Thariot hat eine Schwäche für spannende Geschichten. Bereits als Fünfzehnjähriger begann er mit dem Schreiben, vor allem Kurzgeschichten, bis er dann in 2009 die Arbeit an seinem ersten Buch in Angriff nahm. Mittlerweile hat er über dreißig Science-Fiction-Romane veröffentlicht. Er lebt mit seiner Familie und seinem Dackel auf Malta.
Thariot hat eine Schwäche für spannende Geschichten. Bereits als Fünfzehnjähriger begann er mit dem Schreiben, vor allem Kurzgeschichten, bis er dann in 2009 die Arbeit an seinem ersten Buch in Angriff nahm. Mittlerweile hat er über dreißig Science-Fiction-Romane veröffentlicht. Er lebt mit seiner Familie und seinem Dackel auf Malta.
[...] ideenreicher Autor mit handwerklichem Geschick [...].
I. AD 9414 – Geflüster
Die Vorstellung, einen 6740 Jahre alten Mann zu küssen, störte Jazmin nicht, sie war nur drei Jahre jünger. Ihr biblisch hohes Alter war dabei nur eine grobe Näherung, Mutter, ihrer Bord-KI, fehlten passende Referenzen, um die genaue Zeit zu bestimmen. Also hatte Jazmin vorerst festgelegt, im Jahr 9414 zu leben.
Sanft strich sie Denis durch sein krauses Brusthaar und umspielte mit dem kleinen Finger eine widerspenstige Tolle. Sie lag in seinen Armen. Was konnte es Schöneres geben, als den Abend gemeinsam im Bett zu verbringen? Ein Moment der Ruhe, den sie beide genossen. Wie Milch und Schokolade, der Kontrast ihrer Haut gefiel ihr. Sie streckte ihre Finger aus und beobachtete, wie sich durch ihre sanfte Berührung einzelne Härchen an seinem Bauch aufrichteten. Sie lächelte, ihr Baby würde wunderschön werden.
»Alles in Ordnung?«, fragte Denis, der mit dem Kopf auf dem Kissen lag. Mit jeder Faser seines Körpers dem Moment hingegeben.
»Ja.« Es hätte nicht besser sein können. Nein, das stimmte nicht. Natürlich hätten einige Dinge auf der USS London besser laufen können, eine Menge Dinge sogar. Es hatte viel Leid gegeben, aber für den Moment wollte sie davon nichts wissen.
»Worüber denkst du nach?«
»Nicht darüber …« Mit dem Finger schnippte sie seine zum Spielen bereite Männlichkeit auf die Seite. Für Sex war sie nicht in der richtigen Stimmung.
»Ähm …« Er zog die Decke höher.
»Denis.« Sie hob den Kopf und sah ihn an. »Tun wir das Richtige?« Diese lästige Frage verfolgte sie seit Wochen. War es die richtige Entscheidung zurückzufliegen? Oder hätten sie weiterhin in der großen Schwärze nach ihrem Zielplaneten Alpha Cephei suchen sollen?
»Ganz sicher.« Seine braunen Haare reichten bis zur Schulter, er hatte sie sich wachsen lassen. Er rasierte sich auch nicht jeden Tag. Da sie allein an Bord waren, gab es niemanden, der daran Anstoß nehmen konnte.
»Keine Zweifel?«
»Keine!« Mit dem Finger gab er ihrer Nase einen zärtlichen Stups. »Ich weiß es!«
»Woher?« Jazmin setzte sich auf, sie war komplett nackt, ihre langen weißblonden Haare reichten ihr, als Zopf gebunden, bis zum Bauchnabel. Sie hatte darauf verzichtet, sie zu färben. Diese ungewöhnliche Farbe gehörte jetzt zu ihr, genauso wie ihre dunkle Haut und die vielen schrecklichen Erinnerungen.
»Weil niemand da ist, der das Gegenteil behaupten könnte.« Denis legte die Hand auf ihren Bauch, dessen Wölbung im fünften Monat bereits deutlich zu sehen war. Eine völlig neue Erfahrung, das würde ihr erstes Kind werden.
»Du machst es dir wieder einfach!«
»Natürlich … ich mag’s einfach.« Er beugte sich zu ihr und küsste ihren Bauch. Eine typische Antwort für ihn. Manchmal wäre sie froh, ihr gemeinsames Leben ähnlich unbeschwert sehen zu können.
»Guten Morgen, Prinzessin«, sagte er.
»Sie schläft.« Es würde ein Mädchen werden. Mit ihrem Sturkopf und seinem guten Aussehen, wahrlich eine Prinzessin. Auch wegen des Kindes stellte sie ihre Entscheidungen in Frage.
»Das solltest du auch tun.«
»Ich bin nicht müde.« Da waren zu viele Gedanken, die sie nicht losließen. Die frühere Mission der USS London, das neunundvierzig Lichtjahre entfernte Alderamin-System zu erreichen, war grandios gescheitert. Sie hatten Alpha Cephei nicht finden können. Und sich verflogen. 1400 Jahre lang hatte eine frühere Instanz von Mutter versucht, die richtige Ausfahrt zu finden, und war letztendlich daran zugrunde gegangen. Ein Irrflug mit fatalen Folgen, die übrige Besatzung lebte nicht mehr, und auch das Schiff zeigte bereits gefährliche Abnutzungserscheinungen.
Sogar Denis und sie waren bereits gestorben. Nur hatten sie dank modernster Technologie in den Körpern ihrer Klone eine neue Chance bekommen. Mit an Bord befanden sich, neben im Kälteschlaf befindlichen Klonen von ebenfalls während der aufreibenden Ereignisse verstorbenen Besatzungsmitgliedern, auch drei Millionen Embryonen, ihre wichtigste Fracht, für deren Überleben Jazmin weitere Entbehrungen in Kauf nehmen würde.
»Jaz, bist du überhaupt bei mir?« Denis wedelte mit der Hand vor ihrem Gesicht umher.
»Ähm … ja.« Sie war gerade abgeschweift. Er hatte recht, sie sollte sich nicht solche Sorgen machen.
»Hör auf, dir laufend den Kopf zu zerbrechen …« Denis lehnte sich zurück und zog sie zu sich heran. Den Kopf auf seine Brust zu legen, seinem Herzschlag zu lauschen, gemeinsam mit ihm zu atmen, beruhigte sie.
Verdammt, sie waren bereits ewig unterwegs und wussten noch nicht einmal, wann sie auf der Erde eintreffen würden! Wenn sie überhaupt jemals dort ankommen sollten. Die Navigation war ein Albtraum. Das Weltall, scheißgroß, wie es war, war weder leer, noch gab es halbwegs brauchbare Routen. Die USS London schaffte eine Reisegeschwindigkeit von 0.44 c, das war beinahe halb so schnell wie das Licht. Sie glich einem superschicken Sportwagen, der dafür gebaut worden war, rasend schnell über eine spiegelglatte Straße zu gleiten. So oder so ähnlich mussten die Architekten des Schiffs sich das All vorgestellt haben. Sie hätten damit nicht falscher liegen können.
Es gab ultraheiße Gase, ähnlich schnelle Partikel, Meteoriten und gravitative Schlaglöcher, in der Größe des heimischen Sonnensystems. Von jedem Punkt im Universum sah der Rest völlig anders aus. Deshalb waren die Sternenkarten von der Erde nicht zu gebrauchen. Gravitation änderte alles. Ein Lichtstrahl, den ein entferntes Sonnensystem zur Erde entsandte, wurde durch andere Systeme, Schwarze Löcher und die enormen Entfernungen derart gekrümmt, dass er eher einer verknoteten Schlange glich.
»Du grübelst ja immer noch!«
»Woher willst du das wissen?«
»Ich kenne dich … du bist keine gute Schauspielerin.« Das stimmte. Er kannte sie wirklich. Vermutlich war Jazmin auch nicht schwer zu durchschauen.
»Ich mache mir Sorgen …«
»Worüber?«
»Über unsere Zukunft.« Welche Frau in ihrer misslichen Lage würde das nicht tun?
»Wir sind zusammen. Uns geht es gut. Der Kühlschrank ist gefüllt. Bier gibt es auch noch. Das Schiff fliegt mehr oder weniger geradeaus. Und unsere Tochter braucht eine Mutter, die zuversichtlich ist!« Denis war ein pathologischer Berufsoptimist.
»Du hast recht …«
»Als ob dir das reichen würde … los spuck es aus! Wo drückt dich der Schuh?«
»Hab keinen an.« Mit einem Lächeln hob sie ihr nacktes Bein.
»Jaz! Ich meine das bitterernst!«
»Ich auch … was ist, wenn wir nie ankommen? Wenn Mutter die Erde nicht finden kann und wir ewig weitersuchen?«
»Wäre schlimm, oder?«
»Ja!«
»Dann würden wir auf dem Schiff alt werden, unsere Kinder großziehen und in vielleicht fünfzig, sechzig Jahren sterben.«
»Denis!«
»Wäre das so schlimm?« Denis war Techniker und alles andere als dumm. Sie war froh, ihn zu haben, auch wenn ihr sein penetranter Optimismus manchmal auf den Geist ging.
»Hält das Schiff überhaupt so lange?«
»Wenn du nicht wieder Beulen reinfliegst!«
»Blödmann!«
»Ich werde unsere Tochter mit einem Schraubenzieher in der Hand erziehen. Sie wird die britische Lady in Schuss halten, wenn ich es nicht mehr kann.«
»Wir können neue Leben leben …« Und dabei ihr Bewusstsein behalten. Genauso wie sie ihre ersten Tode überstanden hatten.
»Aber das möchte ich überhaupt nicht. Ich möchte alt werden dürfen und irgendwann das alles meinen Kindern überlassen. Dann bin ich aus der Nummer raus.«
»Kindern?«
»Klar!«
»Du bist verrückt!«
»Eins reicht mir nicht!« Er lachte und küsste sie.
»Ich störe nur ungern«, erklärte Mutter, ihre Bord-KI, über den Lautsprecher.
»Dann lass es!« Denis rollte sich auf die Seite.
»Es ist wichtig.«
»Wie wichtig?«, fragte Jazmin, die den Ernst in Mutters Stimme zu deuten wusste. Sie und die KI verband so viel mehr, als die Absicht, die USS London sicher zurück zur Erde zu bringen. Sie vertraute der KI bedingungslos.
»Eine gefährliche Notlage. Ein unbekanntes Objekt, der Größe nach ein 500 Kilogramm schwerer Meteorit, fliegt auf uns zu.«
Jazmin war hellwach. Natürlich hatte Mutter sie stören müssen. »Zeit bis zum Einschlag?«
»Vier Minuten, drei Sekunden. Ich habe den Brocken vor 37 Sekunden geortet.«
»Und was ist das Problem?«, fragte Denis. »Du kannst dem Steinklumpen doch ausweichen oder ihn in handliche kleine Stücke schießen!«
»Das ist richtig.«
»Und?«
»Ich habe die Hochenergiegeschütze aktiviert, wir haben drei Salven abgeschossen, und wir haben dreimal verfehlt.«
»Wie bitte?«, fragte Denis.
»Das Waffenleitsystem verfehlt nie sein Ziel …«, sagte Jazmin und dachte nach. Wenn alles auf der USS London so zuverlässig funktionieren würde wie die Laserkanonen und die Railguns, hätten Denis und die Reparaturdrohnen, die ihm halfen, erheblich weniger zu tun.
»Das war bisher so. Jetzt ist es anders. Ich habe den Verdacht, dass die Zielerfassung bei diesem besonderen Meteoriten Probleme mit dessen Zusammensetzung hat. Die Sensoren zeigen unterschiedliche Ergebnisse an. Bei einer Messung ist es ein massiver Ferritklumpen, bei...
Erscheint lt. Verlag | 26.8.2020 |
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Reihe/Serie | Exodus | Exodus |
Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Science Fiction |
Schlagworte | Generationenraumschiff • Hard SF • Harte Science Fiction • Künstliche Intelligenz • Science-fiction • Science Fiction • science fiction bestseller • science fiction thriller • Sci Fi • SF Buch • Space Thriller • Weltraum • Zukunftsroman |
ISBN-10 | 3-10-491252-1 / 3104912521 |
ISBN-13 | 978-3-10-491252-3 / 9783104912523 |
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