Kult-Kanzler Kreisky -  Christoph Kotanko

Kult-Kanzler Kreisky (eBook)

Mythos und Mensch
eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
196 Seiten
Verlag Carl Ueberreuter
978-3-8000-8201-8 (ISBN)
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Vor fünfzig Jahren, am 1. März 1970 erzielte die SPÖ unter Bruno Kreisky bei der Nationalratswahl die relative Mehrheit. Kreisky bildete eine Minderheitsregierung. Damit begann eine Ära, die 13 Jahre dauern und Österreich tief verändern sollte. Als Kanzler ist er mehrfacher Rekordhalter: Keiner vor oder nach ihm wurde so spät im Leben Regierungschef, niemand blieb so lange im Amt, keiner gewann so viele Wahlen hintereinander. Vor dreißig Jahren, am 29. Juli 1990 starb Bruno Kreisky. Wer war dieser Mann? Worin bestand seine Macht, sein Mythos? Christoph Kotanko, der 'Doyen des innenpolitischen Qualitätsjournalismus' (so das Magazin 'Trend'), hat zahlreiche Gespräche mit den engsten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geführt und beschreibt informativ und kritisch die Kultfigur Kreisky.

Christoph Kotanko, geboren 1953 in Oberösterreich, studierte in Wien und Paris. Innenpolitischer Journalist bei 'Wochenpresse' und 'Profil', 'Kurier'-Chefredakteur 2003 bis 2010, seither Wien-Korrespondent der 'OÖ Nachrichten'. Drei Mal 'Chefredakteur des Jahres'. Ausgezeichnet mit dem Kurt-Vorhofer-Preis. Innenpolitischer Journalist des Jahres 2019 und Offizier des Verdienstordens der Französischen Republik.

Christoph Kotanko, geboren 1953 in Oberösterreich, studierte in Wien und Paris. Innenpolitischer Journalist bei "Wochenpresse" und "Profil", "Kurier"-Chefredakteur 2003 bis 2010, seither Wien-Korrespondent der "OÖ Nachrichten". Drei Mal "Chefredakteur des Jahres". Ausgezeichnet mit dem Kurt-Vorhofer-Preis. Innenpolitischer Journalist des Jahres 2019 und Offizier des Verdienstordens der Französischen Republik.

Einleitung


Es war 1970, unmittelbar nach der Angelobung der neuen Regierung durch Bundespräsident Franz Jonas, als Bruno Kreisky seine erste Pressekonferenz als Bundeskanzler gab. Kurt Vorhofer, der langjährige Wien-Korrespondent der Grazer Kleinen Zeitung, fragte den Regierungschef: „Herr Bundeskanzler, was erfüllt Sie eigentlich am heutigen Tag?“ Er erwartete, dass die Antwort ungefähr lauten würde: „Ja, ich trage gern Verantwortung. Die Verantwortung, das ist für mich das Schönste.“ Kreiskys Antwort war: „Mut und Lust.“ Mit diesen unverzichtbaren Eigenschaften aller Spitzenleute prägte Kreisky in den folgenden Jahren Österreich.

Mut bewies er etwa, als er das größte Volksbegehren der Zweiten Republik gegen das Wiener Konferenzzentrum links liegen ließ und Wien zum UNO-Standort machte – eine richtige, richtungweisende Entscheidung. Heute hat das Austria Center Vienna die Adresse Bruno-Kreisky-Platz 1.

Wie viel Lust er an der Politik hatte, verbarg er nie. Schon 1954, noch als Staatssekretär im Außenministerium, verkündete er bei einer Rede vor Diplomaten in Kleßheim: „Diese Formaldemokratie genügt ja nicht. Man muss die gesamte Gesellschaft mit Demokratie durchfluten lassen“ (eine ähnliche Formulierung wählte viel später der SPD-Politiker Willy Brandt).

Regieren, so sagt sein langjähriger Kabinettschef Alfred Reiter, war für ihn keine Management-Aufgabe, sondern ein künstlerischer Akt. „Es war ein Stück, an dem dauernd gearbeitet worden ist.“ Das ist einer der Unterschiede zwischen Bruno Kreisky und Sebastian Kurz: Der ÖVP-Obmann sieht nach eigener Aussage die Politik in erster Linie als Management-Handlung.

Auf Kreisky passte der Ausspruch des deutschen Staatsmannes Otto von Bismarck (1815–1898), der einst formuliert hatte: „Die Politik ist keine Wissenschaft, wie viele der Herren Professoren sich einbilden, sondern eine Kunst.“

Für den Chronisten Vorhofer war Kreisky „wie eine Laune der Natur. Von seiner Talentausstattung könnte ein halbes Dutzend tüchtiger Politiker bequem leben.“ 13 Jahre lang stand er an der Spitze einer Alleinregierung, wurde nach der relativen Mehrheit 1970 drei Mal mit absoluter Mehrheit wiedergewählt – ein auch im internationalen Vergleich rarer Vorgang. „Niemand außer ihm hätte es geschafft, in den 1970er-Jahren den noch stark und hauptsächlich im Arbeitermilieu verhafteten ‚Roten‘ jene geistige Hegemonie zu verschaffen, die sie heute wieder verloren haben“, schrieb Peter Pelinka in seinem Überblick über die österreichischen Bundeskanzler.

Die Rezession der 1970er-Jahre und den Ölpreisschock bekämpfte er mit dem „Austro-Keynesianismus“. Oberstes Ziel war die Vollbeschäftigung – auch wenn die Staatsverschuldung stieg (allerdings hätte Österreich in Kreiskys ersten Regierungsjahren locker die Maastricht-Kriterien erfüllt, von 1970 bis 1974 gab es noch gesamtstaatliche Budgetüberschüsse).

Ganz oben auf seiner Agenda standen die Bildungspolitik (Gratisschulbücher, Schülerfreifahrt), die Aussöhnung mit der katholischen Kirche und die Strafrechtsreform. Der Republik bescherte er die längst fällige Öffnung im Inneren, aber auch jene zur Außenwelt.

Das war natürlich nicht exklusiv seine Leistung. Die Strafrechtsreform war überwiegend Christian Brodas Werk, die zeitgemäße Universitätsorganisation wesentlich Herta Firnbergs Verdienst, die Finanzpolitik die Domäne von Hannes Androsch. Das Arbeitsverfassungsgesetz wurde von Anton Benya mit Rudolf Sallinger ausgehandelt; Kreisky hatte freilich rasch erkannt, dass der wichtigste Schritt zur industriellen Demokratie seit dem Betriebsrätegesetz jede Unterstützung verdiente und international ein Vorbild sein konnte. Seine geistige Geografie war beeindruckend. Bruno Kreisky ist heute für politisch Interessierte aus allen Lagern eine Art säkularer Heiliger. Er war ein Solitär, eigentlich zu groß für das Land.

US-Präsident Jimmy Carter zollte ihm 1975 „den höchsten Respekt“ und nannte ihn einen bedeutenden internationalen Staatsmann. Senator Edward Kennedy sagte: „Kreiskys Mut und seine Hingabe an die Sache der Humanität haben uns alle inspiriert.“ Für den ägyptischen Staatspräsidenten Anwar el-Sadat war er „der beste Mann für alles“. Und der populäre deutsche Sozialdemokrat Helmut Schmidt (der ihm nicht immer zugetan war) sagte über Kreisky: „Er hatte wahrscheinlich einen besseren Überblick über die Welt als De Gaulle oder dessen Nachfolger Pompidou und einen viel besseren als irgendeiner der amerikanischen Präsidenten, die ich gekannt habe. Denn Kreisky hatte immer die Geschichte sowohl der europäischen Staaten als auch der ganzen Welt im Hinterkopf.“

Er selbst gab sich bei diesem Thema bescheiden. Für Österreich wolle er keinesfalls eine Brückenfunktion zwischen Ost und West reklamieren, sagte er 1975. „Derartiges anzustreben hieße, außenpolitisch über unsere Verhältnisse leben zu wollen. Wir müssen unsere Begrenzung erkennen und uns vor jeder Romantisierung unserer Position in Mitteleuropa hüten.“

Über die Ära Kreisky, die von seiner Wahl zum SPÖ-Vorsitzenden 1967 bis zum Rücktritt als Bundeskanzler 1983 dauerte, wurde schon viel gesagt und geschrieben. Immer wieder werden Neuerscheinungen vorgelegt. Ab 1986 wurden seine Erinnerungen publiziert („Zwischen den Zeiten“, „Im Strom der Politik“, „Der Mensch im Mittelpunkt“); es gibt Biografien, Gesprächsaufzeichnungen, Sammelwerke, thematisch fokussierte Studien (z. B. „Kreisky und die Südtirol-Frage“, „Bruno Kreisky und die österreichische Automobilindustrie“), wirtschaftspolitische Abhandlungen, kommentierte Bildbände, Schallplatten, Videos, Witze- und Anekdotensammlungen, sein Gefängnistagebuch, Karikaturenbücher, Dokumentarfilme sowie publizistische Sammelklagen über angeblich fehlende Nachfolger.

Das vorliegende Buch, das zum 50. Jahrestag von Kreiskys Kanzlerschaft und zu seinem 30. Todestag erscheint, erhebt nicht den Anspruch, den „kompletten Kreisky“ abzubilden. Dazu gibt es etwa die Biografie von Wolfgang Petritsch, der in der zweiten Hälfte von Kreiskys Amtszeit (1977–1983) dessen Sekretär war, oder von Heinz Fischer „Die Kreisky-Jahre 1967–1983“.

Dieser Text ist eine Einladung, Kreisky wieder oder neu zu entdecken: Kreisky für die Mausklick-Generation. Das Buch richtet sich also nicht vorrangig an ein Fachpublikum von Zeithistorikerinnen und Zeithistorikern oder Politologinnen und Politologen, sondern vor allem an jene Bürgerinnen und Bürger, die Kreisky nicht oder kaum mehr in Erinnerung haben. Ihre Zahl wächst. Jüngere mögen mit ihm die Rockband assoziieren, die seinen Namen trägt.

Das Buch basiert auf sechs Grundgedanken:

Erstens: Kreisky ist der einzige Bundeskanzler, der in der Monarchie wurzelte, die Erste und die Zweite Republik miterlebte bzw. mitbestimmte und der durch sein Werk ins 21. Jahrhundert herüberragt. Mit 4781 Tagen Amtszeit ist er der längstdienende Kanzler der Zweiten Republik.

Zweitens: Kein Kreisky ohne Josef Klaus. Der ÖVP-Bundeskanzler hatte Österreichs Reformdefizite erkannt und für seinen Nachfolger eine tragfähige wirtschaftliche Basis gelegt; Klaus ist zu Unrecht vergessen, auch in seiner Partei.

Drittens: Kreisky machte sich 1967 selbst zum SPÖ-Vorsitzenden; seine größte Stärke war immer, dass er nie von der Partei abhing.

Viertens: Er war der klügste Regierungschef, den Österreich je hatte.

Fünftens: Er hatte und machte Fehler.

Sechstens: Dass heutige Spitzenpolitiker anderer Parteien ihn vereinnahmen, beweist seine zeitlose Wirkung.

Der Band schöpft auch aus mancher bisher vernachlässigten Quelle und zeigt die Feinmechanik von Kreiskys Führung nach der Übernahme des Parteivorsitzes und später der Kanzlerschaft. Die Gespräche mit engsten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die ihn viele Jahre lang begleiteten, können als Zeitdokumente gelten. Es sind naturgemäß subjektive Deutungen, doch sie geben eine bemerkenswerte Innensicht wieder.

Das Spektrum reicht von den Erinnerungen der persönlichen Assistentin Margit Schmidt über den Bericht des Kabinettschefs Alfred Reiter bis zu den Erzählungen von Ernst Braun, der in der Hausverwaltung des Bundeskanzleramts beschäftigt war und sich um die effektvollen Inszenierungen des Regierungschefs kümmerte. Der legendäre Journalist Hugo Portisch schildert die verschiedenen Facetten Kreiskys aus seiner Wahrnehmung.

Damit beschreibt das vorliegende Buch den Jahrhundertpolitiker auch von seiner menschlichen und allzu menschlichen Seite; das Anekdotische, Alltägliche gehört zum Bild des...

Erscheint lt. Verlag 20.2.2020
Verlagsort Wien
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Ära Kreisky • Sonnenkönig • Sozialdemokratie • SPÖ
ISBN-10 3-8000-8201-2 / 3800082012
ISBN-13 978-3-8000-8201-8 / 9783800082018
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