Gerecht ist nur der Tod (eBook)

Kriminalroman
eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
320 Seiten
dtv Deutscher Taschenbuch Verlag
978-3-423-43678-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Gerecht ist nur der Tod -  Judith Bergmann
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»Ein außergewöhnlicher Mord bedeutet einen außergewöhnlichen Mörder.« Vor den Augen der Gäste wird ein prominenter Kölner Unternehmer auf dem Weg zum Traualtar erschossen. Hauptkommissar Schellenberg und sein Team werden bei ihren Ermittlungen von der Psychologin Ina Reich begleitet. Auf Wunsch der Polizeibehörde soll sie die seelische Belastung der Kripomitglieder untersuchen. Aber nicht jeder im Team heißt Ina willkommen. Kommissarin Bulut bespitzelt die stille Beobachterin, die immer mehr Mühe hat, ein sorgsam gehütetes Geheimnis aus ihrer Vergangenheit vor der Aufdeckung zu bewahren. Als zum Entsetzen aller einer aus den eigenen Reihen in den Kreis der Verdächtigen gerät, erscheint plötzlich alles bisher sicher geglaubte in einem ganz anderen Licht.

Judith Bergmann ist das Pseudonym einer international erfolgreichen Bestsellerautorin. Ursprünglich wollte sie Gärtnerin, Goldschmiedin oder Holzbauerin werden. Das große Interesse an den Menschen, ihren Gefühlen und Motivationen gewann dann aber doch die Oberhand. Die Autorin lebt vom Schreiben und übt alle möglichen Handwerke nur noch in ihrer Freizeit aus.

Judith Bergmann ist das Pseudonym einer international erfolgreichen Bestsellerautorin. Ursprünglich wollte sie Gärtnerin, Goldschmiedin oder Holzbauerin werden. Das große Interesse an den Menschen, ihren Gefühlen und Motivationen gewann dann aber doch die Oberhand. Die Autorin lebt vom Schreiben und übt alle möglichen Handwerke nur noch in ihrer Freizeit aus.

Samstag, 12. Mai,
15:00 –16:00 Uhr


Bei meinem Eintreffen war der Bereich um St. Maria im Kapitol bereits weiträumig abgesperrt, eine Menge von deutlich über hundert Schaulustigen drängte sich hinter dem Absperrband. Die Anzahl der Gaffer überraschte mich nicht, hatten doch viele schon vor dem Mord auf Reimer gewartet. Nicht, um ihn sterben zu sehen, sondern, um einen Blick auf ihn selbst und seine illustren Gäste zu erhaschen und hinterher als Augenzeugen von der glamourösesten Hochzeit des Jahres erzählen zu können. Hajo Reimer, siebenunddreißig Jahre alt, erfolgreicher Unternehmer, schillernde Figur der örtlichen High Society und bis vor wenigen Minuten der vermutlich begehrteste Junggeselle der Stadt, war auf dem Weg zum Traualtar erschossen worden.

Außer Atem blieb ich in der zweiten Reihe hinter dem rot-weißen Absperrband stehen, dessen Wirksamkeit von einer Handvoll uniformierter Polizisten überwacht wurde. Vor mir standen einige Kolleginnen und Kollegen, sowohl Bild als auch Text, aber ich machte mich nicht bemerkbar, sondern schluckte unauffällig eine Tablette.

Das Zittern meiner Hände ließ nach.

Jenseits des Flatterbandes stieg die neue Freitreppe der romanischen Kirche empor, in der die Hochzeit hatte stattfinden sollen. Reimers Leiche lag am oberen Ende der Treppe und war aus dieser Perspektive gerade noch sichtbar. Details konnte ich nicht erkennen. Braut und Gäste wurden im Kirchenraum seelsorgerisch betreut, wie ich den Bemerkungen der Umstehenden entnehmen konnte.

Für einen Moment öffnete ich meinen Schutzwall und gestattete mir, die Gefühle der Menschen um mich herum wahrzunehmen. Die Stimmen, die ich hörte, klangen betroffen, erschüttert oder sensationslüstern. Die Gründe, warum die Leute noch hier standen, waren sicher ebenso verschieden wie ihre Emotionen. Einige blieben in der Nähe anderer Menschen, um mit dem grausamen Erleben nicht allein zu sein. Ihnen half auch der Auftritt der Kripo, die kam, um wieder Ordnung zu bringen in eine Welt, die durch den Gewaltakt in Unordnung geraten war. Vermutlich machten sich die wenigsten klar, dass die Kripo auch durch die Aufklärung eines Verbrechens die Tat nicht rückgängig machen, die Ordnung also nicht wiederherstellen konnte. Diese grausame Erkenntnis blieb den Betroffenen vorbehalten. Einige Schaulustige, die aus Sensationsgier blieben, wollten die Leiche sehen und aus erster Hand erfahren, was die Ermittler am Tatort entdeckten. Mit etwas Glück würden sie ein Detail aufschnappen, mit dem sie abends bei Freunden, Bekannten oder Sportkameraden angeben konnten. Die unterschiedlichen Reaktionen unbeteiligter Zeugen eines Gewaltverbrechens waren ein interessantes Forschungsgebiet und gäben Stoff für eine ganze Reihe guter Artikel her, waren aber heute nicht mein Thema.

Ich wandte meine Aufmerksamkeit den Ermittlern zu.

Die Leute von der Spurensicherung waren an ihren weißen Overalls gut als solche zu erkennen. Gleichzeitig bot ihnen der Überzug Anonymität, denn es war unmöglich, einzelne Personen zu erkennen. Ob sie selbst das so empfanden, fragte ich mich kurz, oder ob sie fluchten, weil sie an diesem schwül-warmen, sonnigen Tag in den hoch geschlossenen Kapuzenanzügen schwitzten? An ihren Bewegungen war die Antwort nicht abzulesen, sie gingen konzentriert ihrer Arbeit nach.

Nur einige wenige der Menschen am Tatort waren in Zivil. Schellenberg, mit seiner stattlichen Größe von gut eins fünfundachtzig war leicht erkennbar. Ich überlegte, ob ich ihn auf mich aufmerksam machen sollte, entschied mich aber dagegen, da die Angehörigen meiner Zunft um mich herum begannen, das Geschehene zu kommentieren.

»Dass der Reimer sich im letzten Moment vor der Ehe drückt, wundert mich nicht«, lästerte eine junge Frau, »aber dass er diesen Weg wählt, hätte ich ihm nicht zugetraut.«

Sie erntete Gelächter.

»Ich habe um einen Kasten Bier gewettet, dass er heute Abend noch Single ist«, sagte ein anderer. »Auch ein toter Single ist ein Single, oder? Also habe ich gewonnen.«

»Sein Vater soll ihn zur Ehe gezwungen haben, sonst wollte er ihm seine Anteile am Unternehmen nicht überlassen«, wusste ein Dritter beizusteuern. »Reimer sollte heiraten, damit die Weiber in der Firma sich endlich auf ihre Arbeit konzentrieren und nicht immer nur versuchen, den Chef zu vögeln.«

»Als ob ein Ehering die Weiber davon abgehalten hätte.«

»Oder Reimer!«

Die Meute prustete los.

Dieselben Leute würden später am Tag ergreifende Nachrufe verfassen, in denen sie Hajo Reimer als den erfolgreichen Unternehmensretter darstellten, der er zweifellos gewesen war. Sie würden seine meist erwiderte Zuneigung zum weiblichen Geschlecht nicht ganz aussparen, aber gewiss deutlich zurückhaltender formulieren. Und sie würden seine geplante Trauung als Beweis dafür anführen, dass er mit dem wilden Leben abgeschlossen und sich jetzt ganz der Treue zu seiner Frau verschrieben hatte. Insgeheim jedoch hofften sicher alle, dass die Mordermittlung eine andere Seite von Reimer ans Licht brächte, die man der schockierten Öffentlichkeit häppchenweise enthüllen und in kleinen Schritten zum Skandal aufbauschen könnte. Aus dem Gesellschaftsteil auf die Titelseiten – grandios.

Zu dieser Art von Journalismus hatte ich immer den größtmöglichen Abstand gewahrt.

Schellenberg kam mit mehreren Spurensicherern und einer Frau in Zivil die Treppe hinunter, entdeckte mich hinter der Absperrung, machte dem Uniformierten vor mir ein Zeichen, mich durchzulassen, und kam mir entgegen. Er war ähnlich gekleidet wie bei unserem ersten Treffen zwei Monate zuvor: schwarze Jeans und eine Art Safarijacke in Kastanienbraun, darunter ein Freizeithemd mit hellgrünen Streifen. Wäre ich ihm unvoreingenommen begegnet, hätte ich eher auf Erdkundelehrer als auf Kriminalermittler getippt. Sein Bauchansatz hielt sich in Grenzen, das kurze, ehemals schwarze Haar war an den Schläfen völlig grau, ansonsten unentschieden. Ein Dreitagebart hätte gut zur Kleidung gepasst, aber Kriminalhauptkommissar Schellenberg war klassisch glatt rasiert. Ich schätzte ihn auf Anfang bis Mitte fünfzig. Die seelischen Belastungen seines Berufes hatten den Schultern die Spannkraft genommen. Zumindest wirkte er so, denn sein Körperbau zeugte von besseren Tagen, vielleicht sogar von einer athletischen Vergangenheit. In wenigen Jahren würde er deutlich älter wirken, als er war. Falls er so lange durchhielt.

Die Pressemeute ließ mich notgedrungen vorbei.

»Backstage-Besuch am Tatort«, murmelte Andreas vom Stadtanzeiger.

»Willst du der Leich’ ins Auge blicken, musst du erst die Kripo ficken«, reimte Ulf, der für das auflagenstärkste Schmierblatt der Region schrieb. Aufgrund der unterentwickelten lexikalischen Fähigkeiten seiner Leserschaft musste er in den wenigen Textzeilen, die seine Herausgeber ihm gewährten, weit hinter seinen sprachlichen Möglichkeiten bleiben, weshalb er sie gern im Umgang mit Kollegen auslebte. Ich hatte großes Verständnis für seinen stetig wachsenden Frust über den Schwachsinn, den sein Chefredakteur von ihm verlangte, und glaubte, dass er eigentlich ein netter Kerl war. Allerdings kannte ich ihn nicht gut genug, um beurteilen zu können, ob diese Einschätzung stimmte. Ich wich seinem Blick aus und bückte mich unter dem Flatterband durch.

Schellenberg musste einige der Bemerkungen gehört haben, ignorierte sie aber ebenso wie ich selbst. Die Konzentration aufs Wesentliche war mir bereits bei unserem ersten Treffen im Büro des Polizeipräsidenten positiv aufgefallen.

»Ein Schuss.« Sein Händedruck war warm und fest, meiner feuchtkalt, aber er zeigte keine Reaktion. »Mitten ins Herz. Sehr professionell. Wollen Sie ihn sehen?«

Ich nickte. Natürlich. Dafür war ich hier. Ich wollte alles sehen, was die Mordkommission sieht, alles hören, was sie hört. Ich wollte alle Gedanken erfahren, die die Ermittler denken, alle Gefühle, die sie zulassen, und auch solche, die sie unterdrücken, weil sie sonst nicht leben können mit ihrem Job. Ich wollte wissen, ob ihre Ermittlungsstrategie auf Fakten basiert oder auf Intuition, wollte dabei sein, wenn sie Zusammenhänge erkennen, und Schlüsse ziehen, wenn die Ermittlung einen Durchbruch erzielt oder eine viel versprechende Spur sich als Sackgasse erweist. Ich wollte wissen, wer die Männer und Frauen sind, die diese Arbeit machen. Was sie antreibt, was sie berührt, was sie frustriert. Den Druck spüren, der auf ihnen liegt. Alles, einfach alles wollte ich über diese Ermittlung in Erfahrung bringen und aufschreiben.

Das war der Auftrag.

Ich folgte Schellenberg die Freitreppe hinauf. Reimer lag vor der Kirche auf dem Rücken. Seine Gesichtszüge waren entspannt, die Augen geschlossen. Außergewöhnlich war nur die Tatsache, dass kein Lächeln auf seinem Gesicht lag. Kein jungenhaftes, draufgängerisches, siegessicheres, zynisches, eroberndes oder spöttisches Lächeln. So ernst hatte die Öffentlichkeit Hajo Reimer nie zuvor gesehen.

Jackett, Weste und Hemd des Mordopfers waren aufgeknöpft, aber wieder ordentlich übereinandergelegt worden. Hatte man Wiederbelebungsversuche unternommen? Vielleicht klebte unter der Kleidung sogar noch eine Elektrode auf seiner Haut. Sanitäter, oft noch vor der Polizei am Tatort eines Verbrechens, taten alles Mögliche, wenn Angehörige herumstanden, die um Hilfe bettelten, sich an eine verzweifelte Hoffnung klammerten, selbst dann, wenn es keine mehr gab.

Der Einschuss war erst auf den zweiten Blick zu erkennen, das Eintrittsloch hob sich kaum vom dunklen Stoff des Anzugs ab. Die Weste verdeckte den Blutfleck auf dem Hemd fast vollständig, aber eben...

Erscheint lt. Verlag 21.2.2020
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Ermittler Krimi • Feriencamp Buch • Frankreich • Köln • Köln Krimi • Krimi • Mord • Morddelikt • Mordserie • Nordrhein-Westfalen • Psychologin • Rache • Racheplan • Serienkiller • Vergewaltigung Buch
ISBN-10 3-423-43678-6 / 3423436786
ISBN-13 978-3-423-43678-6 / 9783423436786
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